Rezension des Buches "Zweiter
Weltkrieg" von Kurt Pätzold
Die
entscheidende Königsfrage
Buchtipp von Harry Popow
Buchtipp von Harry Popow
Es ist ein Geschenk für
alle, die Geschichte ernst nehmen und ernsthaft nach den Ursachen von
Kriegen, speziell der Deutschen Schuld am zweiten Weltkrieg, fragen.
Kein Geringerer als Kurt Pätzold hat nunmehr im PapyRossa Verlag mit
143 Seiten einen Abriss über die Geschichte des Zweiten Weltkrieges
vorgelegt. Ein Geschenk deshalb, weil die Ursachen sowohl des Ersten
als auch des Zweiten Weltkrieges weitgehend umgangen werden. Der
Autor kommt damit, wie er schreibt, dem „Bedürfnis nach gedrängter
erste Orientierung ermöglichender Literatur“ der jüngsten
Generation entgegen. Das umso mehr, da es „noch immer
unterschiedliche, teils konträre Sichten auf den Krieg, namentlich
auf seine Vorgeschichte gibt.“ (S. 6)
Auf Seite 132 schreibt er
von Ignoranz, wenn von 1200 Titeln zum Zweiten Weltkrieg nur zehn aus
der DDR genannt werden, als habe es „eine ostdeutsche
Geschichtsforschung über den Krieg der Jahre 1939 bis 1945 nicht
gegeben“. Im Anhang zählt er dagegen 26 DDR-Titel auf.
Kurt Pätzold, Prof. Dr.
phil., geboren 1930. Er lehrte bis 1992 als Professor für Deutsche
Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. International
renommierter Historiker und Faschismusforscher. Veröffentlichte
zuletzt bei PapyRossa: „Kein Streit um des Führers Bart.
Kontroversen um Deutschlands ´dunkle Jahre´ 1933 bis 1945“.
Interessierte Leser werden
mit diesem faktenreichen Buch auf ihre Kosten kommen. Hieb- und
stichfest bringt der Autor auf den Punkt, welche Umstände und
internationale Konflikte zum Kriege geführt haben und dass Ende des
Jahres 1941 bereits 38 Staaten in ihn verwickelt waren. (S. 51).
Gründlich geht er auf die Gründe dieses Verbrechens ein. „Anders
als 1914 gab es 1939 in Europa nur einen Staat, der den Krieg geplant
hatte, ihn wollte und begann: das faschistische Deutschland und
dessen revanche- und expansionshungrige Kreise in Politik, Militär
und Wirtschaft“, so Kurt Pätzold auf Seite 22. Man wollte sich mit
den Resultaten des ersten verlorenen Krieges und mit den Bedingungen
des "Versailler Diktates" auf Dauer nicht abfinden, so
liest man es auf Seite 12. Eine große Rolle spielte, so der Autor,
die Hoffnung Frankreichs und Großbritanniens, „Deutschland werde
seine aggressiven Kräfte nach Osteuropa und gegen die UdSSR richten
und damit eine Aufgabe erledigen, die im Interesse aller Kräfte des
internationalen Kapitals lag“. Das Ziel: Die Vernichtung der UdSSR
und die Eroberung eines Kolonialreiches. Hitler schwebte vor, über
Ressourcen zu gebieten, um am Ende jedem Gegner in einem beliebig
langen Krieg siegreich zu trotzen. (S. 36)
Kurt Pätzold
Quelle: wikipedia
Der Autor streift in
diesem Abriss der Geschichte bekannte und auch stark diskutierte
Themen. In Bezug auf den „Holocaust“ schreibt Pätzold auf Seite
54: In der Judenverfolgung vollzogen die Rassisten-Antisemiten in der
deutschen Führung „den Übergang von der Politik der Vertreibung
zur Praxis der Vernichtung“ - und das schon im Verlauf des Krieges.
Auf Seite 18 widmet er sich dem Nichtangriffsvertrag vom 23. August
1939 zwischen der UdSSR und Deutschland, mit dem die SU hoffte, Zeit
für die „Fortdauer einer Friedensperiode“ zu gewinnen. Nicht
unerwähnt bleibt der Krieg der UdSSR gegen Finnland im Jahre
1939/1940, der 2. japanisch-chinesische Krieg 1937, die Angriffe des
Faschismus auf Frankreich, England, Niederlande, Dänemark Norwegen
oder Äthiopien, Jugoslawien, Griechenland und und und...
