Freitag, 31. Januar 2020

USA bereit für Katastrophe - LZ



Die Haltung der USA im Nahen Osten: Bereit für die Katastrophe


VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 31. JANUAR 2020


von Saker – Unz Review – https://www.theblogcat.de

Lügen, verdammte Lügen und Statistiken

Es stellt sich heraus, dass Trump und das Pentagon gelogen haben. Wieder einmal. Dieses Mal über die wahren Folgen des iranischen Gegenangriffs auf US-Streitkräfte im Irak. Zuerst behaupteten sie, es hätte keine verwundeten US-Truppen gegeben, nur um dann zuzugeben, dass 34 Soldaten traumatische Hirnverletzungen erlitten haben (von Trump als „Kopfschmerzen“ „eingestuft“). Dann mussten sie zugeben, dass es nicht 34 waren, sondern in Wirklichkeit 50!

Gemäß einigen Quellen befanden sich nicht alle US-Soldaten in Bunkern, einige waren eingesetzt, um das Gelände zu sichern. Wie auch immer, es ist nur ein weiterer Hinweis darauf, dass der iranische Gegenschlag viel robuster war als vom Imperium ursprünglich berichtet wurde. Ja, einige iranische Quellen deuten darauf hin, dass nach dem Angriff eine Anzahl Verwundeter nach Israel, Kuwait und Deutschland ausgeflogen wurden. Auch hier werden wir wahrscheinlich nie die ganze Wahrheit dazu erfahren, was in jener Nacht passiert ist, aber zwei Dinge sind jetzt sicher:

1. Der iranische Gegenangriff war sehr wirkungsvoll und es lässt sich nicht leugnen, dass die US/NATO/Israel-Streitkräfte in der Region jetzt wie auf dem Präsentierteller auf den nächsten iranischen Schlag warten.

2. Onkel Schmuel musste das wahre Ausmaß und die Natur des iranischen Gegenschlages gewaltig herunterspielen.

Und wir müssen uns klar werden über die Qualität der Vorwarnungen, die die US-Truppen erhielten:

1. Warnungen der irakischen Regierung (die von den Iranern über deren Absichten informiert wurden).

2. Warnungen durch die Schweizer Behörden (die im Iran die US-Interessen vertreten und die von den Iranern über deren Absichten informiert wurden).

3. Warnungen durch die Fähigkeiten der US-Aufklärung/Geheimdienste am Boden und in der Luft.

Und trotz dieser nahezu idealen Bedingungen (aus Verteidigungssicht) sehen wir nun, dass nicht eine einzige iranische Rakete abgefangen wurde, dass alle Raketen mit sehr hoher Präzision einschlugen, dass die US-Stützpunkte selbst reichlich Schaden erlitten (inklusive zerstörter Hubschrauber und Drohnen) und dass es ein Reihe Verletzter gab (eine detaillierte Diskussion über die Bilder nach dem Angriff gibt es in diesem Artikel:

https://thesaker.is/analysis-of-the-iranian-missile-strikes-on-ayn-al-asad-airbase/ )

Betrachten wir diesen Angriff zuvorderst als eine Aktion „zum Nachweis der Machbarkeit“, dann wird ziemlich deutlich, dass die iranische Seite bewiesen hat, ein ausgezeichnetes Ausmaß an Genauigkeit und solider Fähigkeit der ballistischen Raketen zu haben, wohingegen dieser Angriff auf US-Seite bewiesen hat, dass die US-Streitkräfte in der Region durch iranische Raketenangriffe alle sehr verwundbar sind. Man stelle sich vor, die Iraner hätten auf maximale US-Opfer abgezielt und keinerlei Warnungen abgegeben – wie hätte dann die Rechnung ausgesehen?! Was, wenn die Iraner, sagen wir, Treibstoff- und Munitionslager angegriffen hätten, Gebäude, in denen US-Personal lebt, Industrieanlagen (einschließlich wichtiger logistischer Knotenpunkte von CENTCOM), Häfen oder sogar Flugplätze? Könnt ihr euch die Hölle vorstellen, die die Iraner gegen praktisch ungeschützte Einrichtungen hätten verursachen können?!

Immer noch Zweifel?

Dann fragt euch mal, warum Trump & Co. lügen mussten und das wahre Ausmaß des iranischen Angriffs herunterspielen mussten. Es ist ziemlich offensichtlich, dass das Weiße Haus sich zum Lügen entschied und den Angriff als praktisch folgenlos darstellte, denn hätten sie das Ausmaß des Angriffs zugegeben, dann hätten sie ihre völlige Machtlosigkeit eingestehen müssen, so etwas aufzuhalten oder auch nur zu minimieren. Nicht nur das, aber eine wütende US-Öffentlichkeit (die meisten Amerikaner glauben immer noch an die traditionelle Propagandalinie von der „Größten Militärmacht in der Geschichte der Galaxie“!) hätte einen Vergeltungsgegenangriff gegen den Iran gefordert, was die gesamte Region in einem massiven Krieg stürzen würde, den die USA nicht verdauen könnten.

Vergleicht das mit den iranischen Behauptungen, die vermutlich die Folgen des Angriffs übertreiben, wenn überhaupt, und behaupten, dass 80 Soldaten verletzt wurden (ich möchte hier hinzufügen, dass, zumindest bisher, die iranische Regierung wesentlich offener war und weniger zum Lügen neigt als die USA). Die Iraner waren eindeutig bereit für jene Art von weiterer Eskalation, die die USA um nahezu jeden Preis verhindern wollten.

Also was ist wirklich passiert?

Es gibt zwei grundsätzliche Arten, sich gegen einen Angriff zu wehren: Abwehr und Bestrafung. Abwehr ist das, was die Syrer gegen die USA und Israel betrieben haben, jedes Mal wenn sie anfliegende Raketen abgeschossen haben. Abwehr ist ideal, weil es die die eigenen Opfer minimiert und gleichzeitig nicht unbedingt die „Eskalationsstufe“ erhöht. Im Gegensatz dazu ist es eine Bestrafung, wenn man einen Angriff nicht verhindert, sondern wenn man der angreifenden Seite Vergeltungsschläge zufügt, aber nur nachdem man selbst angegriffen wurde. Das könnten die USA gegen den Iran unternehmen, ziemlich jederzeit (ja, im Gegensatz zu völlig unrealistischen Behauptungen, die iranische Luftabwehr könnte die US-Streitkräfte nicht daran hindern, dem Iran, seiner Bevölkerung und Infrastruktur immensen Schaden zuzufügen).

Ich habe überhaupt keine Zweifel daran, dass die Iraner, die hervorragende Analysten sind, sich vollkommen bewusst darüber sind, welchen Schaden die USA zufügen könnten. Das Wichtigste hierbei ist, dass sie auch wissen, dass, wenn die USA ihre Raketen und Bomber losschicken und viele (wenn nicht alle) ihrer Ziele zerstört haben, sie nichts anderes mehr haben, um den Iran einzudämmen.

So kann man sich die iranische Strategie vorstellen:

– Wenn die USA nichts unternehmen oder nur symbolische Angriffe fliegen (etwa wie Israels Angriffe in Syrien), dann können die Iraner dies Angriffe einfach ignorieren. Denn während das sehr wirksam ist, um den Amerikanern (oder den Israelis) die Illusion von Macht zu verleihen, so erreichen sie militärisch rein gar nichts.

– wenn sich die USA dazu schließlich entscheiden, den Iran heftig anzugreifen, dann haben sie ihre „Bestrafungskarte“ mit diesem Gegenangriff ausgereizt und keine weiteren Optionen um den Iran abzuschrecken.

– wenn die USA (oder Israel) sich entscheiden, Nuklearwaffen einzusetzen, dann gibt so ein Angriff dem Iran eine „politische Jokerkarte“, die im Grunde sagt, dass man „jetzt das Recht hat, jede erdenkliche Vergeltung zu üben“. Und man kann verdammt sicher sein, dass sich die Iraner alle möglichen Arten von schmerzhafter Vergeltung einfallen lassen werden!

Die gegenwärtige US-Haltung kann man sich als „binär“ vorstellen: entweder „alles an“ oder „alles aus“. Nicht dass sie eine Wahl hätten, aber diese Konditionen sind das Ergebnis geostrategischer Realitäten im Nahen Osten und der vielen Asymmetrien zwischen den beiden Seiten: siehe Grafik

Das ist natürlich eine Vereinfachung, jedoch grundsätzlich wahr. Und der Grund für diese Asymmetrien liegt in einem sehr einfachen, aber entscheidenden Unterschied: den Amerikanern wurde so sehr das Gehirn gewaschen, dass sie glauben, große Kriege könnten billig gewonnen werden. Die Iraner haben solche Illusionen nicht (ganz bestimmt nicht, nachdem der Irak, mit Unterstützung der USA, der UdSSR und Europas den Iran angegriffen und der iranischen Gesellschaft immense Zerstörungen zugefügt hat). Aber das Zeitalter der „billig zu habenden Krieg“ ist schon lange vorbei.

Darüber hinaus wissen die Iraner, dass die US-Luftüberlegenheit allein nicht wie durch ein Wunder zu einem US-Sieg führt. Schließlich haben sich die Iraner 40 Jahre lang auf einen US-Angriff vorbereitet. Und die USA haben am 8. Januar dieses Jahres eine Warnung erhalten.

Nochmals: Für die USA heißt es „alles oder nichts“. Das „nichts“ haben wir nach dem iranischen Gegenangriff gesehen, und wir bekommen eine Vorstellung vom „alles“, wenn wir uns an die israelischen Operationen 2006 gegen die Hisbollah erinnern.

Die Iraner besitzen jedoch die Fähigkeit, schrittweise zu eskalieren, was sie mit ihrem Schlag gegen die US-Streitkräfte im Irak demonstriert haben: sie können nur ein paar Raketen losschicken, oder sie können Hunderte davon losschicken. Sie können versuchen, die US-Opferzahlen zu maximieren, oder sie können sich dazu entscheiden, die Infrastruktur von CENTCOM anzugreifen. Sie können entscheiden, Onkel Schmuel direkt anzugreifen, oder sie können dessen Alliierte angreifen (KSA), oder seine Bosse (Israel). Sie können wählen zwischen dem Bekenntnis für eine Aktion, oder sie können sich hinter dem verstecken, was die CIA „glaubhafte Abstreitbarkeit“ bezeichnet.

Während also die USA und das AngloZionistische Imperium im Ganzen weitaus mächtiger sind als der Iran, so hat der Iran geschickt Methoden und Mittel entwickelt, die es ihm erlauben, das zu kontrollieren, was Militäranalysten als „Dominanz bei der Eskalation“ bezeichnen.

Hat der Iran gegen die allmächtigen USA gerade „die Methode Ledeen“ benutzt?

Ihr erinnert euch an Michael Ledeeen? Er ist jener Neokon, dem dieser historische Aphorismus einfiel: „Alle zehn Jahre oder so müssen die USA irgendein beschissenes kleines Land herauspicken und es gegen die Wand schmettern, nur um zu zeigen, dass wir es ernst meinen.“

Ist es nicht ironisch, dass der Iran genau das getan hat, nämlich die USA zu nehmen und „gegen die Wand zu schmettern, nur um zu zeigen, dass sie es ernst meinen“?

Und was sagt uns das Ganze?

Zum Einen, dass das US-Militär in echten Schwierigkeiten steckt. Es ist ziemlich offensichtlich, dass die US-Luftverteidigung hoffnungslos unwirksam ist: wir haben ihre „Performance“ beim Houthi-Angriff in Saudi Arabien gesehen. Die Wahrheit ist, dass die Patriot-Raketen nie richtig funktioniert haben, nicht im Ersten Golfkrieg und auch heute nicht. Der große Unterschied ist, dass Saddam Husseins Irak keine hoch präzisen Raketen besaß und dass seine Versuche, die USA anzugreifen (bzw. Israel) nicht sehr effektiv waren. Somit war es für das Pentagon einfach, die echte Performance (oder den Mangel!) ihrer Waffensysteme zu verschleiern. Jetzt ist der Iran in der Lage, punktgenau einige Gebäude zu treffen und andere sorgfältig zu vermeiden, was zeigt, dass der gesamte Nahe Osten in eine radikal veränderte Zeit eingetreten ist.

Zweitens ist es genauso offensichtlich, dass die US-Basen im Nahen Osten sehr verwundbar sind gegen Angriffe mit ballistischen Raketen und Cruise Missiles. Luftverteidigung ist ein sehr komplexer und hoch technologisierter Bereich des Militärs, und es dauert oft Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, um ein wirklich effektives Luftverteidigungssystem zu entwickeln. Wegen der Tendenz, nur schwache und wenig verteidigte Länder anzugreifen und auch wegen der sehr realen Abschreckungsmacht, die die US-Streitkräfte in der Vergangenheit hatte, haben sich die USA keine großen Sorgen über eine Luftverteidigung gemacht. Die „kleinen Kerle“ hatten keine Raketen und die „großen Kerle“ würden es nie wagen, offen die Streitkräfte von Onkel Schmuel anzugreifen.

Bis vor kurzem.

Jetzt ist es der zuvor allmächtige Welt-Hegemon, der von einem viel schwächeren Iran gegen die Wand geworfen wurde und sich wie „ein beschissenes kleines Land“ vorkommt.

Oh süße Ironie!

Aber in dieser Geschichte steckt noch viel mehr.

Das wahre iranische Ziel: Die USA aus dem Nahen Osten zu vertreiben

Die Iraner (und viele iranische Verbündete in der Region) haben deutlich gemacht, dass die wahre Vergeltung für die Ermordung von General Soleimani sein wird, einen kompletten Abzug der US-Streitkräfte vor allem aus dem Irak und Syrien zu erreichen, gefolgt von einem vollständigen Abzug aus dem gesamten Nahen Osten.

Wie wahrscheinlich ist dieses Ergebnis?

Momentan würde ich meinen, dass die Chancen, dass dies wirklich geschieht, mikroskopisch klein sind. Wer kann sich schließlich vorstellen, dass die USA entweder Saudi Arabien oder Israel verlassen? Das wird nicht passieren, wenn es nicht zu einer wirklichen Katastrophe kommt.

Wie steht es mit Ländern wie Türkei oder Pakistan, die formell Verbündete der USA sind, aber die auch deutliche Anzeichen zeigen, dass sie mit jener Art von „Bevormundung“ genug haben, die die USA gegenüber ihren „Alliierten“ zeigen? Haben wir einen Grund zu glauben, dass diese Länder je offiziell verlangen werden, dass Onkel Schmuels Söldner (denn das sind die US-Streitkräfte: bezahlte Invasoren) sich zum Teufel scheren sollen?

Und dann sind da Länder wie der Irak oder Afghanistan, die sehr erfolgreichen und aktiven Widerstand gegen die USA leisten, was die US-Streitkräfte dazu zwingt, sich in stark befestigten Stützpunkten zu verschanzen. Ich denke nicht, dass irgendein Mensch mit gesundem Verstand ein Szenario anbieten könnte, wie ein US-“Sieg“ in diesen Ländern aussehen würde. Die Tatsache, dass die USA schon länger in Afghanistan sind als die Sowjets, zeigt nicht nur, dass die sowjetischen Streitkräfte weitaus effektiver (und beliebter) waren als ihre US-Kollegen, sondern es zeigt auch, dass Gorbatschows Politbüro näher an der Realität war als Trumps Nationaler Sicherheitsrat.

Wie es auch kommen mag, ich glaube es nicht zu leugnen ist, dass die Kriege im Irak und in Afghanistan verloren sind und kein noch so großes Getöse dieses Ergebnis ändern wird. Das selbe gilt für Syrien, wo die USA im Grunde nur aus reiner Sturheit aushalten und der totalen Unfähigkeit, eine Niederlage einzugestehen.

Onkel Schmuels „Vision für einen Frieden“ für den Nahen Osten

Ich haben mir gerade den Oberkommandierenden Idioten angehört, wie er Bibi Netanjahu und der Welt „seinen“ Nah-Ost „Friedens“-Plan präsentiert hat. Diese neuste Nummer zeigt zweierlei wichtige Dinge über den Geisteszustand in Washington D.C.:

1. Es gibt nichts, was die herrschenden Klassen in den USA nicht unternehmen würden, um die Gunst und Unterstützung der Israel-Lobby zu bekommen.

2. Die USA kümmert es nicht nicht im entferntesten, was die Menschen im Nahen Osten davon halten.

Diese Entwicklung, die nichts Neues ist, unter Trump aber einen regelrechten „Dopingschub“ erhalten hat, wird nur weiter dazu beitragen, dass das Imperium im Nahen Osten unvermeidlich zusammenbrechen wird. Zum einen verstehen alle sogenannten „US-Alliierten“ in der Region, dass das einzige Land, das für die USA zählt, Israel ist und dass alle anderen so gut wie nicht zählen. Darüber hinaus wissen alle Führer im Nahen Osten jetzt auch, dass eine Verbindung mit den USA auch bedeutet, die billige Hure für Israel zu sein, was wiederum politischen Selbstmord für jeden Politiker garantiert, der so dumm ist, diese Falle nicht zu riechen. Schließlich haben die Krieg in Afghanistan, Irak, Jemen, Libanon und Syrien gezeigt, dass die „Achse des Guten“ sehr gut beim Übertreiben und der Arroganz ist, aber sehr schlecht, wenn es um tatsächliche Kampffähigkeiten geht.

Die nackte Wahrheit ist, dass die Arschkriecherei von Trump gegenüber der Israel-Lobby, die er vom ersten Tag seiner Amtszeit an betrieben hat, nur dazu dient, die USA im Nahen Osten (und ehrlich gesagt darüber hinaus!) weiter zu isolieren und zu schwächen.

In diesem Zusammenhang: Wie realistisch ist das iranische Ziel, Onkel Schmuel aus der Region zu vertreiben?

Wie ich schon sagte: überhaupt nicht realistisch, wenn man es kurzfristig betrachtet. Aber ich möchte gleich hinzufügen, dass es auf mittlere Sicht sehr realistisch ist, wenn wir uns einige, aber nicht alle, Länder der Region betrachten. Und auf lange Sicht ist es schließlich nicht nur realistisch, sondern unvermeidbar, selbst wenn die Iraner selbst wenig oder gar nichts tun, damit das geschieht.

Fazit: Die Tage „Israels“ sind gezählt

Die Israelis haben uns mit einer permanenten Diät gefüttert, über dieses oder jenes Land oder Politiker, der ein „neuer Hitler“ sei, der entweder „wiedereinmal“ 6M Juden vergasen wird oder Israel „von der Landkarte“ tilgen oder sogar einen neuen Holocaust betreiben will. Gilad Atzmon nennt diese Geisteskrankheit sehr brillant als „prätraumtisches Stresssyndrom“, und er hat vollkommen recht. Die Israelis benutzen dieses „präventive Geschrei“ zumeist als Mittel, um den westlichen Goyims so viele Zugeständnisse (und Geld) wie möglich abzupressen. Aber im tieferen Sinn ist es möglich, dass die Israelis zumindest schwach erkennen, dass ihr gesamtes Projekt einfach nicht durchführbar ist, dass man das Überleben irgendeines nicht Staates sichern kann, indem man alle seine Nachbarn terrorisiert. Gewalt, vor allem bösartige, tollwütige Gewalt, kann Menschen terrorisieren, ja, aber nur eine gewisse Zeit. Früher oder später wird die menschliche Seele jede Furcht überwinden, so tief sitzend sie auch sein mag, und wird diese Furcht durch einen neuen und enorm mächtigen Sinn für Entschlossenheit ersetzen.

Hier etwas, das Robert Fisk schon in Jahr 2006, vor 14 Jahren sagte:

Ihr habt Sharon gehört, bevor er seinen massiven Schlaganfall erlitt, als er in der Knesset diesen Satz benutzte, ihr wisst schon: „Die Palästinenser müssen Schmerz empfinden“. Das war während einer der Intifadas. Die Idee, dass, wenn man die Araber weiter schlägt und schlägt und schlägt, sie sich unterwerfen werden, dass sie schließlich auf die Knie gehen und ihnen das geben, was Sie wollen. Und das ist total und völlig selbsttäuschend, weil es nicht mehr gilt. Es galt vor 30 Jahren, als ich zum ersten Mal in den Nahen Osten kam. Wenn die Israelis die libanesische Grenze überquerten, sprangen die Palästinenser in ihre Autos, fuhren nach Beirut und gingen ins Kino. Wenn die Israelis jetzt die libanesische Grenze überqueren, springt die Hisbollah in Beirut in ihre Autos und sie rasen in den Süden, um mit ihnen zu kämpfen. Aber das Wichtigste ist jetzt, dass die Araber keine Angst mehr haben. Ihre Führer haben Angst, die Mubaraks dieser Welt, der Präsident Ägyptens, König Abdullah II. von Jordanien. Sie fürchten sich. Sie zittern und beben in ihren goldenen Moscheen, weil sie von uns unterstützt wurden. Aber die Menschen haben keine Angst mehr.

Was 2006 nur für einige Araber galt, ist jetzt für die meisten (vielleicht sogar für alle?) Araber im Jahr 2020 wahr geworden. Was die Iraner betrifft, so haben sie nie Angst vor Onkel Schmuel gehabt. Sie sind diejenigen, die der neu geschaffenen Hisbollah bei der Gründung dieser Bewegung diese qualitativ neue Art von „besonderem Mut“ (das ist das schiitische Ethos, wirklich!) „injiziert“ haben.

Imperien können viele Dinge überleben, aber wenn sie einmal nicht mehr gefürchtet werden, dann ist ihr Ende nahe. Der iranische Angriff erwies sich für den Rest der Welt als eine grundlegend neue Realität: Die USA haben viel mehr Angst vor dem Iran als der Iran vor den USA. Die US-Herrscher und Politiker werden natürlich das Gegenteil behaupten. Aber dieser vergebliche Versuch, die Realität neu zu gestalten, ist jetzt zum Scheitern verurteilt, schon allein deshalb, weil selbst die Houthis nun offen und erfolgreich der vereinten Macht der „Achse des Guten“ trotzen können.

Man kann sich die amerikanischen und israelischen Führer als das Orchester auf der Titanic vorstellen: Sie spielen gut, aber sie werden trotzdem nass werden und werden dann sterben.

U.S. posture in the Middle-East: preparing for disaster

https://www.theblogcat.de/uebersetzungen/die-haltung-der-usa-im-nahen-osten-30-01-2020 /





Montag, 27. Januar 2020

Der Schnee von gestern? Zur Abrechnung mit der deutschen Einheit



Der Schnee von gestern?



