Montag, 25. Juni 2012

Echo von Usern

User x zu „No way out?“:

Diese Frage nach einem Ausweg stelle ich mir auch. Einerseits kommt da die selbe Einstellung wie bei Leonna bei mir durch = ich lebe im Heute, im Hier und Jetzt, genau an diesem Ort und da stimmt es für mich und das kann ich annehmen, akzeptieren und bewältigen.

Kann ich wirklich nicht mehr??

WAS kann ich? bewirken??

Ich fühle mich auch oft ohnmächtig und als Spielball derer, welche die Erde als Schachbrett betrachten und Menschen entseelen und wie Figuren darauf herumschieben; derer, die mit Nahrung pokern und dadurch Menschen die Grundlagen für ihr Leben nehmen; Hunger, Not und Kriege auslösen.

Das ist die andere Seite, die mir sagt, dass es wichtig ist, zu erwachen und dazu beizutragen, dass immer mehr Menschen ihr Bewusstsein nicht nur auf sich richten, sondern über den Tellerrand hinaus - in einer Mitverantwortung für das Gesamte. - Wir sind Alle Eins - und sollten erkennen, dass Individualismus nichts mit Egozentrik zu tun hat.

Wirken und Einfluss nehmen kann ich in meinem Umfeld - mit dem Blick nach Außen, auf das größere Gemeinsame.

Dieser Blick nach draußen ist es, der den Unterschied macht.

Danke (…) für diesen Beitrag - er weitet und öffnet den Blick nach draußen :)))


User y zu „Der Mensch vor dem Supermarkt“:

 Hallo … Du bringst es hier auf den Punkt. Zu Deinem Beitrag „Die Nachdenklichkeit – sie hockt verkümmernd im letzten Wagen des Zeitenzuges“ möchte ich Dir folgendes sagen:

Es ist gut, dass Menschen wie Du sich die Mühe machen bzw. intellektuell überhaupt in der Lage sind, Beiträge dieser Art hier ins Forum zu stellen.
Ich habe Deinen Beitrag genau gelesen und bin sehr nachdenklich geworden. Die Thematik ist so weitläufig, hat tausend Seiten wie Du ja erwähnst, sodass es fast unmöglich ist, in verantwortungsvoller Weise hier darauf einzugehen bzw. dem Thema wirklich gerecht zu werden. Ich traue es mir jedenfalls nicht zu; es kann im Grunde genommen keiner.


Immer mit denselben Allgemeinplätzen zu argumentieren, trifft die Botschaft, um die es Dir hier geht, nämlich nicht.
Ich empfinde größte Achtung vor Dir als Mensch, und das möchte ich Dir an dieser Stelle mitteilen. Ich danke Dir sehr für Deinen Beitrag!


User zu „In die Stille gerettet“:

User A zum Buchtipp:ich habe mir mal dein Buch angesehen - kurze Inhaltsangabe und Cover. Ehrlich - ein Thema, mit dem ich viel anfangen kann, denn ich stamme aus Thüringen. Ich selber hatte nie Probleme mit den Veränderungen, aber ich habe viele Bekannte, denen es nicht so leicht viel. Mein Vorteil war, ich kam vor der Grenzöffnung nach Hessen und mußte mich "nur" meiner Umgebung anpassen. Ich denke, deshalb fiel mir vieles leichter. Aber nicht alles ist Gold was glänzt und ich denke, die Meisten haben das inzwischen gemerkt. Mir war das schon davor bewußt und trotzdem hatte ich mich damals zu dem Schritt entschieden. Aber hier spielen noch andere Gründe mit.

Dein Cover paßt gut zu dem Titel und dem Inhalt - soweit ich es beurteilen kann.

