Mittwoch, 31. Juli 2013

Quotenjäger im Skandal-Rausch


 
"Blattkritik. Vom Glanz und Elend der Journaille"  - von Anton Hunger
 
Buchtipp von Harry Popow

Man entziehe einem Drogenabhängigen den Stoff – das kann für ihn lebensbedrohlich ausgehen. Man lege den gesellschaftlichen Sumpf trocken, der dem Enthüllungsjournalismus die Grundlage für deren Gerüchteküche bietet – er wird nicht überleben. Welch eine Horrorvorstellung für Skandaljäger, man darf sie auch mal Schmeißfliegen nennen: Es gibt Tage, „an denen einfach nicht wirklich etwas passiert, das des Berichtens würdig wäre (…)“ Und wenn nicht, dann wird nachgeholfen, „Dann wird schnell mal aus einem ordinären Blechschaden mehrerer kollidierender Automobile eine veritable ´Massenkarambolage´ oder aus einem brennenden Feldhäuschen schon mal eine ´Feuerbrunst´, die Legionen von Feuerwehrmännern ´unter Einsatz ihres Lebens bekämpfen´.“ (Seite 215)

Doch die Journalisten der Boulevardpresse und nicht nur dieser - haben den Bogen raus: Mit der notwendigen Spürnase, und wenn es denn aus Zeitmangel sein muss – auch durch gut bezahlte Informanten, sprich Spürhunde, sind sie immer da, wo es Opfer zu beklagen gibt, wo es Politiker durch Korruptionsfälle und Liebesaffären zu stürzen gilt. Hauptsache, sie sind die ersten bei der Berichterstattung und beim unvermeidlichen Überlebenskampf der Gazetten-Wirtschaft.

Zu dieser leidigen Schlussfolgerung muss man kommen, wenn man das Buch „Blattkritik“ von Anton Hunger gelesen hat. Auf 248 Seiten lässt er die populärsten Skandalgeschichten der vergangenen Jahre Revue passieren. Da geht es um die bekannten Fälle des Sturzes der beiden Bundespräsidenten Köhler und Wullf, um den Fall von Guttenberg, um das Entführungsopfer Natascha Kampusch, um ein angeblich ertrunkenes Mädchen, um Kachelmann, um Ottfried Fischer, um die Verhinderung des Absenkens der englischen Ölplattform durch die Greenpeace, um die Lügen von irakischen Chemiewaffen durch Bush und das Nachplappern durch die deutschen Medien. Und, und, und…

Anton Hunger muss es wissen: Laut Klappentext wurde er 1948 in Cham in Bayern geboren. Er studierte Volkswirtschaft, Politik und Soziologie. Er arbeitete als Zeitungsjournalist und als Kommunikationschef bei Porsche, war Mitgesellschafter beim Wirtschaftsmagazin „brand eins“, Kuratoriumsmitglied der „Zeitenspiegel Reportageschule“ und ständiger Kolumnist beim „Medium Magazin“.

Sind seine ausgewählten – übrigens für wache Leser bereits bekannten - Fallbeispiele auch nur mit Mühe zu lesen - so widerlich ist das Ganze - der Autor legt noch einen drauf, indem er die Methoden der Dunkelmänner der schreibenden Zunft beschreibt. Da sei von einem Anspruch auf Qualität der journalistischen Beiträge keine Rede mehr. Wahrheitssuche – Fehlanzeige. Da wird von Schmiergeldern berichtet, von Affärenflüsterern, die für viel Geld Informationen an die Presse liefern, von einer permanenten Jagd nach Scoops (exklusiv, früher als andere), von reinen Überfällen auf Opfer, die nicht einmal um ihre Einwilligung gebeten wurden, von der Jagd nach „prominenten“ Liebesaffären, vom spektakulären Umgang mit der sogenannten Elite, von Lügen, von Fälschungen mit Texten und Bildern, vom sogenannten Witwenschütteln, vom Abmontieren von Klingelschildern bei Opfern von kriminellen Handlungen, um die Konkurrenz aus dem Felde zu schlagen.