Daniela Dahns Abrechnung mit der deutschen Einheit



Autor: Susanna Böhme-Kuby


Datum: 27. Januar 2020

Daniela Dahns facettenreiches und komplexes Bild der letzten dreissig Jahre steht dem bundesdeutschen Einheitsdiskurs als einer grossen Erfolgsgeschichte in Europa diametral entgegen und lädt zum Lesen und Zweifeln ein! Die streitbare Autorin, die ihrem “Unbehagen in der Einheit” schon in vielen Analysen und Pamphleten Ausdruck gegeben hat, legt eine Art Gesamtbilanz vor, mit einer Fülle von Fakten und persönlichen Einsichten.

Nicht, dass sie die mit der Einheit erlangte “Freiheit” für die Ostdeutschen nicht zu schätzen wüsste, die vor allem als Konsum-Freiheit und Freizügigkeit wahrgenommen wird, mit allen Annehmlichkeiten und Grenzen. Nein, ihr Schreibansatz entspringt einer weit grösseren Erwartung, nämlich dem – unerfüllten - Anspruch auf eine viel weiter gehende Demokratisierung der gesamtdeutschen Verhältnisse nach 1989. Die wiederholte Erfahrung, mit diesem Anspruch im Westen nicht auf gleicher Augenhöhe an- und ernstgenommen zu werden, provoziert tiefe Verletzung. Die meisten Westdeutschen können bis heute weder Anspruch noch Verletzung vieler Ostdeutscher, für die Dahn auch spricht, nachempfinden, geschweige denn verstehen. Weil sie die DDR und ihre Gesellschaft niemals als eine zweite deutsche Realität wahr- und ernstnehmen konnten, als realexisierende Alternative, von der aus auch für eine Westgesellschaft neue Anstösse hätten ausgehen können. Die antikommunistische und antisowjetische Propaganda des Kalten Krieges war und ist viel zu tiefgehend, dauert noch im Nachhinein fort und prägt im Westen (teilweise auch im Osten) bis heute unterschiedliche Wahrnehmungen der Realität.

Es ist kein Buch über die “Wende”, obgleich eingangs noch einmal die Illusionen der Ostdeutschen und die folgenreichen Verwerfungen des ersten Jahres 1989/90 aufgezeigt werden, die vom Westen als alternativlose Sachzwänge ausgegeben wurden. Denn der angeblich so plötzlich “abgefahrene Zug” zur Einheit folgte in Wirklichkeit einem längst vorliegenden Zehn-Punkte-(Fahr-)Plan der Bundesregierung, der schon in den 50er Jahren für den Fall einer möglichen Wiedervereinigung entworfen worden war, und den Dahn glasklar als “feindliche Übernahme auf Wunsch der Übernommenen” definiert. Als Beispiel dafür nennt sie u.a. das Resultat der bis dahin in ihrem Umfang einmaligen Privatisierung einer ganzen Volkswirtschaft durch die Treuhand, mit dem “Übergang von 95% des volkseigenen Vermögens der DDR in westliche Hände”. Kann sich ein Normalbürger davon überhaupt ein realistisches Bild machen?
Keine Revolution

Vor ihrer Übernahme hatten die Übernommenen Ende November 1989 – also nach dem Mauerfall - allerdings noch zu 86% für einen “reformierten Sozialismus” plädiert und nur 5% für einen “kapitalistischen Weg” - aber da war in Bonn die Vorbereitung einer Währungsunion bereits angelaufen, jener “keine Kosten scheuende Plan zum Aufkauf der Revolution”, wie Dahn deutlich formuliert. Der “Revolution”? Dieser, den Ostdeutschen nach wie vor so teure Begriff wird von Dahn stark relativiert, sie spricht von der “Revolution der Duckmäuser”: “Für die Sieger war das Schönste an der friedlichen Revolution, dass sie nichts revolutionierte”, sondern “die alten Spielregeln” wieder eingesetzt werden konnten. Das erinnert daran, dass der Begriff “friedliche Revolution” - ein Oxymoron - die einzige Art von Revolution bezeichnet, die Deutsche überhaupt zulassen können, man denke nur an ihre einst verschreckten Reaktionen auf die Französische Revolution und folgende.

Dahn weist auch nochmals auf die vielfältige politisch-psychologische Beeinflussung der Ostbürger aus dem Westen hin, auf die Rolle der Medien, insbesondere die des Fernsehens im Sommer 1989. Sie zitiert westliche Warnungen, wie die “Erklärung der Hundert: Wider Vereinigung”, in der im Dezember 1989 Intellektuelle und Wissenschaftler mit Weitsicht den sich anbahnenden “Export der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ordnung der BRD nach Osten” als “Grossmannspolitik” bezeichnet hatten, die “die Wiedervereinigung in einem Scherbenhaufen enden lasse und den Aufbau des Europäischen Hauses gefährde”. Sie sieht diesen “Scherbenhaufen” aus zerstörten Arbeitsplätzen und Lebensentwürfen auch als Nährboden für die Propaganda der aus dem Westen stammenden AfD. Pegida und ähnliche rechte Bewegungen finden auch dort Raum, wo linke Alternativen zur Perspektivlosigkeit ihre Glaubwürdigkeit verloren haben, ein nicht nur auf Deutschland beschränktes Phänomen. Und den wichtigen Bogen zu den Folgen von 1989 für den Rest Europas und letztlich die gesamte Weltordnung, nach Auflösung der Sowjetunion und dem sog.Ende des Kalten Krieges, zieht Dahn im letzten Teil ihrer Abrechnung. Hier zitiert sie auch die von Vladimir Giacché in seiner Rekonstruktion des deutsch-deutschen “Anschluss” (2015) hervorgehobene Musterfunktion der Währungsunion für die Rolle des Euro in der EU.
Keine Erinnerungskultur

Doch vorher benennt und bedauert Daniela Dahn noch all die fehlenden Ansätze zur Schaffung von Gemeinsamkeiten, zum Beispiel in einer deutschen Erinnerungskultur - aber wie sollte es eine solche überhaupt geben können? Nicht einmal der in der DDR “verordnete” Antifaschismus konnte ja vom Westen positiv anerkannt werden, nicht zuletzt, weil der im Westen immer unter Kommunismus-Verdacht stand. Die Gesellschaft der BRD war eben nicht auf Antifaschismus, sondern auf Antikommunismus gegründet. Bei der Übernahme des Ostens durch den Westen, verbunden mit einer ideologischen Diffamierungs-Kampagne sondergleichen, die an der DDR nichts, aber auch gar nichts Gutes lassen konnte, blieb also nur ein Fazit: Alles Schrott, jenes Motto durchzieht fast die gesamte Anschluss-Publizistik. Solche Abwertung der DDR - des Staates, der nicht sein durfte - und der Leistung ihrer Menschen mag heute inzwischen von einigen durchaus als “Fehler”anerkannt und bedauert werden, allein es war kein Fehler, sondern Absicht.

Erich Kuby hatte angesichts dessen schon im Juli 1990 (Der Preis der Einheit) vermerkt: “Das Bonner Regime konnte die DDR auf eine Art vereinnahmen, die der Eroberung von Feindesland nahekommt. (…) Da wurde keinen Augenblick gezögert, die politische Schwäche der DDR-Opposition und die Verführungskraft der überlegenen westdeutschen Ökonomie in den Dienst der Erfüllung der Präambel des Grundgesetzes von 1949 zu stellen: Das gesamtdeutsche Volk wird aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.” Nur hat man es eben zu dieser “freien Selbstbestimmung” mit gemeinsamer Verfassungsgebung nicht kommen lassen, woraus man nur schliessen kann, messerscharf: … dass nicht sein kann, was nicht sein darf.
Im letzten Teil des Buches geht Daniela Dahn auch den unsäglichen militärischen Aktivitäten des Westens nach, die seit 1989 weltweit stattfinden, und in denen das vereinte Deutschland erneut bereit war und ist, nationale Interessen zu vertreten und militärische “Verantwortung” zu übernehmen. Deutschlands auch damit verbundene ambivalente ökonomische Rolle und deren Bewertung im europäischen Kontext bleibt in diesem Kontext allerdings ausgeblendet.
Demokratie ohne Kapitalismus?

Dahns eingangs gemachtes Bekenntnis “ Ich wollte immer in einer Demokratie leben, aber nie im Kapitalismus”, lässt in Westdeutschland Aufgewachsene etwas ratlos, die nur den Kapitalismus kennen, der mal diese und mal jene politische Form annehmen kann: offene Diktatur wie im Nationalsozialismus oder die US-gestützte Nachkriegs-Variante der parlamentarischen Demokratie. Bertolt Brecht hatte diesen Übergang von einer Form zur anderen damals bildreich und eindrücklich geschildert als “Anachronistischer Zug” in seiner langen Ballade über “Freiheit and Democracy”.

Und schon vor Kriegsende hatte Erich Kuby lakonisch diesen absehbaren Wechsel der Herrschaftsformen ohne Revolution beschrieben: “Das Mehl wird von einer Tüte in die andere geschüttet”. (Mein Krieg, Besinnung 1944)
Nach dem Ende des westlichen Nachkriegsaufschwungs seit den 70er Jahren und dem Wegbruch des Realsozialismus sind viele Pfeiler der demokratischen Fassade des Kapitalismus wieder brüchig geworden, Dahn benennt Symptome und Folgen, auch mit Blick auf heute wieder vielerorts manifeste nationalistische Tendenzen in den Institutionen selbst. Als sie nun aber nach ihrem Eintritt in den Westen - als erklärte Radikaldemokratin - gerade jene Institutionen auf ihre demokratische Tragfähigkeit hin prüfte und für zu leicht befand, war ihre Entrüstung darüber nur einer kleinen Minderheit der Bundesbürger verständlich. Denn die Mehrheit hatte sich ja in der Konsumfreiheit des Kapitalismus bisher so komfortabel einrichten können – kein Kunststück in einem der reichsten Länder der Welt! – dass sie das System selbst kaum hinterfragte, zumal es mit demokratischen Mitteln längst als unüberwindlich gilt. “Der Kapitalismus hat der Demokratie die Möglichkeit zu seiner Abschaffung entzogen”, resümiert Dahn schliesslich insbesonders angesichts des engen EU-Normen-Korsetts und gibt den neuen Gegenbewegungen der Generation Alarm zu bedenken: “Unsere nachträgliche Kritik an der Kapitalmaschine konnte an den Machtverhältnissen nichts ändern.” So ist es, und auch die einst in der BRD als “dritter Weg” hochgelobte Soziale Marktwirtschaft hat sich längst als Illusion erwiesen: Tertium non datur. Und wenn deren Wohlstandsversprechen in künftigen Rezessionen noch brüchiger wird, führt die Entwicklung absehbar nur weiter nach rechts. Dieser Pessimismus der Vernunft scheint auch Daniela Dahns Schlusssatz zu inspirieren, mit dem sie den Fridays for Future zuruft: “Ihr habt keine Chance” - jedoch ihr Optimismus des Herzens lässt sie hinzufügen: “...aber macht was draus!”