Schließlich der schwere
Weg zur Antihitlerkoalition, die mit der Eröffnung der Zweiten Front
im Juni 1944 in die Tat umgesetzt wurde, endlich, nach der Niederlage
in Stalingrad bereits im Jahre 1943. Wie die Nazipropaganda darauf
reagierte, beschreibt der Autor auf Seite 69 mit folgenden Worten:
„Der Glaube an den Endsieg musste reanimiert werden, und da
rationale Argumente rar waren, blieb wie üblich nur die Flucht ins
Irrationale und Mystische.“ Der Herrgott werde uns schon helfen.
Mehrfach geht Kurt Pätzold
auf die Friedensdemagogie der Faschisten vor dem Beginn des
Völkermordens ein sowie auf Durchhalteparolen bis zum „Endsieg“.
Kein Wunder, so der Autor, dass überall deutsche Soldaten weiterhin
den Befehlen ihrer Vorgesetzten folgten. Auch im Hinterland hielten
die „dumpfe Gefolgschaft und der selbstmörderische Gehorsam“ an.
(S. 99)
Bemerkenswert die Meinung
des Autors zu den Überlebenden und Vertriebenen, die von der
bürgerlichen Geschichtsschreibung „sämtlich unter die von
`Sowjets´, ´Russen´ oder Polen Vertriebenen subsumiert und sie und
die Toten zu unschuldigen Opfern“ erklärt worden sind. Pätzold:
„Opfer waren sie gewiss, aber die des von ihrem Land verschuldeten,
häufig von ihnen selbst mitverschuldeten Krieges und derer, die sie
in der Januarkälte ins Ungewisse geschickt hatten.“ (S. 102)
Sehr warmherzig schildert
der Autor an zahlreichen Stellen die Not der im Hinterland unter dem
Bombenkrieg leidenden Bevölkerung. So auf Seite 73: „Damit sie den
Bombardements mit den Nächten in Kellern und Bunkern und Schlimmerem
entgingen, wurden Kinder, kleinere mit Müttern, ältere zu
Pflegeeltern in ländliche Gebiete evakuiert.“
Was ab 1945 nach der
Befreiung vom Faschismus geschah, kleidet Kurt Pätzold in folgende
Worte: „Eröffnet wurde der Kalte Krieg, der mit politischen,
wirtschaftlichen, propagandistischen und geheimdienstlichen Mitteln
geführt wurde. Sein Prophet und Propagandist wurde schon 1946
Churchill, der zur weltweiten Formierung wider den `Kommunismus´
rief, die als Abwehrfront deklariert wurde.“ (S. 113) So standen
sich denn der West- und der Ostblock im Kalten Krieg gegenüber.
Aktuell fügt der Autor auf Seite 128 hinzu: „Nach dem Zerfall der
östlichen Führungsmacht und des Bündnisses der Warschauer
Vertragsstaaten dehnten sich die von den bürgerlichen Staaten
geschaffenen Zusammenschlüsse, die NATO und die EU, territorial
aus.“
Der Autor mahnt, die
Analyse der Herkunft und des Charakters des Faschismus und des
imperialistischen Eroberungskrieges fortzusetzen, um fortlebende
Missdeutungen „im Zeichen eines um geschichtliche Tatsachen
unbekümmerten, verbissenen reanimierten Antikommunismus“
zurückzudrängen. Es gehe um die Königsfrage, „die jede tiefere
Analyse geschichtlicher Ereignisse und Entwicklungen zu stellen hat:
Warum?“ (S. 130) (PK)
Kurt Pätzold: „Zweiter
Weltkrieg“, Basiswissen Politik/Geschichte/Ökonomie, PapyRossa
Verlag; Auflage: 1 (25. Juli 2014), broschiert, 143 Seiten, ISBN-10:
3894385588, ISBN-13: 978-3894385583, 9,90 Euro
Erstveröffentlichung dieser
Rezension in der Neuen Rheinischen Zeitung
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