Wie kann es anders sein, natürlich geißelt er auch BILD, indem er die Medienforscher Hans-Jürgen Arlt und Wolfgang Storz zitiert: Dort werde mit „Intelligenz, Routine, Radikalität und gnadenloser Geschäftstüchtigkeit – Menschenverachtung und Killerinstinkt bei Bedarf inklusive – ein Massenmedium hergestellt, das auf publizistischen und ökonomischen Erfolg getrimmt ist“. (S. 100) „Tabus oder Intimbereiche kennen dreist recherchierende Boulevardjournalisten von Presse und Fernsehen jedenfalls nicht. Gefilmt oder fotografiert wird grundsätzlich schon, wenn die Haustüre aufgeht und ein verschrecktes Gesicht erscheint,“ so der Autor auf Seite 107.

Doch wer wollte den Veitstanz der Schnüffelhorcher- und schreiber verurteilen? Sie gar ermahnen? Sie an den Ehrenkodex für Journalisten erinnern, der da u.a. besagt, „Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse“? Anton Hunger schreibt, jede Gesellschaft hat die Medien, die sie verdient. (S. 233) Und trotzdem unternimmt er den Versuch einer Kritik. Er will mit seinem Buch, das er im weitesten Sinne als ein politisches Buch bezeichnet, zeigen, warum die Journalisten „in dieser Welt nichts anderes als Gefangene sind, die den widersprechenden Ansprüchen an ihren Beruf systembedingt allzu oft nicht gerecht werden können“. Und „sie sind nicht unabhängig, schon gar nicht von redaktionellen Zwängen.“ (S. 8) Die heutige Situation anklagend, schreibt er auf Seite 181: „Längst haben Personalisierung und Instrumentalisierung die sachliche Analyse verdrängt. Ethische Standards und journalistische Sorgfaltspflicht weichen zunehmend dem Druck, Auflage und Quote zu machen, egal um welchen Preis.“

Wenn nichts los ist, dann werden, so der Autor, Kampagnen organisiert und inszeniert. Gut geeignet sind solche, die sich um die „Rettung“ der Menschen „sorgen“. Die Vogelgrippe war so eine Kampagne, ebenso die Schweinegrippe, „bei der man sich durch Einnahme von Pandemrix nicht mehr anstecken konnte“. (S. 159) Was ausserdem die Auflagen erhöht und „was neurotische Medien einer neurotischen Gesellschaft in immer kürzeren Zyklen auftischen“: Geldanlageempfehlungen, Raucherentwöhnungsvorschläge, Alkoholverbotsforderungen, Ernährungspläne, Gesundheitshinweise und u.a. Handreichungen für das vollkommene Liebesleben. (S. 225)

Anton Hunger erwähnt mehrmals die systembedingte Verfasstheit der Medien und zitiert Hannah Arendt (1906-1975), eine jüdische deutsch-amerikanische Theoretikerin und Publizistin, die bereits 1961 die Befürchtung äußerte, dass die Medien „mittels der Macht des Marktes die Kultur verdrängen und sie dem Diktat der Unterhaltung unterwerfen“ würden. Der Autor beschwichtigt: „Aber Medien, auch wenn sie marktwirtschaftlich organisiert sind, haben einen Auftrag und eine gesellschaftliche Verantwortung.“ (S. 234) Mehrmals appeliert er an deren Vernunft und Auftrag, die „Institutionen und die Regierenden zu kontrollieren“. (S.177) Die sogenannte Vierte Macht benötige einen „Kompass, um das Wichtige vom Unwichtigen, das Interessante vom Uninteressanten, das Banale vom Wissenswerten und das Falsche vom Richtigen zu trennen“. (S. 234)

Fragt sich, wer den Kompass bedient, wer und welche Ideologie imstande ist und willens ist, den nicht leichten Weg zur Wahrheitsfindung zu gehen? In einer Klassengesellschaft etwa? Hunger weiß selbst, dass Appelle an die Vernunft von vornherein in den Sand gesetzte Wunschträume sind. Er kennt sicher auch die marxsche Erkenntnis, dass die erste Freiheit der Presse darin besteht, kein Gewerbe zu sein. Jedes System, je nachdem, wer die Macht ausübt, hält auch die Medien am Gängelband, weshalb es eine pure Illusion ist, sie an Menschenrechte und kulturvollen Umgang mit den Lesern zu erinnern. Wer bestimmt zum Beispiel, was richtig und was falsch ist? Es sind – verdeckt im Hintergrund agierend – die Geldgeber, die Sponsoren, die Finanzklasse, die Banken, die schließlich im Großen und im Kleinen das Sagen haben. Das wird wohl keiner bestreiten können. Peter Hacks meint (junge welt vom 30.11.2003): „Die große Medienlüge wird nicht unmittelbar dahergelogen. Sie erscheint als Austilgung des Erkenntnisstrebens des zu Belügenden,...“ Arnold Schölzel (jw, 19/20.03.2005): „Die Medien haben vor allem zwei Aufgaben: Desorganisation durch Desinformation und die Mobilisierung zum jeweils fälligen Krieg nach innen und außen.“

