Großer Bahnhof (Seite 272)
Ann-Christins 50. Geburtstag im November des Jahres 2000. Ein kulturelles Erlebnis für uns. Erste Überraschung: Die meisten Leute von den insgesamt über 60 Gratulanten trugen tatsächlich schwarzweiß, wie auf der Einladung stand. Vor dem Haus parkende Autos, ein Zelt für das kalte und warme Büfett, Kerzenlicht im leichten Wind. Bier und Wein, eine strahlende, sehr souverän wirkende Jubilarin. Stehtische im Wohnzimmer, lockere Gespräche, man ging aufeinander zu, schneller Kontakt zwischen allen Leuten. Später Chorgesang in der Küche und im Wohnzimmer für Ann-Christin. Plötzlich sehe ich Cleo am Klavier. Sie spielt Lucia, aufgefordert von Ann-Christin, und sie lacht und sieht glänzend aus in ihrem grauen Kleid und man klatscht, denn sie lehnt mehr Beleuchtung ab, da sie ohne Noten spielt, wie immer. Höhepunkt: Die Jubilarin packt vor aller Augen, begleitet von viel Witz und Scherz, die Geschenke aus, bedankt sich bei jedem mit sehr persönlichen Worten. Die Familie von Ann-Christin hatte alle Hände voll zu tun. Paul, ihr Ehemann, hat alles selber gebacken und gekocht, Sohn Benjamin und Tochter Lisa halfen beim Auftragen der Speisen. Ein Schwede, wir kannten ihn von einem Silvesterabend im gleichen Hause, paßte zu vorgerückter Stunde die Cleo ab mit den Worten: „Wie geht es dir, Liebling?“ Cleo: „Sei vorsichtig ...!“ Und tatsächlich, denn schon tauchte dessen Frau auf ...
Kaffeewasser auf Teelichtern (Seite 281)
Spät abends im Bett. Ich lese Cleo Lewitan-Briefe vor. Da kommt der Satz vor: „Einen Riesenerfolg hat Sarah Bernhardt in Jeanne d‘Arc.“ (???) Wer? Cleo schüttelt den Kopf und erklärt mir, wer diese Frau war. Warum habe ich mich früher nicht mehr interessiert, war das zu wenig Neugier? Keiner ist so blind wie der, der nicht sehen will!
(Harry Popow - „In die Stille gerettet“. Persönliche Lebensbilder. Engelsdorfer Verlag, Leipzig, 2010, 308 Seiten, 16 Euro, ISBN 978-3-86268-060-3)
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