Mittwoch, 22. Januar 2020

Gewaltmonopol USA - Wolfgang Bittner



Das Gewaltmonopol der USA. Drohungen, Erpressung, Sanktionen. Ein Kommentar von Wolfgang Bittner


Die gegenwärtige deutsche Politik ist kaum mehr zu ertragen, rational nachzuvollziehen schon gar nicht. Gerade „verwarnen“ Deutschland, Frankreich und Großbritannien den Iran wegen der Nichteinhaltung des Atomabkommens.[1] Aber wenn deswegen jemand verwarnt werden müsste, dann wären es die USA, die das Atomabkommen einseitig gekündigt und damit den Bau einer iranischen Atombombe heraufbeschworen haben. Stattdessen wurde auf Druck der US-Regierung ein Schlichtungsverfahren eingeleitet, das von vornherein zum Scheitern verurteilt ist und zwangsläufig zu einer Verschärfung der Sanktionen im Sinne der USA führen wird.

Wie bekannt wurde, drohten die USA damit, Zölle auf europäische Autos zu erheben (im Gespräch waren 25 Prozent), wenn die Europäer nicht spuren würden.[2] Die Erpressung zeigte umgehend Wirkung: Am 14. Januar verkündete der deutsche Außenminister Heiko Maas zusammen mit seinem französischen und dem britischen Kollegen die Auslösung des Schlichtungsmechanismus‘ – ein „strategischer Fehler“, wie der iranische Außenminister Javad Zarif erklärte. Denn der Iran ist nach dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen und den gescheiterten Verhandlungen über eine Aufhebung der laufenden Sanktionen nicht mehr bereit, die ursprünglich vereinbarten Verpflichtungen zu erfüllen.

Der Spiegel zitierte dazu den FDP-Außenpolitiker Bijan Djir-Sarai, der die Ansicht vertrat: „Gleichgültig, was im Hintergrund abgelaufen ist, zeigt der Vorgang, wie dramatisch schlecht die Beziehungen zwischen den USA und Deutschland sind.“ Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour sprach von „Erpressbarkeit“ der Bundesregierung „auf offener Bühne“. Daraufhin kam ein Dementi des Bundesaußenministers: Die Entscheidung zur Auslösung des Schlichtungsverfahrens sei bereits vor der Sanktionsdrohung der USA getroffen worden.[3] „Wenig glaubhaft“, erklärte Djir-Sarai. Noch weniger glaubhaft ist Maas‘ beschwichtigende Einlassung, man wolle das Atomabkommen in letzter Minute noch retten, doch mit der Einleitung des Schlichtungsverfahrens kann es endgültig als aufgelöst gelten.

Drohungen, Erpressung und Sanktionen, nicht nur gegen Länder wie Iran, Russland, Syrien oder Venezuela, sondern auch gegen „Bündnispartner“ wie Deutschland. So haben die USA den Weiterbau von Nord Stream 2 erst einmal verhindert, indem sie die beteiligten Firmen mit Sanktionen bedrohen. Dazu wurde sogar ein Gesetz erlassen, das rückwirkende Strafmaßnahmen vorsieht.[4]

Ein Skandal sondergleichen, ein unglaublicher Eingriff in die inneren Angelegenheiten Deutschlands und ein Beispiel für mangelnde Souveränität sowie auch hier für die Durchsetzung von US-Interessen mit brachialer Gewalt. Angeblich begibt sich Deutschland durch die mit Nord Stream 2 beabsichtigten Gaslieferungen in eine Energieabhängigkeit von Russland. Doch das Gegenteil ist der Fall, denn Russland ist auf die Einnahmen aus den Lieferungen ebenso angewiesen, wie Deutschland auf seine Energiesicherheit, die anders nicht gewährleistet werden kann. De facto geht es um den Absatz von Fracking-Gas aus den USA (Terminals werden bereits gebaut) und um Durchleitungsgebühren für die Ukraine und Polen auf Kosten des deutschen Verbrauchers.[5]

Was ist das für eine Politik, die in Vasallenschaft der USA entgegen dem Mehrheitswillen der Bevölkerung exekutiert wird? Die deutsche Regierung muss Folge leisten, sonst drohen Strafmaßnahmen. Das zeigt sich auch bei der drastischen Erhöhung des Militäretats. Zwar gäbe es nach wie vor einen gewissen Spielraum für eine selbstbestimmte Politik, wie 2003 bei der Verweigerung der Teilnahme am Irak-Krieg durch die Regierung Schröder deutlich wurde, aber die Willfährigkeit gegenüber den Vorgaben aus Washington hat unter der Regierung Merkel ihren Zenit erreicht. Deutschland beteiligt sich an der Aggressions- und Sanktionspolitik der USA und nimmt dafür sogar erhebliche wirtschaftliche Einbußen in Kauf. Zurzeit spekulieren Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und andere US-affine Politiker über den Einsatz deutschen Militärs in Libyen.[6]

Deutschland ist auch die Drehscheibe der Truppenverlegungen für das im April und Mai 2020 von den USA mit der von ihr geführten NATO vorgesehene Manöver „Defender 2020“.[7] Dass dieses gegen Russland gerichtete Großmanöver, an dem die Bundeswehr beteiligt ist, nichts mit Verteidigung zu tun hat, liegt auf der Hand. Die empörende Bösartigkeit dieser Aktion besteht über die akute Gefährdung der europäischen Sicherheit hinaus darin, dass sie exakt 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs an den russischen Grenzen stattfindet.

Nichts ist zu Ende, es beginnt immer wieder von Neuem. Was sich vor unseren Augen abspielt, ist schändlich und eine Tragödie. Aber noch immer finden sich zu wenige, die sich dem widersetzen.

Von Wolfgang Bittner erschien 2017 „Die Eroberung Europas durch die USA – Eine Strategie der Destabilisierung, Eskalation und Militarisierung“, im März 2019 der Roman „Die Heimat, der Krieg und der Goldene Westen“ und im September 2019 „Der neue West-Ost-Konflikt – Inszenierung einer Krise“.





Dienstag, 21. Januar 2020

Manöver der Schande - Williy Wimmer



Manöver der Schande


(Erstveröffentlichung am 20. Januar 2020 auf World Economy – Übernahme für freidenker.org mit freundlicher Genehmigung des Autors)

„Schande, das NATO-Drohmanöver gegen Russland, 75 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges“

Willy Wimmer

Wenn eine Feststellung jemals zutreffend gewesen sein sollte, dann ist es diese: so etwas hätte es bei Helmut Kohl als Bundeskanzler nicht gegeben. Jedem Zeitgenossen sind noch die Bilder von Verdun, dem großen. Schlachtfeld des Ersten Weltkrieges in Erinnerung. Vor dem Mahnmal von Douaumont reichten sich der französische Staatspräsident Francois Mitterand und der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl die Hände. Jeder, der dabei gewesen ist und jeder, der diese Bilder in Erinnerung hat, wußte, das diese Geste nichts von politischem Flugsand an sich haben würde. Das war bei Willy Brandt im Warschauer Ghetto nicht anders. Damit wurde nicht nur dem Gedenken in würdiger Weise entsprochen. Damit war eine Verpflichtung verbunden, die weit über den Anlaß hinausgehen würde. Selbst die große Militärparade 1962 auf dem französischen Truppenübungsplatz von Mourmelon, die der französische Präsidenten-General Charles de Gaulle und Konrad Adenauer auf den Schlachtfeldern beider Weltkriege mit Truppengattungen beider ehemals verfeindetes Armeen und Staaten abnahmen, atmete den Geist einer möglichen Versöhnung. Friede sollte zwischen beiden Staaten und Völkern möglich sein.

Die deutsche Bundeskanzlerin, Frau Dr. Angela Merkel, begeht mit der Teilnahme deutscher Soldaten bei dem größten NATO-Manöver seit Ende des Kalten Krieges gegen Rußland einen Tabubruch, der geeignet ist, genau das gegenüber der Russischen Föderation und dem russischen Volk  nicht entstehen zu lassen, was durch großartige Gesten und vernunftbetontes Handeln möglich wurde: dauerhafter Friede und mögliche Versöhnung.

Es ist gerade das russische Volk,  das den deutschem Menschen mit einer Aufgeschlossenheit begegnet, die nach den Verheerungen des Zweiten Weltkrieges und dem Angriff des Deutschen Reiches gegen die Sowjetunion eigentlich völlig unvorstellbar sein würde. Nein, man kann sich auf den Straßen und Plätzen dieses großartigen Landes aufhalten, wo man will: man ist als Deutscher willkommen. Bei meinem Besuch 1987 in der berühmten Taman-Division nahe Moskau als erster westlicher Verteidigungspolitiker war selbst das Divisionsmuseum frei davon, die Soldaten der gegnerischen Wehrmacht herabzusetzen. Der Politoberst der Division lies sich mit den Worten seiner Mutter vernehmen, daß um diese jungen deutschen Soldaten auch eine Mutter trauern würde.

1985 hat der deutsche Bundespräsident Richard von Weiszäcker im Deutschen Bundestag ein Verhalten angeprangert, das „geschichtsvergessen“ genannt werden könne. Dieses Wort ist auf das Verhalten der gesamten deutschen Staatsspitze heute anzuwenden. Sie hat dafür gestimmt, dieses Manöver mit deutschen Soldaten ablaufen zu lassen. Sie hat die Zielrichtung festgelegt und läßt die Generale der Bundeswehr über das Manöver so reden, wie sie es tun. Sie hat nichts dagegen, daß sich deutsche Soldaten „in den Vorgärten von Leningrad/St. Petersburg“ eingegraben haben. St. Petersburg ist heute eine strahlende Perle der gemeinsamen europäischen Kultur. Am 28. Januar 2020 wird in Jerusalem der russische Präsident Putin anläßlich einer Gedenkveranstaltung der Befreiung von Auschwitz ein Denkmal enthüllen, das an die Blockade Leningrads durch das Deutsche Reich im Zweiten Weltkrieg erinnern wird. Die deutsche Bundeskanzlerin wird anwesend sein und trägt dafür die Verantwortung, daß Rußland heute Ziel des gleichen Ungeistes von „Versailles“ geworden ist und zu werden droht, wie er mit dem Ersten Weltkrieg und Versailles das eigene Land getroffen hatte.

Es ist geradezu kein Wunder, daß die deutsche Bundesregierung im Mai des Jahres 2019 nicht an „Versailles“ vor einhundert Jahren erinnert hat oder der Herr Bundespräsident in einer von ihm zu verantwortenden Gedenkveranstaltung. Versailles bedeutet nicht nur „Ungeist der Rache“ sondern die bewußte Unfähigkeit, sich um Frieden zu bemühen. Stattdessen war den Diktat-Verantwortlichen von Versailles bewußt, den Fahrplan zum nächsten Krieg mit „Versailles“ 1919 aufzulegen. Wolfgang Effenberger hat in diesen Tagen darauf aufmerksam gemacht, daß des französische Marschall Foch, an dessen Grab US-Präsident Trump 2017 stand, von einem weiteren Krieg in etwa zwanzig Jahren sprach. Er sollte sich nicht irren.

Dieses Denken kommt mit dem NATO-Großmanöver, bewußt zum Tag des Kriegsendes am 9. Mai 1945 angelegt, erneut zum Ausdruck. Als hätte es noch eines weiteres Beweises bedurft. Über ein Impeachment wird ein amerikanischer Präsident gejagt, der im Wahlkampf den Ausgleich mit Rußland propagiert hatte. Der „NATO-Westen“ kann keinen Frieden, er kann nur Krieg, ob kalt oder heiß.