Interessant ist die Bemerkung des Autors zur Mitschuld der Leser. Die Medienkonsumenten, so schreibt er (Seite 234), „sind es nämlich, die offensichtlich auch den miesesten Schund kaufen und die unterirdischen Kanäle auf ihren Fernsehschirm zappen“. Der Leser oder Fernseh-Zuschauer wolle das so, sei die gängige Ausrede „für die bewusst organisierte geistige Verflachung von Zeitungen und Programmen“. Aber man gebe sich schon zufrieden, „wenn nur die Kasse stimmt“.Unter den Journalisten gebe es zwar auch Idealisten, so der Autor, doch sie seien „freischwebende Einzelgänger und merken nicht, dass sie in einer Abwärtsspirale gefangen sind“. (S. 235)

Hört auf, die Menschen zu jagen für eine Schlagzeile!“ - Diesen frommen Wunsch röhrte Ottfried Fischer anlässlich einer Ordensverleihung in den Saal, den einstigen Bundespräsidenten Christian Wulff in Schutz nehmend. (S. 83) Auf Seite 131 erwähnt Anton Hunger Frank Schirrmacher, Herausgeber der FAZ, der sich in einem Beitrag auf den erzkonservativen Publizisten und Margaret-Thatcher-Biographen Charles Moore berief: „Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat.“

Es bleibt dabei: Die dem kapitalistischen System untergeordnete Vierte Macht der Medien hält sich solange über Wasser, solange dieses System besteht. Da helfen keine guten Worte und kein Aufschrei nach Veränderung, Da muss geändert werden. Der Sucht nach Spektakel, die in nahezu verbrecherischer Weise ablenkt von den Sorgen und Nöten der Menschen, muss der Nährboden entzogen werden.

Das Buch von Anton Hunger – es müsste eigentlich auf Systemkritik hinauslaufen - ist nicht nur medieninteressierten Lesern zu empfehlen. Es gewährt einen tieferen Einblick in die Zusammenhänge von Wirtschaft, Politik, und Medien. Es nährt den Widerwillen und die Empörung gegenüber Denkschablonen und allgemeiner Volksverdummung im Medienalltag. Dass dabei tiefere Erkenntnisse für gesellschaftliche Veränderungen wünschenswert und notwendig sind, das liegt sicherlich auch im Interesse des Autors, dem hiermit ausdrücklich für seinen kritischen Zustandsbericht zu danken ist.



"Blattkritik - Vom Glanz und Elend der Journaille", Anton Hunger, Edition Hubert Klöpfer,
2013, 248 Seiten, geb. mit Schutzumschlag. ISBN 978-3-86351-059-6, € (D) 19,50 / (A) 20,10
 
 
Erstveröffentlichung der Rezension in der Neuen Rheinischen Zeitung



Mehr über den Rezensenten: http://cleo-schreiber.blogspot.com

Freitag, 26. Juli 2013

ZWISCHEN-RUF!! - zum Zeitgeschehen


Im Kritischen Netzwerk – Forum fand ich kürzlich diesen argumentativ wertvollen Beitrag:






Ausserdem im gleichen Forum lesens- und hörenswert:






und danach bitte diese Buchvorstellung lesen? Es ist MIT ABSTAND DAS BESTE BUCH zum Israel-Palästina-Konflikt überhaupt, meint das Kritische Netzwerk.

http://www.kritisches-netzwerk.de/forum/nakba-die-offene-wunde-die-vertreibung-der-palaestinenser-1948-und-ihre-folgen

Zum Klartext von Hammond:


Kerry ein Friedensengel?


Herzlichen Dank, lieber Jeremg Hammond, für Ihre klare Argumentation in Sachen angeblichem Friedensprozess im Israel-Palästina-Konflikt. Da will sich der Herr US-Kerry als Friedensengel aufschwingen (und viele glauben ihm, das ist das Schlimme) und ist doch nur ein weiteres Mal ein Brandstifter. Welch eine gefährliche Heuchelei ist hier im Gange? Sie haben das so ganz klar ausgedrückt: Palästina soll die Vorbedingungen Israels für weitere Friedensverhandlungen frank und frei anerkennen: Den „Jüdischen Staat“ (1947-1949) und damit die bereits vollzogene ethnische Säuberung und Verjagung von 750.000 Arabern, die einseitige Erklärung zur Existenz des Staates Israel und den Verzicht der Palästinenser auf Rückkehr in ihre angestammte Heimat. Kerrys Lösung also: Alles muß zur Stärkung der Sicherheit des Staates Israel beitragen. Palästina soll also unter Druck und unter Anerkennung der Vorbedingungen verhandeln und so Unrecht in Stein meißeln? Eine Zumutung der außergewöhnlichen Art – Israels Verstösse gegen internationales Recht sei bei den Verhandlungen mit Palästina kein Haupthindernis. Damit ist ein ehrlicher neuer Start im Friedensprozeß von vornherein zum Scheitern verurteilt.


In einem ausführlichen Kommentar nimmt Ulrich Gellermann zu EU-angekündigten Maßnahmen zum Israel-Palästina Konflikt Stellung und schreibt: Das mächtige Israel droht der Europäischen Union. Denn die EU hat doch tatsächlich gewagt, über ihr eigenes Geld zu entscheiden. Künftig will sie keine israelischen Unternehmen oder Organisationen mit Sitz in den nach dem Krieg 1967 besetzten Gebieten mehr fördern. Das, so befindet König Benjamin, sei ein "äußeres Diktat in Bezug auf unsere Grenzen."

Ich meine, mit diesen klaren Haltungen und entlarvenden Beiträgen wirken die Autoren der massenhaften Manipulation durch die Politik und deren Medien mit klaren Worten entgegen. Ich setze diese Zeilen deshalb in meinen Blog, da an dieser Stelle demnächst eine Rezension über die Machenschaften der Medien veröffentlicht wird. Dabei geht es um das Buch von Anton Hunger „Blattkritik“

Harry Popow

Mittwoch, 17. Juli 2013

"Zwischen Start und Landung" - von Eckhard Lange


 
Der Herr der Lüfte



Buchtipp von Harry Popow


Zum Autor: Geboren 1936, beendete Eckhard Lange nach 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone in Steinhöfel / Kreis Angermünde die Grundschule, erlernte den Beruf des Landmaschinenschlossers, meldete sich zur Kasernierten Volkspolizei, wurde Segelflieger und ehrenamtlicher Fluglehrer, arbeitete später bei INTERFLUG als Flugzeugmechaniker und Meister und wurde sogar - trotz äußerer und innerer Widersprüche - „Held der Arbeit“. Eckhard Lange hat zwei Töchter und zwei Enkelinnen und hat es schließlich bis nach Namibia geschafft.

Zum Buch: Was kann einem Jugendlichen besseres passieren als dies: Er erwischt eine solide Ausbildung, später sogar einen festen Arbeitsplatz. Wenn er dies noch verknüpfen kann mit einem Wunschberuf, vielleicht sogar mit seinem Hobby, dann sind schon mal etliche Glückswürfel gefallen. Wer schüttelt da den Kopf und stöhnt, da gäbe es wenig Chancen?

Nicht so ein Siebzehnjähriger. Der hatte einst hochfliegende Pläne. Damals zu DDR-Zeiten! Er heißt Eckhard Lange. Heute ist er weit über siebzig. Er hat aufgeschrieben, wie er die Chancen in der neuen Gesellschaftsordnung genutzt hat. Sein Buch nennt er „Zwischen Start und Landung“. Es ist sein Lebensbericht. Ein doppeldeutiger Titel - für Jung und Alt gleichermaßen hochinteressant: Keine Sorgen, ordentlich und solide ausgebildet zu werden. Keine Bange, einen Arbeitsplatz zu bekommen. Keinen großen Geldbeutel, um schon als Jugendlicher in die Segelfliegerei – seinem ersehnten Steckenpferd – einzusteigen.

Was er dem geneigten Leser präsentiert, das ist nicht nur sein Interesse für die Flugtechnik, nein, das ist auch ein Stück Alltag der DDR. Was dazugehörte: Viel Enthusiasmus, viel Schweiß und Fleiß – verbunden mit so manchen persönlichen Opfern – sowie Charakterstärke, um sich durchbeißen und behaupten zu können. Ob als ehrenamtlicher Segelfluglehrer oder auch als Mitarbeiter bei INTERFLUG, sozusagen im weiten Vorfeld des heutigen Desaster-Großflughafens Schönefeld. Der Alltag vor und während der Wende – ganz aus persönlicher Sicht. Gespickt mit interessanten und lebendig geschilderten Episoden und Eindrücken. Er hilft, Pannen im Betriebsgefüge zu meistern, er wird von seiner Brigade anerkannt, er empfindet Freude und Stolz, erlebt eine gute Kameradschaft zwischen den Arbeitskollegen. Bis eben das Ende der DDR eingeläutet wird. Auch diese bittere Pille schluckt er, der Arbeiter.

