Die
Anschläge von Paris — Wie Europas Politik den Terror für
sich nutzt
Geschrieben von Ernst Wolff, Veröffentlicht: 21. November 2015
Geschrieben von Ernst Wolff, Veröffentlicht: 21. November 2015
Seit
den Ereignissen von Paris arbeitet die politische
Elite in Europa im Hochleistungsmodus. Nicht, dass sie etwa
innehalten und sich Zeit nehmen würde, um über die
Hintergründe der Terroranschläge
nachzudenken, ihre Ursachen zu analysieren oder gar eine
Strategie zu entwickeln, um weiteren Anschlägen
auf die eigene Bevölkerung durch eine Deeskalation
vorzubeugen.
Nein, ganz im Gegenteil: Frankreich bombardiert den souveränen Staat Syrien mit noch größerer Intensität und setzt auch im Landesinneren auf schärfere Gesetze und die Ausweitung staatlicher Gewalt. Die Regierungen der übrigen Euroländer haben keine Sekunde gezögert, dieser Strategie blind zu folgen, ebenfalls demokratische Rechte einzuschränken und die Aufrüstung von Militär und Polizei anzukündigen.
Die Folge: Der Terrorismus wird nicht eingedämmt, sondern nach Kräften gefördert. Die Gegenseite wird zu noch schlimmerer Gewalt provoziert, es werden in Zukunft weitere unschuldige Opfer sterben. Warum aber handeln die Regierungen auf eine derart unverantwortliche Art und Weise? Dafür gibt es eine Reihe von Gründen:
Durch die Bekämpfung eines äußeren Feindes lässt sich gut von der eigenen Verantwortung für die bestehenden Verhältnisse ablenken. Europa befindet sich seit 2008 in immer größeren wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten, die derzeit durch die Flüchtlingskrise, die weltweite Rezession und die Rückkehr der Eurokrise verschärft werden. Keines der seit 2008 bestehenden Probleme (u.a. die Eindämmung der Spekulation, die Regulierung der Finanzmärkte oder die Verringerung der Jugendarbeitslosigkeit) ist gelöst oder auch nur ernsthaft in Angriff genommen worden. In dieser Situation kommt der Politik der Kampf gegen den islamistischen Terror radikal und militanter fundamentalistischer Ausprägung als Ablenkungsmanöver sehr gelegen.
Außerdem dienen die Maßnahmen gegen den IS der Vorbereitung auf größere soziale Konflikte im Inneren. Insbesondere Frankreich steht wegen der Eurokrise unter zunehmendem wirtschaftlichem Druck. Um seine Konkurrenzfähigkeit am Weltmarkt zu erhöhen, muss das Land demnächst Sozialleistungen einschränken, Arbeitsgesetze ändern und Löhne senken (In Deutschland bereits durch die Agenda 2010 geschehen). All diese Maßnahmen werden wegen der schon bestehenden sozialen Ungleichheit im Lande erheblichen sozialen Widerstand hervorrufen, der dann unter Zuhilfenahme der jetzt beschlossenen Einschränkungen des Versammlungsrechts, der erweiterten Überwachung des Internets und der Ausweitung polizeilicher und militärischer Befugnisse unterdrückt werden kann.
Auch die übrigen Länder der Eurozone stehen vor gewaltigen sozialen Problemen: Die jüngsten Massendemonstrationen in Griechenland sind nur der Auftakt. Die Erleichterung von Zwangsräumungen, die weitere Kürzung der Renten und Sozialleistungen, sowie erneute Steuererhöhungen werden in den kommenden Monaten zu noch größeren und heftigeren Protesten führen und können als Vorboten auf die Entwicklung in den anderen südlichen Ländern der Eurozone gesehen werden.
Zudem erzeugt die Politik derzeit in Gemeinschaft mit den Mainstreammedien ganz bewusst ein Klima der Hysterie und schafft mit dem IS einen Sündenbock, der ihr hilft, die Wut und die Verzweiflung bildungsferner Schichten in der Bevölkerung zu kanalisieren. Viele Menschen sind nicht in der Lage, politische oder wirtschaftliche Zusammenhänge zu durchschauen und schon gar nicht fähig, kritisch zu differenzieren. Da sie aber am eigenen Leib spüren, wie es sich anfühlt, zu den Verlierern unserer Gesellschaft zählen, greifen sie gern auf griffige Konzepte zurück und vermengen diese mit einem – durch die eigene soziale Benachteiligung erzeugten – Fremdenhass.
