Mittwoch, 31. Dezember 2014

Tanz auf dem Vulkan


Der Tanz auf dem Vulkan

Alles Gute zum neuen Jahr 2015, lieber User x. Du hast meinen Beitrag „Arme Seelen zwischen allen Stühlen“ gelesen und fragst nun, warum wir in der DDR nicht die Widersprüche gesehen haben, die zahlreiche Leute veranlassten, abzuhauen. Diese Frage wird wohl stets im Raum stehen. Denke nicht, dass diese Problematik nicht gesehen oder gespürt wurde. Nahezu alle – auch die Bürgerbewegungen – wollten die DDR erhalten, aber eine veränderte. Ehe dies oben richtig ankam, da war es – auch auf die „tollen Versprechungen und Verlockungen des Westens“ hin - zu spät. Das nicht geschossen wurde, zeugt von einem hohen Grad von Vernunft und Achtung vor dem eigenen Volk. Und nun, an der Schwelle zum Jahr 2015, stehen die Völker vor noch größeren Problemen. Manchen schreiben von einem Tanz auf dem Vulkan.

Ich schrieb kürzlich die 51. Buchrezension zu einem politischen Sachbuch. Ich bin in zahlreichen Foren drin. Und ich merke: Diejenigen, die den heutigen Schlamassel sehen, einschließlich der Ukraine-Krise und mutig nach Wahrheit suchen und sie auch aussprechen, registrieren die Widersprüche im Kapitalismus, haben aber selten Lösungen parat. (Und wären es solche Schlussfolgerungen wie „stürmt die Mauern der Gelddiktatur...“) dann würden sie gegen das Grundgesetz verstoßen und...
 
Andere, und keine Minderheit, zerren Einzeltatsachen ans Tageslicht, um die DDR in jeder Hinsicht zu diffamieren. Ein grundlegender intellektueller und bewusst fabrizierter Fehler: Politische Zusammenhänge will man nicht sehen, sie sind tabu. So auch die Ursachen der großen Weltkriege als auch die eigentlichen Verursacher der Ukraine-Krise. Solange das hohe Geldkapital so daher schwindelt und die Wahrheit unterdrückt, solange nehme ich den Imperialismus als den größten Feind der Menschheit zur Kenntnis. Alle meine schriftlichen Zeugnisse belegen das. Allerdings will auch ich die DDR, so wie sie war, mit ihren Fehlleistungen, die nicht mehr in jeder Hinsicht auf Erkenntnissen des Marxismus/Leninismus beruhten, nicht mehr zurück haben. Aber Spuren, die wir als Alternative gezogen haben, die dürfen im Zuge der nächsten Veränderungen im System nicht untergehen. Gruß von Harry

Hinweis für meine Blog-Leser, die inzwischen auf eine Gesamtzahl von 24.366 angewachsen ist, auf den folgenden Link zur Kriegsproblematik:

Mittwoch, 24. Dezember 2014

Die Eroberung Europas durch die USA


„Die Eroberung Europas durch die USA“ - von Wolfgang Bittner


Friedensengel“ bedrängen den Frieden

Buchtipp von Harry Popow
Diejenigen, von denen in dieser Rezension die Rede ist – sie nennen sich Freunde. Es sollen Friedensengel sein. Sie kommen in großen Scharen aus Übersee, im Bunde mit der NATO. Sie hatten sich bereits nach 1945 in Westdeutschland ökonomisch und militärisch festgebissen, und nun ist die gesamte EU dran. Sie erobern die Völker nur mit einem Ziel: Um gegen die Ostvölker – wie eh und je – angeblich „gewappnet“ zu sein. „Auf zum neuerlichen Marsch gen Osten?“

Dazu gibt es ein neues Buch mit dem Titel „Die Eroberung Europas durch die USA. Zur Krise in der Ukraine“ von Wolfgang Bittner. Es hat 148 Seiten und ist eine Chronologie der Aufpeitschung imperialer Machtinteressen gegenüber Russland – vor allem in den letzten Monaten und Jahren. Der Autor spannt den Bogen von der Osterweiterung der NATO, entgegen vertraglichen Vereinbarungen mit Gorbatschow, über Begehrlichkeiten Deutschlands und anderer EU-Staaten auf neue Absatzmärkte in Osteuropa, über die von den USA finanzierte „orangene Revolution“ im Jahre 2004, über die Maidan-Bluttaten, über das auf der Krim vom Parlament beschlossene Referendum zum Beitritt zur Russischen Föderation bis zu den Ereignissen im September 2014.

Der Autor hält sozusagen den Finger am Puls der Ukraine-Krise. Mit ihren nahe am dritten Weltkrieg gefährlichen Zuspitzungen, mit ihrem Auf- und Ab von gegenseitigen wirtschaftlichen und militärischen Drohungen, mit ihren bürgerlichen Medien-Lügen und mit den Beschwichtigungen und angemahnten Gegenmaßnahmen durch die russische Seite.

Gewiss, viele Tatsachen sind bekannt, decken sich mit den kritischen Analysen der Autoren Brigitte Queck und Peter Strutynski (Hg.), um nur zwei Beispiele zu nennen, die die Ukraine im Fokus der NATO und den Konflikt als ein Spiel mit dem Feuer charakterisieren. Meiner Meinung nach ist die Herangehensweise des Autors Wolfgang Bittner, die Ereignisse chronologisch darzustellen, gut dazu geeignet, die Abfolgen und die gegenseitige Bedingtheit der Tatsachen und ihrer Ursachen deutlich herauszuarbeiten. Unübersehbar das Bemühen, die Hauptschuldigen, die Brandstifter der Krise und die Instrumentalisierung der EU durch die USA und durch die NATO, an zahlreichen Textstellen kenntlich zu machen. Erhebliche Beihilfe leisten dem Autor dabei u.a. der niederländische Publizist und Politikwissenschaftler Karel van Wolferen, der Schweizer Historiker und Friedensforscher Daniele Ganser, der einstige Bundestagsangehörige, OSZE-Vizepräsident sowie verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU im Bundestag,Willy Wimmer, sowie Albrecht Müller, Publizist und Herausgeber des Internetportals NachDenkSeiten.


Autor Wolfgang Bittner

NRhZ-Archiv

Bereits auf der Seite 14 stellt der Autor fest: „Die westlichen Politiker fallen zurück in den Kalten Krieg.“ Er zitiert auf Seite 54 den Niederländer van Wolferen, der betont, dass die US-amerikanische Politik eine „Geschichte wirklich atemberau-bender Lügen“ (ist): „Über Panama, Afghanistan, Irak, Syrien, Venezuela, Lybien und Nordkorea.“ Nicht zu vergessen die Besetzung unseres Planeten mit einigen tausend Militärbasen. Als Ursachen benennt Albrecht Müller u.a. den Vormarsch der Neokonservativen und der Rechten in den USA im Umfeld der Teaparty-Bewegung. Zu Wort kommt auf Seite 49 Willy Wimmer: „Das amerikanisch- Kiew-ukrainische Ziel dieses Vorgehens wird notfalls auf den offenen Krieg mit Russland aus sein, um letztlich die Ukraine als Bollwerk … gegen Russland nutzen zu können. Sollte es gelingen, die Ukraine derart den USA dienstbar zu machen, wird es einen kompletten Riegel unter US-Kontrolle zwischen dem Baltikum über Polen und die Ukraine zum Schwarzen Meer geben.“ „Russland“, so der Autor auf Seite 92, solle „durch einen neuen ´Eisernen Vorhang´ von Westeuropa getrennt“ werden.

Die Eskalation des Konfliktes mit Russland sei in wesentlichen Elementen ebenso bewusst und mutwillig „herbeigeführt worden wie der Überfall auf den Irak;“ zitiert Wolfgang Bittner die Einschätzung in German Foreign Policy. Der Autor lässt es an Fakten zur Destabilisierung der Lage in der Ukraine nicht fehlen. So pflegt die Stiftung „Open Ukraine“ des Oligarchen Arsenij Jazenjuk intensive Beziehungen zum US-Außenministerium und zur NATO „und wird von einflussreichen westlichen Organisationen gesponsert“. Mehr als fünf Milliarden Dollar hätten die USA für den „Regime Change“ in der Ukraine gespendet, was „in den westlichen Medien kaum zur Sprache“ kam. (S. 25) Erwiesen sei auch, so der Autor auf Seite 35, „dass subversive Kräfte, insbesondere westliche Geheimdienste und allen voran die CIA, die Maidan-Bewegung vorbereitet und finanziert haben“, abgesehen davon, „dass sich hochrangige westliche Politiker seit Jahren in die inneren Angelegenheiten der Ukraine eingemischt haben“. (S. 35) Nicht nur Politiker, sondern ebenso Journalisten in maßgeblichen Positionen werden von der CIA, vom US-Außenministerium und von Konzernen finanziell unterstützt. „Dazu gehören die Atlantik-Brücke, Goldmann Sachs Foundation, The American Interest, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, Atlantische Initiative und Münchner Sicherheitskonferenz.“ ( S. 41)

Der Autor verweist auf einen Aufruf vom 25. Mai, den etwa 10.000 Bürger unterzeichnet haben, der Konflikt um die Ukraine sei das Resultat der EU- und der NATO-Erweiterung. Mit der Durchsetzung des Assoziierungsabkommens habe man mit Unterstützung der antirussischen und faschistischen Kräfte in der Ukraine dazu beigetragen, „Russland militärisch einzukreisen“. (S. 44)

Der angeblichen Friedensengel erinnert sich der aufgeweckte Leser bei der Ankündigung des NATO-Generalsekretärs, in der Westukraine Manöver abzuhalten, beim Versprechen Obamas, „für die zusätzliche Stationierung von Truppen in osteuropäischen Ländern“ eine Milliarde Dollar auszugeben sowie militärisch an der Seite Polens, Litauens und Rumäniens zu stehen. (S. 53) Mehr noch: Die NATO beschloss, siehe Seite 94, „den Aufbau einer neuen Krisen-Eingreiftruppe und einen Aktionsplan für Osteuropa, der neue NATO-Stützpunkte im östlichen Bündnisgebiet vorsieht“. Bleibt die dringliche Frage: „Wird der Moment kommen, in dem klar wird, dass es bei der Ukraine-Krise als allererstes darum geht, Star-Wars-Raketen auf einem langen Abschnitt der russischen Grenze in Stellung zu bringen. Was Washington … die Möglichkeit eines Erstschlages eröffnet?“, so ein Zitat von van Wolferen. (S. 68) Die US-Regierung gehe mit der Rüstungs- und Erdöl-Lobby im Rücken im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen, schreibt Wolfgang Bittner. (S. 54) In Bezug auf Europa mache man sich nichts vor. Wimmer weist zu Recht darauf hin, dass den USA „nicht an einem wirtschaftlich starken, friedlichen Europa liegt“. Die amerikanischen Globalkonzerne seien mit gefüllten Kassen dabei, das von der europäischen Industrie aufzukaufen, „was bisher noch nicht im Bestand der USA ist“. (S. 71) „Die Ukraine scheint die Blaupause für weiteres Vorgehen in Europa und darüber hinaus zu werden“, so Wimmer auf Seite 62. Ergänzend dazu der Autor: Zuerst werde ein Land aufgemischt, bis es zum Bürgerkrieg kommt, „und hinterher spielen USA, EU und NATO den Friedensengel“. (S. 66)

Wolfgang Bittner klagt nicht nur die Brandstifter für die Ukraine-Krise an, sondern auch die Medien, die die Rolle der Brandbeschleuniger übernommen haben. So zitiert er den Schweizer Historiker und Friedensforscher Daniele Ganser, der feststellt, „dass es eine Art ´NATO-Netzwerk` … gibt“, bei dem sowohl kritische Fragen zum Bündnisfall als auch zur Ukraine-Krise tabu sind. Die NATO-Osterweiterung werde praktisch nie erwähnt, die Hintergründe des Regierungssturzes in der Ukraine nicht genannt.

