Mittwoch, 29. August 2012

"Verführungs-Kunst"

 
„Design und Verbrechen“  Und andere Schmähreden / Hal Foster

Buchtipp von Harry Popow

Hätte ich nicht kürzlich Werner Seppmanns Bericht über die Documenta 13 in Kassel (siehe „junge welt“ vom 10.08.2012) mit Spannung gelesen, ich würde nicht auf Anhieb das Buch von Hal Foster „Design und Verbrechen“ und andere Schmähreden als das erkannt haben, was es ist: hochgradig interessant!

Seppmann: „Die d13 vermittelt ein Wirklichkeitsbild, das dem beim Blick durch ein Kaleidoskop entspricht: Es ist bunt und unstrukturiert, jedoch auch unterhaltsam. Vermittelt werden bunte Bilder, die wirksam verhindern, daß Zusammenhänge deutlich werden und der Betrachter seine sozialen Existenzbedingungen begreifen kann. Das ist beabsichtigt.“

Von Bildern, insbesondere in der Architektur, schreibt auch der englische Autor und Kunsthistoriker Hal Foster, Professor für Kunst und Phgilosophie an der Princeton University und Mitherausgeber der Vierteljahreszeitschrift October. Es geht ihm um das Design.

Design! Die visuelle Welt! Deren Gegenstände, so stellt der Autor fest, „reichen von Film, Fernsehen und Internet bis zu visuellen Formen der Darstellung in der Medizin, im Militär, in der Industrie (…) Die visuelle Kultur stehe heute für unsere Welt des gesteigerten Spektakels. (S. 118)

Hinzugefügt sei: Manchmal zur Freude der Menschen, manchmal als Zumutung, ja, als Angriff auf die Seele der Leute, als Provokation der Sinne, als direkter und unverschämter und gieriger Griff in den Geldbeutel: Kaufen, kaufen, kaufen!!!

Dem Autor ist zu danken, die Kausalität zwischen Design und Marktgeschehen und damit auch zur Deformation des menschlichen Willens und seiner Würde näher ausgeleuchtet zu haben.

In acht Beiträgen auf 222 Seiten setzt er sich mit zahllosen „Kunstexperten“, deren Denkweisen und Projekte polemisch auseinander. Er wirft Blicke zurück in die Kunstgeschichte, in Brüche und Korrekturen, in Auseinandersetzungen und Irrtümer. Ihm geht es – das geht aus dem Vorwort hervor –, um das Verschmelzen von Kultur und Kommerz, um das Vordringen von Design im Alltag, um Fallstudien von Karrieren in der Architektur, um die Beziehung zwischen Kunst und Museum, um die konzeptuellen Wege der Kunstgeschichte im späten 19. Jahrhundert, um die Kunstkritik in den USA und schließlich um die verschiedenen Strategien eines Weitermachens nach dem Ende von Moderne und Postmoderne.

„Das ganze Buch hindurch bin ich bemüht“, so der Autor, „kulturelle und diskursive Formen mit gesellschaftlichen und technologischen Dynamiken in Verbindung zu bringen.“ Er wolle ihre politische Dimension in den Blick rücken.

Zu markieren ist also der Weg seiner Erkenntnisse vom Design zum Verbrechen. Was ist darunter zu verstehen? Erfüllt bloßes Design bereits diesen Tatbestand?

Das Ästhetische und das Nützliche  scheinen ineinander aufzugehen und sind zugleich weitgehend kommerziellen Interessen untergeordnet, so der Autor. „Alles – vom architektonischen Entwurf und der Kunstausstellung bis hin zu Jeans (…) scheint in erster Linie unter dem Aspekt des Designs betrachtet zu werden.“  In unserer Konsumwelt gebe der Designer erneut den Ton an. Designobjekte, meint Hal Foster, „sind gleichermaßen ein Wohnhaus und eine Firma, Falten im Gesicht (…) und die eigene Persönlichkeit (…), die Erinnerung an die Vergangenheit (Designer-Museen) und die genetische Zukunft (Designer-Babys).“ (S. 30)

Der Autor fragt sich, ob möglicherweise das „Design-Subjekt“ ein illegitimer Spross des in der Kultur der Postmoderne so hochgehaltenen  „konstruierten Subjekts“ ist?  Und er spricht es klar und deutlich aus: „Gerade wenn man denkt, die narzisstische Logik des Konsums könne nicht noch enger werden, passiert genau das. Design trägt dazu bei, Produktion und Konsum in einem fast perfekten Kreis zu verbinden, viel ´Spielraum´für anderes bleibt dabei nicht.“ (S. 30/31)

