Hanna´s
Gedichte
Meine Leserin Hanna
Fleiss lernte ich im Internet kennen. Sie schreibt Gedichte, manchmal
politisch, manchmal poetisch, immer aber hat sie einen Standpunkt,
den ihrer Klasse. Der Standpunkt wird ihr übelgenommen, man hat
heutzutage keinen Standpunkt zu haben, man betrachtet das Leben mit
dem Beobachterobjektiv, meinen gewisse Leute. Verständlich, denn so
wird gesichert, dass die Menschen keinen Standpunkt haben, sich ruhig
verhalten und im Konsens mit der Obrigkeit aufgehen. Hanna Fleiss ist
Jahrgang 1941, sie hat die DDR vierzig Jahre lang erlebt, ihre
Aufbruchzeit, die Stagnation und den Niedergang. Einfach war ihr
Leben nicht, sie hat drei Kinder allein großgezogen, manchmal fehlte
es an allen Ecken und Enden, aber der Staat, ihr Staat, ließ sie
nicht allein. Jetzt, als Rentnerin, schreibt sie Gedichte, in denen
sie ausdrückt, was sie fühlt, was sie denkt, was ihr auf dem Herzen
brennt. Und, man ahnt es, ihr brennt eine Menge auf dem Herzen.
Wer Lust hat, kann ihre
"Woerterwelt" im Internet finden. Hier der Link:
Die Schwingen des
Ikarus
Was bleibt? Du fragst es
dich so hin und wieder,
als dächtest du schon an
die letzten Stunden.
Das Blut rinnt wie gewohnt
durch deine Glieder,
doch irgendwas, es drückt
dich langsam nieder.
Das Leben wuchert nicht
mit seinen Pfunden.
Und kein Verweilen in dem
Meer von Träumen,
dein Dasein zwingt dich,
immer wachzubleiben.
Du willst den Augenblick
doch nicht versäumen,
wenn endlich Früchte
wachsen auf den Bäumen.
Was Welt dir heißt,
willst du dir einverleiben.
Was bleibt dir noch als
nur die kleinen Zeichen,
wenn alte Sehnsuchtsworte
still verklingen?
Du nimmst dir vor, die
Rechnung zu begleichen,
vielleicht wird dies zum
Glücke dir gereichen.
Und Ikarus regt wieder
seine Schwingen.
16.11.14
In solchen Zeiten
Es ist nicht meine Schuld
dass die Schönheit
verlorengegangen ist
beschreibe ich in meinen
Gedichten
die Welt, wie sie nicht
sein sollte
ich schreibe aus unserer
Sprachlosigkeit
mit der wir das Unrecht
befördern, benenne
Menschen sterben macht,
wenn Schuldlose
gerichtet werden,
Schuldige ruchlos Geschäfte
betreiben, als sei dies
ihr Menschenrecht
Wir kaufen Schönheit zum
Schleuderpreis
jenes Menschseins, das die
Vorväter
sterbend ersehnten; meine
Missgeburten
vegetieren ohne Echo,
nicht unüblich
in solchen Zeiten
28.1.15
Der unfassbare
Augenblick
Dich zu vergessen, hab ich
oft versucht,
und mit den Jahren ging es
leidlich gut.
Ein Traum erweckte wieder
alte Glut –
ich spürte es: Du hattest
mich gesucht.
So warm wie früher
blicktest du mich an.
Du fühltest, dass ich
schwach war ohne dich,
und legtest deinen starken
Arm um mich.
Was hast du mir im Traum
nur angetan?
In mir erwachte wieder die
Begier,
Der Traum entfloh, ich
blieb allein zurück.
Durch alle Zeiten trag ich
dich in mir,
und sei's auch nur des
Nachts im Traum
ein schöner unfassbarer
Augenblick.