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User R. H. zum Inhalt des Buches: „Eins geb`man euch in Gnaden, dass ihr werdet Kameraden. Wer den Kameraden fand, griff die Sonne mit der Hand.“ (frei nach …) Sie, liebe Frau …, lieber Herr …, haben ihn ja gefunden (den Kameraden). Selten bin ich vom geschriebenen Wort so bewegt worden, wie durch Ihre „Rettung in die Stille“. Wieviel Achtung, Verehrung, Liebe zueinander spricht mich aus allen Ihren Zeilen an! Immer wieder kommt das aus Ihren Wortgedanken zum Ausdruck. Soviel Inniges habe ich noch nie im Wiedergegebenen gelesen. Selbst kleinste Beschreibungen teilen es mit: „die Augen, die schönen“, oder „Henry denkt sehr viel an seine liebste Frau der Welt und die drei süßen Kinder“, und die für Henry so kostbaren Liebesbriefe seiner Cleo, usw.

Wie haben Sie mich (die kleinen Beschreibungen) beeindruckt! All das Schöne und vor allem Schwere in Ihrem täglichen Lebenskampf über Jahrzehnte!!!

Danke, dass ich Sie beide kenne!

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User H. B. zum Inhalt des Buches: Werter Autor, der sich in zweisame Stille und in gestandene Lebensbilder gerettet hat! Für Ihre lesenswerten Zeit-Natur-Liebesbilder aus Ihrem satt gelebten Leben will ich danken. Ja, wir versuchten würdevoll in Gemeinschaft – wo der Mensch dem Menschen zugetan ist, zu bestehen. (…) Gerettet hat Sie Ihre Zweisamkeit wie auch die immer seltener werdende Fähigkeit, zu lieben und miteinander zu leben. Mutiger Beweis die Liebesbriefe! Schon immer ein klassischer Fund bei Pückler, Goethes Werther, R. Schumann – und, und, und… Nun die Liebessehnsüchte in den turbulenten Situationen im politischen und privaten Dasein in der DDR. In der gegenwärtigen Situation des Kap. Will sie mir – die P…-Lebensgeschichte – als stolzer Versuch erscheinen. Ist mit zuviel Dummheit aus dem Ruder gelaufen? Wie wird es Fidel ergehen? Als Abwrack- und Auslaufmodell – zudem als Halm im Wind und nun einsam dazu rette ich mich in die Vergangenheit, die meine Zukunft ist! So geben mir die Tage einen einen Sinn, indem ich als Teil der Natur fühle und schreibe und lese und klassischer Musik verfallen bin. So lebt es sich doch noch. Zudem brachten Sie mich auf die Idee, einen Schuhkarton voller Liebesbriefe aus der DDR ins Licht zu befördern. Schreibend habe ich erst meine turbulenten, ungewöhnlichen ersten zehn Lebensjahre aus der Versenkung ans Licht befördert. Sie ermutigen, weitere 10 Jahre zu durchleben. Könnte doch noch sein, daß unsere Kinder Ruhe und Zeit haben würden – unsere Aufzeichnungen – unser gelebtes Leben – in die Stille gerettet – zu lesen? In Dankbarkeit verbleibe ich Ihre Leserin …

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User G. zum Buchtipp: ... das tönt schon sehr nach Werbung für ein (vermutlich schlecht lektoriertes) Stückchen Plattfußromantik aus dem Druckkostenzuschussladen. (...)
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User C. zum Beitrag "Das ... Grinsen ..."
Hallo ... vielen Dank für Deine sehr persönliche Rezension des NDR-TV-Beitrages. Sehr gut geschildert und hat mich sehr berührt.

Es war mir allerdings beim Lesen Deines Beitrages sofort völlig klar, dass es hier zu negativen Reaktionen kommen würde. Einschließlich Ausuferungen wie Vermutungen bzw. Rückschlüsse... !

Die heutzutage so oft lautstark eingeforderte Toleranz ist scheinbar bis hierher nicht vorgedrungen.

Lieber ... , ich freue mich schon auf weitere Beiträge von Dir. Sie sind wie immer lesens- bzw. nachdenkenswert!