Das Fazit zieht der Autor, indem er festhält, die USA sind kein Vorbild für Frieden und Freiheit, seit über einem halben Jahrhundert schon nicht mehr. Spätestens seit dem 11. September 2001 sei dort „eine Schranke der Rechtsstaatlichkeit gefallen“. (S. 109) „Man wünschte den USA Politikern, dass die den Mut hätten, das eigene Land als Interventionsfall zu erkennen“, so Wolfgang Bittner auf Seite 110.

Der chronologische Bericht des Autors ermöglicht aufmerksamen Lesern, die Fakten im Zusammenhang zu erfassen, wie sich eine Tatsache aus der anderen ergibt, wie sich die USA zunächst die EU und dann, mit deren Schützenhilfe, Russland gefügig machen wollen. Sein Verdienst besteht in der klaren Auflistung der schrittweise begangenen kriegsvorbereitenden Machenschaften zur Ausrichtung der Ukraine samt der EU zum Aufmarschgebiet gen Osten. Werden dabei Putins Warnungen, die NATO nicht so dicht an die Grenzen Russlands vorrücken zu lassen, überhört? Mitunter schreibt der Autor vom möglichen Gesinnungswandel, vor allem der BRD-Regierung im Konflikt zwischen Ost und West. Allerdings geben die Machteliten dazu wenig Raum zum Weiterdenken. Auf Aggressionen vom Großkapital im Streben nach Ressourcen getrimmt, ist mehr Wachsamkeit als Hoffnung auf Veränderung angesagt. Es wird weiter an der Eskalationsschraube gedreht, stellt Wolfgang Bittner auf Seite 91 bitter fest. „Friedensengel“ bedrängen den Frieden. Nach wie vor. (PK)

Wolfgang Bittner: „Die Eroberung Europas durch die USA. Zur Krise in der Ukraine“. Broschiert: 148 Seiten, Verlag: VAT Verlag André Thiele; Auflage: 1 (1. Oktober 2014), ISBN-10: 3955180298, ISBN-13: 978-3955180294, Größe: 11,6 x 1 x 20,5 cm, Preis: 12,90 Euro


Erstveröffentlichung der Rezension in der Neuen Rheinischen Zeitung



 

Letzte Chance - Gedicht


Letzte Chance

Das Jahr ist rum, was soll man weiter sagen.
Ob es ein gutes war? Wer weiß das schon.
Doch hört man landesweit noch keine Klagen,
man lebt ganz gut mit seiner Illusion.

Das neue Jahr, es steht schon vor den Türen.
Wir drücken Daumen, dass es Frieden bringt,
dass wir vom kleinen Zipfel Glück was spüren,
das man fürs Dasein braucht ganz unbedingt.

Die letzte Chance, sich auch mal zu besinnen,
sich rauszuwühlen aus dem Muff und Mief,
das nächste Jahr soll klüger doch beginnen.
Na Prost, dann wollen wir mal! Geht schon schief.



Hanna Fleiss

24.12.14

Samstag, 20. Dezember 2014

Statt Stille - GROß-ALARM!!!


Groß-Alarm!!!

Ein Zitat, entnommen aus: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=21108

Werden im Helmholtz-Zentrum Berlin nur alte Bilder und Knochen untersucht?
Hinweise auf Vorbereitung für einen Atomkrieg
Von Dietrich Antelmann

(…) „Den bisherigen Höhepunkt dieser unheilvollen Entwicklung bildet das von den Medien ausgeblendete US-Gesetz (H.Res.758), das am 4. Dezember vom amerikanischen Repräsentantenhaus verabschiedet wurde. Es gibt dem amerikanischen Präsidenten und den Oberkommandierenden der Streitkräfte grünes Licht, ohne weitere Zustimmung des Kongresses in einen Prozess der militärischen Konfrontation mit Russland einzutreten (eine entsprechende Abstimmung im Senat steht zwar noch aus; die Zustimmung dürfte jedoch feststehen). Das schon seit mehr als zehn Jahren von Planungsabteilungen des Pentagon vorangetriebene Szenario eines Dritten Weltkriegs gegen Russland ist nun auf die "operationelle Ebene" gesetzt worden (13).

Bleibt mir nur noch der Hinweis auf Art. 20 (4) des dem Frieden und Völkerrecht verpflichteten Grundgesetzes: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist“. (PK)“

Donnerstag, 18. Dezember 2014

Das weiße Spitzenkleid


Das weiße Spitzenkleid

(Entnommen meinem Buch: Harry Popow: „In die Stille gerettet. Persönliche Lebensbilder.“ Engelsdorfer Verlag, Leipzig, 2010, 308 Seiten, 16 Euro, ISBN 978-3-86268-060-3)


Plauen. Die Nacht zum 15. Februar 1957, einem Freitag, da schrillte die Sirene. Alarm! In Sekundeneile schlüpfen die Schüler des dritten Lehrjahres geübt in die Klamotten. Waffen empfangen, abmarschbereit! Ein kilometerlanger Marsch. Bei Eis und Schnee. Über Wald- und Feldwege, im unwegsamen Gelände. Zwischendurch die berüchtigten Einlagen: „Flieger von rechts, Maschinengewehrfeuer von links, chemischer Alarm, vor uns Baumsperre!“ Schnelles Fassen von Entschlüssen. Und da ist jeder mal dran, schließlich müssen die Männer jetzt ganze Züge im „Gefecht“ führen. Da entscheidest du im Ernstfall mit über Tod oder Leben von dreißig Mann. Viel Kopfarbeit ist also angesagt. Erst am späten Nachmittag marschieren (oder schleichen) die Schüler durch das Kasernentor zurück in die Unterkunft. Etwa fünfzig Kilometer haben sie unter die Füße genommen. Kaputt und todmüde sind sie. Da heißt es auf einmal, noch am gleichen Abend sollen oder dürfen sie zum Faschingsabend, also zum Tanz! Die DAKO, die Damenkonfektion von Plauen, der Patenbetrieb, hätte eingeladen. Einige Unentwegte jubeln. Andere fluchen, auch Henry. Er denkt an Erfurt zurück. Nach einem zweitägigen 70-Kilometermarsch, bei einigen Schülern drang bereits das Blut durch die Socken, hieß es in der Kaserne plötzlich, wer will, kann noch ausgehen. Und die ganz Kühnen zogen sich um, die Blasen bekamen Jod, und ab durch das Kasernentor. Henry nicht. Sich mit mehr oder weniger Schmerzen über die Tanzfläche schleichen oder einfach nur Bier saufen? Wozu die Mühe? So, und heute Abend? Kurze Überlegung: Immerhin eine weitere gute Gelegenheit – muß er sich ehrlich eingestehen – auf nette und niveauvolle Bekanntschaften, keine Weiber von gewöhnlichen Schwofabenden. Sein Entschluß: Er wird dabei sein. Was er nicht bedachte, auch die Näherinnen und Bandarbeiterinnen sowie die Lehrlinge der DAKO freuten sich auf den Abend mit den Jungs. Nur eine nicht, wie Henry später erfuhr. Sie mochte das ganze nicht. Im Gegenteil. Sie wollte wieder fort, so schnell wie möglich. Und so belagert sie den Lehrausbilder, um eine Unterschrift zu bekommen für das Berichtsheft, denn die Teilnahme wird als gesellschaftliche Tätigkeit bewertet. Nach dem Vermerk hätte sie sofort verschwinden können. Doch sie muß vorerst bleiben. Mit Widerwillen sitzt sie also still und ungeduldig an einem Tisch, sieht sich kaum um, und wenn, dann mit einem geringschätzigen und abwertenden Blick. Doch einmal, da stutzt sie. Geht doch einer der Offiziersschüler, sehr schlank, schmales Gesicht, schwarze Haare, über die Tanzfläche. Und wie der geht, stolz und fast schwebend. „Mein Gott, wie ist denn das passiert“, denkt sie. Wie und durch wen kam der denn in diesen Verein? Der sieht ja aus wie einer aus dem Adelsnest. Hoffentlich kommt der nicht und holt dich, da kriegste nur Probleme. Und damit stößt sie diese Gedanken wieder weit von sich, für sie hat sich ja ohnehin alles erledigt. Schon schaut sie wiederholt auf ihre Armbanduhr. Was geht es sie an, wer da noch so rumschwebt von diesen Uniformierten, die sie ohnehin nicht mag, überhaupt nicht.

Den sie da ansieht, das ist Henry. Er spürt trotz aller Müdigkeit sehr genau, jemand mustert ihn. Sein Blick geht nach links. An einem Tisch sitzen zwei junge Mädchen. Die eine kannst du vergessen, doofes Gesicht, furchtbar gewöhnlich. Aber die rechts daneben!! Ho, ho! Zwei ernste und wunderschöne Augen. Mit einem Schlag ist der junge Mann hellwach. Die Augen des Mädchens schauen in seine Richtung, aber es verzieht keine Miene. Ihr Blick scheint durch ihn hindurch zu gehen, er wirkt gedankenverloren, rätselhaft. Eine Kraft geht von diesem jungen Mädchen aus – er kann das nicht näher deuten. Und warum sieht sie überhaupt her? Henry wird ein wenig unruhig, denn die faszinierenden Augen schweifen schließlich ab, denken gar nicht mehr daran, bei ihm zu bleiben. Guck doch noch mal, bitte, dann weiß ich, quatsch, dann kann ich hoffen, mit dir tanzen zu dürfen, dieser Gedanke schießt Henry durch den Kopf. Ihm wird heiß, denn nun muß er einen Entschluß fassen, was aber nicht gelehrt wurde wie bei der vorangegangenen Übung. Und schon legt die Drei-Mann-Kapelle wieder los. Ob sie mit mir tanzen wird? Noch ehe er aufspringt, ist Dieter, der Lockenkopf, bereits am Ball – bei der Schönen. ,Ich blöder Kerl‘, Henry ist entsetzt. Ihm bleibt fast die Luft weg. Und verteufelt noch mal, er kann es nicht fassen, da legt doch der Dieter, Mädchenaufreißer, sofort seinen Kopf an den ihren, aber sie wehrt ihn ab, hält ihn auf Abstand. Gott sei Dank. Ein Pressefotograf sucht seine Motive, wie dem Offiziersschüler scheint, hat er auch SIE im Visier. Schließlich gelingt es ihm, er tanzt mit ihr. Sie ist zart, sehr schmal, im weißen Spitzenkleid und roten Schuhen. Ihm fällt auf, sie läßt sich nicht ohne weiteres wie andere führen. Auch ihn hält sie auf Abstand. Aber sie zittert kaum merklich, Henry spürt das. Ist sie unsicher? Was geht in ihr vor? Und was soll man reden? Fragen über die Berufsziele? Eine etwas niveauvolle „Blabla-Unterhaltung“ kommt zustande, da sind die drei Tanzrunden beendet. Ehe er nach dem Tanz seine weitere Strategie durchhecheln kann und schnell mal einen neuen Augenblick zu ihrem Platz wirft, ist sie plötzlich weg. Zur Toilette? Und wenn sie nun schon nach Hause wollte? Er holt seinen Mantel aus der Garderobe und stürzt hinaus. Keine Menschenseele. Im Laufschritt zur Straßenbahnendstelle, vielleicht erwische ich sie noch, bangt er. Tatsächlich, Henry entdeckt sie auf der hinteren Plattform der Straßenbahn. Da klingelt der Schaffner bereits ab. Mit Schrecken fällt ihm ein, er hat ja keine Adresse. Blitzschnell springt er auf die Plattform, und die ernste Schöne sagt ihm mit einer verdächtigen Schnelligkeit ihren Namen und wo sie wohnt. Mit Mühe wiederholt Henry auf dem Weg zum Kasernengebäude so für sich Vorname, Name, Straße und Hausnummer, bis er im Hundertmann-Schlafsaal aus dem Nachtschrank endlich Zettel und Bleistift angelt und mit zitternder Hand notieren kann: Cleo, ...straße 6. Sehr viel später erfährt er, sie hatte lediglich Mitleid mit ihm …
 
(Und er würde die Adresse ohnehin nicht behalten. Sie täuschte sich!! Einmalig!!...)