Die amerikanische Konferenz von Bratislawa/ Slowakische Republik im April 2000 hat das amerikanische Ziel für Europa deutlich gemacht: Eiserner Vorhang zwischen Ostsee und Schwarzem Meer, Rußland kann bleiben, wo es will und sich in kleinere Stasten zerlegen oder zerlegt werden. Das Ende Januar 2020 beginnende Manöver der NATO ist ein „Manöver der Schande“, das nur den Kriegstreibern dient.


Willy Wimmer war von 1976 bis 2009 Mitglied des Bundestages für die CDU. Von 1994 bis 2000 war er Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

Link zur Erstveröffentlichung: https://www.world-economy.eu/pro-contra/details/article/manoever-der-schande/






Samstag, 18. Januar 2020

Defender 2020 - Linke Zeitung



Großmanöver Defender 2020


VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 18. JANUAR 2020 ⋅ HINTERLASSE EINEN KOMMENTAR

von Jürgen Wagner – http://www.imi-online.de

Mit Tempo in den Neuen Kalten Krieg



In diesem Jahr wird das Säbelrasseln gegen Russland von Ende Januar bis in den Mai von dem größten US-Manöver seit etwa einem Vierteljahrhundert begleitet, dem zu allem Überfluss auch noch diverse NATO-Manöver angegliedert sein werden. Hierzulande wird „Defender 2020“ vor allem in den Monaten April und Mai stattfinden, wobei Deutschland nicht nur über die NATO-Manöver, sondern vor allem bei der logistischen Unterstützung der US-Truppen eine zentrale Rolle spielen wird.

Inzwischen hat die Bundeswehr eine eigene Internetseite zum Manöver aufgestellt, auf der sie zur Untermauerung ihrer wichtigen Rolle unter anderem das folgende, aus friedenspolitischer Sicht doch recht düstere Bild zeichnet: „Transportkolonnen in der Nacht auf deutschen Autobahnen, lange Güterzüge, die durch deutsche Bahnhöfe gen Osten rollen, Panzer auf Binnenschiffen im Ruhrgebiet: Wenn die Amerikaner im kommenden Jahr mit Defender Europe 20 die Verfahren zur Verlegung von umfangreichen Kräften aus den USA nach Osteuropa üben, wird Deutschland aufgrund seiner geo-strategischen Lage im Herzen Europas zur logistischen Drehscheibe.“

Weil die NATO-Kriegsplanungen mit Blick auf Russland auf der Fähigkeit zur schnellen Verlegung großer Truppenkontingente Richtung Osteuropa basieren, soll Defender 2020 vor allem in diesem Bereich substantielle „Fortschritte“ bringen. Auch sonst sickern allmählich immer mehr Details zum geplanten Großmanöver durch und auch die Friedensbewegung bereitet sich auf das Ereignis vor, damit Defender 2020 nicht ungestört über die Bühne gehen wird.

Szenario: Russland – Russland – Russland

Mit beängstigender Zielstrebigkeit bereiten sich die NATO, die USA und auch Deutschland auf die „Wiederkehr der Konkurrenz großer Mächte“ (Ursula von der Leyen) vor, indem sie Strategie und Struktur ihrer Truppen auf einen „erfolgreichen“ Sieg über Russland (und China) ausrichten. Das trifft für Deutschland etwa mit Konzeption und Fähigkeitsprofil der Bundeswehr zu, die beide die Aufstellung von Großverbänden gegen Russland als Ziel ausgeben.

Aber auch die USA haben bereits mit ihrer Ende 2017 veröffentlichten Nationalen Sicherheitsstrategie den Weg Richtung Großmachtkonkurrenz eingeschlagen: „China und Russland fordern die amerikanische Macht, ihren Einfluss und ihre Interessen heraus und versuchen Amerikas Sicherheit und Wohlstand zu untergraben. […] Unsere Aufgabe ist es sicherzustellen, dass die militärische Überlegenheit der USA weiterbesteht. […] Wir werden den Frieden durch Stärke wahren, indem wir unser Militär neu aufstellen, damit es vorherrschend bleibt, unsere Feinde abschreckt und, sofern erforderlich, in der Lage ist, zu kämpfen und zu siegen.“

Daran knüpften dann die im Folgejahr veröffentlichte Nationale Verteidigungsstrategie sowie die Nationale Militärstrategie an, was dann wiederum in die Haushaltsschwerpunkte 2020 einfloss. In der Verteidigungsstrategie heißt es etwa: „Die langfristige Auseinandersetzung mit China und Russland ist die wichtigste Priorität für das Verteidigungsministerium, was sowohl höhere als auch nachhaltigere Investitionen erfordert.“

Es ist dieser Kontext, in dem Defender 2020 zu sehen ist, wenn es im zugehörigen Factsheet der US-Armee heißt: „In Zukunft muss das US-Militär in der Lage sein, gegen einen annähernd gleichstarken Gegner verlege- und kampffähig zu sein, um in einem mehrere Ebenen umfassenden hochintensiven Konflikt klar zu gewinnen. Defender Europe 20 baut auf strategischer Schnelligkeit auf und operationalisiert die Ziele der Nationalen Verteidigungsstrategie wie auch die der NATO-Abschreckung, indem die Fähigkeit des US-Militärs demonstriert wird, schnell eine große kampffähige Truppe zusammen mit Verbündeten und Partnern zu verlegen, um rasch auf eine Krise zu reagieren.“

Noch ein gutes Stück konkreter wird US-Brigadegeneral Sean Bernabe, der zum Szenario von Defender 2020 mit den Worten zitiert wird: „Es beinhaltet einen fiktiven nahezu gleichstarken Konkurrenten und verortet diesen Konkurrenten auf europäischem Boden. […] Das Szenario wird in eine Post-Artikel-V-Umgebung eingebettet […] und auf das Jahr 2028 gelegt.“

Offiziell wird zwar halbwegs der Schein gewahrt, indem betont wird, das Manöver sei gegen keinen bestimmten Staat gerichtet. So erklärte etwa der zuständige US-General Andrew Rohling Mitte Januar 2020, die Übung richte sich „überhaupt nicht gegen eine bestimmte Bedrohung“. Allerdings ist es natürlich völlig offensichtlich, dass dem nicht der Fall ist. Und meist wird daraus auch kaum ein Hehl gemacht, wenn es etwa in einem Tagesschau-Kommentar heißt: „Es gilt der alte Grundsatz: ‚Wenn du Frieden willst, bereite den Krieg vor.‘ […] Das großangelegte Manöver „Defender 2020“ ist richtig und notwendig. Auch, weil es das klare Signal an Russland sendet: Im Fall der Fälle wäre die NATO bereit. […] Dem westlichen Militärbündnis NATO ist klar: Appeasement, also Beschwichtigungspolitik, bringt nichts. Sie gilt im Kreml als Zeichen der Schwäche.“


Kalkül: Tempo – Tempo – Tempo

Im Jahr 2016 kam ein Planspiel der RAND Corporation zu dem Ergebnis, Russland sei in der Lage die baltischen Staaten innerhalb kurzer Zeit zu erobern. Tunlichst vermieden wurde dabei die Frage, weshalb Moskau sich hierzu hinreißen lassen sollte, dennoch dienten die RAND-Ergebnisse als Rechtfertigung für die im selben Jahr beschlossene Stationierung der „Enhanced Forward Presence“ – also von vier NATO-Bataillonen à 1.000 Soldaten in den baltischen Staaten und Polen.

In den Vorstellungen der westlichen Militärs sind diese Truppen nicht dazu gedacht, eine ernsthaft angreifende russische Armee besiegen zu können. Sie sollen sie aber im Ernstfall solange aufhalten können, bis Verstärkung vor Ort ist – aus diesem Grund wird dem Verlegetempo entscheidende Bedeutung beigemessen. Als erste Verstärkungswelle ist die bereits 2014 beschlossene 5.000 Soldaten umfassende Ultraschnelle NATO-Eingreiftruppe (VJTF) vorgesehen. Wie sich aus sehr konkreten Planungen des Heereskommandos in dem Papier „Wie kämpfen die Landstreitkräfte künftig“ ersehen lässt, soll auch die VJTF vor allem erst einmal eines bringen, Zeit: „Die NATO VJTF-Brigade wurde […] verstärkt und verzögert gegen den Angriff überlegener mechanisierter Kräfte, um den Follow-On-Forces Zeit für die Verlegung und das Herstellen der Einsatzbereitschaft zu verschaffen.“

Als Zeithorizont für eine VJTF-Verlegung gibt die Bundeswehr an: „Die als NATO-Speerspitze bekannte Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) ist Teil der NATO Response Force. […] Die Anforderung: innerhalb von 48 bis 72 Stunden einsatzbereit an jedem Ort zu sein, wo die Truppe jeweils benötigt wird.“ Ab Tag fünf soll dann mit der Verlegung der restlichen, insgesamt 40.000 Soldaten umfassenden NATO Response Force begonnen werden. Und ab Tag 30 nach Beschluss sollen dann auch die zusätzlichen Truppen der im Juli 2018 beschlossenen und seit 1. Januar 2020 aktivierten NATO-Bereitschaftsinitiative mit 30.000 weiteren Soldaten im Krisengebiet präsent sein können. Summa summarum basieren also die NATO-Planungen darauf, dass es zwingend erforderlich ist, innerhalb von 30 Tagen ein Streitkräftedispositiv von etwa 70.000 Soldaten an die Ostgrenze verlegen zu können, um so einen russischen Angriff aufhalten und zurückschlagen und demzufolge von vorneherein abschrecken zu können.

Ungeachtet der hochgradig fragwürdigen Grundannahmen dieses Szenarios bestimmt es dennoch aktuell sämtliche NATO-Planungen mit Blick auf Osteuropa. Weil aber in den letzten Jahren wiederholt erhebliche Zweifel aufkamen, dass das anvisierte Tempo auch erreicht werden kann, soll nicht zuletzt Defender 2020 hier Abhilfe schaffen.

Defender 2020: Kosten – Routen – Ruheplätze

Einige Details über Defender 2020 sind bereits länger bekannt: So etwa, dass im Rahmen der Übung eine US-Division (20.000 Soldaten) von den USA bis an die Grenze Russlands verlegt werden soll. Bereits Ende Januar 2020 sollen die ersten US-Schiffe in belgischen, niederländischen, französischen und auch deutschen anlanden, wobei sich die meisten Aktivitäten in Deutschland auf die Monate April und Mai konzentrieren werden.

Insgesamt wird von 37.000 beteiligten Soldaten ausgegangen, wobei vermutlich noch einmal 7.000 US-Nationalgardisten hinzuzurechnen sind, die in diesen Zahlen wohl nicht enthalten sein dürften. In jedem Fall soll dabei mit 33.000 Stück Material im Gepäck etwa 4.000 Kilometer quer durch Europa manövriert werden. Neu ist eine erste Kostenschätzung der militärnahen Internetseite Breakingdefense, die unter Berufung auf US-Offizielle von 340 Mio. Dollar ausgeht – dies bezieht sich allerdings allein auf den US-Anteil.

Denn bei Defender 2020 handelt es sich zunächst einmal um ein reines US-Manöver, weshalb hier noch die (bislang unbekannten) Kosten für die angegliederten „NATO-Beimanöver“ hinzuzurechnen wären: Astral Knight; Allied Spirit XI; Dynamic Front; Joint Warfighting Assessment; Saber Strike; Swift Response; Trojan Footprint. Nachdem die US Army angibt, neben den aus den USA kommenden Truppen wären 9.000 in Europa stationierte US-Soldaten involviert, ergibt sich daraus, dass andere Verbündete die restlichen 8.000 Militärs über diese ergänzenden Manöver beisteuern (sofern die plausible Annahme zutrifft, dass die Nationalgardisten in den Gesamtangaben tatsächlich nicht mitgerechnet werden). Über die Kosten des deutschen Anteils an Defender 2020 konnte oder wollte der zuständige Bundeswehr-General Martin Schelleis auf Nachfrage am 14. Januar 2020 keine Angaben  machen.

Neu sind auch genauere Angaben über die durch Deutschland führenden Routen, die in einem an die Mitglieder des Verteidigungsausschusses versandten Schreiben aus dem Verteidigungsministerium vom 13. Januar 2020 genannt werden. Zu den Häfen, an denen Gerät und/oder Soldaten anlanden werden, zählen Bremerhaven, Bremen, Duisburg, Krefeld und Mannheim. Als Flughäfen werden sich Berlin, Bremen, Hamburg, Frankfurt, München, Nürnberg, Ramstein verdingen.

Von besonderem Interesse sind die geplanten Straßenrouten – als „Hauptstrecken“ nennt das Verteidigungsministerium nun in seinem Schreiben vom 13. Januar 2020 (etwas abweichend zu vorherigen Informationen) „von Venlo und Aachen über Dortmund – Hannover – Berlin – Frankfurt/O“ sowie „Bremerhaven – Hamburg – Berlin – Stettin“. Außerdem dabei die Strecke „Mannheim – Hannover“ und „Mannheim – Nürnberg – Dresden – Görlitz“.

Geschlafen wird in den „Rasträumen“ Rheindalen, Augustdorf, Burg Lehnin, Oberlausitz, Garlstedt, Stadtallendorf und Frankenberg, während „Convoy Support Center“ in Garlstedt, Burg und Oberlausitz sowie eine im Zuge des Manövers aufzubauende Tankanlage in Bergen Logistikunterstützung bieten sollen.

Gefahren werden soll vor allem Nachts, wobei – mutmaßlich, weil auch die Bundeswehr Proteste erwartet – die Planungen unter Änderungsvorbehalt stehen: „Es kann – kurzfristig – zu Änderungen kommen“, heißt es in dem Schreiben aus dem Verteidigungsministerium.

Deutschland: Transitland – Truppensteller – Logistiker

Im Zusammenhang mit Defender 2020 wurde schon mehrfach darauf verwiesen, dass schon in der „Konzeption der Bundeswehr“ vom Juli 2018 versucht wurde, sich als „mögliche Basis für Operationen, rückwärtiges Einsatzgebiet und Drehscheibe der Unterstützung“ anzudienen. Eine wichtige Funktion soll dabei – auch insgesamt in allen NATO-Planungen zur schnellen Verlegung von Material und Truppen gen Russland – das 2018 beschlossene und in Ulm beheimatete „Gemeinsame Unterstützungs- und Befähigungskommando“ (Joint Support and Enabling Command, JSEC) einnehmen. Deshalb soll das noch Rohstadium befindliche JSEC bei Defender 2020 nach Auskunft der Bundesregierung ebenfalls eine Rolle spielen: „[A]uch das sich in Ulm im Aufbau befindliche Joint Support and Enabling Command (JSEC) der NATO [wird] durch die Übung Combined Defender (CODE) eingebunden.“

Zur konkreten Rolle des JSEC als eine Art Generallogistiker bei Defender 2020 heißt es in der Januar-Ausgabe der „Europäischen Sicherheit und Technik“: „Das JSEC ist eine Art NATO-Streitkräftebasis. Es legt die genauen Märsche durch die Nationen fest, regelt die Grenzübertritte und sorgt für eine realistische Planung. […] Es bestimmt aufgrund der Angaben der US-Streitkräfte, wann diese wo welche Grenze überschreiten. Die nationalen Kräfte, in Deutschland die Streitkräftebasis, organisieren dann die Unterstützung im jeweiligen Land.“

Was die Gesamtzahl involvierter deutscher Soldaten anbelangt, hieß es am 14. Januar 2020 in der Taz: „4.000 Bundeswehr-Soldat*innen werden entweder im Rahmen des sogenannten ‚Host Nation Support‘ den Transport unterstützen oder selbst an einzelnen Teilübungen teilnehmen.“ Das würde bedeuten, dass 2.250 Bundeswehr-Soldaten an den NATO-Teilen von Defender 2020 teilnehmen. Denn in einem Werbevideo auf der relativ neu eingerichteten Bundeswehrseite zu Defender 2020 finden sich konkrete Angaben über die beteiligten Soldaten der Streitkräftebasis: „1.750 SoldatInnen und Soldaten vom Jäger und Panzerpionier über den Sanitäter bis zum Feldjäger.“

Diese Kräfte sind wie oben beschrieben vor allem für den sogenannten „Host Nation Support“ und damit die Unterstützung der US-Truppen innerhalb Deutschlands, also auch bei Defender 2020 zuständig. Die HNS-Kernaufgaben beschreibt die Bundeswehr wie folgt: „Host Nation Support ist die Unterstützung ausländischer Streitkräfte in Deutschland. Das geht beispielsweise von der Planung und Genehmigung von Durchfahrten über deutsche Straßen oder Gewässer bis hin zum Bereitstellen von Unterkünften oder Betankungsmöglichkeiten an unseren Standorten. Wenn Unterstützung gefragt ist, beauftragt das Bundesministerium der Verteidigung hiermit die Streitkräftebasis. Dort übernimmt das Kommando Territoriale Aufgaben der Bundeswehr die Aufgabe und koordiniert mit dem Sachgebiet Host Nation Support die angefragten Leistungen über die Landeskommandos.“

Folgerichtig nennt die Bundeswehr folgende Wohltaten, die sie den US-Truppen im Rahmen ihres Manövers angedeihen lassen möchte: „Absicherung und Begleitung“, „Routenplanung“, „Betankung“, „Unterkünfte“, „Verpflegung“ und „IT-Anbindung“.

Ein wichtiger „Fortschritt“, der mit Defender 2020 erzielt werden soll, besteht in einer Art Generalzertifizierung militärischer Schwertransporte, die über das Manöver selbst hinausgehen soll. Hierfür kamen deutsche und US-amerikanische Logistiker bereits Ende November 2019 zusammen, um Nägel mit Köpfen zu machen: „Daher trafen sich kürzlich Spezialisten aus vier Logistikverbänden sowie der Logistikschule der Streitkräftebasis mit ihren US-amerikanischen Kameraden in Mannheim. In den Coleman Barracks standen verschiedene Gefechtsfahrzeuge zwecks einer Zertifizierung bereit. Denn jeder Panzertransport ist auf deutschen Straßen ein Schwerlasttransport, der jeweils ein Begleitkommando und einen Marschkredit – sozusagen die offizielle Genehmigung – bedingen. Passen also ein M1 Abrams oder der amerikanische Schützenpanzer Bradley auf die deutschen Schwerlasttransporter Mammut und Elefant? […] Gemeinsam packten die bi-nationalen Profis an und stellten ihre Fahrzeuge der Prüfungskommission vor. Das Ergebnis: Deutsche Logistikverbände können und dürfen ab sofort auch amerikanische Gefechtsfahrzeuge auf deutschen Straßen transportieren. Eine wichtige Erkenntnis und ein Fortschritt nicht nur für Defender 20. Denn die erstellten Zertifikate behalten über die Übung hinaus ihre Gültigkeit. Das erleichtert künftige Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Logistik erheblich.“

Gegenaktivitäten

Im Jahr 2019 sprengten die NATO-Militärausgaben mit 1,04 Mrd. Dollar erstmals die „magische“ Marke von 1.000 Mio. Dollar. Für 2020 wird allein Deutschland erstmals Militärausgaben von rund 55 Mrd. Dollar (50 Mrd. Euro) bei der NATO melden – schon das ist annähernd so viel, wie die etwa 60 Mrd. Dollar, auf die das schwedische Friedensforschungsinstitut Sipri das russische Militärbudget beziffert. Allein schon aufgrund dieser Diskrepanz ist die all diesem Säbelrasseln zugrundeliegende Grundannahme, dass nämlich Russland nicht nur fähig, sondern auch willens wäre, in ein NATO-Land einzumarschieren, gelinde gesagt fragwürdig. Selbst der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, kritisierte derlei Annahmen scharf: „Völlig absurd […] einseitig, unvollständig und einer rationalen Überprüfung nicht standhaltend. […] Putin weiß, dass dies die völlige internationale Isolation zur Folge hätte – mit unübersehbaren politischen und wirtschaftlichen Folgen für das Land.“

Allein schon deshalb bereitet sich nicht nur das Militär, sondern auch die Friedensbewegung auf Defender 2020 vor – am 18. Januar wird in Hamburg eine Aktionsberatung stattfinden, am 26. Januar 2020 in Leipzig. Schon Ende November hatten sich in Leipzig etwa 100 Menschen für eine erste Aktionskonferenz zusammengefunden, in deren Abschlusserklärung es hieß: „Das Manöver ist ein Umweltdesaster, eine wahnwitzige Verschwendung von Ressourcen und eine Zerstörung vielfältiger Natur. Es ist ein aktiver Beitrag des Militärs zur drohenden Klimakatastrophe. Die Gründe für seine Ablehnung sind vielfältig: politisch, militärisch, geostrategisch, ethisch, moralisch, historisch, klima-und umweltbedingt, verkehrs- und infrastrukturtechnisch sowie aktuell. Diese umfassende Ablehnung sollte zu einer Koalition der Vielfalt, der unterschiedlichsten Akteure und der vielfältigen Aktionen sowie der internationalen Zusammenarbeit entwickelt werden.“

Eine gekürzte Fassung dieses Artikels erschien unter dem Titel „Großmanöver Defender 2020: Deutschland im Auge des Sturms“ bei Telepolis am 8. Januar 2020. 

Großmanöver Defender 2020


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Freitag, 17. Januar 2020

Stützen der Gesellschaft - NRhZ



Eine psychologische Betrachtung der "Intellektuellen als Stützen der Gesellschaft"



TUI versus TUItiv


Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Als "Eliten" werden sie selbstreferenziell bezeichnet, weil sie in gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen Führungspositionen agieren, darunter befinden sich "Intellektuelle", denen vom allgemeinen Verständnis besondere Erkenntnis- und Denkfähigkeiten (Intelligenz) zugesprochen wird.  Was bewirken die Intellektuellen in ihren Positionen, be-denken sie die Folgen ihrer Planungen und ihres Handelns oder agieren sie nicht zum Allgemeinwohl, das letztlich ihr eigenes ist? Die Neue Gesellschaft für Psychologie behandelt im Kongressband "Krieg nach innen, Krieg nach außen – und die Intellektuellen als 'Stützen der Gesellschaft'?" bedeutende thematische Aspekte.

Der mit Fragezeichen versehene Komplex  "Intellektuelle als 'Stützen der Gesellschaft'?" weist bereits im Titel darauf hin, dass – nach Vorstellung der Neuen Gesellschaft für Psychologie (NGfP) einiges – oder gar viel zu viel – nicht optimal läuft. Der Berufsstand der Psychologen ist naturgemäß mit Leiden und Krankheitsbildern konfrontiert, die, nicht angeboren, sich aus Ängsten herausbilden. Daher ist die entscheidende Frage: reicht die Beruhigungspille oder kann oder muss sich etwas ändern – auch und vor allem im Gesellschaftsgefüge.

Klaus-Jürgen Bruder gibt mit "Die Position der Intellektuellen im Diskurs der Macht" einen wichtigen Einstieg, um welch fundamentale Auswirkungen im "Krieg nach innen und außen" es geht: "Mit orwellschen Verdrehungen waschen sie [die Intellektuellen] die Verantwortlichen von ihren Verbrechen rein, die diese auf Kosten der Bevölkerung geleistet hatten oder dies vorhaben! Als 'Weißwäscher' bezeichnet sie Brecht deshalb, als TUIs." Der große Denker und Dramatiker des 20 Jahrhunderts drückte seine Intellektuellen-Kritik in einem verdrehten Wortbild, der Umstellung Tellekt-Uell-In, in Kurzform TUI, aus. Einer seiner frühen Zeitgenossen, George Grosz, zeigt die "Stützen der Gesellschaft" (1926) als Lotterhaufen auf Kosten ebenjener. Und mit einem weiteren Bild bringt der Vorsitzende der NGfP sein Anliegen auf den Punkt: Die Täuschung als Enthüllung des Bösen im Bild der Gänsepredigt, realisiert als Brunnen-Skulptur in Regensburg. Der den Gänsen predigende Mönch verbirgt unter seiner Kutte den Wolf, während die "dummen" Gänse doch zumindest intuitiv den tödlichen Verrat ahnen könnten.

Macht – Ausübung und Sicherung

Das Intuitive birgt ganz zufällig im Wortstamm Brechts TUI-Anagramm; es bietet sich gedanklich als Gegenpart zum vermeintlich Intellektuellen oder einfach nur Gebildeten aus: TUI versus TUItiv. Die Täuschungen und auch die ggf. daraus entstehenden Selbsttäuschungen sind ein gewaltiges Mittel der Machtausübung – in Taten, Gebärden und Sprache. Was aber, wenn die Gebrechen erkannt und "behandelt" werden?...

Karriere oder Ohmacht

Um Macht im Sinne von Existenzsicherung geht es bei der Betrachtung von Schul- und Hochschulsituation. Um möglichst viele Gänse möglichst dumm zu halten, wird das kritische Denken in Schul- und Hochschulbetrieb nicht nur nicht gefördert, es wird – abseits einer gezielten "Eliten"förderung – behindert. Unter anderem zum Vorteil des wirtschaftlichen Nutzens, hier großer Konzerne. So spricht die Politikwissenschaftlerin Raina Zimmering von "Wissenschaftsimperialismus", der die Sozialwissenschaft im Prozess der neoliberalen Globalisierung "einebnet", statt lösungsorientiert zum Zwecke eines "Guten Lebens für alle" zu wirken. Sie nennt Methoden der Verwestlichung (Verwüstung und Verflachung durch Ausgrenzung süd-östlicher Kulturkreise) am Beispiel des Wissenschaftsindex der Sozialwissenschaft (SSCI) sowie der erfolgreichen Verweigerung im Autonomie-Bereich der Zapatisten in Mexiko praktischerseits durch zunächst Daseins-, Gesundheits- und Bildungsversorgung mit darauffolgendem Fokus auf die Wissenschaften. (208)

Macht per Systemstabilisierung

Einen virtuosen Rundumschlag präsentiert der "TUItive", Künstler, Natur- und Sozialwissenschaftler Michael Schneider zum Typus der "Medien-Intellektuellen und deren Kreuzzug gegen die Aufklärung und die konkrete Utopie". Fraglos geht es besonders in dieser Branche um Teilhabe an der Macht per Systemstabilisierung. Die Gänse müssen nur oder eben dran glauben. So wurden (1999 in Jugoslawien) und werden NATO-Kriege "ohne UNO und out-of-area ohne Kriegserklärung und völkerrechtliche Grundlage geführt". Die durch die Medien hergestellte breite Zustimmung sei eher typisch für "totalitäre Regime". Vollends gelungen war 1999 "die Enttabuisierung des Militärischen". Wo der Wissenschaft das eigene Denken abgewöhnt wird, sorgt der Medienbetrieb für die Abschaffung der Aufklärung per journalistisch tragfähiger, grundgesetzlich geforderter Information aus gegenläufigen Quellen. Den Typus des "unübertroffenen" Wende-Intellektuellen markiert für Schneider an vorderster Stelle Hans-Magnus Enzensberger gefolgt von Martin Walser, Botho Strauss und Wolf Biermann. Einst politisch "links" verortet, hievte das Medien-Establishment Enzensberger auf den Thron des "Lieblingsintellektuellen des liberalen und konservativen Feuilletons" – "flexibel bis zur Identitätslosigkeit", mutiert zum zynisch anti-linken "Entfesselungskünstler". Schließlich thematisiert der an Lebenserfahrung reiche Roman- und Theaterautor, Zauberer und Naturwissenschaftler Michael Schneider noch das Mittel der prekären Arbeitsbedingungen im Hochschulbetrieb, was statt kritischer Behauptung zu mehr "Anpassertum" führe.

Macht durch Verweigerung

Michael Schneiders Namensvetter Ansgar Schneider rechnet bevor er das TUItive zulässt, das ihn nach langen Jahren mit den sonderbaren, physikalisch nur eindeutig zu erklärenden technischen Vorgängen des 11. Septembers 2001 konfrontiert, ja persönlich erschüttert hat. Ohne Zweifel fiel mindestens eins der drei Hochhäuser (WTC7) des World-Trade-Centers in New nach den Gesetzen des freien Falls, alle drei aber auf ihre Grundrisse zusammen. Der ehemalige Standort der Zwillingstürme wird markabererweise "Ground Zero" getauft, bis dahin nur verwendet als militärische Bezeichnung des Explosionsortes einer nuklearen Bombe. Immerhin weist in einer langen Beweis-Liste empirischer Daten, das "Vorkommen von Sprengstoffrückenständen im Staub (Nanothermit)" auch nach vorschneller Räumung der wenigen Trümmer durch "Controlled Demolition" auf die Unmöglichkeit des Einsturzes allein durch die offiziell geschilderten Flugzeugeinschläge hin. Aber was bedeutet das? Hierbei handelt es sich nach einhelliger Mediendarstellung (von ziemlich links bis extrem rechts) um eine physikalisch kriminalistische "Verschwörungstheorie". So wie am Tag des Geschehens (9/11) alle Warnsysteme des hochgerüstetsten Landes dieser Erde (USA) "versagten", so "versagen" auch die Medien? Besteht nicht viel mehr eine unerklärliche nach Ansgar Schneider "generelle Verweigerungshaltung über die (naturwissenschaftlichen) Erkenntnisse ... sachgerecht zu berichten"? Journalisten und Redakteure überschlagen sich im Gebrauch des Wörtchens "Verschwörungstheoretiker", um in gnädiger Unwissenheit "wissenschaftliche Erkenntnisse, Methodik und Fragestellungen zu stigmatisieren, um damit die Aufklärung zu verhindern". Der 48 Stunden später ausgerufene NATO-Bündnisfall und damit der "Krieg gegen den Terror" wird bis heute auf diese unhaltbare Begründung zurückgeführt. Interessanterweise schildert der Physiker Ansgar Schneider das Paradebeispiel eines anführenden TUI in Person des Tübinger Amerikanisten Michael Butter, der "im sozial-geisteswissenschaftlichen Umfeld" versucht, eine "Sachdiskussion... kategorisch zu vermeiden" und stattdessen auf Ablenkung stigmatisierender Vorwürfe setzt, darunter den des "Antisemitismus".

Macht der Diffamierung

Mit letzteren schwerwiegenden Vorwürfen wurde nach dem NGfP-Kongress 2015 "Der Krieg um die Köpfe" versucht, gegen die NGfP und speziell gegen ihren Vorsitzenden Prof. Klaus-Jürgen Bruder vorzugehen, was aber dank brillanter Abwehr nicht gelang. Für Argumente sind auf Diffamierung zielende Angriffe nicht zugänglich. Inzwischen erleben wir, so Klaus-Jürgen Bruder 2018 "die gewalttätige, hard-core Version: die Offensive gegen die Kritik, die Verkehrung der Begriffe des Antifaschismus. Im Zentrum dieser Verkehrung steht der Begriff des „Anti-Semitismus“. Pikanterweise hat sich innerhalb knapp zweier Jahre die Debatte bis in den Hochschulbereich vorgearbeitet, indem die Hochschulrektoren-Konferenz (HRK) unter ihrem Vorsitzenden Peter-André Alt – nicht ohne akademischen Widerstand (Georg Meggle "Einspruch") – eine Sprachregelung im Wissenschaftsbereich vorgibt. Aber weiter Klaus-Jürgen Bruder: "In der Verbreitung von denunziatorischen Vorwürfen liegt aber auch die Gewalt der Antideutschen Attacken: es ist Gewalt, in den Zustand des Verdächtigten gesetzt worden zu sein, ohne die Möglichkeiten der Verteidigung zu haben, denn man ist ihr von vornherein beraubt. Wir kennen das eigentlich nur von Terror-Regimen." Um so interessanter, als im vorliegenden Band ein Beitrag mit dem Phänomen des "Antideutschen" sich befasst.

Macht der Desinformation

Schon der Titel zu Gerhard Hanlosers Ausführungen macht stutzig: Intellektuelle Kapitulation – antideutsche Aufrüstung. Bemerkung zum bellizistischen Elend in der Linken. Weder die "Antideutschen" noch die "Linken" werden definitorisch umrissen. Los geht's mit einer akademischen Stammtischparole in Richtung US-Präsident Donald Trump, dem Prügelknaben jenseits des Atlantik, der alle Systemfragen hinsichtlich Krieg und Kapitalismus von Vietnam bis Wall Street vergessen machen soll – geschweige denn den Anteil seiner Vorgänger: wer war nicht rechtsnationalistisch (ggfs. nur links- oder überhaupt US-nationalistisch?), anti-migrantisch (die Mexiko-Mauer baut Trump dank seiner Vorläufer weiter), pro-israelisch (ist unausgesprochene US-Staatsdoktrin)... Die Frage ist weiterhin, ob beschriebene "ehemals linke Intellektuellenzirkel" (darunter Bahamas!?) jemals links waren. Die "Linken" kommen schlecht davon, werden sie mit rechtsgewendeten Anti-Linken und Noch-Grünen (Fücks) gleichgesetzt. Die "Antideutschen geben vor, auf Weltgeschichte zu reflektieren [was das auch heissen mag], allerdings agierten sie lange Zeit in einem Spektrum [und agieren gerade dort immer noch], das sich 'die Linke' nennt. In diesem seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion schrumpfenden Segment der Gesellschaft sollten alle wichtigen Schlachten geschlagen werden." (67) Hanloser lässt kein (graues) Haar an den so gerupften "Linken", nicht einmal ein gefärbtes der rechtslastigen Parteivorsitzenden Kipping. Dass vorgeblich antifaschistische "Antideutsche" [BAK Shalom mit pro-kapitalistischem Blick] so oder so die Partei und ihre Medien unterwandern, schwächen und spalten, wird er nicht bedauern. So gibt es einen Beitrag im "Dossier Linksextremismus" der Bundeszentrale für politische Bildung von Rudolf van Hüllen, in dem der Autor den "Antideutschen" eine "Würdigung" ausspricht. So stelle "Die Herausbildung der 'antideutschen' Strömung und ihrer unterschiedlichen Facetten ... eine der interessantesten Entwicklungen im deutschen Linksextremismus seit langem dar. Ihre Protagonisten bewegen sich – vermutlich unwissentlich – ein Stück auf die Trennlinie zu, die demokratisches Engagement für die Dritte Welt und gegen Rechtsextremismus / Antisemitismus bisher von ihren linksextremistischen Verzerrungen 'Antiimperialismus' und 'Antifaschismus' geschieden hat. Hier sind Ablösungsprozesse von totalitären Ideologien des Marxismus-Leninismus, aber auch einer anarchistischen Verherrlichung angeblich stets legitimer 'indigener Befreiungskämpfe' in Gang gekommen." Auch deswegen verdienten die "Antideutschen" "Anerkennung": "denn die Ausblendung des Antisemitismus stellt einen der gravierendsten ideologischen Fehlleistungen des linksextremen 'Antifaschismus' dar." Dass Antifaschismus gleich Linksextrem sei, ist gemessen an der eigenen Faschismus-Aufarbeitung des westdeutschen Staates aus Sicht der Bundeszentrale nur zu gut nachvollziehbar. Nun ist Gerhard Hanloser wie es Zufall so will auch Antisemitismus-Experte. Ebenso Prof. Dr. Dipl.-Pol., Dipl.-Soz. Armin Pfahl-Traughber, regelmäßiger Autor der Bundeszentrale für politische Bildung wie für den Humanistischen Pressedienst (hpd) und ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundesamt für Verfassungsschutz, der seinerseits vor Jahren Gerhard Hanloser zu den "wichtigsten Protagonisten der antideutschen Strömung" zählte. Parteinahme gegen eine "antideutsche Strömung", die im Untergang begriffen scheint, formuliert Gerd Hanloser geschickt, bringt ganz beiläufig "die Denunziationsformel des 'selbsthassenden Juden'" scheinbar kritisierend ins Spiel. Ehemalige Antideutsche seien nun bürgerlich "oder sogar rechtsradikal". Links waren sie nie.  Die TUIs wirds freuen, hier gehts möglicherweise um eine andere Art von "Intelligence", die das Spiel mit Desinformation formidabel anzuwenden versteht.