28.4.14/13.5.14
Geologie
Die Erde ein einziger
Riss, der
auch mich zerreißt, der
mich zu schreiben
zwingt; was wären die
Verse
ohne das Blut der Rosen,
ohne Liebe
wenn ich das Lippenrot mit
dem Grau
des Morgens danach
vergleiche
Schlund, der alles
verschlingt, ohne Schuld
die Häuser, die Bäume,
die Autos
und meine Sehnsucht, das
Wort zu finden
das alles erklärt, worin
das Wunder
der Erde bestehen müsste
18.1.15
Sprachlos
Der Sommer stand hoch
in der Hitze damals im
August, ich
in der fremden Stadt, zwei
Schritt
nur die Liebe entfernt
Wir hüllten uns in den
Kokon
unserer Sprachlosigkeit,
ich vernahm
deinen Duft von Mann, und
in Gedanken
sprach ich mit dir in
jener
Worte nicht bedarf
22.1.15
Kopf-hoch!-Sonett
Wie man Gewohntes doch
vermissen kann.
Nicht jenen Zug auf
eingefahrnen Gleisen -
was du geliebt, das
willst du zärtlich preisen,
es hängt noch jetzt dein
warmes Herz daran.
Du leidest sehr, das
dumpfe Dasein schmerzt.
Was dir das Liebste war,
das ist verloren:
Einst wurdest du als
freier Mensch geboren,
das wurde nunmehr
gründlich ausgemerzt.
Man zeiht dich
Rückwärtsdenken, Nostalgie
und hat dir alle
Zuversicht genommen.
Zu tief greift diese Zeit
hinein ins Leben,
jetzt gilt's
Entschlossenheit und Phantasie.
Was du so heiß geliebt,
wird wiederkommen.
21.4.14
Gewissermaßen ein
Sonett
Das
schöne Wort, hör, wie es strömt und fließt.
Doch gibt es manche Verse, die nur tönen,
die schwärmend man in schwacher Stunde liest,
an sie werd ich mich sicher nie gewöhnen.
Nicht, was sich einer künstlich abgequält -
Doch gibt es manche Verse, die nur tönen,
die schwärmend man in schwacher Stunde liest,
an sie werd ich mich sicher nie gewöhnen.
Nicht, was sich einer künstlich abgequält -
der Dichter muss aus
vollem Herzen singen,
das ist es, was am Ende
für mich zählt.
Dann werden Verse klar und
rein erklingen.
In Versen such ich Wahrheit, Wort für Wort,
des Menschenlebens ungezähmte Fülle,
In Versen such ich Wahrheit, Wort für Wort,
des Menschenlebens ungezähmte Fülle,
dann klingt es in mir wie
ein Traumakkord,
dann bleibt das schöne
Wort nicht bloße Hülle.
Das Wahre und das Echte sind die Kunst.
Und wohl nicht jedermann erweist sie Gunst.
Das Wahre und das Echte sind die Kunst.
Und wohl nicht jedermann erweist sie Gunst.
27.4.14
In solchen Zeiten
Es ist nicht meine Schuld
dass die Schönheit
verlorengegangen ist
beschreibe ich in meinen
Gedichten
die Welt, wie sie nicht
sein sollte
ich schreibe aus unserer
Sprachlosigkeit
mit der wir das Unrecht
befördern, benenne
Menschen sterben macht,
wenn Schuldlose
gerichtet werden,
Schuldige ruchlos Geschäfte
betreiben, als sei dies
ihr Menschenrecht
Wir kaufen Schönheit zum
Schleuderpreis
jenes Menschseins, das die
Vorväter
sterbend ersehnten; meine
Missgeburten
vegetieren ohne Echo,
nicht unüblich
in solchen Zeiten
28.1.15
Ahnen, was ist
Nichts erklären wollen
meine Verse, keine
trügerischen
Hoffnungen wecken in uns
sie wollen nur sein
Die großen Worte sind es
nicht, es sind die
kleinen, die
man so leicht übersieht
wie vergrautes Gras
Kann sein, ich sehe die
ziehenden Wolken und mir
kommt eine Ahnung von dem
was sein könnte
Und die große Versuchung
Wahrheit zu schreiben;
manchmal
kommt sie unversehens, in
einem zufälligen Vers
9.2.15
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