(Heirat der beiden im Jahre 1961. Haltbar bis heute, Dezember 20014, und das bis zur Unendlichkeit...)

Mittwoch, 17. Dezember 2014

"Das Blendwerk" - Autor: Horst Rückert


„Das Blendwerk. Von der ´Colonia Dignidad´ zur ´Villa Baviera´“ von Horst Rückert


Verkrüppelung im Namen Gottes
Buchtipp von Harry Popow


Wer greift sich da nicht an den Kopf: Es gibt Menschen, die sich bewusst verkrüppeln lassen, geistig und moralisch. Sie fügen sich einer einzigen Person, die im Namen Gottes die Außenwelt, die Liebe, die Ehe, das Individuelle als Teufelswerk bezeichnet und zum Verzicht auf materielle Gaben und auf ein solidarisches Miteinander aufruft. Was Wunder, wenn z.B. ein Ehepaar nebeneinander im Bett liegt und – ohne sich zu berühren – wochenlang auf ein Kind wartet. Als Frau und Mann nach Wochen erfahren, was zu tun sei, schreien sie auf und beschimpfen den schönsten und menschlichsten Akt als Teufelswerk.


Diese beiden und hunderte andere Bewohner einer deutschen Siedlung in Chile unterwarfen sich „festen Ritualen, um sich öffentlich von Sünden zu reinigen...“ (S. 23) Mehr noch: Wer sündigte, wurde verprügelt. Bei besonderen Vergehen gab es Elektroschocks. Kinder wurden vom Gründer und Führer der Gemeinde missbraucht, selbstverständlich unter größter Verschwiegenheit. Trotz harter Arbeit wurden Löhne nicht gezahlt, Freizeit und Urlaub gab es nicht, auch kein Fernsehen und Radio, weder Zeitungen noch Zeitschriften. Männer und Frauen lebten getrennt voneinander. Während der Militärdiktatur Pinochets gab es im Gelände der Siedlung bis 1978 unterirdische Tunnel, Waffen und Sprengstoffe. Politische Gefangene wurden gefoltert. Die „Colonia Dignidad“ war … „ein Aktionszentrum der chilenischen Militärdiktatur, die sich in einem Krieg gegen den internationalen Terrorismus wähnte“. (S. 76)

So nachzulesen in einem aufsehenerregenden Buch von Horst Rückert mit dem Titel „Das Blendwerk. Von der ´Colonia Dignidad´zur ´Villa Baviera´“. Der Autor begab sich 2006 auf die Spuren dieses von den Bewohnern und anliegenden chilenischen Menschen zwar wohlwollend hingenommenen aber im eisigen Keller der Verschwiegenheit versunkenen menschenverachtenden Lagers. Er wurde fündig und recherchierte außerordentlich gründlich.


Paul Schäfer - Fahndungsfoto
Quelle: dw.de

Die Rede ist zunächst von Paul Schäfer, geboren am 4. Dezember 1921 in Deutschland. Er geriet bereits als junger Mann in Verdacht, ihm anvertraute Jugendliche sexuell missbraucht zu haben. Er sah sich als „der wahre Nachfolger Jesu, er empfange seine Wahrheit direkt von Gott“. (S. 16) Dieser im Jahr 2005 in Chile verhaftete „Vertreter Gottes“ und Verbrecher wurde bereits Anfang der sechziger Jahre in Deutschland wegen Kindesmissbrauch per Haftbefehl gesucht, flüchtete mit Kindern und Helfern nach Chile und baute dort sein autoritär geführtes Imperium der Gewalt und Alleinherrschaft auf und starb 2010 in Argentinien.

Hinter 2,80 Meter hohen insgesamt 8.000 Betonpfählen, abgetrennt von der Welt der Chilenen, vegetierten die Siedler im Glauben, der Führer und Gründer der Sekte brächte – das war Anfang der 1960er Jahre - „seine kleine Gemeinde aus dem von bolschewistischer Unterdrückung bedrohten Westdeutschland in das leere Land im Süden Chiles, das zu kultivieren und fruchtbar zu machen der Auftrag Gottes“ sei. (S. 31) Das nach außen verkündete Programm des Lagers „Colonia Dignidad“, wie es sich nannte: Wohltätig zu sein, „armen und kranken Leuten zu helfen“. (S. 30) Das Blendwerk bestand darin, so heißt es im Klappentext, dass diese hermetisch abgeriegelte Siedlung vierzig Jahre lang „ein Musterbild deutscher Tüchtigkeit und Ordnung“ bot.



Bewohner der „Villa Baviera“
Quelle: http://ciperchile.cl

Es sind zwei gravierende Dinge, die der Autor aufdeckt: Erstens die abenteuerliche Motivierung. Da wurde den Bewohnern vorgegaukelt, sie gehörten einer auserwählten Elite an, die sich im Namen Gottes von allen menschlichen Sünden befreien würde, so von der gesamten Außenwelt. Der Führer, Herr Schäfer, wäre der Repräsentant Gottes, er sei der Vermittler, ihm hätten alle Lagerinsassen hörig zu sein. Wer dagegen opponiere, sei des Teufels und müsse streng bestraft werden. „Es gelte, sich auf das nahe Ende der Welt, auf das bevorstehende Gericht Gottes über die Menschheit vorzubereiten“. (S. 16) Die Bedrohung käme „aus dem kommunistischen Osten“, er sah im Traum den „russischen Stiefel“, der „Europa niedertritt“. (S. 28) Wesentliche Bestandteile dieses Glaubens waren der „religiöse Antikommunismus und die Zweiteilung der Welt in ein gutes Drinnen und ein böses Draußen...“ (S. 71)

Horst Rückert fragt zweitens mit Recht nach der deutschen Hilfestellung für die Siedler in diesem berüchtigten Lager in Chile. Was er herausfindet, ist mager genug. Noch 1972 habe man in der Siedlung „ein Stück Auslandsdeutschtum“ gesehen. Sie würde allerdings weiterhin Deutschland mehr belasten als nützen. Die Motive und Hintergründe dieser bis 1985 währenden Zurückhaltung trotz Informationen über mögliche Verbrechen in der deutschen Siedlung sind unbekannt. „Bis heute weigert sich die Bundesregierung, Wissenschaftlern oder Journalisten Zugang zu den Akten zu geben...“(S. 89) Die Entschuldigung: Man halte sich an die Regeln des Völkerrechts und respektiere die Souveränität Chiles. (S. 91) Der Rechtsanwalt Winfried Hempel, so der Autor, würde derzeit wegen unterlassener Hilfeleistung Prozesse vorbereiten, „in denen er die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Chile auf insgesamt 120 Millionen US-Dollar Schadensersatz verklagen will“. (S. 95)

Es geht um Vergangenheitsbewältigung. Rückert plädiert für eine sehr differenzierte Ursachenforschung. Auf keinen Fall könne man dem einzelnen Verführer und Verbrecher die alleinige Schuld an Unmenschlichkeit zuordnen und sich so von Mitschuld unterschiedlicher Größe freisprechen. Die Mittäter seien ausfindig zu machen und zu bestrafen. Doch im Nachhinein wollen die älteren Lagerbewohner von „Colonia Dignidad“ nichts wissen. Sie sprechen bei ihrer Schuld nur von einem WIR, ohne in den Tiefen ihrer Seele nach eigenen willenlosen Mitmach-Attacken gegenüber hilflosen Opfern zu forschen und so ebenfalls ein eindeutiges Schuldbekenntnis abzugeben. Die Alteingesessenen seien bis heute nicht bereit, sich mit den Verbrechen der Sekte auseinanderzusetzen. Sie wollten ihre Gemeinschaft in der „Villa Baviera“ erhalten. Damit sei eine „bruchlose Verwandlung eines Folterzentrums in ein Freizeitparadies“ nicht gelungen, schreibt Horst Rückert auf Seite 224. Leid würde abstrahiert, relativiert und „in einen höheren Plan Gottes“ eingeordnet. (S. 232)

Dieses Unterdrückungslager präsentiere sich ab 2005 mit der „Villa Baviera“ als deutsche Touristenattraktion, wo nach wie vor deutsche Gemütlichkeit, deutsche Sitten und Gebräuche ihr bayerisches Zuhause in Chile haben, wirtschaftlich weitgehend auf eigenen Füssen stehend, aber die einstigen Mordtaten und Kindermisshandlungen nur nebenbei erwähnend.

Das Buch „Blendwerk“ deckt nicht nur vergangene Verbrechen auf. Es verweist nicht nur auf die Schuld von Mittätern. Es erinnert nicht nur an eine gründlich vorzunehmende Vergangenheitsbewältigung. Es beleuchtet vor allem die kausalen Zusammenhänge zwischen Macht, Anbetung des Gottes Markt und Manipulierung der Menschen durch Politik und bürgerliche Medien. Deutlich ablesbar u.a. am Verschweigen der wahren Ursachen sowohl der beiden Weltkriege als auch des Ukraine-Konfliktes. Ein Blendwerk neuer Art ist im Gange. Aufarbeitung, so Horst Rückert auf Seite 244, geschehe nur, um „das Funktionieren und die Entwicklung der neuen Ordnung nicht“ zu gefährden.

So nimmt der geistige und moralische Verfall – oftmals wolle man das nicht wahrhaben – seinen immer spürbarer werdenden Fortgang. Das Blendwerk Konsum, Freiheit und Demokratie, Wachstum und Bündnistreue tut das Seinige für ein sorgenfreies Wohlgefühl unter dem Motto „Mir geht es ja gut“. Grünes Licht für Verkrüppelungen „im Namen Gottes“, im Namen des Antikommunismus? (PK)

Horst Rückert: Das Blendwerk: Von der „Colonia Dignidad“ zur „Villa Baviera“, Broschiert, 256 Seiten, Verlag: A1; Auflage: 1 (27. August 2014), ISBN-10: 3940666564, ISBN-13: 978-3940666567

Erstveröffentlichung der Rezension in der Neuen Rheinischen Zeitung

Samstag, 13. Dezember 2014

Aufruf von Prominenten




Aufruf: "Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen!"

08.12.2014: Die Sorge um den Frieden bewegt zunehmend auch Menschen aus dem bürgerlichen Spektrum. "Niemand will Krieg. Aber Nordamerika, die Europäische Union und Russland treiben unausweichlich auf ihn zu, wenn sie der unheilvollen Spirale aus Drohung und Gegendrohung nicht endlich Einhalt gebieten. .. Wir, die Unterzeichner, appellieren an die Bundesregierung, ihrer Verantwortung für den Frieden in Europa gerecht zu werden. Wir brauchen eine neue Entspannungspolitik für Europa. Das geht nur auf der Grundlage gleicher Sicherheit für alle und mit gleichberechtigten, gegenseitig geachteten Partnern. ... Das Sicherheitsbedürfnis der Russen ist so legitim und ausgeprägt wie das der Deutschen, der Polen, der Balten und der Ukrainer." Mit diesem Aufruf warnen mehr als 60 Prominente aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien vor einem Krieg mit Russland und fordern eine neue Entspannungspolitik für Europa.

