Offener Brief
eines 75jährigen an die Piraten-Partei
Liebe Piraten-Partei,
es bedarf wohl keiner Entschuldigung, wenn ein 75jähriger alter Mann
Euch sympathisch findet und deshalb ein paar Wort loswerden möchte – in aller
Offenheit, nachvollziehbar für andere, so wie Ihr es auf Eure Piratenfahne
geschrieben habt. Kürzlich veröffentlichte ich online einen Beitrag zur
Armut/Obdachlosigkeit in Deutschland. Darauf die Reaktion eines Users: Und was
tust Du? Ich freute mich darüber, ist die Frage doch sehr berechtigt.
Meine
Antwort an den User u.a.: Ich gehe zur Demo gegen Fluglärm. Ich bin 75, und es macht
mir Spaß, mich noch zu rühren. Aber ich bin in keiner Partei mehr. Wäre ich
jünger - dann die Linke oder die Piraten, aber die müssen erst so richtig Boden
unter die Füße bekommen, philosophisch, politisch, gesellschaftlich. Das Gute
bei denen: Sie gehen unvoreingenommen ran. Noch nicht korrumpiert!! Zu hoffen:
Dass der Wind in deren Segeln nicht nachläßt. Das ist schwer genug, sehr
sogar... Sie brauchen viel Kraft. Zu mir nochmals: Ich verteile auch
Flugblätter, wenn es gegen den Fluglärm geht. (Weil Armut und
Nur-Wirtschafts-Denken sowie marionettenhaftes Verhalten der Politik nur
Symptome sind...)
Stunden später folgende
Reaktion dieses Users: Ich verstehe
nicht, was hat Obdachlosigkeit mit den Protesten gegen Fluglärm zu tun?
Muß ich das noch
kommentieren? Obwohl – verstehen kann ich diese Frage. Nicht jeder zählt EINS
plus EINS richtig zusammen. Dabei meine ich nicht die Mathematik… Es geht um
mehr. Noch ein Beispiel: Ein Demonstrant auf dem Friedrichshagener Marktplatz
erhob – ebenso wie tausende andere – seine Stimme gegen Profitmaximierung, der
eigentlichen Ursache der Verarschung des Volkes hinsichtlich der Flugrouten vom
Schönefelder Flugplatz. Tage später lese ich ein Interview mit ihm in einer
Zeitung. Da verkündet er „lautstark“, er hasse den Kommunismus. Fluglärm und
Jagd nach nur wirtschaftlichen Interessen – zwei unterschiedliche Symptome, die
nicht zusammenpassen? Welch ein Spagat, ein politischer…!!
Hunderte Beispiele sind hier
anzufügen: Symptome, Symptome – Erscheinungsformen einer absackenden Gesellschaft
fügt man schnell aneinander. Welch ein Geschwafel oft. Und um die eigentlichen
tieferen Gründe für die geistige Verwahrlosung, für jegliche Mißstände, da
macht man einen großen Bogen. Da stehen Schilder: Vorsicht „Umgehungsstraße!“
Transparenz: Alles
durchsichtig machen! Wird es nicht schon genug gemacht? Bei Politikern, bei
Künstlern? In deren Privatsphäre? Aber es geht um mehr! Wer schaut hinter die
Kulissen? Ihr wollt es tun. Schön und gut. Aber was tun, wenn man konkreter als
bisher mitkriegt, wie Politik vom Kapital abhängt? Selbst wenn, wer sieht da
überhaupt Zusammenhänge? Wer denkt darüber gründlich nach? Und was ist da zu
tun, um die Gesellschaft zu verändern?
Vorgänge in der Regierung
und in der Gesellschaft transparent zu machen dürfte wohl nach und nach
gelingen, so schwer das auch sein wird. Die Widerstände kann man sich schon
heute ausmalen. Noch wichtiger allerdings: Verbindungslinien zwischen Symptomen
zu schaffen. Zusammenhänge verdeutlichen. Sichtbar machen. Offen legen.
Durchscheinend machen, nachvollziehbar!
Mein User sollte also
langsam darüber nachdenken, dass zum Beispiel Armut/Obdachlosigkeit und
unzumutbarer Fluglärm nur zwei Seiten einer Medaille sind, einen einzigen,
längst bekannten Ursprung haben. Eine Einsicht, die doch wohl nicht so schwer
zu vermitteln ist, oder? Wenn Ihr als Piraten-partei solche Denk- und
Handelsanstöße mit auf den Weg bringen könntet… Transparent machen heißt doch
vor allem: Das EINS & EINS im politischen Bereich. Dafür Beifall schon
jetzt! (Dann würde ich gerne noch einmal jung sein!)
Harry Popow
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