Also eine Design-Inflation, da doch auch Kataloge per online die Konsumenten grüßen, anmachen, drängeln? Aber ja doch. Selbst die Verpackung, schreibt Foster, ersetzt quasi das Produkt. Mit meinen Worten: Das A und O sei also, die Aufmerksamkeit der Konsumenten und die bildliche Erinnerung wachzuhalten. Foster spricht von einer „politischen Ökonomie des Designs“ und meint, es gehe um die Restruktuierung der Ökonomie durch Digitalisierung und Computerisierung. Das sei mehr als „Marketingkultur“ oder „Kulturmarketing“, ausgehend von der wachsenden Bedeutung der Medienkonzerne, „die zunehmend im Mittelpunkt ökonomischer Prozesse stehen“.  (S. 33/34)

Foster wirft mehrere Blicke zurück in die Geschichte. Der Stil von 1900 – Art nouveau  oder Jugendstil – drängte in den vergangenen Jahren in Museumsausstellungen und wissenschaftliche Publikationen. Man habe versucht, Gegenständen ihre Subjektivität einzuprägen. In den 1920er Jahren wurde eine Maschinenästhetik tonangebend, schreibt der Autor. Allmählich wurde so aus dem in die Jahre gekommenen Jugendstil Kitsch. „…und in diesem Zwischenreich verharrt er seither.“ Foster schlußfolgert: Wir würden erneut in einer Zeit leben, in der die Disziplinen verschwimmen, in einer Epoche „totalen Designs“, eines Jugendstils 2000. Die Restrukturierung des Raums nach dem Bild der Ware sei eines der wichtigsten Phänomene der kapitalistischen Moderne. (S. 25/26)

Noch klarer kann man es kaum ausdrücken: „Design handelt immer von Begehren, doch erscheint dieses Begehren heute seltsam subjektlos und ´glatt´.“ Design befördere eine neue Art von Narzissmus, der nur das Oberflächenbild kennt, ohne tiefere Dimension. Foster unterstreicht, Walter Benjamin zitierend: „Die Verklärung der einsamen Seele erscheint als sein Ziel.“ (S. 39)

Um keine Mißdeutungen aufkommen zu lassen, betont Hal Foster: „Es ist nicht meine Absicht, einer eventuell verlorenen `Innerlichkeit der Seele`nachzutrauern (…) und ebenso wenig, die `Äußerlichkeit des Computers` zu feiern. Diese neue Welt, so fährt er fort, sei, so digital sie auch funktionieren mag, in ihrer Erscheinung „immer noch visuell, was nicht zuletzt die Rede vom `Bildschirm`, von `Fenstern` (…) unterstreicht.“ (S. 125)

Gleichzeitig grenze er, der Autor, sich von Schrecken und Sensationen ab, die „als wohlfeile Unterhaltung oder Beiwerk für die Massenmedien“ dienen. (S. 156)

Ist die Kunst – parallel die Geschichte – am Ende? Verschiedentlich fragt sich das der Autor und mit ihm viele Menschen. Hoffnungsvoll schreibt er, womöglich sei das Fortleben nicht so sehr ein Wiederholen als vielmehr ein Neu-Machen, (…) ein Wieder- und Anderswo-Beginnen. (S. 165) Oder anders gesagt: „In erster Linie geht es mir (…) nicht darum, (…) Dinge der Vergangenheit zu retten, sondern darum, sie nochmals zu durchdenken: zu verstehen, warum utopische Momente sich nicht verwirklichen, welche größeren Kräfte dazu führten, ein irgendwo aufscheinendes Moment klein zu halten, und was daran wertvoll war – was daran auch heute noch brauchbar sein könnte.“ (S.177)

Der Rezensent ist nicht so vermessen, dieses Buch mit seinem hohen intellektuellen Anspruch für ausgesprochene Kenner der Szene in aller Tiefgründigkeit und Vielseitigkeit vollständig erfassen zu wollen und zu können. Eines ist jedoch gewiß: Es stärkt die Starken in ihrem Widerstand gegen den ausflutenden und unbarmherzig zuschlagenden Zeitgeist, gegen die „Verführungs-Kunst“ im alleinigen Interesse der Profitmaximierung  den Rücken. Es reiht sich ein in eine so dringlich gewordene „Widerstandskultur“.