Liebe Grüße von C.
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Samstag, 16. Juni 2012

"In die Stille gerettet" / 7. und 8. Leseprobe

Großer Bahnhof (Seite 272)


 Ann-Christins 50. Geburtstag im November des Jahres 2000. Ein kulturelles Erlebnis für uns. Erste Überraschung: Die meisten Leute von den insgesamt über 60 Gratulanten trugen tatsächlich schwarzweiß, wie auf der Einladung stand. Vor dem Haus parkende Autos, ein Zelt für das kalte und warme Büfett, Kerzenlicht im leichten Wind. Bier und Wein, eine strahlende, sehr souverän wirkende Jubilarin. Stehtische im Wohnzimmer, lockere Gespräche, man ging aufeinander zu, schneller Kontakt zwischen allen Leuten. Später Chorgesang in der Küche und im Wohnzimmer für Ann-Christin. Plötzlich sehe ich Cleo am Klavier. Sie spielt Lucia, aufgefordert von Ann-Christin, und sie lacht und sieht glänzend aus in ihrem grauen Kleid und man klatscht, denn sie lehnt mehr Beleuchtung ab, da sie ohne Noten spielt, wie immer. Höhepunkt: Die Jubilarin packt vor aller Augen, begleitet von viel Witz und Scherz, die Geschenke aus, bedankt sich bei jedem mit sehr persönlichen Worten. Die Familie von Ann-Christin hatte alle Hände voll zu tun. Paul, ihr Ehemann, hat alles selber gebacken und gekocht, Sohn Benjamin und Tochter Lisa halfen beim Auftragen der Speisen. Ein Schwede, wir kannten ihn von einem Silvesterabend im gleichen Hause, paßte zu vorgerückter Stunde die Cleo ab mit den Worten: „Wie geht es dir, Liebling?“ Cleo: „Sei vorsichtig ...!“ Und tatsächlich, denn schon tauchte dessen Frau auf ...

Kaffeewasser auf Teelichtern (Seite 281)
 Der letzte Januartag 2002. Vormittags. Zwei arme Orlow-Seelen kauern vor dem wärmenden, flackernden Kamin, den auf zwölf Teelichtern „gekochten“ Kaffee trinkend, er unrasiert, sie mit leichten Kopfschmerzen, beide aber optimistisch, den neuen Zustrom von Licht und Wärme irgendwann erwartend. Seit 36 Stunden kein Strom. Im starken Orkan knickten sogar stählerne Hochspannungsleitungen um. Der schwere Sturm war am 28. abends im schwedischen Fernsehen angekündigt worden. Etwa um 01 Uhr des 29.1. waren wir noch wach. Es blies und heulte draußen, war das alles? Aber wenig später ging‘s los. Man hörte die Furie über dem Wald jaulen, und im nächsten Augenblick prallte sie mit Wucht gegen unser Holzhaus. Die Blechabdeckungen klapperten wie wild, die Orkantatze drückte gegen die Außenwand, als wollte sie das alte Häuslein zur Seite schieben. Die Balken ächzten und stöhnten, es riß, rüttelte, schüttelte, zerrte im alten Gebälk, sodaß wir um das Dach bangten. Cleo flüchtete mit dem Bettzeug ins untere Wohnzimmer, ich erwartete heldenmütig die Dachbalken gegen meinen Kopf prallen. An Schlaf war nicht zu denken, da wollte Cleo uns eine heiße Brühe kochen, schön mit Ei und so. Ich knipste die Nachttischlampe an und schaute auf die Uhr. Es war 03.30 Uhr. Plötzlich – tiefe Dunkelheit. Im Zimmer und in ganz Gadderos, als wir aus dem Fenster sahen. Stromausfall. Kein Licht, keine Heizung. Also hole ich Holz aus der Garage, füttere etwas später den Ofen, aber der erste Versuch scheitert, denn eine Sturmböe schlüpft in den Schornstein und drückt mir das aufflackernde Feuer und den Qualm voll ins Gesicht. Gegen Morgen. Wie bekommen wir wenigstens eine Tasse Kaffee? Cleo erinnert sich an den Fluchtort Bayern 1945. Da hatte ihre Mutti mit Talglichtern Wasser erwärmt. Sie will es versuchen, ich zweifle. Aber etwas heißes Wasser befindet sich noch in der Therme, und so gelingt es, Wasser mit kleinen Teelichtern zum Kochen zu bringen. Welch ein Glück, wir strahlen und schlürfen. Frühstück gerettet. Gegen Mittag übriggebliebene Spaghetti auf die gleiche Art erwärmt. Abends, als die dunklen Wolkenbänke schon wieder weitergezogen waren, spazierten wir durch das im kalten Mondlicht liegende aber leblos wirkende Gadderos. Heute gegen 14 Uhr – Strom noch nicht – da klopft es an die Tür. Horst mit Freundin aus Flygsfors. Sie wollten nur mal vorbeischauen. 14.30 Uhr: Licht und Jubel. Die Kühltruhe kühlt wieder das Fleisch (36 Stunden, ob das alles noch okay ist?), Cleo macht warmes Mittagessen, ich kann mich wieder rasieren. Wie sehr viel mehr achtet man Selbstverständlichkeiten, wenn sie einmal fehlen.
 Spät abends im Bett. Ich lese Cleo Lewitan-Briefe vor. Da kommt der Satz vor: „Einen Riesenerfolg hat Sarah Bernhardt in Jeanne d‘Arc.“ (???) Wer? Cleo schüttelt den Kopf und erklärt mir, wer diese Frau war. Warum habe ich mich früher nicht mehr interessiert, war das zu wenig Neugier? Keiner ist so blind wie der, der nicht sehen will!
(Harry Popow - „In die Stille gerettet“. Persönliche Lebensbilder. Engelsdorfer Verlag, Leipzig, 2010, 308 Seiten, 16 Euro, ISBN 978-3-86268-060-3)

Mittwoch, 6. Juni 2012

No way out?


14 Versuche, die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise zu verstehen

Der Krieg auf leisen Sohlen / Buchtipp von Harry Popow 
 
Auf der Bühne des Welttheaters ist der Teufel los. Während sich hinter den Kulissen die Finanzmächtigen und ihre politischen Handlanger eine regelrechte Schlacht um Macht und Vorherrschaft liefern, gaukelt man dem Publikum heilbringende Visionen zur Ruhigstellung vor: Mit Rettungsschirmen, Finanzhilfen, Schuldenabbau. Nur die Verkünder dieser Volksverdummung glauben wohl an echte Lösungen.

Wer blickt da noch durch? Schlimmer: Wen interessiert das? Gemeint ist also die Finanz- und Wirtschaftskrise. Wen ficht es an, wenn er oder sie nicht selbst betroffen ist?

Ein neues Buch versucht sich in Antworten. „No way out?“ vom Verlag „konkret Texte 56“. Also auf Deutsch „Gibt es keinen Ausweg?“ Vierzehn Autoren bemühen sich, die Krise besser zu verstehen, sie für den Leser näher zu durchleuchten, nach Lösungen zu forschen. Und sie räumen ein, dass das makabre und gefährliche Weltschauspiel nicht einfach zu durchschauen ist. Immerhin: „Die Brötchen sind nicht teurer als ohne Krise, die Auslagen der Läden sind voll wie zuvor, und auch die Arbeitslosigkeit…“ halte sich trotz hohem Niveau in Grenzen. Kurz: „Die Krise hinterläßt im Alltag kaum Spuren.“ (S. 63)