Der Aufruf im Wortlaut:

Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen!
Niemand will Krieg. Aber Nordamerika, die Europäische Union und Russland treiben unausweichlich auf ihn zu, wenn sie der unheilvollen Spirale aus Drohung und Gegendrohung nicht endlich Einhalt gebieten. Alle Europäer, Russland eingeschlossen, tragen gemeinsam die Verantwortung für Frieden und Sicherheit. Nur wer dieses Ziel nicht aus den Augen verliert, vermeidet Irrwege.
Der Ukraine-Konflikt zeigt: Die Sucht nach Macht und Vorherrschaft ist nicht überwunden. 1990, am Ende des Kalten Krieges, durften wir alle darauf hoffen. Aber die Erfolge der Entspannungspolitik und der friedlichen Revolutionen haben schläfrig und unvorsichtig gemacht. In Ost und West gleichermaßen. Bei Amerikanern, Europäern und Russen ist der Leitgedanke, Krieg aus ihrem Verhältnis dauerhaft zu verbannen, verloren gegangen. Anders ist die für Russland bedrohlich wirkende Ausdehnung des Westens nach Osten ohne gleichzeitige Vertiefung der Zusammenarbeit mit Moskau, wie auch die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Putin, nicht zu erklären.

In diesem Moment großer Gefahr für den Kontinent trägt Deutschland besondere Verantwortung für die Bewahrung des Friedens. Ohne die Versöhnungsbereitschaft der Menschen Russlands, ohne die Weitsicht von Michael Gorbatschow, ohne die Unterstützung unserer westlichen Verbündeten und ohne das umsichtige Handeln der damaligen Bundesregierung wäre die Spaltung Europas nicht überwunden worden. Die deutsche Einheit friedlich zu ermöglichen, war eine große, von Vernunft geprägte Geste der Siegermächte. Eine Entscheidung von historischer Dimension. Aus der überwundenen Teilung sollte eine tragfähige europäische Friedens- und Sicherheitsordnung von Vancouver bis Wladiwostok erwachsen, wie sie von allen 35 Staats- und Regierungschefs der KSZE-Mitgliedsstaaten im November 1990 in der "Pariser Charta für ein neues Europa" vereinbart worden war. Auf der Grundlage gemeinsam festgelegter Prinzipien und erster konkreter Maßnahmen sollte ein "Gemeinsames Europäisches Haus" errichtet werden, in dem alle beteiligten Staaten gleiche Sicherheit erfahren sollten. Dieses Ziel der Nachkriegspolitik ist bis heute nicht eingelöst. Die Menschen in Europa müssen wieder Angst haben.
Wir, die Unterzeichner, appellieren an die Bundesregierung, ihrer Verantwortung für den Frieden in Europa gerecht zu werden. Wir brauchen eine neue Entspannungspolitik für Europa. Das geht nur auf der Grundlage gleicher Sicherheit für alle und mit gleichberechtigten, gegenseitig geachteten Partnern. Die deutsche Regierung geht keinen Sonderweg, wenn sie in dieser verfahrenen Situation auch weiterhin zur Besonnenheit und zum Dialog mit Russland aufruft. Das Sicherheitsbedürfnis der Russen ist so legitim und ausgeprägt wie das der Deutschen, der Polen, der Balten und der Ukrainer.
Wir dürfen Russland nicht aus Europa hinausdrängen. Das wäre unhistorisch, unvernünftig und gefährlich für den Frieden. Seit dem Wiener Kongress 1814 gehört Russland zu den anerkannten Gestaltungsmächten Europas. Alle, die versucht haben, das gewaltsam zu ändern, sind blutig gescheitert – zuletzt das größenwahnsinnige Hitler-Deutschland, das 1941 mordend auszog, auch Russland zu unterwerfen.
Wir appellieren an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, als vom Volk beauftragte Politiker, dem Ernst der Situation gerecht zu werden und aufmerksam auch über die Friedenspflicht der Bundesregierung zu wachen. Wer nur Feindbilder aufbaut und mit einseitigen Schuldzuweisungen hantiert, verschärft die Spannungen in einer Zeit, in der die Signale auf Entspannung stehen müssten. Einbinden statt ausschließen muss das Leitmotiv deutscher Politiker sein.
Wir appellieren an die Medien, ihrer Pflicht zur vorurteilsfreien Berichterstattung überzeugender nachzukommen als bisher. Leitartikler und Kommentatoren dämonisieren ganze Völker, ohne deren Geschichte ausreichend zu würdigen. Jeder außenpolitisch versierte Journalist wird die Furcht der Russen verstehen, seit NATO-Mitglieder 2008 Georgien und die Ukraine einluden, Mitglieder im Bündnis zu werden. Es geht nicht um Putin. Staatenlenker kommen und gehen. Es geht um Europa. Es geht darum, den Menschen wieder die Angst vor Krieg zu nehmen. Dazu kann eine verantwortungsvolle, auf soliden Recherchen basierende Berichterstattung eine Menge beitragen.
Am 3. Oktober 1990, am Tag der Deutschen Einheit, sagte Bundespräsident Richard von Weizsäcker: "Der Kalte Krieg ist überwunden. Freiheit und Demokratie haben sich bald in allen Staaten durchgesetzt. ... Nun können sie ihre Beziehungen so verdichten und institutionell absichern, dass daraus erstmals eine gemeinsame Lebens- und Friedensordnung werden kann. Für die Völker Europas beginnt damit ein grundlegend neues Kapitel in ihrer Geschichte. Sein Ziel ist eine gesamteuropäische Einigung. Es ist ein gewaltiges Ziel. Wir können es erreichen, aber wir können es auch verfehlen. Wir stehen vor der klaren Alternative, Europa zu einigen oder gemäß leidvollen historischen Beispielen wieder in nationalistische Gegensätze zurückzufallen."
Bis zum Ukraine-Konflikt wähnten wir uns in Europa auf dem richtigen Weg. Richard von Weizsäckers Mahnung ist heute, ein Vierteljahrhundert später, aktueller denn je.

Die Unterzeichner
Mario Adorf, Schauspieler
Robert Antretter (Bundestagsabgeordneter a. D.)
Prof. Dr. Wilfried Bergmann (Vize - Präsident der Alma Mater Europaea)
Luitpold Prinz von Bayern (Königliche Holding und Lizenz KG)
Achim von Borries (Regisseur und Drehbuchautor)
Klaus Maria Brandauer (Schauspieler, Regisseur)
Dr. Eckhard Cordes (Vorsitzender Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft)
Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin (Bundesministerin der Justiz a.D.)
Eberhard Diepgen (ehemaliger Regierender Bürgermeister von Berlin)
Dr. Klaus von Dohnanyi (Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg)
Alexander van Dülmen (Vorstand A-Company Filmed Entertainment AG)
Stefan Dürr (Geschäftsfu?hrender Gesellschafter und CEO Ekosem-Agrar GmbH)
Dr. Erhard Eppler (Bundesminister für Entwicklung und Zusammenarbeit a.D.)
Prof. Dr. Dr. Heino Falcke (Propst i.R.)
Prof. Hans-Joachim Frey (Vorstandsvorsitzender Semper Opernball Dresden)
Pater Anselm Grün (Pater)
Sibylle Havemann (Berlin)
Dr. Roman Herzog (Bundespräsident a.D.)
Christoph Hein (Schriftsteller)
Dr. Dr. h.c. Burkhard Hirsch (Bundestagsvizepräsident a.D.)
Volker Hörner (Akademiedirektor i.R.)
Josef Jacobi (Biobauer)
Dr. Sigmund Jähn (ehemaliger Raumfahrer)
Uli Jörges (Journalist)
Prof. Dr. Dr. h.c. Margot Käßmann (ehemalige EKD Ratsvorsitzende und Bischöfin)
Dr. Andrea von Knoop (Moskau)
Prof. Dr. Gabriele Krone-Schmalz (ehemalige Korrespondentin der ARD in Moskau)
Friedrich Küppersbusch (Journalist)
Vera Gräfin von Lehndorff (Künstlerin)
Irina Liebmann (Schriftstellerin)
Dr. h.c. Lothar de Maizière (Ministerpräsident a.D.)
Stephan Märki (Intendant des Theaters Bern)
Prof. Dr. Klaus Mangold (Chairman Mangold Consulting GmbH)
Reinhard und Hella Mey (Liedermacher)
Ruth Misselwitz (evangelische Pfarrerin Pankow)
Klaus Prömpers (Journalist)
Prof. Dr. Konrad Raiser (eh. Generalsekretär des Ökumenischen Weltrates der Kirchen)
Jim Rakete (Fotograf)
Gerhard Rein (Journalist)
Michael Röskau (Ministerialdirigent a.D.)
Eugen Ruge (Schriftsteller)
Dr. h.c. Otto Schily (Bundesminister des Inneren a.D)
Dr. h.c. Friedrich Schorlemmer (ev. Theologe, Bürgerrechtler)
Georg Schramm (Kabarettist)
Gerhard Schröder (Bundeskanzler a.D.)
Philipp von Schulthess (Schauspieler)
Ingo Schulze (Schriftsteller)
Hanna Schygulla (Schauspielerin, Sängerin)
Dr. Dieter Spöri (Wirtschaftsminister a.D.)
Prof. Dr. Fulbert Steffensky (kath. Theologe)
Dr. Wolf-D. Stelzner (geschäftsführender Gesellschafter: WDS-Institut für Analysen in Kulturen mbH)
Dr. Manfred Stolpe (Ministerpräsident a.D.)
Dr. Ernst-Jörg von Studnitz (Botschafter a.D.)
Prof. Dr. Walther Stützle (Staatssekretär der Verteidigung a.D.)
Prof. Dr. Christian R. Supthut (Vorstandsmitglied a.D. )
Prof. Dr. h.c. Horst Teltschik (ehemaliger Berater im Bundeskanzleramt für Sicherheit und Außenpolitik)
Andres Veiel (Regisseur)
Dr. Hans-Jochen Vogel (Bundesminister der Justiz a.D.)
Dr. Antje Vollmer (Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages a.D.)
Bärbel Wartenberg-Potter (Bischöfin Lübeck a.D.)
Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker (Wissenschaftler)
Wim Wenders (Regisseur)
Hans-Eckardt Wenzel (Liedermacher)
Gerhard Wolf (Schriftsteller, Verleger)

Donnerstag, 11. Dezember 2014

Gedicht von Hanna Fleiss


Gedicht von Hanna Fleiss

Boat People

Tief sind die Wasser des Mittelmeers.
Die Fische erbrechen unterm
Überangebot menschlicher Leiber.
Und kein Moses in Sicht.

Völkerscharen wälzen sich
durch die Straßen Europas - Schreckbild
jedes ordnungsliebenden mittleren Angestellten.
Und die es über das Meer geschafft haben,
jene erbärmlichen Gestalten des Elends,
gefesselt an Traum und Trauma,
erwärmen ihre blutigen Glieder an den Feuern
brennender Asylunterkünfte.

Wir, vor den Bildschirmen, die uns
das Ausmaß deutscher Jämmerlichkeiten
nicht zumuten wollen, wenden uns ab,
verschließen, aufrichtig ergriffen, die Türen
Arkadiens mit doppelten Riegeln.

9.12.14

ALEX: In mir kocht´s


Am 10.12.2014 23:01, schrieb ALEX:
"In mir kocht´s" - aber es hilft nix

Da läuft seit Monaten die Diskussion, ob die DDR ein Unrechtsstaat war. Ramelow und andere Linke sagen : JA, sie war es! Gysi sagt unumwunden, sie war kein Rechtsstaat, sie war aber auch kein Unrechtsstaat.Was soll der ganze Quatsch. Wer das vermeintlich Richtige sagt wird Ministerpräsident .
Wer über eine rechtswissenschaftlich nicht definierte staatliche Rechtsordnung palavert, sie dennoch in dieser oder jener Richtung je nach Befinden einordnet und sich nicht eindeutig festlegt, der hat also damit immer Recht. Scheint mir auch recht pluralistisch. Hauptsache, er befindet sich auf der Rechtsgrundlage handelnder Fertigmacher, wie Du es im Blog beschreibst. Das mag vielleicht von mir etwas stark vereinfacht und um die Ecke gedacht sein. Aber darauf läuft´s doch hinaus.
Der "Unrechtsstaat DDR" hatte das Gesetzbuch der Arbeit. Und damit war er dem Rechtsstaat BRD haushoch überlegen und ließ Fertigmachern keinen Raum. Und wenn es schon mal quer lief, dann gab es ja noch die Konfliktkommissionen. Aber im Rechtsstaat steht jeder für sich allein und es gilt: Recht haben und Recht bekommen sind zwei verschiedene Sachen.