(„Design und Verbrechen“ Und andere Schmähreden. Autor: Hal Foster, übersetzt von Thomas Atzert, Edition TIAMAT, Verlag Klaus Bittermann, ISBN: 978-389320-162-4, 1. Auflage: Berlin 2012, 224 Seiten, 18.00 Euro)

 

                                                                  

Donnerstag, 23. August 2012

Wenn ein Brief Bände spricht...

 
23. August 2012: Nach einer Wanderung mit meiner Cleo durch „Wald und Flur“ fand ich zu Hause einen Brief folgenden Inhalts vor:

„Ich habe gerade den Hörer nach dem Gespräch mit Dir aufgelegt und möchte mein Versprechen auf der Stelle einlösen: hier also meine ersten Gedanken zu Deinem Gemälde `Mensch und Welt…`:

Hier hat ein Mensch sein überschäumendes Glück, das ihm widerfahren ist im Leben, in Farbe umgesetzt. Mein erster Eindruck: einfach phantastisch!!! Das Bild, das bist Du, mein lieber Harry, hier hast Du Deine Visionen eingebracht, Deine ganze Phantasie, Deine erlebte Liebe und auch Deine ausgeprägte Fähigkeit, liebenswürdig zu spinnen.

Ich habe jetzt das Gefühl, daß ich einen ausgesprochen schönen Tagesausklang hatte und  dafür danke ich Dir. Ich wünsche Dir und Ingi auch in Zukunft eine schöne und immer wieder anregende Zweisamkeit.

In Freundschaft S.“
(Siehe der Beitrag "Mein Gemälde Mensch und Welt" in diesem Blog.)


Hans schreibt mir per E-Mail:

 „Ich sitze beinahe seit einer Stunde vor Deinem Bild . Denke, mache Notizen , interpretiere, verwerfe Gedanken . Bin noch nicht fertig. Man kann vieles hineindenken...

Unser blauer Planet, verbunden mit der Sonne durch eine unlösbare Klammer. Die Größe der Sonne, sie könnte ihre Bedeutung für uns symbolisieren. Deutlich auf ihrer süd-westlichen Oberfläche Eruptionen. Auch im süd-westen der Erde eine sich explosionsartig ausbreitende, verschieden gerichtete Erscheinung. Wäre es Afrika und Arabien , würde ich es mit den völlig ungerichteten und verworrenen ,chaotischen Rebellionen und politischen Entwicklungen in Verbindung bringen.

Und ich sehe aber auch aus dem Osten eine auf ein Haus zugehende weibliche Lichtgestalt. Sie möchte Euch Blumen bringen. Sie will Euch ihre Freude darüber ausdrücken, dass Ihr 50 Jahre in Freud und Leid zusammengestanden habt . Sie wäre gerne bei Euch , Tamara.

Aber auch einen Galgen , unterhalb des Hauses, sehe ich . Kaum zu erkennen daran eine menschliche Gestalt . Versteckter Hinweis auf immer noch auf dieser Welt verhängte und vollzogene Vernichtung menschlichen Lebens durch Todesstrafe und Krieg ?

Lieber Harry, wenn ich mal annehme, dass es in diesem Stil ein erster Versuch und natürlich völlig anders als beispielsweise die von Dir gemalte landschaftliche Idylle auf Deinen Buch ist, na dann ist doch der Anfang im neuen Stil schon mal nicht schlecht. Wie gesagt, es kommt auf den Interpreten an. Das ist wie bei jeder Sache so. Nicht jeder liebt schwere Kost ...bissel nachdenken und künstlerische Freiheit darf schon sein; das meine ich , der unbedarfte Kunstbanause . Zufrieden ?“


Auch Erwin meint:

Das Bild fasziniert und zieht die Aufmerksamkeit des Betrachters an. Zu sehen ist die Weltkugel, die mit einem Feuerball zusammenstößt. Dieser Zusammenprall ist aber nicht das Ende der Welt, sondern nur ein ernsthaftes Signal für eine Wende im Umgang mit der Natur auf der Welt. Auf der einen Seite wird auf der Erdkugel Elend und Zerstörung (umgestürzter Baum) gezeigt. Andererseits wird durch die noch frische Vegetation und Blumen der Eindruck geweckt, dass das nicht das Ende der Welt ist.

