Entnommen: https://linkezeitung.de/2022/11/01/nationales-pentagon-strategiedokument-nimmt-china-ins-visier/
Nationales Pentagon-Strategiedokument nimmt China ins Visier
VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 1. NOVEMBER 2022
von Andre Damon – http://www.wsws.org
Das US-Militär veröffentlichte am Donnerstag drei strategische
Dokumente, in denen es seine Pläne für den Konflikt mit China und
Russland darlegt und Atomwaffen zur „Grundlage“ der amerikanischen
Militärstrategie erklärt.
Bei den veröffentlichten Dokumenten handelt es sich um die National
Defense Strategy, die Nuclear Posture Review und die Missile Defense
Review. Weniger als zwei Wochen zuvor hatte die Biden-Regierung ihre
Nationale Sicherheitsstrategie veröffentlicht, das von einem
„entscheidenden Jahrzehnt“ sprach und erklärte, die USA würden den
Konflikt mit Russland und China „gewinnen“.
Die Dokumente bekräftigten die grundlegenden Thesen der Nationalen
Verteidigungsstrategie der Trump-Regierung von 2018, laut der „nicht der
Terrorismus, sondern der zwischenstaatliche strategische Wettstreit
jetzt im Mittelpunkt der nationalen Sicherheitspolitik der USA steht“.
Bei der Präsentation der Nationalen Verteidigungsstrategie bezeichnete
Verteidigungsminister Lloyd Austin China als Amerikas „durchgehende
Herausforderung“, während Russland eine „unmittelbare und akute
Bedrohung“ darstelle.
Austin erklärte, China sei weiterhin der einzige Gegner, der „sowohl die
Absicht hat, die internationale Ordnung umzugestalten, als auch
zunehmend über die Macht dazu verfügt“.
In der Nationalen Verteidigungsstrategie wird China als die
„umfassendste und ernsthafteste Herausforderung für die nationale
Sicherheit der USA“ bezeichnet. Im Nuclear Posture Review heißt es: „In
den 2030er Jahren werden die USA zum ersten Mal in ihrer Geschichte mit
zwei atomaren Großmächten als strategischen Konkurrenten und
potenziellen Gegnern konfrontiert sein.“
Die Denkfabrik Atlantic Council erklärte zur Bedeutung der Dokumente,
dass die Bezeichnung „Konflikt“ als „kinetischer Konflikt“ verstanden
werden muss, d.h. als Krieg.
Verbunden mit der Hervorhebung von „Kampagnen“ signalisiert es
eindeutig, dass die Welt heute aktiv umkämpft ist, und dass sich das
Verteidigungsministerium und die gesamte US-Regierung nicht nur auf
mögliche kinetische Konflikte vorbereiten, sondern sich bereits in einer
aktiven Auseinandersetzung mit Fokus auf China und in zweiter Linie mit
Russland befinden.
Dass die NDS einen Schwerpunkt auf „Kampagnen“ legt, macht deutlich,
dass das Verteidigungsministerium und weitere US-Behörden bereits
Operationen zum Nachteil Chinas durchführen, was einem neuen Kalten
Krieg gleichkommt. Die Zeiten, in denen das Verteidigungsministerium
behauptete, seine Aktivitäten – „Freedom of Navigation“-Operationen,
Aufklärungsflüge, multilaterale Übungen – seien lediglich „Dinge, die
wir schon immer getan haben“, sind vorbei.
Als Biden im März 2020 Wahlkampf für das Präsidentenamt führte,
versprach er, auf den „Ersteinsatz“ von Atomwaffen zu verzichten und
schrieb: „Ich glaube, der einzige Zweck des US-Atomarsenals sollte die
Abschreckung sein und, wenn nötig, die Vergeltung gegen einen
Atomangriff. Als Präsident werde ich daran arbeiten, diese Überzeugung
in Absprache mit dem US-Militär und unseren Verbündeten in die Praxis
umzusetzen.“
Bidens Dokument zur Atomstrategie weist diese Ansicht nicht nur zurück,
sondern vertritt sogar die radikale Ansicht, dass Atomwaffen die
„Grundlage“ der amerikanischen Militärstrategie bilden.
