Dorfball in Orrefors (Seite 267)
Heute abend ist Sportlerball im Volkshaus zu Orrefors. Der Fußballverein feiert. Wer geht mit 60 da noch hin? Cleo und ich und Gisela und Heinz, da er begeisterter Fan ist. Vier lange Tischreihen, weiß gedeckt. Links neben dem Eingang ein kaltes Büfett, daneben eine „Bar“. An der Stirnseite eine kleine Bühne, wie wir sie vom Dorftanz in Brüssow bzw. ich von Eggesin her kennen. Im nu füllt sich der Saal. Fast nur junge Schweden. Wir Alten dazwischen. Ehrung für die Besten und tosendes „he,he“ und Arme hochwerfen. Dann stürzt alles ohne jede Hemmung an das Essen. Schrimps (kleine Krabben) aus Holzkisten, Brötchen, Butter, Gebackenes, Salat, Sahne. Vor dem eigentlichen Tanz ein Vorsänger. Spontan singen alle laut und temeramentvoll mit. Plötzlich stehen abwechselnd mal die Frauen, mal die Männer im Takte einer Melodie auf. Endlich macht die vierköpfige Kapelle „Bärbel & Co“ ernst mit der Tanzmusik. Lautstark, dröhnend, aber sehr rhythmisch. Die Sängerin der Band hat´s drauf. Wirklich mitreißend. Alle Titel in schwedisch, nur einer in englisch. Ungeniert geht es gleich zur Sache, ohne Kunstpausen, wie wir sie von früher her kennen. Die in offenem Hemd, meist ohne Schlips und mit kurzen Haaren tanzenden Jungen halten ihre Partnerinnen sehr eng umschlungen. Als wäre es die letzte Gelegenheit, in diesen abgelegenen Wäldern etwas warme Freude zu pachten. Die in elegantem Schwarz oder Grau gekleideten Mädchen werfen mal den linken, mal den rechten Fuß nach hinten, und sie hängen wie Mehlsäcke in den Armen des Partners. Man kennt sich aus jährlichen Veranstaltungen dieser Art. Cleo wird von Glasdesignern geholt. Man fragt sie, warum sie mich mitgebracht hat. Sie lacht, sie tanzt, sie tobt vor Freude beim Anblick der aneinander klebenden Tanzpaare. Wieder ein Gejohle und „Arme-hoch-reißen“ bei der Bekanntgabe der Losgewinner. Es gibt zu später Stunde noch Kaffee, Kuchen und Würstchen. Und keiner raucht im Saal. Das alles für 140 Kronen (15 Euro) Eintritt pro Person! Ein Kulturabend erster Güte. Für uns jedenfalls.
(Harry Popow - „In die Stille gerettet“. Persönliche Lebensbilder. Engelsdorfer Verlag, Leipzig, 2010, 308 Seiten, 16 Euro, ISBN 978-3-86268-060-3)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen