Die neue nationale Sicherheitsstrategie der USA: Eine offene Drohung mit Atomwaffen
VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 2. NOVEMBER 2022
von Dagmar Henn – https://de.rt.com
Keinen atomaren Erstschlag? Darauf wollen sich die USA nicht einlassen.
Mehr noch, in der neuen Version der nationalen Sicherheitsstrategie
werden moderne konventionelle Waffen behandelt, als wären sie nukleare,
nur weil die USA technisch ins Hintertreffen geraten sind.
„Eigenlob stinkt“, heißt es im Deutschen, und wenn es danach geht, ist
die neue nationale Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten erst
einmal eine massive Geruchsbelästigung. Nicht nur im Vorwort des
Verteidigungsministers Lloyd Austin, sondern durch den ganzen Text,
insgesamt etwa 80 Seiten, einschließlich der Neubewertung der
Nuklearstrategie.
„Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind erheblich, aber die
Vereinigten Staaten besitzen Stärken, mit denen unsere Wettbewerber
nicht mithalten können. Unsere demokratischen Werte, unsere offene
Gesellschaft, unsere Diversität, unsere Innovationsbasis, unsere Kultur
des Einfallsreichstums, unsere Kampferfahrung, unser weltumspannendes
Netzwerk von Allianzen und Partnerschaften, und über allem unsere
außergewöhnliche Truppe von Freiwilligen – dies alles bildet das feste
Fundament für eine Verteidigungsstrategie, die Amerika sicher,
wohlhabend und frei halten wird.“
101. Airborne in Rumänien: Springer auf dem Brett, ABC-Todesschwadron als Stiefel im Gesicht Europas
Manche dieser Werbesprüche wirken geradezu wie unfreiwillige Satire,
denkt man beispielsweise an Nord Stream: „Allianzen und Partnerschaften
zum wechselseitigen Wohl sind unser größter globaler strategischer
Vorteil.“ Oder: „Wir respektieren die Souveränität aller Staaten, und
wir wissen, dass die Entscheidungen unserer Alliierten und Partner
selten binär sind.“
Sicher, politische Dokumente beinhalten immer ein gewisses Maß
Selbstvergewisserung, aber weite Teile dieses Papiers gehören wirklich
ins Reich der Märchen.
Dazwischen findet sich dann, gut verpackt, die geopolitische
Zielsetzung. „Das Ministerium wird unsere größere
Verteidigungspartnerschaft mit Indien vorantreiben, um seine Fähigkeit
zu stärken, Aggression der Volksrepublik China abzuschrecken und freien
und offenen Zugang zu der Region des Indischen Ozeans zu sichern.“ Man
kann das übersetzen mit: wir wollen Indien gegen China stellen; und
genau solche Versuche konnte man in den letzten Jahren immer wieder
beobachten.
„Das Ministerium wird Taiwans asymmetrische Selbstverteidigung stärken,
entsprechend der sich entwickelnden Bedrohung durch die Volksrepublik
China und in Übereinstimmung mit unserer Ein-China-Politik.“ Der Satz
ist in sich nicht logisch, denn die Ein-China-Politik besagt, dass
Taiwan ein Teil Chinas ist, also kann es durch China gar nicht bedroht
werden; aber er erklärt die Unterstützung Taiwans zum Teil der
nationalen Sicherheitsstrategie.
Warum die USA Falschmeldungen über angebliche russische „nukleare Bedrohung“ der Ukraine verbreiten
„Wir werden mit der Republik Korea arbeiten, um ihre
Verteidigungsfähigkeit zu stärken, um die kombinierte Verteidigung der
Allianz zu führen, bei der US-Truppen die der Republik Korea
verstärken.“ Das übersetzt sich mit: wir werden unsere Truppen aus
Südkorea nicht zurückziehen, sondern eher verstärken. Die Freude der
Südkoreaner dürfte begrenzt sein.
Unauffällig findet sich eigentlich verbotene Forschung in dem Papier:
„Wir werden Möglichkeiten in der Biotechnologie, Quantenwissenschaften,
fortgeschrittenem Material und Technologie sauberer Energie schaffen.“
Biotechnologie? Darunter fallen auch all die Experimente, die in den
unzähligen Biolabors durchgeführt wurden, unter anderem in der Ukraine …
Im gesamten Dokument taucht das Stichwort kein zweites Mal auf, aber
„Biotechnologie“ in einer nationalen Sicherheitsstrategie eines für
seine Aggression und Hemmungslosigkeit bekannten Staates ist schwer
anders zu deuten denn als Forschung an Biowaffen.
Die Gegner – oder Wettbewerber, wie sie genannt werden – sind eindeutig
China und Russland. „Die Volksrepublik China nutzt vom Staat
kontrollierte Kräfte, Cyber- und Weltraumoperationen und wirtschaftliche
Zwänge gegen die Vereinigten Staaten und ihre Alliierten und Partner.
Russland nutzt Desinformation, Cyber- und Weltraumoperationen gegen die
Vereinigten Staaten und unsere Alliierten und Partner, und irreguläre
Stellvertretertruppen in vielen Ländern.“
Man könnte das auch Projektion nennen; wenn man eine Liste der
Stellvertretertruppen erstellen wollte, die die Vereinigten Staaten
nutzen, würde dieser Text vermutlich doppelt so lang, und das mit dem
wirtschaftlichen Druck …
Lawrow: Nukleardoktrin sieht ausschließlich Antworten auf existentielle Bedrohung Russlands vor
Die eigene aggressive Manipulation, die völlige Unterordnung ganzer
Kommunikationsplattformen unter die Informationskriegsführung der
Vereinigten Staaten wird dafür in wohlklingende Sätze gegossen: „Die
Führung der USA in der Entwicklung von Norme für angemessenes Verhalten
in der Cyber-, Weltraum- und anderen entstehenden Technologiefeldern
wird die Abschreckung verstärken, indem der internationale Konsens
darüber wächst, was bösartiges und aggressives Verhalten ist, wodurch
die Aussicht auf kollektive Zuschreibung und Erwiderung wächst, wenn
diese Normen verletzt werden.“
Es hinterlässt ein ausgesprochen unheimliches Gefühl, in einem solchen
Dokument eine Darstellung der Lage zu lesen, die nur die eigene
Propaganda wiedergibt: „Die unprovozierte und unrechtmäßige Invasion der
Russischen Föderation in der Ukraine 2022 ist eine deutliche Erinnerung
an nukleare Risiken in heutigen Konflikten. Russland hat seine
Aggression gegen die Ukraine unter einem nuklearen Schatten
durchgeführt, gekennzeichnet durch unverantwortliches Säbelrasseln,
nukleare Manöver außer der Reihenfolge, und falsche Narrative bezüglich
des möglichen Einsatzes von Massenvernichtungswaffen. Russlands Führer
haben, indem sie im Versuch, die Ukraine und die NATO einzuschüchtern,
mit Russlands Nukleararsenal herumfuchtelten, deutlich gemacht, dass sie
diese Waffen als Schild sehen, hinter dem sie ungerechtfertigte
Aggressionen gegen ihre Nachbarn beginnen können. Unverantwortliche
russische Erklärungen und Handlungen erhöhen das Risiko einer
absichtlichen oder unabsichtlichen Eskalation. Russlands Führung sollte
keine Zweifel an der Entschlossenheit der Vereinigten Staaten hegen,
sowohl nuklearem Zwang zu widerstehen als auch als verantwortliche
Atommacht zu handeln.“
Die „falschen Narrative“ beziehen sich vermutlich auf den russischen
Hinweis auf Selenskijs Aussage auf der Münchner Sicherheitskonferenz.
Oder auf andere Warnungen, beispielsweise bezüglich des ukrainischen
Beschusses des Kraftwerks Energodar. Auf jeden Fall ist das eine sehr
eigenartige Darstellung des ganzen Konfliktes in der Ukraine, weil
seitens Russlands in diesem Kontext nie mit Atomwaffen gedroht wurde.
Weiter unten werden wir darauf kommen, dass das bei den USA ganz anders
aussieht …
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Wer jedenfalls eine nüchterne Analyse der Situation erwartet, sucht
vergebens. Die einzige Art und Weise, wie „diese Waffen als Schild“
gesehen werden, ist, dass die USA natürlich Russland mit einer Drohung
mit ihrem, dem US-amerikanischen Nukleararsenal, nicht einschüchtern
können. Aber aus der Sicht des US-Verteidigungsministerium ist
vermutlich schon die Möglichkeit, sich von den USA nicht einschüchtern
zu lassen, eine Aggression.
„Russland ist heute das akuteste Beispiel dieses Problems, angesichts
seines bedeutend größeren Vorrats an regionalen Nuklearsystemen und der
Möglichkeit, dass es diese Kräfte einsetzen könnte, um einen Krieg in
seiner Peripherie zu gewinnen oder eine Niederlage zu vermeiden, wenn
die Gefahr bestünde, einen konventionellen Krieg zu verlieren.“
Man möchte ihnen zurufen, keine Sorge, die Gefahr besteht nicht, aber
das würde nichts nützen. In dieser Sicherheitsstrategie werden nicht nur
die Elemente der Propaganda wiederholt, es wird noch eins draufgesetzt.
Dabei ist die russische Nuklearstrategie öffentlich, wird in
regelmäßigen Abständen von Vertretern des Landes zitiert, zuletzt erst
vor wenigen Wochen, und besagt klar, dass kein Erstschlag zulässig ist,
außer, die Existenz des Landes selbst ist in Gefahr. Das ist aber etwas
völlig anderes als „einen Krieg in seiner Peripherie zu gewinnen“.
Gleichermaßen verzerrt ist die Sicht auf China: „Während das endgültige
Ziel der spezifischen Entscheidungen der Volksrepublik China in Hinsicht
auf ihre Nuklearstreitkräfte und -strategie unklar ist, deutet die
Richtung dieser Bemühungen auf ein großes, diverses Nukleararsenal mit
einem hohen Grad an Überlebensfähigkeit, Verlässlichkeit und
Effektivität. Dies könnte der Volksrepublik neue Optionen vor und
während einer Krise oder einem Konflikt verleihen, Nuklearwaffen als
Zwangsmittel zu nutzen, einschließlich militärischer Provokationen gegen
die US-Alliierten und Partner in der Region.“
Polen strebt atomare Provokation an – Lukaschenko im NBC-Interview
Natürlich ist auch dieser Teil des Schriftstücks mit propagandistischen
Phrasen bestückt. „Es ist lange eingeübte US-Politik, nicht absichtlich
Zivilbevölkerung oder -objekte zu bedrohen, und die Vereinigten Staaten
werden nicht in Verletzung des Kriegsrechts auf Zivilbevölkerung oder
-objekte zielen.“ Das hätten sie mal den Serben sagen sollen, oder den
Libyern.
Aber kommen wir zu den entscheidenden Aussagen, die es in diesem Papier
auch gibt, und die einem fast entgehen können zwischen so vielen Seiten,
die wie von einer Werbeagentur verfasst klingen. Die Aussagen, die die
Nuklearstrategie der USA betreffen.
„Wir zogen den Schluss, dass nukleare Waffen nicht nur zur Abschreckung
nur eines nuklearen Angriffs nötig sind, sondern auch einer kleinen
Auswahl anderer Angriffe auf strategischem Niveau mit starken
Konsequenzen.“
Das ist gezielt unklar und lässt völlig offen, welche Art der Angriffe gemeint sind und was starke Konsequenzen sind.
„Wir werden eine sichere und effektive nukleare Abschreckung und
flexible nukleare Fähigkeiten halten, um unsere Ziele zu erreichen,
sollte der Präsident zu dem Schluss kommen, dass der Einsatz nuklearer
Waffen nötig ist. Unter solchen Umständen würden die Vereinigten Staaten
danach streben, jeden Konflikt bei dem niedrigst möglichen Niveau von
Schäden zu den besten möglichen Bedingungen für die Vereinigten Staaten
und ihre Alliierten und Partner zu beenden.“
Im Auftrag des Pentagon: Bidens Präsidialerlass zur Biotechnologie
Wie ist es denn mit Umständen, unter denen es keine günstigen
Bedingungen für die USA gibt? Besagt dieser Satz im Umkehrschluss, dass
die USA in einer Situation, in denen kein für sie günstiges Ergebnis
erreichbar ist, zu Atomwaffen greifen, um dem abzuhelfen? Das ist eine
durchaus nicht hypothetische Frage, denn die realistische Betrachtung
der globalen Entwicklung kommt zu einem etwas anderen Schluss als diese
nationale Sicherheitsstrategie, nämlich zu dem, dass die USA gerade
dabei sind, zu verlieren. Sie tun es nicht direkt, sondern vermittelst
ihrer Stellvertretertruppen in der Ukraine, aber wie ist vor diesem
Hintergrund dieser Satz zu lesen?
Aber es geht noch weiter. „Die Vereinigten Staaten würden den Gebrauch
von Atomwaffen nur in extremen Bedingungen erwägen, um die vitalen
Interessen der Vereinigten Staaten oder ihrer Alliierten und Partner zu
verteidigen.“ Man merke sich „extreme Bedingungen“ als Stichwort.