Ein anderes Beispiel beliebiger Handhabung von Recht und Rechtlosigkeit wird angesichts der eklatanten und fortgesetzten Verletzung der Universalität der Menschenrechte in der Folterpraxis der USA sichtbar. Wenn ich sage, in mir kocht´s, dann besonders deshalb, weil ich in einem Staatswesen leben muss, das sich von solchen Praktiken nie eindeutig und klar distanzieren kann. Der Staat BRD ist als Bündnispartner der USA befangen. Und ich bin als ein das Bündnis zwangsläufig duldender Staatsbürger in ihm GEFANGEN .

Lieber Harry, das sind wieder mal Gedanken, die das Gewissen bedrücken.
Die letzten Wochen hatte ich nur Termine bei allen möglichen Ärzten und Instanzen. Deshalb auch wenig Zeit und Lust zum Schreiben. Du verstehst?

Vielleicht liegt es neben den schlechten Befunden auch am blöden Wetter . Oder ich bin zu alt.

Tschüss , ALEX

Antwort von Harry:

Lieber ALEX, Deine Worte ins Goldene Buch der Wahrheiten!!! Folgendes schrieb ein User u.a. in einem Forum zur Rezi "Fertigmacher":
"Übrigens: Dass es hier in dem Text eigentlich nicht um eine Buchrezension sondern um Stimmungsmache geht, legt der (erste) Anfang nahe - er macht Stimmung, was das Zeug hält. Das ist schade, es verdirbt den ansonsten auf Sachlichkeit ausgerichteten Text. Wenn es um solche Themen geht, halte ich jede Polemik - auch den Verdacht auf Polemik – für kontraproduktiv. Man kann dann selbst Fakten-Argumente zu leicht als reine Meinungsäußerung abstempeln und beiseite wischen."

Inhalte ignorieren und Formsachen in den Vordergrund rücken, das ist eine der zahlreichen Methoden der Rückwärtsgewandten! Diese Masche trifft man sehr oft an. Und das "Stimmung machen" ist ja gerade der Ausdruck eines Standpunktes zu diesem oder jenem Buch... Manche Knallköppe wollen keine Emotionen, keine Positionierung, nur flaches und verblödendes Gewäsch. Und das haben wir mit der Merkeln und anderen politischen Flachzangen ja zur Genüge. Nein danke!!
Gruß von Harry

Mittwoch, 3. Dezember 2014

Buchtipp: "Die Fertigmacher"


„Die Fertigmacher. Arbeitsunrecht und professionelle Gewerkschaftsbekämpfung"


Rote Karte contra Mobbing

Buchtipp von Harry Popow
Du denkst, dich tritt ein Pferd. Hast nach der Probezeit einen Arbeitsvertrag abgeschlossen. Freust dich riesig. Zum Termin des ersten Arbeitstages aber wirst du plötzlich krank. Der Arbeitgeber: Wenn das schon so anfängt, brauchen wir sie nicht!! Vertrag annulliert. Nun fängt die Arbeitssuche erneut an, rund um die Uhr, kräftezehrend, entwürdigend...



Fristlose Kündigungen!! Da fällt einem die Kassiererin Emmely von der Supermarkt-Kette Kaiser´s ein. Das war vor Jahren: Man warf sie hinaus – nach 31 Jahren treuer Arbeit. Und nur wegen einer Bagatelle. Aber die Kassiererin wehrte sich. Erfolgreich. Sie kehrte in ihre angestammte Filiale zurück. Kein so seltener Fall von Mut und Kraft.

Wer kann nicht ein Lied davon singen: Der Arbeitgeber hat letztendlich in den meisten Fällen das Sagen, unterstützt von zahllosen gut bezahlten Dienstleistern. Nachgewiesen von den Autoren Werner Rügemer und Elmar Wigand in ihrem 238-seitigen Buch „Die Fertigmacher. Arbeitsunrecht und professionelle Gewerkschaftsbekämpfung“. Bezugnehmend auf die oben genannte Kassiererin Emmely stellen sie fest, deren Kündigung ist nicht nur ungerecht gewesen, sondern sei durch das Personalmanagement und deren Helfer „auf kriminelle Weise konstruiert“ worden. Bestenfalls gib es Vorzeichen einer fristlosen Kündigung: Eine Personalakte mit präventiv gefüllten Abmahnungen. (S. 14)

Rügemer und Wigand fragen sich, was die Unternehmen zu so einer „zynischen Aggressivität“ gegenüber den einfachen Beschäftigten treibt. „Gibt es eine Systematik hinter diesem Vorgehen?“ (S. 10) An der Spitze ihrer zahlreichen Textbeispiele und die daraus folgenden Erkenntnisse halten die Autoren fest: „In der deutschen Arbeitswelt findet seit Ende der 1990er Jahre eine Umwälzung statt, die eine Art unerklärter Kleinkrieg beinhaltet, der auf US-amerikanische Methoden und Prinzipien zurück greift“, die systematische Bekämpfung von Mitbestimmung und gewerkschaftlicher Organisierung. Sie nennt sich Union Busting und heißt wörtlich: “Gewerkschaften plattmachen”, gerichtet in Deutschland auch gegen Betriebsräte, Vertrauensleute und kritische Arbeiter- und Arbeiterinnen. (S. 10/11)

Zu den Methoden der Willkür und den dahinter stehenden Interessen der Unternehmen nach Gewinn und Profit gehören - mit Hilfe von internen Stabsstellen - Betriebsräte und Gewerkschaften zurückzudrängen, einzuschüchtern, einzulullen oder ganz zu entfernen. Im Visier habe man sogenannte „Problemkinder“, „Totes Holz“, langsam Arbeitende, auch die zu lange im Betrieb sind, stehen auf der Abschussliste, körperlich ältere und schwächere Menschen, selbstbewusste, unangepasste, potentiell rebellische Arbeiter, Angestellte, die längere Zeit krank geworden sind. Mit Zucker werden dagegen diejenigen behandelt, die für das Unternehmen den höchsten Gewinn versprechen, man nennt sie „aufsteigende Sterne“. Ihnen folgen die noch geduldeten „Arbeitspferde“. Zu den Helfern der Arbeitgeber zählen vor allem die Medien. Sie betreiben eine strategische Kommunikation statt einer biederen Öffentlichkeitsarbeit. Es herrsche eine Gewerkschafts-Vernichtungs- und eine Mitbestimmungs-Vertreibungsindustrie.

Zusammengerottet haben sich unter dem Dach und der Duldung der Politik und des Staates Fachanwälte, Anwaltskanzleien, Unternehmensberater, Personalmanager, Detektive, PR-Agenturen, Detekteien, die Klassenjustiz, Stiftungen, der BDI und der BDA, betriebsratsfreie Zonen, eine arbeitgeberfinanzierte Universitätsindustrie, Medienagenturen und, und, und... Sie leisten die Drecksarbeit für die Arbeitgeber, sie agieren allesamt unter einer Tarnkappe, unter der das „Arbeitsrecht als Teil des Privatrechts und als Kampfrecht im Interesse der Unternehmensseite“ zu verstehen ist. (S. 112) Auf Seite 63 schreiben die Autoren von einem Netzwerk, das sich – unbeachtet von den Gewerkschaften – herausgebildet hat, „in dem Methoden der kapitalistischen Menschwerdung – Unterwerfung als Freiheit – nicht nur ausgeheckt, sondern in der Arbeitswelt umgesetzt werden“. Das System der Arbeit solle umgestaltet werden, wozu die Unternehmen als Eigentümer angehalten sind, als neue Bürger gesellschaftliche Anliegen „wie Menschenrechte, Bildung, Migration, Armutsbekämpfung, Gesundheit und Chancenfairness“ aufzugreifen. Statt Demokratie nunmehr „Der Staat sind wir, die Unternehmensleitungen“. (S. 61)

Diesem Ziel dient vorrangig die Europäische Union (EU), nämlich „für private Unternehmen die günstigsten Bedingungen zu schaffen und staatliche Unternehmen und Dienstleistungen zu privatisieren“, so die Autoren auf Seite 164. „Dieses Interesse trifft sich mit dem Konzept der zuvor genannten Union Busting (USA). Das Endziel sei die Auflösung der Gesellschaft in einen Markt aus freien, ungebundenen, ideologisch entwurzelten, flexiblen Individuen, die in ständiger Konkurrenz zueinander“ stehen. Der Begriff der Arbeiterklasse sei historisch widerlegt, wer dem noch anhänge, sei ein „Ewiggestriger“ „und damit zum Abschuss frei gegeben“. (S. 21)

Die Autoren mahnen im Zusammenhang mit Arbeitsunrecht und Union Busting Widerstand an gegen soziale Zerfallserscheinungen (S. 17), denn Arbeitsrechte sind Teil der Menschenrechte. „Arbeits- und Sozialrechte scheinen nicht dazu zu gehören.“ (S. 219) Wenn in weiten Teilen Europas aus der Freiheit der arbeitenden Menschen das Recht zum freien Fall ins Bodenlose geworden ist, dann ist auch der politische Streik gesetzlich nicht verboten. Die Autoren warnen vor der Naivität, die Fertigmacher bräuchten „nur mal eins auf die Finger“. (Seite 16) Eher schon die „Rote Karte“ durch zahllose couragierte Emmelys.

Das Buch besticht durch unzählige faktenreiche Belege sowie durch neun Konfliktporträts und dreizehn Personenporträts. Tatsachen werden durch kurze Autorenkommentare gedanklich vertieft, sodass sich auch im Arbeitsrecht Unbewanderte ein genaues Bild von der Willkür der Politik und den hochbezahlten Dienstleistern im Interesse der Arbeitgeber gegenüber den Lohnabhängigen und ihrem Arbeitsrecht machen können. Lesenswert vor allem für Systemkritiker, Betriebsräte, Arbeiter, Streikende, Gewerkschafter und Arbeitssuchende. (PK)

Werner Rügemer, Elmar Wigand: „Die Fertigmacher. Arbeitsunrecht und professionelle Gewerkschaftsbekämpfung“, PapyRossa Verlag, 238 S.,Auflage: 1 (1. Oktober 2014), ISBN-10: 3894385553 , ISBN-13: 978-3894385552 , Preis: 14.90 Euro

Erstveröffentlichung der Rezension in der Neuen Rheinischen Zeitung

Freitag, 28. November 2014

Sahra Wagenknecht: Spiel mit dem Feuer





junge Welt dokumentiert auszugsweise die Rede von Sahra Wagenknecht, Erste Stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Die Linke im Bundestag, in der Haushaltsdebatte am Mittwoch:


Sahra Wagenknecht (Die Linke): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundeskanzlerin, Sie werden hier gleich ans Mikrofon treten und wieder ausgiebig Ihre Politik loben. (Unruhe bei der CDU/CSU)

Aber wenn man sich die derzeitige Politik und die derzeitige Situation in Deutschland, in Europa und in der Welt ansieht und wenn man vor allen Dingen Ihre ganz persönliche Mitverantwortung für diese Situation in Rechnung stellt, dann fragt man sich schon, wie Sie darauf auch noch stolz sein können.

Ja, wir leben in einem reichen Land, das gute Autos und international gefragte Maschinen produziert. Aber es ist ein zutiefst gespaltenes Land. Es ist ein Land, in dem selbst fleißige Arbeit nicht mehr vor Armut schützt und in dem inzwischen die Auswahl des Elternhauses wichtiger geworden ist als die Auswahl des Berufs. Es ist ein Land, in dem kaum noch investiert wird, in dem Straßen und Brücken verrotten, in dem viele Kinder in verwahrlosten Wohngebieten aufwachsen,


Norbert Barthle (CDU/CSU): Sprechen Sie jetzt von Afrika?

in dem ihnen elementare Bildung vorenthalten wird.


Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Um Gottes willen! Wo leben Sie eigentlich?

Was tun Sie, Frau Bundeskanzlerin? Statt Problemlösungen liefern Sie Taschenspielertricks, statt solider Finanzierungen liefern Sie kreative Buchführung, und statt wirtschaftspolitischer Rationalität liefern Sie okkulte Opferrituale vor Ihrer neuen Göttin, der schwarzen Null, die Ihnen trotz aller Beschwörungsformeln im nächsten Jahr wieder nicht erscheinen wird. (Unruhe bei der CDU/CSU)

Solide öffentliche Finanzen gibt es eben nicht ohne eine dynamische Wirtschaft. Es gibt sie nicht ohne Konsumenten, die genug Geld in der Tasche haben, um sich ein gutes Leben leisten zu können, und es gibt sie auch nicht ohne Unternehmen, die genau wegen dieser Nachfrage Anreize haben zu investieren, statt ihr Geld zu bunkern oder ihre Aktionäre mit immer neuen Rekorddividenden glücklich zu machen. Es gibt solide öffentliche Finanzen auch nicht, wenn gerade die reichsten Familien und die größten Konzerne kaum noch einen müden Euro zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen und der Staat dabei wegschaut.

Und deswegen ist für mich die schwarze Null eigentlich ein Ausdruck einer Null-Kompetenz in der Wirtschaftspolitik.

Das ist das Urteil des Wirtschaftsweisen Peter Bofinger über Ihre Politik, Frau Kanzlerin. Vielleicht erinnern Sie sich auch noch, was Sie im August im schönen Lindau am Bodensee von den Wirtschaftsnobelpreisträgern zu hören bekommen haben. Ich gebe eine kleine Kostprobe:

Merkel verfolgt ... eine völlig falsche Politik.

Merkel scheint den Ernst der Lage nicht kapiert zu haben.

Merkels Rede sei eine einzige Katastrophe gewesen. Wohlgemerkt: Das ist kein Mitschnitt aus einer Mitgliederversammlung der Linken. Das waren die Urteile international renommierter Wirtschaftsnobelpreisträger über Ihre Politik, Frau Merkel. Wenn Sie vielleicht einmal zuhören könnten, vielleicht würde Ihnen das zu denken geben; (Beifall bei der Linken) aber offensichtlich interessiert Sie das überhaupt nicht.

Weggucken, wegducken, wegreden – das ist Ihr Dreiklang im Umgang mit den Gefahren und Problemen der Gegenwart.


Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Das sieht die ganze Welt anders!


Aber die Gefahren sind einfach zu groß und die Probleme zu ernst, als dass wir so weiter mit ihnen umgehen könnten. Die deutsche Wirtschaft stagniert. Alle Prognosen für das nächste Jahr mussten nach unten korrigiert werden.

Aus konjunkturellen wie aus prinzipiellen Gründen braucht dieses Land endlich mehr Investitionen. Sie haben nun lauthals ein Investitionsprogramm angekündigt. Aber was sieht man, wenn man in das Kleingedruckte schaut? Dann sieht man, dass nach Ihren eigenen Planungen der Anteil der Investitionsausgaben des Bundes weiter sinken soll, nämlich von aktuell 10,1 Prozent auf nur noch 8,3 Prozent im Jahr 2018. So viel wirtschaftspolitische Ignoranz kann einem wirklich die Sprache verschlagen.


Norbert Barthle (CDU/CSU): War das ein Versprechen?


Gunther Krichbaum (CDU/CSU): Das wäre schön! Wir wollen Gysi!


Sie können sich ruhig aufregen. Es wäre aber besser, wenn Sie sich nicht nur aufregen würden, sondern auch Konsequenzen ziehen würden. (Beifall bei der Linken)

Es geht nicht nur um Straßen, es geht auch nicht nur um Brücken, es geht auch um Zukunftstechnologien und Innovationen. Wer meint, dafür wird schon der Markt sorgen, der sollte sich einmal fragen, warum sich eigentlich alle wichtigen digitalen Technologien heutzutage in der Hand von US-Unternehmen befinden, die Möglichkeit zur globalen Überwachung inklusive. Nicht, weil der Markt jenseits des Atlantiks so viel besser funktioniert, sondern weil sich der Staat das zumindest früher ziemlich viel hat kosten lassen. Fast die gesamte Technologie, die heute in einem iPhone steckt, ist doch nicht in Steve Jobs Garage entwickelt worden. Die ist in staatlichen Forschungszentren entwickelt worden. Wer glaubt, dass ein fundamentaler technologischer Umbruch wie die Energiewende möglich wäre ohne massive öffentliche Investitionen in die Erforschung und Umsetzung alternativer Technologien, der hat wirklich nichts verstanden.


Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Sie hatten doch nur Robotron! Die größten Chips der Welt!


Aber statt über solche Fragen auch nur nachzudenken, verhandelt diese Regierung lieber über Investorenschutz. Genaugenommen verhandelt sie nicht, sondern der Wirtschaftsminister führt einen unglaublichen Eiertanz auf, um der Öffentlichkeit Sand in die Augen zu streuen. Ich rede von den geplanten Freihandelsabkommen CETA und TTIP,


Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Eine große Chance! Die müssen wir schnell umsetzen!


und ich rede von den Sondergerichten für große Konzerne, mittels derer diese Konzerne den deutschen Staat in Zukunft für jede Mindestlohnerhöhung und für jedes Umweltschutzgesetz vor den Kadi ziehen können.

(...)

Man hat allerdings den Eindruck, es gibt etwas, das Ihnen, Frau Merkel, noch wichtiger ist als die Interessen der deutschen Unternehmen: Das sind die Interessen der amerikanischen Regierung und der amerikanischen Wirtschaft. Bei Ihrer Rede in Sydney, Frau Merkel, haben Sie sich furchtbar darüber empört, dass es 25 Jahre nach dem Fall der Mauer immer noch altes Denken in Einflusssphären gibt, das das internationale Recht mit Füßen tritt. »Wer hätte das für möglich gehalten?« wurden Sie zitiert. Man fragt sich ernsthaft, Frau Merkel: Wo leben Sie eigentlich? Und wo haben Sie in den letzten Jahren gelebt?


Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Bei Ihrer Rede frage ich mich auch, wo Sie leben!


Wo haben Sie gelebt, als die USA das internationale Recht im Irak mit Füßen getreten haben, um ihre Einflusssphäre auf das irakische Öl auszudehnen? Wo waren Sie, als unter Beteiligung Deutschlands das internationale Recht in Afghanistan mit Füßen getreten wurde, was es im Übrigen immer noch wird? Wo waren Sie, als Libyen bombardiert wurde und als die syrische Opposition aufgerüstet wurde, Waffenlieferungen an den IS eingeschlossen? War das alles Ihrer Meinung nach in Übereinstimmung mit dem internationalen Recht? Selbstverständlich ging es dabei auch nie um Einflusssphären.

Ich darf Ihnen die Lektüre eines Buches von Zbigniew Brzezinski, langjähriger Vordenker der US-Außenpolitik, empfehlen.


Max Straubinger (CDU/CSU): Sie lesen die falschen Bücher!


Das Buch aus dem Jahr 1997 trägt den schönen Titel »Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft«. In bezug auf Europa plädiert Brzezinski darin für eine konsequente NATO-Osterweiterung zunächst nach Mitteleuropa, dann nach Süden und über die baltischen Republiken bis zur Ukraine, und zwar weil, wie der Autor schlüssig begründet – ich zitiere – »mit jeder Ausdehnung … automatisch auch die direkte Einflusssphäre der Vereinigten Staaten erweitert« wird.

Dieses alte Denken in Einflusssphären, das sehr erfolgreich umgesetzt wurde, ist Ihnen wirklich nie aufgefallen, Frau Merkel? Dabei gehörten Sie doch zu denen, die genau das in Europa weiter umgesetzt und unterstützt haben. Sie gehörten doch zu den Vasallen, um in der Sprache Brzezinskis zu bleiben, die genau diese Strategie mitgetragen haben. (...)

Frau Merkel, jetzt haben Sie Deutschland in die Neuauflage eines kalten Krieges mit Russland hineingetrieben, der das politische Klima vergiftet und den Frieden in ganz Europa gefährdet. (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

Sie haben einen sinnlosen Wirtschaftskrieg angezettelt, der vor allem der deutschen und der europäischen Wirtschaft massiv schadet. (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) Da Sie so stöhnen: Sie müssen ja nicht in den Unternehmen sitzen, denen die Aufträge wegbrechen. Sie sind da nicht Arbeitnehmer oder Unternehmer. Sie müssen das nicht ausbaden, was Sie angerichtet haben.

Sie warnen vor einem Flächenbrand, Frau Merkel. Aber Sie gehören doch zu denen, die mit brennendem Zündholz herumlaufen. »Verbale Aufrüstung war noch immer der Anfang von Schlimmerem.« Das hat Ihnen Hans-Dietrich Genscher nach Ihrer Rede in Sydney zugerufen.

Nein, man muss Putin wirklich nicht mögen. Man muss auch den russischen Kapitalismus mit seinen Oligarchen nicht mögen. Aber Diplomatie heißt, die Interessen des Gegenübers ernst zu nehmen und sich nicht ignorant über sie hinwegzusetzen. Es fällt schon auf, dass Helmut Kohl und Michail Gorbatschow nahezu wortgleich warnen, dass ohne eine deutsch-russische Partnerschaft keine Stabilität und keine Sicherheit in Europa möglich sind. Der frühere SPD-Vorsitzende Platzeck hat darauf hingewiesen, dass der Handel zwischen Russland und den USA in diesem Jahr zugenommen hat, während der Handel zwischen Russland und Europa und vor allen Dingen Deutschland massive Einbrüche erlebt hat. Als Reaktion arbeitet die CDU/CSU daran, sogenannte vermeintliche Russland-Versteher wie Herrn Platzeck aus dem Petersburger Dialog herauszudrängen.

Statt auf Verstehen setzen Sie offenbar lieber auf Unverstand. In der Ukraine kooperieren Sie mit einem Regime, in dem wichtige Funktionen des Polizei- und Sicherheitsapparates mit ausgewiesenen Nazis besetzt werden. Der Präsident Poroschenko redet vom totalen Krieg und hat den Krankenhäusern und den Rentnern in der Ostukraine alle Zahlungen abgeklemmt. Für Premier Jazenjuk sind die Aufständischen – ich zitiere – »Unmenschen, die es auszulöschen gilt«. Statt sich mit solchen Hasardeuren zu verbünden,


Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Ja, sind die gewählt oder sind die nicht gewählt?


brauchen wir endlich wieder eine deutsche Außenpolitik, der Sicherheit und Frieden in Europa wichtiger sind als Anweisungen aus Washington. (Beifall bei der Linken – Widerspruch bei der CDU/CSU und der SPD)

In einem Jahr, in dem sich der Beginn des Ersten Weltkriegs zum 100. und der Beginn des Zweiten Weltkriegs zum 75. Mal jährt, wäre es dringend angebracht, sich an die Aussage Willy Brandts zu erinnern: »Krieg ist nicht mehr die Ultima ratio, sondern die Ultima irratio.« Krieg darf kein Mittel der Politik mehr sein, Frau Merkel.

Deshalb: Kehren Sie auf den Weg der Diplomatie zurück! Stellen Sie die Sanktionen ein! Sollten sich in der SPD tatsächlich die Stimmen der außenpolitischen Vernunft durchsetzen – von Helmut Schmidt bis Matthias Platzeck –, dann, bitte, Frau Merkel, hören Sie auf Ihren Koalitionspartner. Beenden Sie dieses Spiel mit dem Feuer! (...)


Johannes Kahrs (SPD): Ziemlich mäßige Rede!