Laut dem Merkblatt des US-Verteidigungsministeriums heißt es in dem Dokument:
[Es] wird anerkannt, dass Atomwaffen die Grundlage aller nationalen
Verteidigungsprioritäten bilden und dass kein Element der amerikanischen
Militärmacht die einzigartige Abschreckungswirkung von Atomwaffen
ersetzen kann. Obwohl die grundlegende Rolle der amerikanischen
Atomwaffen in der Abschreckung eines nuklearen Angriffs besteht, dienen
sie im weiteren Sinne der Abschreckung aller Formen strategischer
Angriffe, der Absicherung von Verbündeten und Partnern und erlauben uns,
die Ziele des Präsidenten zu erreichen, wenn die Abschreckung
scheitert.
Mit anderen Worten, die USA behalten sich das Recht vor, mit Atomwaffen
auf einen nicht-atomaren Angriff zu reagieren, und verwischen damit die
Grenzen zwischen „konventionellen“ Konflikten und einem Atomkrieg.
Das Verteidigungsministerium geht in seinem Briefing auf diesen Punkt
ein. Ein Vertreter des Verteidigungsministeriums erklärte, die NPR „legt
eine Strategie fest, die sich auf Atomwaffen stützt, um alle Formen von
strategischen Angriffen abzuschrecken. Dazu gehören der Einsatz von
Atomwaffen jeglicher Größenordnung und Angriffe strategischer Natur mit
hoher Konsequenz einschließlich nicht-atomarer Mittel.“
Experten für Rüstungskontrolle verurteilten die Veröffentlichung des
Dokuments innerhalb kürzester Zeit. Die Union of Concerned Scientists
(UCS) schrieb: „Die veröffentlichte Nuclear Posture Review der
Biden-Regierung ist im Grunde ein erschreckendes Dokument.“
Die UCS erläuterte: „Es führt die Welt nicht nur auf den Weg ständig
wachsender nuklearer Risiken, sondern vergrößert dieses Risiko in
vielerlei Hinsicht. Denn es behauptet, die einzig praktikable Reaktion
der USA sei der Wiederaufbau ihres gesamten Atomarsenals, die
Beibehaltung zahlreicher gefährlicher Atomstrategien aus dem Kalten
Krieg und die Drohung mit dem Ersteinsatz von Atomwaffen in einer
Vielzahl von Szenarien.“
Die Organisation schrieb weiter:
Die Realität ist – ein Anruf des Präsidenten und die Nennung eines
Codes, der kürzer ist als ein Tweet, kann in weniger als fünf Minuten
Hunderte von Atomraketen starten. Diese würden ihre Ziele in weniger als
einer halben Stunde erreichen und mit Sprengköpfen bewaffnet sein, die
20-mal mehr Zerstörungskraft besitzen als die Bombe, die Hiroshima
zerstört hat.
Das Dokument steht zwar grundlegend in der Kontinuität von Trumps
Nationaler Sicherheitsstrategie, weist aber die Rhetorik der Nationalen
Verteidigungsstrategie der Obama-Regierung von 2010 zurück. Die New York
Times schreibt über die Atomstrategie des Pentagon:
Der Unterschied zum letzten, von einem demokratischen Präsidenten –
Barack Obama – herausgegebenen Dokument ist jedoch deutlich. Obamas
Strategie, die erstmals 2010 mit seinem damaligen Vizepräsidenten Biden
veröffentlicht wurde, zielte auf eine drastische Verringerung der Rolle
von Atomwaffen bei der Verteidigung der USA ab und konzentrierte sich
größtenteils darauf, es Terrorgruppen nicht zu ermöglichen, an
atomwaffenfähiges Material zu gelangen. Damals galten Russland und China
als vollwertige Partner bei den Bemühungen, Nordkoreas Atomarsenal
einzudämmen und den Iran vom Bau von Atomwaffen abzuhalten.
In der Einleitung der Nationalen Verteidigungsstrategie heißt es, das
US-Militär werde sich „auf den Schutz und die Förderung wichtiger
nationaler Interessen der USA konzentrieren“, wozu auch der
„wirtschaftliche Wohlstand“ Amerikas gehört.
Hierbei handelt es sich um eine wesentliche Entwicklung im Vergleich zu
Trumps Nationaler Verteidigungsstrategie von 2018. Diese bezog sich
weitgehend negativ auf den Einsatz von militärischer Gewalt zur
Sicherung wirtschaftlicher Interessen – mit der Behauptung, dass China
dies tue. Das Dokument von 2018 machte es zwar zwischen den Zeilen auch
deutlich, doch indem die Definition „nationaler Interessen“ im
Pentagon-Dokument von 2022 auch „wirtschaftlichen Wohlstand“ umfasst,
stellt es einen noch offeneren Schritt in Richtung einer Doktrin dar,
die Krieg als zulässiges Mittel zur Sicherung wirtschaftlicher Ziele
bezeichnet.
Ein Auszug aus der Nationalen Verteidigungsstrategie von 2022
Diese Dokumente wurden in den amerikanischen Medien nicht ernsthaft
diskutiert, verdeutlichen jedoch, wie grundlegend falsch die Behauptung
ist, die massive Aufrüstung des US-Militärs in diesem Jahr sei eine
Reaktion auf „russische Aggression“. In Wirklichkeit gehen die massiven
Erhöhungen der Militärausgaben und die Pläne für einen Krieg gegen China
nach Ansicht des Weißen Hauses und der Kriegsplaner im Pentagon auf
„dramatische Veränderungen in der Geopolitik, Technologie, Wirtschaft
und unserer Umwelt“ zurück.
Die Dokumente verdeutlichen, dass die USA den wirtschaftlichen Aufstieg
Chinas als existenzielle Bedrohung betrachten, auf die sie mit
militärischer Gewalt reagieren müssen. Die Unterwerfung Russlands sehen
sie dabei als entscheidenden Schritt im Konflikt mit China.
Arbeiter auf der ganzen Welt müssen diese Dokumente als Warnung
betrachten. Der amerikanische Kapitalismus ist zu allem bereit, um seine
globale Hegemonie zu verteidigen. Wie das schreckliche Vermächtnis der
US-Überfälle auf den Irak und Afghanistan zeigen, ist der
US-Imperialismus bereit, für das Ziel der weltweiten Vorherrschaft
Millionen Menschen zu töten.
Der Ausbruch des US-Imperialismus, der mit dem Golfkrieg im gleichen
Jahr begann, in dem die UdSSR aufgelöst wurde, richtet sich immer
direkter gegen Russland und China, die von den USA als die
Haupthindernisse für ihre ungehinderte Weltherrschaft betrachtet werden.
US-Strategen haben die Vorherrschaft über die eurasische Landmasse mit
ihren immensen Rohstoffen schon lange als Schlüssel zur Weltherrschaft
betrachtet.
Doch das Streben der USA nach globaler Hegemonie verschärft die Krise
des Kapitalismus nur und führt zu einer Inflationskrise, in der sich
Millionen Menschen Nahrungsmittel und Treibstoff kaum noch leisten
können. Dies hat zu einer weltweiten Eruption des Klassenkampfs geführt,
der sich immer mehr mit der Perspektive des Sozialismus überschneidet.
Die Arbeiterklasse muss den Plänen des Pentagon für ein „entscheidendes
Jahrzehnt“ des Kriegs den Kampf für das „Jahrzehnt der sozialistischen
Revolution“ entgegensetzen, wie es das Internationale Komitees der
Vierten Internationale definiert hat – indem sie eine globale Bewegung
gegen den Krieg aufbaut.
https://www.wsws.org/de/articles/2022/10/30/docu-o30.html
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