„Wir haben eine breite Auswahl an Optionen für die erklärte
Nuklearpolitik gesichtet – einschließlich der Politik von ‚kein
Erstschlag‘ und jener des ‚einzigen Zwecks‘ – und kamen zu dem Schluss,
dass diese Herangehensweisen im Licht des Umfangs nicht-nuklearer
Fähigkeiten, die von Wettbewerbern entwickelt und in Dienst gestellt
werden, die den Vereinigten Staaten und ihren Alliierten und Partnern
einen Schaden von strategischer Größe zufügen könnten, ein inakzeptables
Risiko darstellen würden.“
Auch das muss man übersetzen. Die Politik des „einzigen Zwecks“ war ein
Wahlkampfversprechen Bidens; die Atomwaffen der USA sollten einzig der
Abschreckung eines atomaren Angriffs oder der Erwiderung darauf dienen.
Sehr weit hat es dieses Versprechen nicht gebracht. Und es wird ganz
offen erklärt, dass ein Einsatz von Atomwaffen auf eine weit geringere
Handlung stattfinden kann. Man kann sich vorstellen, dass die
„nicht-nuklearen Fähigkeiten“ so etwas wie Kinshal und Zirkon meinen.
Auf die Tatsache, bei der Technik der Hyperschallraketen ins
Hintertreffen geraten zu sein, reagieren die USA also damit, einen
Einsatz konventioneller Waffen wie einen nuklearen zu behandeln. Und
zwar nicht nur, wenn es sie selbst trifft, sondern auch, wenn es
„Alliierte und Partner“ träfe. Eine derart niedrige Einsatzschwelle gab
es im gesamten kalten Krieg nicht.
Gefährlicher Strategiewechsel: USA erlauben Atomwaffen auch bei nicht-nuklearer Bedrohung
Auch in Bezug auf die Volksrepublik China wird noch einmal wiederholt,
dass „die Vereinigten Staaten nicht davon abgeschreckt werden, unsere
Alliierten und Partner zu verteidigen, oder genötigt werden, einen
Konflikt zu inakzeptablen Bedingungen zu beenden“.
Es ist immer der Sieger, der die Bedingungen festlegt. Der Sieger heißt
in keinem Fall USA. Da die USA weder ökonomisch noch
konventionell-militärisch siegen können, verfassen sie eine
Nuklearstrategie, die geradezu vorgibt, vor einer möglichen Niederlage
nuklear zu reagieren …
Und jetzt zu der Stelle, die eine offene Drohung darstellt.
„In einem möglichen Konflikt mit einem Wettbewerber müssten die
Vereinigten Staaten im Stande sein, vor einer opportunistischen
Aggression durch einen anderen Wettbewerber abzuschrecken. Wir werden
teilweise auf Nuklearwaffen vertrauen, um dieses Risiko bewältigen zu
helfen, da wir anerkennen, dass ein beinahe simultaner Konflikt mit zwei
nuklear bewaffneten Staaten eine extreme Bedingung darstellt.“
Das ist nun wirklich eine Drohung. Schriftlich und offiziell, auf der
Website des US-Verteidigungsministeriums veröffentlicht. Es sind
schließlich die USA selbst, die in Taiwan und in der Ukraine
gleichzeitig zündeln. Hier erklären sie, dass sie, sollte die
Volksrepublik China auf diese Provokationen reagieren, sie sich derart
überfordert fühlen, dass sie zu Atomwaffen greifen.
Al-Mayadeen-Kolumnist: Aufstellung von US-Truppen in Rumänien eröffnet den Dritten Weltkrieg
Eigentlich müsste man die USA auf Grundlage dieses Dokuments zum
Schurkenstaat erklären. Denn hinter all der Propaganda und dem
dekorativen Gerede von Werten und Demokratie und den tollen,
innovativen, eigentlich unbesiegbaren USA steht eine Doktrin, die sich
auf zwei Sätze zusammenfassen lässt:
Die Vereinigten Staaten gewinnen jeden Krieg, den sie führen.
Sollte 1. einmal nicht zutreffen, greifen sie zu Atombomben.
Das, was in exakt diesem Dokument Russland unterstellt wird, wird für
die USA festgeschrieben. Das Ergebnis ihrer drohenden Niederlage ist die
offizielle Erklärung: wenn die Vereinigten Staaten oder ihre Alliierten
und Partner es mit Bedingungen zu tun bekommen, die ihnen nicht
gefallen, dann sind sie bereit, dafür die Welt in Brand zu setzen.
https://de.rt.com/nordamerika/153070-neue-nationale-sicherheitsstrategie-usa-offene/
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