Die Manipulation durch Politik und Medien sorgt dafür, dass sich die Wut dieser Menschen nicht gegen die eigentlichen Verursacher ihrer Misere – die Politik und die Finanzindustrie – richtet, sondern gegen das fremde „Böse“. Dadurch entsteht aber auch ein gesellschaftliches Klima, das nationalistische und rechtsextreme Organisationen begünstigt und politischen Brandstiftern den Weg bereitet. (Ein Beispiel: Marine Le Pen, Vorsitzende des rechtsradikalen französischen Front National (FN), sagte nach den Attentaten von Paris, Frankreich müsse sich wieder bewaffnen, seine Grenzen permanent kontrollieren, Muslimen den Pass entziehen, und den radikalen Islam „auslöschen“.)
Schließlich werden die Terroranschläge von den Regierungen auch noch dazu benutzt, um schwindende Wirtschafts– und Finanzmacht durch militärische Stärke wettzumachen. Ziel ist es, sich angesichts der weltweiten Rezession für den Kampf um Ressourcen und die Besetzung geostrategischer Positionen in Stellung zu bringen. Frankreich hat bereits zwei Tage nach den Anschlägen verstärkt Luftangriffe gegen den IS in Syrien geflogen.
Deutschland, das Ende der Neunziger Jahre im ehemaligen Jugoslawien zum ersten Mal seit dem Fall des Dritten Reiches an einem Krieg teilgenommen hat, ist seit einiger Zeit bemüht, das Mittel des Krieges – das wegen der historischen Erfahrungen der Bevölkerung lange Zeit verpönt war – wieder salonfähig zu machen. Hierbei dient der IS als willkommener Vorwand für die Aufrüstung der Bundeswehr, die sich anschließend auch gegen ganz andere Ziele als den „islamistischen“ Terror wenden kann.
Von welcher Seite man es auch betrachtet: Keine einzige der Maßnahmen, die derzeit ergriffen werden, wird die Terrorgefahr verringern. Die meisten werden aber den Terror nicht nur begünstigen, sondern auch in den bevorstehenden sozialen Auseinandersetzungen verheerende Folgen für große Teile der Gesellschaft haben und darüber hinaus dafür sorgen, dass eine friedliche Welt in noch weitere Ferne rückt.
Nein, ganz im Gegenteil: Frankreich bombardiert den souveränen Staat Syrien mit noch größerer Intensität und setzt auch im Landesinneren auf schärfere Gesetze und die Ausweitung staatlicher Gewalt. Die Regierungen der übrigen Euroländer haben keine Sekunde gezögert, dieser Strategie blind zu folgen, ebenfalls demokratische Rechte einzuschränken und die Aufrüstung von Militär und Polizei anzukündigen.
Die Folge: Der Terrorismus wird nicht eingedämmt, sondern nach Kräften gefördert. Die Gegenseite wird zu noch schlimmerer Gewalt provoziert, es werden in Zukunft weitere unschuldige Opfer sterben. Warum aber handeln die Regierungen auf eine derart unverantwortliche Art und Weise? Dafür gibt es eine Reihe von Gründen:
Durch die Bekämpfung eines äußeren Feindes lässt sich gut von der eigenen Verantwortung für die bestehenden Verhältnisse ablenken. Europa befindet sich seit 2008 in immer größeren wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten, die derzeit durch die Flüchtlingskrise, die weltweite Rezession und die Rückkehr der Eurokrise verschärft werden. Keines der seit 2008 bestehenden Probleme (u.a. die Eindämmung der Spekulation, die Regulierung der Finanzmärkte oder die Verringerung der Jugendarbeitslosigkeit) ist gelöst oder auch nur ernsthaft in Angriff genommen worden. In dieser Situation kommt der Politik der Kampf gegen den islamistischen Terror radikal und militanter fundamentalistischer Ausprägung als Ablenkungsmanöver sehr gelegen.