Vollständiger Wortlaut und Video: www.sahra-wagenknecht.de

Mittwoch, 19. November 2014

Buchtipp: Zweiter Weltkrieg


Rezension des Buches "Zweiter Weltkrieg" von Kurt Pätzold


Die entscheidende Königsfrage

Buchtipp von Harry Popow

Es ist ein Geschenk für alle, die Geschichte ernst nehmen und ernsthaft nach den Ursachen von Kriegen, speziell der Deutschen Schuld am zweiten Weltkrieg, fragen. Kein Geringerer als Kurt Pätzold hat nunmehr im PapyRossa Verlag mit 143 Seiten einen Abriss über die Geschichte des Zweiten Weltkrieges vorgelegt. Ein Geschenk deshalb, weil die Ursachen sowohl des Ersten als auch des Zweiten Weltkrieges weitgehend umgangen werden. Der Autor kommt damit, wie er schreibt, dem „Bedürfnis nach gedrängter erste Orientierung ermöglichender Literatur“ der jüngsten Generation entgegen. Das umso mehr, da es „noch immer unterschiedliche, teils konträre Sichten auf den Krieg, namentlich auf seine Vorgeschichte gibt.“ (S. 6)


Auf Seite 132 schreibt er von Ignoranz, wenn von 1200 Titeln zum Zweiten Weltkrieg nur zehn aus der DDR genannt werden, als habe es „eine ostdeutsche Geschichtsforschung über den Krieg der Jahre 1939 bis 1945 nicht gegeben“. Im Anhang zählt er dagegen 26 DDR-Titel auf.

Kurt Pätzold, Prof. Dr. phil., geboren 1930. Er lehrte bis 1992 als Professor für Deutsche Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. International renommierter Historiker und Faschismusforscher. Veröffentlichte zuletzt bei PapyRossa: „Kein Streit um des Führers Bart. Kontroversen um Deutschlands ´dunkle Jahre´ 1933 bis 1945“.

Interessierte Leser werden mit diesem faktenreichen Buch auf ihre Kosten kommen. Hieb- und stichfest bringt der Autor auf den Punkt, welche Umstände und internationale Konflikte zum Kriege geführt haben und dass Ende des Jahres 1941 bereits 38 Staaten in ihn verwickelt waren. (S. 51). Gründlich geht er auf die Gründe dieses Verbrechens ein. „Anders als 1914 gab es 1939 in Europa nur einen Staat, der den Krieg geplant hatte, ihn wollte und begann: das faschistische Deutschland und dessen revanche- und expansionshungrige Kreise in Politik, Militär und Wirtschaft“, so Kurt Pätzold auf Seite 22. Man wollte sich mit den Resultaten des ersten verlorenen Krieges und mit den Bedingungen des "Versailler Diktates" auf Dauer nicht abfinden, so liest man es auf Seite 12. Eine große Rolle spielte, so der Autor, die Hoffnung Frankreichs und Großbritanniens, „Deutschland werde seine aggressiven Kräfte nach Osteuropa und gegen die UdSSR richten und damit eine Aufgabe erledigen, die im Interesse aller Kräfte des internationalen Kapitals lag“. Das Ziel: Die Vernichtung der UdSSR und die Eroberung eines Kolonialreiches. Hitler schwebte vor, über Ressourcen zu gebieten, um am Ende jedem Gegner in einem beliebig langen Krieg siegreich zu trotzen. (S. 36)



Kurt Pätzold

Quelle: wikipedia

Der Autor streift in diesem Abriss der Geschichte bekannte und auch stark diskutierte Themen. In Bezug auf den „Holocaust“ schreibt Pätzold auf Seite 54: In der Judenverfolgung vollzogen die Rassisten-Antisemiten in der deutschen Führung „den Übergang von der Politik der Vertreibung zur Praxis der Vernichtung“ - und das schon im Verlauf des Krieges. Auf Seite 18 widmet er sich dem Nichtangriffsvertrag vom 23. August 1939 zwischen der UdSSR und Deutschland, mit dem die SU hoffte, Zeit für die „Fortdauer einer Friedensperiode“ zu gewinnen. Nicht unerwähnt bleibt der Krieg der UdSSR gegen Finnland im Jahre 1939/1940, der 2. japanisch-chinesische Krieg 1937, die Angriffe des Faschismus auf Frankreich, England, Niederlande, Dänemark Norwegen oder Äthiopien, Jugoslawien, Griechenland und und und...

Schließlich der schwere Weg zur Antihitlerkoalition, die mit der Eröffnung der Zweiten Front im Juni 1944 in die Tat umgesetzt wurde, endlich, nach der Niederlage in Stalingrad bereits im Jahre 1943. Wie die Nazipropaganda darauf reagierte, beschreibt der Autor auf Seite 69 mit folgenden Worten: „Der Glaube an den Endsieg musste reanimiert werden, und da rationale Argumente rar waren, blieb wie üblich nur die Flucht ins Irrationale und Mystische.“ Der Herrgott werde uns schon helfen.

Mehrfach geht Kurt Pätzold auf die Friedensdemagogie der Faschisten vor dem Beginn des Völkermordens ein sowie auf Durchhalteparolen bis zum „Endsieg“. Kein Wunder, so der Autor, dass überall deutsche Soldaten weiterhin den Befehlen ihrer Vorgesetzten folgten. Auch im Hinterland hielten die „dumpfe Gefolgschaft und der selbstmörderische Gehorsam“ an. (S. 99)

Bemerkenswert die Meinung des Autors zu den Überlebenden und Vertriebenen, die von der bürgerlichen Geschichtsschreibung „sämtlich unter die von `Sowjets´, ´Russen´ oder Polen Vertriebenen subsumiert und sie und die Toten zu unschuldigen Opfern“ erklärt worden sind. Pätzold: „Opfer waren sie gewiss, aber die des von ihrem Land verschuldeten, häufig von ihnen selbst mitverschuldeten Krieges und derer, die sie in der Januarkälte ins Ungewisse geschickt hatten.“ (S. 102)

Sehr warmherzig schildert der Autor an zahlreichen Stellen die Not der im Hinterland unter dem Bombenkrieg leidenden Bevölkerung. So auf Seite 73: „Damit sie den Bombardements mit den Nächten in Kellern und Bunkern und Schlimmerem entgingen, wurden Kinder, kleinere mit Müttern, ältere zu Pflegeeltern in ländliche Gebiete evakuiert.“

Was ab 1945 nach der Befreiung vom Faschismus geschah, kleidet Kurt Pätzold in folgende Worte: „Eröffnet wurde der Kalte Krieg, der mit politischen, wirtschaftlichen, propagandistischen und geheimdienstlichen Mitteln geführt wurde. Sein Prophet und Propagandist wurde schon 1946 Churchill, der zur weltweiten Formierung wider den `Kommunismus´ rief, die als Abwehrfront deklariert wurde.“ (S. 113) So standen sich denn der West- und der Ostblock im Kalten Krieg gegenüber. Aktuell fügt der Autor auf Seite 128 hinzu: „Nach dem Zerfall der östlichen Führungsmacht und des Bündnisses der Warschauer Vertragsstaaten dehnten sich die von den bürgerlichen Staaten geschaffenen Zusammenschlüsse, die NATO und die EU, territorial aus.“

Der Autor mahnt, die Analyse der Herkunft und des Charakters des Faschismus und des imperialistischen Eroberungskrieges fortzusetzen, um fortlebende Missdeutungen „im Zeichen eines um geschichtliche Tatsachen unbekümmerten, verbissenen reanimierten Antikommunismus“ zurückzudrängen. Es gehe um die Königsfrage, „die jede tiefere Analyse geschichtlicher Ereignisse und Entwicklungen zu stellen hat: Warum?“ (S. 130) (PK)

Kurt Pätzold: „Zweiter Weltkrieg“, Basiswissen Politik/Geschichte/Ökonomie, PapyRossa Verlag; Auflage: 1 (25. Juli 2014), broschiert, 143 Seiten, ISBN-10: 3894385588, ISBN-13: 978-3894385583, 9,90 Euro

Erstveröffentlichung dieser Rezension in der Neuen Rheinischen Zeitung

Sonntag, 16. November 2014

Disput zur "Toröffnung"


Disput zur „Toröffnung“

Das Jubelfest zum 25. Jahrestag des Mauerfalls ist vorüber, nicht aber die Gespräche und die Erinnerungen, warum und unter welchen Umständen diese starke Grenzziehung zwischen beiden deutschen Staaten überhaupt notwendig geworden war. Wer mit geistigem Tiefgang und zusammenhängender Sicht darauf eine Antwort sucht, wird von einigen Leuten als „Ewiggestriger“, als „Rückwärtsgewandter“ oder gar als vom Staat der DDR „Missbrauchter“ betitelt. Fragt man danach, welchen Inhalt denn Vorwärtsgewandte zu bieten haben, dann schlägt einem oft ein großes Schweigen entgegen. Prikärer wird die Frage, ob denn das deutsche Volk nicht missbräuchlich und verbrecherisch in den Krieg getrieben wurde, und ob jener Teil der Deutschen, die nach der Befreiung durch die Antihitlerkoalition in ihrem Staat gegen jeglichen Krieg und Faschismus antraten, auch „missbraucht“ wurden. Die Antworten dürften große Unterschiede im Bewusstseinsstand ans Tageslicht fördern. Hier einige Meinungen.



Hanna Fleiss


Lieber Harry Popow,

    ich bin Jahrgang 1941. Die ersten Jahre meines Lebens habe ich im Bunker verbringen müssen. Wir hatten einen in der Nähe, Reinickendorfer/Ecke Sellerstraße im Wedding, nicht weit entfernt von dem Ort, an dem sich später der Grenzübergang Chausseestraße befand und nicht weit entfernt vom neuerrichteten Protzbau der bundesdeutschen Geheimdienste auf dem Grund des Stadions der Weltjugend. 1949, im Dezember, kurz nach Gründung der DDR, sind meine Eltern nachts auf einem Pferdefuhrwerk vom Wedding nach Köpenick gezogen. Das war damals schon keine ganz einfache Sache, als es die „Mauer“ noch nicht gab, keiner durfte es wissen, dass wir in den Russensektor flüchten wollten. So gesehen, auch ein Flüchtlingsschicksal, wenn auch für heutige Propaganda-Bedürfnisse nicht relevant.

Ich hatte den Westen also bereits sehr jung erlebt und konnte mich 1989 noch ganz gut an diese Zeit erinnern, an die Hetze der Erwachsenen gegen die “Kommunistenschweine“ und die „scheiß Russen“, ich hatte erlebt, dass sich über Nacht die Schaufenster mit den traumhaftesten Dingen füllten, als die Westalliierten im Juni 1948 die separate Währungsreform einführten, die nicht nur Berlin, sondern ganz Deutschland spaltete. Damals wusste ich das natürlich noch nicht, ich freute mich über meinen ersten Vivil-Kaugummi, Stück einen Groschen. Die Erwachsenen aber redeten sich die Köpfe heiß, ein Riss ging durch die Familien. Schon damals sprach man vom „reichen Westen“ und vom „armen Osten“, es reichte ein Gang über die Sektorengrenze, um zu begreifen, dass Berlin gespalten war.

Im November 1989 wurden Tränen vergossen, als „die Mauer fiel“. Ich erlaube mir festzustellen, dass es diese Mauer auch ohne den August 1961 gegeben hatte. Und ich erlaube mir des weiteren festzustellen, dass die Spaltung Berlins und ganz Deutschlands im Interesse der Westalliierten lag, nicht dagegen im Interesse der DDR und schon gar nicht der Sowjetunion. Die USA wollten die BRD zur Speerspitze gegen die Sowjetunion ausbauen,
den ersten Staat der Arbeiter und Bauern vernichten, egal, was es kostete, und egal, wer die Kosten bezahlen musste. Dass es auch wir, die Deutschen in Ost und West, sein würden – wem war das klar?

