Prekäre Arbeitsbedingungen für Kameraleute, Tontechniker und Autoren beim öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Fernsehen. Ein Gespräch mit Stefan Nowak
Interview: Gitta Düperthal
Stefan Nowak war fast zwei Jahrzehnte für ARD, ZDF und private deutsche Fernsehsender sowie für internationale Sender als freier Kameramann unterwegs: für Auslands- und Krisenreportagen, Dokumentar- und Spielfilme oder Wissenschaftsmagazine.
Als ehemaliger Kameramann haben Sie kürzlich für das Magazin Film & TV Kameramann die Arbeitsbedingungen beim öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehen kritisiert. Was ist so schlimm, dass Sie aus der Medienbranche ausgestiegen sind?
Ich kritisiere vor allem, dass die Bezahlung der für das Fernsehen tätigen Menschen immer schlechter wird. Von Autoren, Kameraleuten, Tontechnikern und Regisseuren wird ständig mehr Arbeit in immer kürzerer Zeit verlangt. Die inhaltliche und journalistische Qualität nimmt ab, statt dessen dominieren optische Effekte und Konsumierbarkeit. Da hat sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen erfolgreich der Flachheit der privaten Sender angepasst.
Wie ist zu erklären, dass Sie viel Zuspruch für Ihre Kritik geerntet haben?
Als freiberuflicher Kameramann war ich in der FilmUnion von ver.di und im Bundesverband der Fernsehkameraleute (BVFK) aktiv. Die Missstände kenne ich aus eigener Erfahrung und aus den Berichten von Kolleginnen und Kollegen. Es brodelt schon lange in der Branche, und viele sind verzweifelt, weil sie mit ihrem Beruf weder den Lebensunterhalt bestreiten noch ihre Altersvorsorge finanzieren können – wenn sie denn überhaupt genug Aufträge bekommen.
Wie mies ist die Bezahlung denn?
In der Branche wird für Kameraleute heute ein Tagessatz zwischen 200 und 350 Euro gezahlt; Tontechniker sind mit 80 bis 250 Euro dabei. Kaum jemand ist jeden Tag in der Woche gebucht. Ein Drehtag dauert zehn Stunden – oft werden es 14 oder 16. Überstunden werden nur bei Verhandlungsgeschick bezahlt. Von diesem Honorar sind Kranken- und Rentenversicherung sowie natürlich Steuern zu zahlen. Bei internationalen Einsätzen muss persönliche Ausrüstung für andere Klimazonen finanziert werden. Hat man bei langen Flügen irgendwo auf einem Flughafen einen Aufenthalt, werden Reisetage nur zur Hälfte bezahlt. Also ist man zwei Tage unterwegs, bekommt aber nur einen bezahlt. Manche Produktionsfirmen verhandeln ihrerseits: »Ich buche dich für zehn Tage, da muss doch Rabatt drin sein.«
Warum äußern Sie sich erst jetzt, wo Sie doch bereits vor zwei Jahren in eine andere Branche wechselten?
Kaum ein Kollege traut sich, die Wahrheit zu sagen – aus Angst vor wirtschaftlichen Konsequenzen. Ich habe auch während meiner Tätigkeit in der Branche immer aufgezeigt, wie prekär die Zustände sind, und deshalb Jobs verloren. Ausgestiegen bin ich, als mir klar wurde, dass ich einfach nicht dagegen ankomme, dass viele »Kollegen« meine Preise unterbieten. Viele jüngere Leute sind froh, überhaupt eine Chance zu erhalten, sie arbeiten für jeden Preis. Es ist schwierig, die Kollegen zu organisieren, weil sie als Einzelkämpfer auf dem Markt unterwegs sind. Wer kann, verlässt die Branche – oder weicht aus auf Industrie- oder Werbefilme.
Wo bleibt das Geld, das die Sendeanstalten einnehmen?
Für Sportrechte werden gigantische Summen ausgegeben. Viel Geld fließt in die Pensionszahlungen ehemaliger Mitarbeiter oder in Technik, von der nur ein geringer Teil genutzt wird, oder in aufwendige Infrastruktur. Vielleicht versickert es auch in den vielen Tochterfirmen der öffentlich-rechtlichen Sender – jedenfalls kommt es nicht in die Taschen der Leute, die Programminhalte erstellen.
Welche Folgen hat das für die Fernsehqualität?
Die besteht beim zwangsalimentierten Fernsehen weitgehend aus Talkshows mit den immergleichen Gästen und austauschbaren Themen, Pilcher-Schmonzetten, putzigen Tierfilmen; beim privaten Werbefernsehen aus frauensuchenden Landwirten, tumben, chancenlosen Möchtegernauswanderern oder gescripteten »Dokusoaps« mit talentfreien Laiendarstellern.
Warum hat die Gewerkschaft bislang sowenig bewirken können?
Die Einzelkämpfer der Branche sind kaum zu organisieren. Außerdem ist es weder gelungen, Rundfunkräte und Landesmedienanstalten den parteipolitischen Einflüssen zu entziehen, noch wirtschaftliche Kontrolle durch unabhängige Gremien durchzusetzen, wofür das Geld ausgegeben wird. Appelle an öffentlich-rechtliche Sender, sich ihres Bildungsauftrags zu erinnern, laufen ins Leere. Für Dokumentationen gibt es kaum noch Sendeplätze. Auch deshalb haben dort viele erfahrene Mitarbeiter das Handtuch geworfen!
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