Auf 168 Seiten – mit zahlreichen Fotos und Dokumenten illustriert – , erfährt der Leser in diesem Buch den Aufstieg des Eckhard Lange zu einem sinnerfüllten Leben. In diesem authentischen Lebensbericht, aufgeschrieben als Ghostwriter von mir – schildert er, wie er in den Aufwind der neuen Gesellschaft kam, seine Möglichkeiten nutzte und seine verantwortungsvollen Aufgaben mit Bravour meisterte. Wie er, der Flugzeugmechaniker und Segelflieger, nach 1989 im Zenit seines Lebens in Afrika das goldene Segelfliegerabzeichen mit drei Diamanten absolvierte. Wie er, der Fluglehrer, auch heute noch seine Erfahrungen an die Jüngeren weitergibt.

Im Detail: Eine Anzeige in der Zeitung, viele Jahre nach der Wende: Das weltbeste Segelflugzentrum in Namibia sucht einen Werkstattleiter und Motorenwart. Der erfahrene Segelfluglehrer schickt sofort eine Bewerbung nach Afrika. Bevor er Antwort erhält, erinnert er sich seiner Kindheit in Pommern. Er, der neunjährige Eckhard, Sohn eines Landbäckers in Uchtdorf (heute Lisie Pole in Polen) trotzt dem Vater. Er will nicht in dessen Fußstapfen treten. Er will nicht backen, nicht Kühe hüten. Was Technisches soll es sein. Verfolgt mit staunenden Blicken die Flugzeuge, die in diesen End-Kriegszeiten des Jahres 1944 über dem Dorf dahinjagen. Ja, er will später mal fliegen, ebenso wie die da oben. Seine Träume sind hochfliegend in einer Zeit, in der es ums Überleben geht. Sein Vater warnt ihn: „Das ist nichts für dich, bleib auf dem Boden!“ Doch der Trotz in dem Jungen ist nicht totzukriegen.

Endlich die Befreiung. Nach der Flucht aus Pommern ein Neubeginn in der Sowjetischen Besatzungszone. Und nun will der Träumer endlich durchstarten. Wieder trotzt er dem Vater, als dieser ihn ermahnt, dieser Sozialismus würde sich nicht lange halten. Eckhard aber will selbst die Weichen für sein Leben stellen. Er erlernt den Beruf des Landmaschinenschlossers, hält aber weiter Ausschau nach weit oben. Die Kasernierte Volkspolizei, hört er, suche Leute, auch für die Flugausbildung. Er schmettert ihnen ein Nein entgegen, als Werber den jungen Mann an die Grenze schicken wollen. Da ist er wieder - sein Trotz.

Für Kenner der Segelfliegerei besonders spannend: Das Leewellenfliegen über dem Riesengebirge in der damaligen Volksrepublik Polen. Er berichtet – übrigens mit viel Witz und Humor – von seiner ersten großen Entscheidung, „Trapper oder Pilot“ zu werden, von einem „Agenten“ am Straßenrand, von einem Absturz eines Kameraden, von viel Geheimnistuerei um den 13. August 1961 herum, von notwendigen Tüfteleien bei Arbeiten auf Flugplätzen, vom Bergwandern mit Freunden in Bulgarien, von einem „abgehauenen“ Segelflieger, von manchem Schwachsinn und von manchen Illusionen zur „Wendezeit“.

Sein Weg führte ihn nach oben: Nach zahlreichen Qualifizierungen als Fluglehrer und als Prüfer für Luftfahrtgeräte - landet er bei INTERFLUG. Als Mechaniker leistet er eine hervorragende Arbeit. Er erzählt in seinem Buch von Rissen in Triebwerken und wie er das Titanschweißen einführte und so dem Betrieb Millionen Mark der DDR einsparte. Wie er sich schließlich auf einem hohen Podest wiederfand und vom Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker als „Held der Arbeit“ geehrt wurde. Er und seine Kollegen fragten sich angesichts vieler Widersprüche in der Wirtschaftpolitik immer öfter: „Wie hell leuchtet unser Stern wirklich?“ Zur Wendezeit schildert er die vielerorts angetroffene Reg- und Sprachlosigkeit, aber auch die Freude, verbunden mit zahlreichen Illusionen bei vielen Betriebsleuten.