Außerdem dienen die Maßnahmen gegen den IS der Vorbereitung auf größere soziale Konflikte im Inneren. Insbesondere Frankreich steht wegen der Eurokrise unter zunehmendem wirtschaftlichem Druck. Um seine Konkurrenzfähigkeit am Weltmarkt zu erhöhen, muss das Land demnächst Sozialleistungen einschränken, Arbeitsgesetze ändern und Löhne senken (In Deutschland bereits durch die Agenda 2010 geschehen). All diese Maßnahmen werden wegen der schon bestehenden sozialen Ungleichheit im Lande erheblichen sozialen Widerstand hervorrufen, der dann unter Zuhilfenahme der jetzt beschlossenen Einschränkungen des Versammlungsrechts, der erweiterten Überwachung des Internets und der Ausweitung polizeilicher und militärischer Befugnisse unterdrückt werden kann.
Auch die übrigen Länder der Eurozone stehen vor gewaltigen sozialen Problemen: Die jüngsten Massendemonstrationen in Griechenland sind nur der Auftakt. Die Erleichterung von Zwangsräumungen, die weitere Kürzung der Renten und Sozialleistungen, sowie erneute Steuererhöhungen werden in den kommenden Monaten zu noch größeren und heftigeren Protesten führen und können als Vorboten auf die Entwicklung in den anderen südlichen Ländern der Eurozone gesehen werden.
Zudem erzeugt die Politik derzeit in Gemeinschaft mit den Mainstreammedien ganz bewusst ein Klima der Hysterie und schafft mit dem IS einen Sündenbock, der ihr hilft, die Wut und die Verzweiflung bildungsferner Schichten in der Bevölkerung zu kanalisieren. Viele Menschen sind nicht in der Lage, politische oder wirtschaftliche Zusammenhänge zu durchschauen und schon gar nicht fähig, kritisch zu differenzieren. Da sie aber am eigenen Leib spüren, wie es sich anfühlt, zu den Verlierern unserer Gesellschaft zählen, greifen sie gern auf griffige Konzepte zurück und vermengen diese mit einem – durch die eigene soziale Benachteiligung erzeugten – Fremdenhass.
Die Manipulation durch Politik und Medien sorgt dafür, dass sich die Wut dieser Menschen nicht gegen die eigentlichen Verursacher ihrer Misere – die Politik und die Finanzindustrie – richtet, sondern gegen das fremde „Böse“. Dadurch entsteht aber auch ein gesellschaftliches Klima, das nationalistische und rechtsextreme Organisationen begünstigt und politischen Brandstiftern den Weg bereitet. (Ein Beispiel: Marine Le Pen, Vorsitzende des rechtsradikalen französischen Front National (FN), sagte nach den Attentaten von Paris, Frankreich müsse sich wieder bewaffnen, seine Grenzen permanent kontrollieren, Muslimen den Pass entziehen, und den radikalen Islam „auslöschen“.)
Schließlich werden die Terroranschläge von den Regierungen auch noch dazu benutzt, um schwindende Wirtschafts– und Finanzmacht durch militärische Stärke wettzumachen. Ziel ist es, sich angesichts der weltweiten Rezession für den Kampf um Ressourcen und die Besetzung geostrategischer Positionen in Stellung zu bringen. Frankreich hat bereits zwei Tage nach den Anschlägen verstärkt Luftangriffe gegen den IS in Syrien geflogen.
Deutschland, das Ende der Neunziger Jahre im ehemaligen Jugoslawien zum ersten Mal seit dem Fall des Dritten Reiches an einem Krieg teilgenommen hat, ist seit einiger Zeit bemüht, das Mittel des Krieges – das wegen der historischen Erfahrungen der Bevölkerung lange Zeit verpönt war – wieder salonfähig zu machen. Hierbei dient der IS als willkommener Vorwand für die Aufrüstung der Bundeswehr, die sich anschließend auch gegen ganz andere Ziele als den „islamistischen“ Terror wenden kann.
Von welcher Seite man es auch betrachtet: Keine einzige der Maßnahmen, die derzeit ergriffen werden, wird die Terrorgefahr verringern. Die meisten werden aber den Terror nicht nur begünstigen, sondern auch in den bevorstehenden sozialen Auseinandersetzungen verheerende Folgen für große Teile der Gesellschaft haben und darüber hinaus dafür sorgen, dass eine friedliche Welt in noch weitere Ferne rückt.
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