Der Gesamteindruck ist nicht negativ und traurig. Das Bild strahlt durch die leuchtenden und hellen Farben Lebensfreude, Kraft, Zuversicht und auch Hoffnung aus. Die bessere Welt wird kommen. Noch ist es nicht zu spät, die Apokalypse kann vermieden werden. Der Feuerball symbolisiert einerseits die Klimaerwärmung und andererseits das Angebot, das Energieproblem der Menschheit durch Solarenergie lösen zu können.

Je länger ich das Bild betrachte, desto mehr Ideen fallen mir dazu ein. Es ist wirklich nicht langweilig, sondern in gewissem Sinne provoziert es zum Grübeln, zum Nachdenken und zur Auseinandersetzung.

Leider fällt mir zur weiß gekleideten Person auf dem Bild nichts ein. Dazu brauchte ich ein paar Anstöße von Dir zu ihrer Rolle in den sonst dargestellten Turbulenzen. Wenn ich Dich nicht kennen würde, würde ich auf eine religiöse Gestalt tippen. Es könnte auch sein, dass Du einfach provozieren willst. Das wäre dann auch gelungen!

Lieber Harry, ein tolles Bild, dass zur Diskussion einlädt.

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Harry-Dank:

Hallo, herzlichen Dank für jene, die hier so tolle Ermutigungen äußerten: Bin sehr überrascht von dieser Reaktion, aber ich wollte eben mal anders rangehen beim Malen. Wer Cleo ist, wißt Ihr ja inzwischen… Die Bildgröße: 70 X 50 cm. Was man auf der Abbildung vielleicht nicht sehen kann: Mit Pastemasse aufgeklebte Gräser, ein Eichenblatt, Streichhölzer und Eierschalen, rechts in der unteren Hälfte. Ausgangsidee war die Darstellung der Frau (meine Frau) mit dem Blumenstrauß. Und die Schönheit der Erde, die Gefährdungen - und, alles hat auch mal sein Ende: Die Endlichkeit unseres Seins. Nutzen wir diese kurze Zeit immer gut und nützlich? Ich habe große Hochachtung vor Frauen. Sie geben Leben, Freude, und sie leiden, wenn Verbrechen wie Kriege sind. Sie haben am meisten zu tragen... Hut ab vor ihnen.
 

Rückblende „Goldene Hochzeit“:

23.12.2011: Zehn Leute in sehr gemütlicher Szenenatmosphäre. („Landfall“ in Friedrichshagen.) Umarmungen, fröhliches Lachen. Ich viele Zettel in der Hand mit der Bemerkung, eine längere Rede halten zu wollen angesichts des Jubiläums. Wenn ichs nicht wüßte – sehr lange Gesichter! Zettel raus. Ich: „Oh, die sind ja noch nicht beschrieben.“ Großes Aufatmen, nahezu hörbar!! Frage von mir: „Kann man auch ohne Worte viel sagen?“ Das jüngste Enkelkind: „Küssen!!“

Gesagt, Getan! Cleo lacht.

Ich: „Aber es gibt noch mehr Möglichkeiten...“ Gehe zur Staffelei, enthülle das Gemälde. Oh, ah, oh!!! Cleo als erste: „Donnerwetter, das gefällt mir aber.“

Alle zehn versammeln sich vor dem Bild. Patrick, der Kameramann, filmt. Großes Nachdenken und Gratulationen. Hier und dort ein vorsichtiges Anfragen, wie denn so das Motiv zu deuten sei…???

Cleo des nachts nochmals ins Wohnzimmer an die Staffelei. „Volltreffer!!“, jubelt sie.

Ein größeres Kompliment gibt es nicht!

 
 
 

Dienstag, 7. August 2012

Der brave Soldat

Ich hätte mir als 75jähriger und einstiger NVA-Oberstleutnant nicht unbedingt träumen lassen, mit einem Bundeswehroffizier Aug in Aug zu diskutieren -  unserem damaligen Gegner. Seit ich die NVA verließ war ich gerade man fünfzig Jahre alt. Und den ich dieser Tage im Verteidigungsministerium sprechen und Vortrag halten hörte, ist wohl etwa 40 Jahre jünger. Kurz: Es handelte sich um eine Gruppenveranstaltung an einem sehr warmen Augusttag des Jahres 2012 mit einem Offizier für Öffentlichkeitsarbeit – also ein organierter Besuch beim Ministeriums mit anderen interessierten Leuten.

Was hatte sich wohl verändert im Wesen und Auftrag der Bundewehr seit der sogenannten Wende? Zumal der „Gegner“ nicht mehr existiert? Aus Zeitungen kann man viel lesen, aber so als Augenzeuge einen offiziellen Vertreter sprechen zu hören – das ist schon was Besonderes.