Du, Harry, führst in Deinem Beitrag all die politischen Ereignisse auf, die folgten bis 1961 und die meine Feststellung bekräftigen. Zu erinnern sei an die sogenannte Stalin-Note, die von Adenauer auf Drängen der USA abgelehnt wurde: Lieber ein halbes Deutschland ganz als ein ganzes Deutschland halb. Es hätte nicht zur Mauer kommen müssen – wenn der Westen sie nicht provoziert hätte. Ich kann mich an die erbärmlichen Hetzreden des damaligen Regierenden Bürgermeisters Willy Brandt erinnern, als die Mauer dann stand, da hatten wir uns unseren ersten Fernseher gekauft. Ja, sie trennte Familienverbände, sie trennte den Osten vom Westen, aber auch den Westen vom Osten, die Westberliner konnten zum Beispiel nicht mehr für ein Taschengeld Großeinkäufe bei der HO tätigen, ja das tat weh, nicht alle Westberliner waren reiche Leute, sie traten in Ostberlin nur so auf. Berlin war vor der Mauer bekanntlich die größte Agentenzentrale der Welt. Noch ein Grund zum Trauern im Westen, dass da plötzlich eine Mauer stand. Was mich anging, so hielt sich mein Wunsch, noch einmal im Leben Westberliner Boden betreten zu wollen, übrigens in Grenzen. Und ehrlich gesagt, wäre ich ganz froh gewesen, wenn mir dieses Erlebnis erspart geblieben wäre. Und als sich Ost und West an der Bornholmer Brücke unter Schluchzen in die Arme fielen, als ich die Bilder im Fernsehen sah, taten mir die naiven Ostdeutschen einfach nur leid. Wer von ihnen ahnte, was uns erwartete?

Was wir am 9. November dieses Jahres erlebt haben, war ein Fest grenzenloser Heuchelei. Es traf sich, was Rang und Namen hatte, es trafen sich die sogenannten Bürgerrechtler, die uns mit ihren rührenden Geschichten, die in 25 Jahren zur Legende erstarrt waren, an die Hirne wollten, auch jene, die stillschweigend im Nachhinein beim DDR-Volk Ablass erbaten, es trafen sich die bekannten kalten Krieger, und es traf sich die Politprominenz jenes „neuen Deutschlands“, das sich in der „Verantwortung“ fühlt, wieder Kriege führen zu dürfen, dekorativ umrahmt von der „dankbaren Berliner Bevölkerung“. Das Fernsehen sendete pausenlos Lügenmärchen über die DDR, über den Sozialismus, und ich sehe noch die Bilder, wie unsere obersten Heuchler Kränze im Gedenken an die Mauertoten niederlegten – ohne jedes schlechte Gewissen. Eine reife Leistung.

Wer von all diesen „menschlich bewegten“ Gestalten dachte eigentlich an die Opfer des 9. November 1938? Man hörte beiläufig von einer Veranstaltung mit Kranzniederlegung. Schließlich erforderte dies die Merkelsche „Staatsräson“.

Dir, Harry Popow, möchte ich danken für diesen Beitrag, in dem du die Ereignisse benennst, die zum Bau der Mauer führten. Einiges hatte ich vergessen, nicht, weil es unwichtig war, sondern nur, weil es im Alltagsgeschehen unterging. Zu vieles gibt es, das man vergessen möchte, will man die geballte Heuchelei dieses 9. November 2014 ertragen können.

Eines möchte ich noch nachtragen: Ich bin der DDR dankbar, dass ich vierzig Jahre lang ein Leben in Würde führen konnte, eben als Mensch. Und ich wäre froh, könnte ich dies von den vergangenen 25 Jahren ebenfalls so uneingeschränkt behaupten.



Am Tag, als die Mauer fiel Von Hanna Fleiss
Ein großer Tag, als da die Mauer fiel.
Viel Tränen, ach, sie sind so heiß geflossen,
man fiel sich in die Arme, selbst Genossen
versuchten es mit Charme im neuen Stil.

Er war nichts wert, der andre deutsche Staat,
nun wollen wir ihn eins, zwei, fix vergessen,
von Bayern unten bis nach Oberhessen.
Der dient heut bestenfalls noch als Zitat.

Schon immer hat der uns ins Fleisch gepiekt.
Nun ist er weg, als sei er nie gewesen,
ganz friedlich und ganz ohne Federlesen.
Was sind wir froh, jetzt haben wir gesiegt!

Dass da ein Menschheitstraum verlorenging,
wer will das heutzutage denn noch wissen.
Man passt sich an, sieht es nicht so verbissen,
auf den gibt man doch keinen Pfifferling.

Nostalgiker, die haben es jetzt schwer.
Die Masse jubelt, schwenkt die deutsche Fahne,
besoffen schier vom nationalen Wahne.
Mir stinkt das bloß wie alter Camenbert.

30.10.14

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Horst


Der Blärrkopf von damals hatte doch recht gehabt mit seinen blühenden Landschaften. Es grünt und blüht, vor allem auch den Dächern und in den Ruinen der einstigen Betriebe. Auf den Dächern wachsen bald Birkenwälder, bald kann man dort Pilze sammeln, auf den Geländen gibt es mehr oder weniger große Feuchtbiotope. Bei genauem Hinschauen findet man sogar noch Reste einer einstigen Zivilisation die dort einen Teil ihres Lebens verbrachten.
Auch kann man Reste einer damals modernen Technologie erkennen. Manche solcher Brachen sind gänzlich verschwunden und Heimat für Schafe und Rindviecher. Von den einstigen Vasallen, die dort werkelten, fehlt aber jede Spur. Die haben sich in alle vier Winde verstreut schuften heute für fremde Lehnsherren, ruhen sich auf dem Altenteil aus oder sind alle den Weg allen irdischen Dingen gegangen.

Gut, mit der damaligen Technologie ist heute kein Blumentopf mehr zu gewinnen und neue Betriebe entstanden bzw. entstehen. Aber zu welchem Preis für die jetzigen Vasallen? Heute gewinnt das Wort "Sklaverei" eine ganz neue Bedeutung. Wohl dem, der zur jetzigen Zeit in Rente ist oder kurz davor steht und sich hie und da etwas Zubrot noch erarbeiten kann. Ich will hier nicht wieder die "Ostalgie DDR" hochpushen, aber wir haben z.T. ruhiger gelebt, auch wenn wir nicht alles haben konnten. Die große Toröffnung hätte man viel ruhiger angehen sollen, erst mal das Für und Wider abklären. Ob dann der große Run auf die Mauer auch so gekommen wäre? Sozusagen sechs Monate Einarbeitungsfrist, vielleicht wäre schon eher die Kündigung seitens der DDR erfolgt.

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Wolfgang D.


Ich vermute mal, Kohl wollte sich ein Denkmal setzen. So dominant, wie Deutschland heute die EU kommandiert, hätte Westdeutschland damals eine überhastete Vereinigung zweier völlig gegensätzlicher Gesellschaftssysteme ablehnen müssen und auch können. Der berühmte Satz :
"Kommt die D-Mark, bleiben wir - kommt sie nicht, gehn wir zu ihr!" ist der dümmste Spruch, den ich im Leben gehört habe. Die Mehrzahl der DDR-Bürger waren nicht so dämlich, nicht zu begreifen, dass es nicht gut gehen kann. Man hat einfach einer demonstrierenden Minderheit "gehorcht", mehr nicht. Die große Masse ist ihrer Arbeit weiter nachgegangen, bis, ja bis die Firma platt gemacht wurde.
 
Dieses "der Minderheit gehorchen", nur weil es ins Konzept passt, erinnert ganz stark an die sogenannte Revolution in Kiew, mit den bekannten Folgen. Ich habe da nun mal meine eigene differenzierte Sichtweise zur ganzen Einheit, die ich zwar generell begrüße, die Verfahrensweise
jedoch kritisiere, denn das war keine Vereinigung, sondern eine Vergewaltigung ohne Verurteilung der Täter (Treuhand). Gut, wir werden´s nicht ändern können, dazu sind kommende Generationen gefragt. Ich habe mein Arbeitsleben hinter mir, kann nur für meine Kinder und Enkel hoffen, dass sie genug Kraft finden, ihr Leben so zu gestalten, dass es für sie zum Vorteil gelingt.


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Stefan Mehling

Hallo User X, dass Du Dich in (D)eine spirituelle Welt zurückziehen willst, ist völlig in Ordnung. Dass Du aber deshalb jede gesellschaftskritische Entwicklung bis zur Bedeutungslosigkeit zu relativieren suchst, ist kein guter Rat. Natürlich sollten wir uns das Leben nicht von Bedrohungen und Möglichkeiten verderben lassen. Sollen wir deshalb aber Wegsehen, wenn mächtige Geldfürsten unsere ohnehin immer schlechter werdenden Lebensbedingungen noch weiter ruinieren wollen? Wir befinden uns ohne Zweifel gerade wieder in der Phase, die früher immer in Kriege mündete, und unweit von hier wird er bereits geführt, wenn auch nicht offiziell erklärt. Sollen wir vielleicht auf das Prinzip Hoffnung setzen und auch die Feuerwehr abschaffen, während immer mehr Tankanlagen gebaut werden? Verdrängen und leugnen sind mögliche Strategien. Aber sind sie auch sinnvoll? Du bist einer, der den minimalistischen Weg gehen will und ich finde dies prinzipiell auch gut, so es denn wirklich zur eigenen Persönlichkeit passt. Begnügsamkeit ist für mich eine wichtige Tugend, die es zu fördern gilt.

Jetzt kommt das Aber. Und an dieser Stelle wird es für Dich als Psychologe dürftig, denn Du müsstest etwas besser wissen, wie Menschen funktionieren und wie sehr sie in aller Regel ihrer Gemeinschaft/Staatsform ausgeliefert sind. Es ist sehr schnell dahergesagt, wie sie sich klüger verhalten sollten, du weißt aber auch, dass sie immer der Masse hinterher laufen. Und deshalb sind wir, in Summe gesehen, so manipulierbar. Das haben Strategen längst erkannt, die eben nicht das Gesamtinteresse im Blick haben, sondern nur das eigene. Und sie kennen weder Maß, noch Ziel, sind bereit, ihrer persönlichen Vorteile wegen alles zu zerstören. Die Umwelt, die Infrastruktur, ja die Menschen, die sie als entbehrlich ansehen. Sie herrschen ihrer Skrupellosigkeit wegen, während dies für die allermeisten der Beherrschten nicht möglich ist, ihrer moralischen Fesseln im Normalzustand wegen. Sie müssen erst in den Zustand der Erregung gebracht werden, damit sie ihre „guten“ Grundsätze vergessen. Auch das wissen die Manipulateure, weshalb sie Zwietracht säen. So schaffen sie die Bereitschaft für Kriege. Kriege, in denen sie leiden und vielleicht sterben werden, während die Initiatoren sich in ihren Luxusbunkern die Hände reiben. Du willst zwar nur, dass es Deinen Klienten besser ergeht, was im Einzelfall auch gelingen mag, gleichzeitig aber stabilisierst Du das hinterhältige, verlogene System. Und wenn du die akute Kriegsgefahr leugnest, noch mehr. Unsere Regierungen vertreten nicht unsere vitalen Interessen, sondern sie vollstrecken gnadenlos und völlig vernagelt die Interessen dieser inzwischen recht gut bekannten Bande.

Mir ist auch bewusst, dass das Prinzip "dafür" psychologisch das bessere ist, also sollte es besser heißen "für Frieden". Dass er in Gefahr ist, können nur noch Dummköpfe leugnen. Amerikanische Idioten vertreten sogar das pervertierte Motto: "Frieden schaffen mit immer mehr Waffen". Dazu fällt mir nichts mehr ein.

All das wird zu einem Brei verrührt, in dem sich fast niemand mehr auskennt. Auch das ist so gewollt, denn umso leichter fällt es dann, die verwirrten, absichtlich überforderten Leute vor den eigenen Karren zu spannen und ihnen auch noch zu erzählen, es wäre ihr Wille gewesen. Die Frage, woraus er resultierte, soll dann wieder nicht gestellt werden.