Die Rückschau auf das bisherige Leben wird unterbrochen mit dem positiven Bescheid aus Afrika und der nachfolgenden Schilderung der für ihn noch ungewohnten aber sehr interessanten Erlebnisse in der Wüste. Trotzdem hält der Erzähler Eckhard immer wieder inne und blickt zurück auf seinen nicht leichten aber zielstrebig verfolgten Lebensweg – eine Komposition, die aufgeht. Sie unterstreicht, wie wichtig es für ältere Menschen ist, gebraucht zu werden. Und sie verdeutlicht den hohen Wert des Namibiaaufenthaltes als einen der Höhepunkte im Leben dieses Meisters der Lüfte. Auch die Sprache in diesem Buch ist schön und hält die Neugier wach. Frank-Dieter Lemke vom Flieger-Club Strausberg resümierte zu diesem Buch: „Eckhard Lange gewährt uns mit seinen ehrlichen Erinnerungen nicht nur einen interessanten Einblick in ein Stück Luftfahrtsgeschichte der DDR, sondern auch in Entscheidungen bei schwierigen Situationen …“


Eckhard Lange: „Zwischen Start und Landung, Gelebt-gearbeitet-geflogen“, ein Lebensbericht, 168 Seiten, Preis: 17,50 Euro – Versandkostenfrei, Juli 2013, Druck und Verlag: dbusiness.de Digital Business and Printing Gmbh, Prenzlauer Allee 174, 10409 Berlin, E-Mail: info@copyhouse.de, www.copyhouse.de , Telefon: 030 44650342. Buchbestellungen bitte über die email Adresse info@copyhouse.de.

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(Der Ghostwriter und Rezensent für das Buch „Zwischen Start und Landung“, Harry Popow, (www.cleo-schreiber.blogspot.com ) veröffentlichte außerdem als ehemaliger Reporter und Redakteur der DDR Wochenzeitung „Volksarmee“ seinen autobiografischen Roman mit dem Titel „In die Stille gerettet. Persönliche Lebensbilder“. Engelsdorfer Verlag, Leipzig, 2010, 308 Seiten, 16 Euro, ISBN 978-3-86268-060-3)


Erstveröffentlichung in der Neuen Rheinischen Zeitung




Leseprobe (Seite 29)

Trapper oder Pilot?



Walzwerk Finow. Ein Volkseigener Betrieb. Ich erinnere mich genau. Nach der Lehre als Maschinenschlosser bewarb ich mich in einem Werk, das total neu aufgebaut wurde. Damals brauchte ich keine Klimmzüge machen, wie die Heutigen, um als Junggeselle angenommen zu werden. Welch ein Unterschied zum Lehrlingsbetrieb in Angermünde. Riesige Werkhallen, riesige Kräne. Neue Maschinen, die vom Hersteller selbst aufgestellt wurden. Gabelstapler transportierten große Stahlplatten und Segmente, die von Hand nicht zu bewegen waren. Wir Gesellen gaben Hilfestellung. Sollten doch später völlig selbständig die Wartung und Instandhaltung übernehmen. Mich beeindruckte dieses neue Walzwerk, spürte, welche Kraft davon einmal ausgehen würde, und war richtig froh, dabei mitmischen zu können.

Wie das so ist – aller Anfang ist wirklich nicht leicht. Man sah zum Beispiel, was da noch alles fehlte, aber bereits im Entstehen war: Betriebsküche, Aufenthalts- und Frühstücksräume. Alles noch im Rohbau. Vor allem deshalb hat jeder seine Stullen mitgebracht. Ansonsten gab es in einer Kantine Bockwurst und Suppe. Für mich ungewohnter Schichtbetrieb. Nächste Sorge: Wo sollte ich schlafen? An Unterkünften für die Belegschaft war noch nicht zu denken. Hatte jedoch wieder einmal Glück: In Eberswalde nahm mich ein Schulfreund vom Dorf mit in seine Einraumwohnung zur Untermiete. Seine Wirtin hatte dem zugestimmt. Zum Walzwerk, das am anderen Ende der Stadt lag, fuhr ich mit dem Fahrrad eine dreiviertelstunde durch die Stadt, abends zurück. Auch in den Wintermonaten. Fiel todmüde ins Bett oder besuchte dann und wann mit meinem Kumpel das Kino. Die Wochenenden verbrachte ich zu Hause in Steinhöfel.