Nichtsdestotrotz stellt Sahra Wagenknecht, eine der Autoren, fest, nach einer Allensbach-Umfrage sei die Hälfte der Bevölkerung der Ansicht, dass sich der Kapitalismus überholt habe. Nur 18 Prozent würden dieser Meinung widersprechen (S. 99). In ihrem Buch „Freiheit statt Kapitalismus“ hat sie den heutigen Zustand sogar zugespitzt: „Europa ist zu einem Schlachtfeld geworden. Es ist ein Krieg, in dem keine Soldaten marschieren, keine Bomben fallen, keine nächtlichen Explosionen die Städte erschüttern. Es ist ein Krieg, der still zerstört und leise tötet, ein Krieg, dessen Verheerungen erst allmählich sichtbar werden, der aber deshalb nicht weniger brutal und gewaltsam ist.“

In das gleiche Horn bläst u.a. Rainer Rupp (siehe „junge welt“ vom 26.05.2012): „Für den weiteren Verlauf der Euro-Krise zeichnen sich laut Deutschlandausgabe der International Business Times (IBT) vom Donnerstag »nur noch zwei mögliche Szenarien« ab – und beide seien »für die Menschen in der Euro-Zone katastrophal«. (…) Im ersten Szenario wird darauf verwiesen, daß nach Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich Kreditinstitute aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien Ende 2011 insgesamt mehr als eine Billion Euro in Griechenland, Spanien, Portugal und Italien angelegt hatten. Daher würden die Auswirkungen eines Zusammenbruchs der Euro-Zone weit über den Finanzsektor hinaus gehen. Ähnlich wie im Krisenjahr 2008 wären starke Einbrüche in der realen Wirtschaft und rapide steigende Arbeitslosigkeit vorprogrammiert.

Warnend meint einer der Autoren auf Seite 30: „Wenn alles so weitergeht wie bisher, wird es in zehn Jahren in Deutschland eine nie gekannte Altersarmut geben.“

Na und? Geht ein Aufschrei des Protestes durch die Reihen der Zuschauer in diesem Welttheater? Es ist wie es ist: Kritisches Nachdenken, zahlreiche Zweifel bleiben hängen im Gestrüpp der bürgerlichen Meinungsbildung. „No way out?“, fragen also die vierzehn Autoren mit Recht. Um es vorweg zu sagen: Da begegnen einem zahlreiche politökonomische Fachwörter. Es ist angebracht, entweder aus dem einst angeeigneten Wissen zu schöpfen oder ein Wörterbuch der Politökonomie zur Hand zu nehmen. Nicht zumutbar sei für den Normalverbraucher, so die Autoren, nochmals das marxsche „Kapital“ zu durchstöbern.

Gleichsam eine Ouvertüre dieser Lektüre bildet der erste Beitrag. Da streiten fünf Publizisten, Politikwissenschaftler, Journalisten und Autoren darum, wie die Krise zu begreifen ist und welche Auswege es gibt. Da gibt es keine vorgekaute Lehrmeinung, keine auf absoluter Wahrheit bestehende Äußerung. Im Für und Wider stehen u.a. der Markt, die Kapitalakkumulation, die Verwertungsbedingungen, der Sinn des Euro, der Fiskalpakt, die Ausnutzung der Naturressourcen, die Wertschöpfung, Leistungsbilanzdefizite, Staatsanleihen, die Vergesellschaftung, die Bedürfnisbefriedigung.

