entnommen aus: http://www.jungewelt.de/2014/07-22/052.php
Von Russen und Ratten
Chauvinismus in deutschen Medien
Von Arnold Schölzel
Die
bundesdeutsche »Elite« rülpst wieder »LTI – Lingua Tertii Imperii – Die
Sprache des Dritten Reiches«, wie sie Victor Klemperer in seinem 1947
erstmals beim Aufbau-Verlag erschienenen »Notizbuch eines Philologen«
festgehalten hat. Ernst Elitz, Gründungsintendant des Deutschlandradios
am Montag in Bild: »Nur Zwangsmaßnahmen, die unerbittlich die
Lebensstränge von Rußlands Wirtschaft mit dem Westen kappen, werden
wirken.« Klemperer schrieb seinerzeit von »Sprachgeschossen« der
Nazi-Rhetorik, die montiert seien aus »brutal, radikal, rücksichtslos,
restlos, gnadenlos, unabänderlich, unerbittlich, unerschütterlich,
unmißverständlich« mit »zuschlagen, durchgreifen, ausrotten, vernichten,
abrechnen, zertrümmern«, alles mit »eiserner Entschlossenheit,
tödlichem Ernst, äußerster Härte«. Beim Vokabular kann Elitz also noch
zulegen, die großdeutsche Diktion hat er drauf. So etwas hat 15 Jahre
die bundesweite öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt geleitet. Die ist
entsprechend.
Friedrich Schmidt steht dem in der FAZ am selben
Tag nicht nach und notiert: Im März »erinnerte man sich in Rußland an
eine Kindheitserinnerung Putins, dem eine Ratte imponiert hatte, die in
eine Ecke gedrängt war und mit dem Mut der Verzweiflung zum Angriff
überging«. Das »man« äußerte sich seinerzeit in diversen deutschen
Gazetten und weniger in Rußland. Aber auf die Rattenpsyche des
Kremlherrschers lassen sich die vornehmen Frankfurter lieber nur auf dem
Umweg ein. Der Zweck ist so besser erfüllt als wenn FAZ-Schmidt
rausposaunt: Der Putin macht seine Politik aus Rattenmut vor
Verzweiflung.
Und auch Springers Welt bleibt da nur verbal
zurück. Kommentar am Montag auf Seite eins: »Europa, zeig endlich
Zähne!«. Im Text heißt es: David Cameron, François Hollande und Angela
Merkel wollten die Sanktionen gegen Rußland verschärfen: »Das ist wohl
die einzige Sprache, die der raffinierte Ideologe Putin versteht«.
Mediengewäsch?
Es ist die Unisonoausdrucksweise einer Fraktion, die ihre
Machtbesoffenheit auch auf internationalem Parkett austoben will. Im
Osten Europas ist wieder etwas zu holen, und anders als bei den beiden
Versuchen des 20. Jahrhunderts sind USA, Frankreich, Großbritannien und
andere scharf auf gemeinsame Beuteteilung. Da kann Elitz schon mal in
Nazijargon verfallen, der ist in Warschau, Tallin, Riga, Wilnius und
Kiew ohnehin der Sound der Saison – von »Untermenschen« (Kiews
Regierungschef) bis »Wir wissen, daß das Raubtier durch das Fressen
immer mehr Appetit bekommt« (Polens Außenminister) mit Blick auf Russen
und »Prorussen«.
Innenpolitisch diktierte dieser Trupp bereits
dies und das, z.B. wer Bundespräsident wird. Ein Anruf von Springers
Vorstandschef Mathias Döpfner genügte, wie Christian Wulff ausplaudert,
um Joachim Gauck zum Präsidenten zu machen. Der sogenannte höchste
Repräsentant eine Figur von Springers Gnaden – das macht einfach Appetit
auf mehr.
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