Später kam Nachtschichtbetrieb hinzu. Da wurde alles noch etwas komplizierter. Doch dem Flugwesen war ich noch keinen Schritt nähergekommen. Manche meinten, du spinnst, was willste denn bei den Fliegern, die es doch gar nicht so richtig gibt in der DDR. „Man hat es mir doch versprochen“, entgegnete ich. Aber glaubte ich noch daran? Ich bekam heraus, daß in der Nähe der Stadt ein Flugplatz lag. Auf dem starteten und landeten russische Flugzeuge. Aus der Nähe den Flugbetrieb zu betrachten kam nicht in Frage. Durftest ja nicht näher als fünf Kilometer ran, hatten wir herausgefunden. Doch im Werkgelände gab es einen Turm. Den bestiegen einige Neugierige und ich. Von dort aus ließ sich beobachten, wie Strahlflugzeuge, soviel konnten wir erkennen, rasant von der Startbahn abhoben. Das will ich auch, dachte ich. Und bekam neuen Auftrieb. Allerdings hätte ich diesen beinahe vermasselt. Durch jugendliche Neugier, durch Leichtsinn... Doch dazu später.

Nun war es soweit. Faßte den Entschluß: Jetzt gehst du zum Kreiskommando Angermünde. Meldest dich zur KVP. Freiwillig, das war mir wichtig. Freudig empfing man mich. „Pilot wollen sie werden? Hm? Und was ist mit Grenze?“ Ziemlich energisch verneinte ich ein weiteres Mal. Warum die das nur immer wieder versuchen, mich in eine andere Laufbahn zu drängen? Werden es wohl nötig haben. Doch nicht mit mir. Es bleibt dabei, ich will zu den Fliegern. Wieder ein Hm! „Na, dann gehen sie mal zum Arzt, werden sehen, was sich machen läßt.“ Die Ärztin untersuchte mich. Überaus genau und gründlich. Zu gründlich? Denn sie stellte fest, ich habe Schwierigkeiten, die richtigen Farben auf der medizinischen Farbprüftafel auseinanderzuhalten. Die Farbschwäche stellte ich bereits während der Schulzeit fest. Sie ist vererbbar. Cirka acht Prozent aller Männer und ein halbes Prozent aller Frauen sind davon betroffen. Später habe ich über vierzig Jahre lang bei den Flugmedizinischen Untersuchungen mit diesem Problem gekämpft: mal tauglich, mal bedingt tauglich, mal untauglich. Damit war für mich der Traum eines großen Piloten gestorben. Für den Segelflug würde es aber noch reichen, sagte man.

Beinahe hätte ich unmittelbar nach meinen Gesprächen im Kreiskommando alles, aber auch alles versaut. Denn es gab ein Vorkommnis, wie es offiziell hieß.

Es war im Januar 1956. Ein Arbeitskollege und ich hatten ein paar Tage Urlaub. Anschließend wollte ich im Walzwerk kündigen. Da hatten wir eine tolle Idee: Wir könnten doch mal zur „Grünen Woche“ nach Westberlin fahren. Haben zwar kein Geld, aber irgendwie werden wir das Ding schon schaukeln. Wir von Eberswalde los mit der Bahn und dann mit der S-Bahn weiter und nichts wie rüber Richtung Funkturm. Mein Staunen über die große Stadt Berlin fing schon in Pankow an. Die Häuser, der Verkehr, die vielen Leute. Ich als Dörfler mittendrin. Ein unbeschreibliches schönes und aufregendes Erlebnis. Dann aber am Funkturm. Bekam den Mund nicht mehr zu: Als Ostler hatten wir freien Eintritt. Bestaunte die tollen technischen Geräte. Uhren, Radios. Alles, was das Herz begehrte. Auch große Fotos von Kanada. Von Fallenstellern, von Bärenjagden. Prospekte machten uns an: Kommt herüber! Kommt nach Kanada! Dort könnt ihr auch jagen, wohnen, arbeiten. Im richtigen Urwald. Dazu Bilder von richtig hohen schneebedeckten Bergen. Ich hatte noch nie ein Gebirge gesehen. Das wars doch. Da ging mit einem die Phantasie durch. Plötzlich rief mein Kumpel einen recht übermütigen Satz: „Mensch, das wäre doch was, stell dir vor, wir in Kanada!“ Und schon sahen wir uns mit einem Gewehr im Urwald jagen und fischen, wie ich es in Klein-Steinhöfel gemacht hatte. War ja dort auch „Fallensteller“ und „Fischer“. Oh, diese verlockende Traumwelt im allzu weiten Kanada.