Im Kern geht es in allen Beiträgen dieses anspruchsvollen Buches um die Frage, ob das Gesundbeten am Krankenbett des Kapitalismus überhaupt Sinn macht oder diese Gesellschaft uns alle zerstört? Um an dieser Stelle nur einige Stichworte zu nennen: Es sei, so die Autoren, ein aufgeblähtes Finanzsystem entstanden, das in seinen Ausmaßen nicht mehr zur sogenannten realen Ökonomie paßt (S. 12). Die Mehrwertschöpfung sei verpfändet worden. Die Konkurrenz zwinge die Akteure der Konzerne und der Politik, die vorausgesetzte Verwertung zu exekutieren (S. 16). Durch den Euro sei in Europa ein Defizitkreislauf in Gang gekommen. Die deutsche Exportmaschine hätte die Industrien der Anrainerstaaten sukzessive „plattgemacht“. Die Folge: Die Akkumulation von Verschuldung (S. 17). Das Motiv jeglichen Handelns: Man setze Menschen und Dinge nur ein, um „aus einem Euro zwei zu machen“. Wenn nicht, würde stillgelegt. Geht es um eine bessere Regulierung des Kapitalismus oder um die Abschaffung desselben? (S. 37) Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß die Krise, die inneren Widersprüche, nicht zu einem Ende dieses Systems führen. Kapitalismuskritik sei zuzuspitzen auf die Formulierung: Die auf dem Wert beruhende Produktionsweise sei zu verändern. (…) Das sei nur möglich, „wenn man auch die Überwindung von Ware und Geld auf die Fahnen schreibt.“ (S. 39) Also eine andere ökonomische Form als Markt. Der Kapitalismus bleibe insgesamt ein „Zumutungsverhältnis“ (S. 47).

Prognosen, Rezepte? Damit halten sich alle Autoren zurück. Sie plädieren für kleine Schritte, für neue Bewegungen und neue Parteien, für eine Vermögensabgabe der Reichen, für Enteignungen plus Lösungen auf anderen Feldern. So für eine neue Steuerpolitik, für die Entprivatisierung der Systeme der sozialen Sicherung u.a.m. (S. 57). Europa könne in einen Teufelskreis geraten, so schreibt Sahra Wagenknecht, in dem „Ausgabekürzungen zu einer Schrumpfung der Wirtschaft führen…“ Das erhöhe die Arbeitslosigkeit und die Schuldenquote, „was dann wiederum noch schärfere Kürzungen erforderlich macht usw.“ Deshalb gehöre es zur Aufgabe linker Kräfte, „ die aktuelle Krisensituation für die Kritik am Kapitalismus zu nutzen und die Menschen von der prinzipiellen Möglichkeit (…) einer Systemalternative zu überzeugen.“ Es gehe aber nicht um eine abstrakte Systemkritik allein, sondern auch um mittelfristig durchsetzbare Alternativen (S. 107).   

Bedenklich für meine Begriffe ist die Feststellung auf Seite 37, dass es seit dem Wegbruch der Zielvorstellung Sozialismus/Kommunismus keine Antwort mehr gäbe. Ergeben sich Lehren und Alternativen nicht auch aus der jüngsten Geschichte? Weshalb muß nach Fehlversuchen gleich die ganze Idee sterben?

Vielleicht ist diese politökonomische Lektüre nicht leicht zu verdauen - aber für die noch Nachdenklichen, ganz gewiß aber für solche Leute, die mutig für eine bessere Welt streiten, ist sie unbabdingbar. Für die Linke, für die Partei der Piraten, für die Occupy-Bewegung und für viele andere mehr. Zweifel am Unumstößlichen ist angebracht. „Nothing is more“ – „Nichts geht mehr“ gilt nicht.

Allerdings müßte das Publikum im Welttheater nicht nur stöhnen und alles hinnehmen, sondern singen – im Chor und mit einer Stimme!!!

Thomas Kuczynski kleidet seinen Optimismus in den folgenden sehr schönen Satz: „Nichts ist ausweglos und alles spannend.“ (S. 162) (PK)

 („No way out?“ 14 Versuche, die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise zu verstehen, Herausgeber Herrmann L. Gremliza, KVV Konkret GmbH & Co. KG, 190 Seiten, ISBN 978-3-930786-63-3, 19.80 Euro, Autorinnen: Dietmar Dath, Thomas Ebermann, Georg Fülberth, Sam Gindin, Werner Heine, Michael Heinrich, Thomas Kuczynski, Robert Kurz, Justin Monday, Leo Panitch, Moishe Postone, Rainer Trampert, Joseph Vogl, Sahra Wagenknecht)

(Erstveröffentlichung des Buchtipps am 06.06.2012 in „Neue Rheinische Zeitung“, online)