Nein, der junge Mann hatte kein „klassenfeindliches“ Äußere. Weder im Auftreten noch in seinen Worten. Ganz im Gegenteil: Forsch, jung, schlank, gekleidet in einer schicken weißen Uniformbluse, Schulterstücken und dunklen langen Hosen, frei redend, gleich zum Anfang durch witzige Bemerkungen zum Lachen herausfordernd. (Ich erinnere mich an einen Besuch im Bundestag. Die Beamten traten ähnlich auf gegenüber ihren gläubigen Zuhörern: Frisch, frei redend, wortgewandt, unschlagbar argumentativ.)

So auch der Öffentlichkeitsapostel. Zur Sprache kamen: Die Struktur der Bundeswehr, deren Einsatzgebiete, ob in Afghanistan oder am Horn von Afrika. Ich verglich mit Vorträgen in der NVA: Da wurde sehr oft zuerst die politische Lage analysiert. Das war der Ausgangspunkt jeglicher Diskussion. Nicht hier. Anfangs nur paar einführende Worte. Und schon schloß sich seine Aufforderung an, Fragen zu stellen.

Ich startete mit drei. Erstens, wie steht die Budeswehr zur USA-geplanten Raketenstationierung in Europa? Zweitens: Was hält der junge Mann von des Bundespräsidenten Rede zur Bundeswehr, in der er forderte, man müsse auch sein Leben lassen für die Freiheit? Drittens: Wie sieht er den einstigen Auftrag der NVA?

Klare Antworten: Ja, man erfülle strikt die Aufgaben im Rahmen der NATO zum Schutz von Freiheit und Staat. Die Rede des Herrn Gauck sei gut gewesen. Zur NVA habe er keine Meinung, einige NVA-Leute seien ja mit übernommen worden. Das sei nun Geschichte. Nun ja, eine andere Antwort hätte mich verblüfft.

Immer wieder fällt die Formulierung „vorausschauende Sicherheitsvorsorge“. Dazu trage die Führung der Bundeswehr, zusammen mit Parlament und Regierung, eine große Verantwortung. Er kommt auf den Verteidigungsminister zu sprechen. Das sei ein ziviles Amt.

Frage an den Offizier: Mancher Friseur maßt sich an, auf Mallorca Würste zu verkaufen. Warum hat der Verteidigungsminister keine militärische Ausbildung?

Antwort: Er habe ja genügend Berater im Ministeruium. Seine Aufgabe sei vor allem politischer Natur, um auch der Bundeskanzlerin beratend zur Seite zu stehen.

Bemerkung von mir: Unser Armeegeneral Heinz Hoffman hatte beides: eine hochqualifizierte militärische Ausbildung und eine hochgradige politische Bildung und Erfahrung. (Lacher in der mehrköpfigen Runde.)

Weiter der Buwe-Mann: Er veranschaulicht u.a. an Beispielen die Auslandseinsätze der Armee. Als sein nahezu spürbarer Stolz auf die „Verantwortung“ Deutschlands für Ruhe und Ordnung in der Welt einen gewissen Höhepunkt erreicht, wird ihm die Frage gestellt, welche Feinde denn die Bundewehr habe.

Er zählt auf: Terroristen, Schurkenstaaten, Unruhen, instabile Länder…

Frage an ihn: Angesichts der weiteren Krisenverschärfung könne es zu sozialen Unruhen weltweit kommen, auch dann?

Er nickt, ich glaube Verlegenheit in seinem Antlitz wahrzunehmen…

„Danke“, sage ich, „das reicht!“

Weitere interessante Fragen von den Zuhörern gab es konkret zu Afghanistan und zur Funktion von Drohnen. Der Offizier antwortete mit zahlreichen Fakten. Er stand wirklich im Stoff.

Zum Abschied reiche auch ich ihm die Hand. Danke für den gekonnten Vortrag. Er ist bestimmt ein guter Diener seines Staates. Ich sage: Ich war Oberstleutnant der NVA und bin stolz darauf. Das Nur-Befehlsempfänger-Dasein war bei uns allerdings verpönt. Wir strebten nach mehr, nach viel mehr…

Der junge und durchaus sympathische Repräsentant der Bundeswehr lächelt. Er ist der Sieger – der stramme und brave Soldat.

Und mir ist kalt geworden.