Wir sackten alle bunten und verlockenden Werbebroschüren, die wir greifen konnten. Auch politische. Ein Heft über die DDR habe ich zusammengerollt und in die Tasche gesteckt. Bis Bernau mit der S-Bahn ging alles gut. Keiner achtete auf uns Jugendliche. Wir waren gerade in den Zug nach Eberswalde gestiegen, da sahen wir schon die Männer vom Zugbegleitkommando. Mulmig wurde uns, ganz mulmig in der Magengegend. Eigentlich waren wir sogar naiv. Konnten uns nicht vorstellen, etwas sehr böses getan zu haben, nur weil wir im Westen waren. „Ihre Ausweise bitte!“ „Was haben sie denn da? Na, kommen sie mal mit.“ Langsam mußten wir uns durch den vollen Zug zu einem Abteil der Transportpolizei drängeln. Schön langsam. Ich zuerst, mein Kumpel hinter mir, der Uniformierte als dritter. Mensch, du hast ja noch die Eintrittskarte vom Funkturm, auf dem wir ebenfalls waren, dachte ich mit Schrecken, habe sie zwischen den Waggons weggeworfen. „Vorwärts, vorwärts!“, rief der hinter uns gehende Beamte. Nur eine Station bis Eberswalde. Endlich der Bahnhof. Wir landeten auf der Wache des Zugbegleitkommandos: „Na zeigen sie mal, was haben sie denn da...?“ Packten alle eingeklaubten „Schätze“ von der „Grünen Woche“ auf einen Tisch. „Wollten sie abhauen in den Westen?“ Wir: „Nein, nein, wir hatten nur Urlaub und wollten uns am Funkturm mal umsehen.“ Mein handfestes Argument: Ich werde zur KVP gehen, was soll ich da im Ausland? Das zog offenbar. Wir durften nach Hause gehen, die schönen Prospekte waren futsch.

Mein Schulfreund im Zimmer: „Mensch, pack deine Sachen, hau ab. Dich sperren die ein. Sehe zu, daß du wegkommst aus dem Osten!“ Bekam ich Angst? Schließlich hauten so viele ab, Bauern, Arbeiter, ganze Familien. So ungewöhnlich war das ja nicht. Hand aufs Herz: Ich habe nur paar Sekunden gebraucht zum Nachdenken. Dachte so bei mir: Nee, rübermachen, das willste ja gar nicht. Sehe keinen Sinn darin, was willste denn im Westen? Mein Weg war doch klar, ich wollte doch Pilot werden. Ob ich das drüben erreichen könnte, ist doch fraglich. Die sichere Zukunftsaussicht, die war mir schon sehr viel wert. Also blieb ich. Nicht so mein Arbeitskollege. Der packte im Handumdrehen seinen Koffer und verschwand auf Nimmerwiedersehen.

Ich schicke einen Blick voraus. Als ich wenig später bei den bewaffneten Kräften landete, schrieb mir dieser Arbeitskollege einen Brief. Aus dem Westen! Der erreichte mich aber nie. Er sorgte allerdings für Aufregung! Bei Vater in Steinhöfel und danach in meiner Dienststelle. Mußte zum Staatsanwalt. Mußte erklären, wie das alles mit dem Besuch der „Grünen Woche“ zusammenhängt. Ich staunte, was die alles bereits wußten. Hing meine Zukunft am seidenen Faden? Nein, ich wurde lediglich verwarnt. Seitdem hatte ich nie wieder Kontakt mit der anderen Seite. Wollte mit so einem Quatsch keinesfalls mehr anecken. Wozu auch? Das brachte nichts, absolut nichts. Hatte also „Freie Bahn“ für einen neuen Start ins Berufsleben. Ins Fliegerleben? Solche und ähnliche Gedanken kamen mir während des Fluges nach Afrika. Diesmal kein neuer Start in einen neuen Berufsabschnitt, sondern in die Sphäre meines Hobbys. Ausschließlich. Na, schauen wir mal...