Leserbrief vom 14.10.2011:
Donnerwetter, selten ist ein Buchtitel so hereingeplatzt in die gesellschaftliche Realität wie dieser von Eugen Ruge: „In Zeiten des abnehmenden Lichts.“ Einer, der aus dem Morgenrot Kommenden landet in der Abenddämmerung der Gegenwart. Mehr noch: In zunehmender Herbstkälte! Ohne diese Lektüre eines Schriftstellers aus den östlichen Gefilden zunächst gelesen zu haben, ahnt jeder Schlaukopf, wohin gegenwärtig der entlarvende Schuß mit dem sich abschwächenden Licht in Wirklichkeit geht. Da sind wir nämlich längst drin, in dieser Zeit. Denn seit das östliche Licht nicht mehr leuchtet, ist auch die Abendsonne am Horizont auf ewig am Verschwinden.
Manchen einstigen DDR-Bürgern gingen gleich nach der „Wende“ die Augen auf, so z. B. der ehemaligen Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley: Sie setzte alles daran, so sagte sie damals, eine andere Gesellschaft zu erreichen, und sie merke (…), das sei ja alles noch viel schlimmer, perspektivloser, ressourcenvergeudender und unsozialer als damals.
Wer wüßte und spürte das nicht: Europa ist krisengeschüttelt, das Kapital sucht krampfhaft mit einem gewaltigen „Rettungsschirm“ nach Auswegen, um zu überleben. Soziale Kämpfe erschüttern in riesigem Umfang die Ränder Europas. Siehe die spanischen Massenproteste, die Forderung nach tatsächlicher Demokratie, danach, beteiligt zu sein bei der Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums. So sieht es bei allen Protesten aus. Auch in Deutschland: Stuttgart 21 und der berechtigte enorme Widerstand im Südosten Berlins gegen das zukünftige Drehkreuz in Schönefeld, das so nicht geplant war, gegen Fluglärm und Nachtflugverbote von 22 Uhr bis 06 Uhr früh.
Was hat das mit dem verlöschenden Licht auf sich? Das ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, da dieses Buch mit dem Deutschen Buchpreis geehrt wurde, die an den Ketten der Finanzmacht liegende Justiz und die Politik den Protesten des Volkes ein klares und kaltschäuziges Nein zum Nachtflugverbot entgegengeschmettert haben. Eine Absage an den Volkswillen, eine bodenlose Ignorierung der dem engegenstehenden Fakten. Und das ist die zu bewundernde „Hellseherei“ des Autors: Der unüberwindliche Widerspruch: Hier die eindeutig favorisierten und hochgejubelten Wirtschaftsinteressen, dort die Gesundheit der Leute. Ein Grundkonflikt, der auch den Unbedarftesten ins Augen springen muß.
Hat der Autor dem schier abnehmenden Licht einen erneuten Sonnenaufgang entgegegenzusetzen? Warten wir es ab. Nach dem Lesen sind wir schlauer.
Soviel steht fest: Die im Süden und Südosten Berlins wohnenden und arg Betrogenen und schikanös Behandelten wissen es schon jetzt besser: Laut Meinungen von Experten kann es wohl nunmehr keine juristische Konfliktbereinigung mehr geben. Deshalb werden sie ganz sicher den Horrorszenen von ganz oben zunehmend und verschärft Paroli bieten. Zunächst – so kann man vermuten – wird es eine Menschen- und Lichterkette um ein bestimmtes Amt geben. Ob den Insassen dabei nun endlich einmal ein Licht aufgeht? Man kann ja noch wörtlich hinzufügen „Wegtreten!“ Oder ein härteres Wort anwenden… Ehe alles Licht verlischt!!
Harry Popow, Schöneiche bei Berlin
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