Empfehlung an die Gänse? Vielleicht im Bourdieuschen Stil: nicht dumm sein oder bleiben, nicht wissen wollen und die Angelegenheiten, statt an Volks- und Staubsaugervertreter zu delegieren, selbst in die Hand nehmen. Was die Rechts-Links-Erklärer betrifft sind TUItivs gefragt mit einem gerüttelten Maß an gesundem Menschenverstand: am aktuellen Beispiel der Antisemitismus-Debatte wird überdeutlich, dass "echte" Linke naturgemäß keine völkischen oder rassischen Vorbehalte pflegen.

So ist dem kritischen Genuß mit der erforderlichen eigenen Denkleistung dieses Bandes mit weiteren interessanten Beiträgen (zur psychologischen Kriegsführung, ...) und Autoren (Werner Rügemer, Norman Paech, Georg Rammer, Magda von Garrel, Katharina Stahlmann, ...) zuzuraten, ebenso wie dem Besuch des nahenden, immer auch für nicht wissenschaftliches Publikum offene NGfP-Kongress "'Digitalisierung' Sirenentöne oder Schlachtruf der 'kannibalistischen Weltordnung'" vom 6. bis 7. März 2020 in Berlin.

Krieg nach innen, Krieg nach außen und die Intellektuellen als "Stützen der Gesellschaft"?

NGfP-Kongress 2019, Herausgegeben von Klaus-Jürgen Bruder, Christoph Bialluch und Jürgen Günther, Westend-Verlag, Frankfurt am Main, 2019, 350 Seiten, Klappenbroschur, 28 Euro


Siehe auch:

Zum Kongress der Neuen Gesellschaft für Psychologie (NGfP), Berlin, 7. bis 10.3.2019
Muth haben... um des Überlebens willen
Klaus-Jürgen Bruder – interviewt von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann
NRhZ 694 vom 27.02.2019
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25687





Mittwoch, 15. Januar 2020

OPERATION AFFEN-DROHNE - Buchtipp


    OPERATION AFFEN-DROHNE

    Unter diesem Titel veröffentlichte der Autor Harry Popow, Jahrgang 1936, ein Satire-Buch im epubli-Verlag, dem er aus aktuellen Erwägungen den Untertitel „DER-NEUE -MAUER-FALL“ hinzufügte.

Zweite korrigierte Auflage


LESE-SPLITTER:
Klappentext
Es lebten einst drei glückliche Bewohner am Rande von Berlin und nicht nur dort. Bereits beim Aufstehen und danach kamen sie oft ins Lachen. Er, ein gewisser alter BENNO und Sie, die er die stets hellwache Zauberhafte nannte. Die dritte im Bunde war ein kleines Äffchen. Es stammte aus Urzeiten im Altai-Gebirge, später, als daraus ein richtiger Mensch wurde, wuchs es in Moskau auf.

Alle drei hatten auf ihre lange Vergangenheit und auf die Gegenwart ganz persönliche Sichten. Zum Beispiel, dass sie als Kriegskinder nach 1945 einen sicheren und gut geplanten Flug in die Zukunft erwarten konnten. Wissenschaftlich toll geplant von einer wohlmeinenden Partei. Alles ging gut. Bis beim so notwendigen Höhenflug mitunter der Bodenkontakt verloren ging. Doch beim Korrigieren dieses Versäumnisses übernahmen blitzschnell und gierig westliche Kraken das Steuer und es gab eine Bruchlandung.

WAS TUN?“ Also begaben sie sich auf Entdeckungstour, die Schuldigen zu entdecken. Mit Erfolg, denn sie beriefen sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse und begriffen den tieferen Grund der Bauchlandung. Die pfiffige DIDA beließ es nicht beim Quasseln. Flog mit einer selbst gebastelten Drohne ins Altai-Gebirge, beriet sich mit den Menschenaffen, die noch in friedlicher Eintracht wohnen und leben, und kehrte mit einem grandiosen Plan zurück. Als sie diesen dem angeblichen Volks-Parlament vortrug, wurde sie gefragt, wann denn die Rettung für Menschen und Planeten erfolgen sollte? Sie, die Hellwache: „Nach meiner Kenntnis sofort, unverzüglich.“ Und so stand der neuen Wende eigentlich nichts mehr im Wege. Doch dann gab es eine unerwartete Überraschung...




Harry Popow: „OPERATION AFFEN-DROHNE“, epubli-Verlag, Erscheinungsdatum: 09.12.2019, ISBN: 9783750261105,
Bindungsart: Softcover, Format: DIN A 5 hoch, 288 Seiten, Einzelpreis:

 18,99 €
https://www.epubli.de//shop/buch/OPERATION-AFFEN-DROHNE-Harry-Popow-9783750261105/93263?utm_medium=email&utm_source=transactional&utm_campaign=Systemmail_PublishedSuccessfully

Dienstag, 14. Januar 2020

Maxim Gorki: Plädoyer für den Kommunismus - Sascha´s Welt



Sascha's Welt: "Die Unwissenheit läßt die Völker nicht nur in Schlaffheit versinken, sondern erstickt in ihnen selbst das Gefühl der Menschlichkeit." (Helvétius)

Maxim Gorki: Plädoyer für den Kommunismus.



Veröffentlicht am 14. Januar 2020von sascha313


Wir alle, die wir in der DDR aufwuchsen, haben in der einen oder anderen Weise mit der Kultur, der Literatur und insgesamt mit der fortschrittlichen Denkweise des Kommunismus Bekanntschaft gemacht. Selbst diejenigen, die sich ganz und gar „unpolitisch“ verhielten, mußten nach und nach eingestehen, daß der Sozialismus einzig und allein dem Wohle der Menschen dient. Außenstehende, kritische Beobachter, höhnisch Grinsende (wenn etwas mal nicht so gelang) gab es in der ganze Zeit. Und Feinde hatten wir nicht wenige, vor allem im Westen – aber auch ein paar im eignen Land, in der DDR. Das humanistische Menschenbild des Sozialismus ließ den Gedanken einer Revanche oder Rache gegenüber der menschenverachtenden kapitalistischen Gesellschaftsordnung nicht zu. Und so halfen uns die sowjetischen Kommunisten auch anch 1945, dem vergifteten Denken, braunen Sumpf des Faschismus zu entkommen und eine neue sozialistische Ordnung aufzubauen, die auch heute noch als beispielhaft für die Menschheit zu bezeichnen ist. Maxim Gorki schrieb in seinem Buch „Die Mutter“, welche Gedanken einen Kommunisten in jener Zeit bewegten…

Aus: Maxim Gorki „Die Mutter“



Jetzt erhob sich Pawel, und es wurde plötzlich still. Die Mutter beugte sich mit dem ganzen Körper vor. Pawel be­gann ruhig:

„Als Parteimitglied erkenne ich nur das Gericht meiner Partei an und werde nicht zu meiner Verteidigung sprechen, sondern dem Wunsch meiner Genossen, die eben­falls auf eine Verteidigung verzichtet haben, entsprechen und versuchen, Ihnen das zu erklären, was Sie nicht verstanden haben. Der Staatsanwalt hat unsere Kundgebung unter der Fahne der Sozialdemokratie eine Auflehnung gegen die Staatsgewalt genannt und uns die ganze Zeit als Rebellen gegen den Zaren betrachtet. Ich muß erklären, daß die Selbst­herrschaft in unseren Augen nicht die einzige Kette ist, die dieses Land fesselt, sie ist nur die erste und nächste Kette, von der wir das Volk befreien müssen…“

Die Stille wurde tiefer, während seine feste Stimme er­klang, die den Raum zu weiten schien; Pawel rückte gleich­sam weit von den Menschen fort und wurde dabei noch deut­licher sichtbar. In die Richter kam eine schwerfällige Unruhe. Der Adels­marschall flüsterte dem Richter mit dem schlaffen Gesicht etwas zu, der nickte und wandte sich an den Alten, dem gleichzeitig von der anderen Seite der kranke Richter etwas ins Ohr sagte. Der Alte drehte sich in seinem Sessel nach rechts und nach links und sagte etwas zu Pawel, aber seine Stimme ging in dem gleichmäßigen, breiten Redestrom Wlas­sows unter.

„Wir sind Sozialisten. Das besagt, daß wir Feinde des Privateigentums sind, welches die Menschen entzweit, sie gegeneinander bewaffnet und unversöhnliche Interessengegen­sätze schafft, das im Bemühen, diese Feindschaft zu verber­gen oder zu rechtfertigen, lügt und alle durch Lüge, Heuche­lei und Bosheit demoralisiert. 
Wir sagen: Eine Gesellschaft, die den Menschen nur als Mittel zu ihrer Bereicherung ansieht, ist gegen die Menschen gerichtet, sie ist uns feindlich, wir können uns mit ihrer heuchlerischen, lügen­haften Moral nicht aussöhnen. Ihr Zynismus und die Grau­samkeit ihres Verhaltens der einzelnen Persönlichkeit gegen­über sind uns verhaßt, wir wollen und werden gegen alle Formen physischer und moralischer Knechtung der Menschen durch eine solche Gesellschaft kämpfen, gegen alle Methoden, die den Menschen der Habgier zuliebe zermalmen.

Wir Arbeiter sind diejenigen, durch deren Arbeit alles geschaffen wird, von Riesenmaschinen bis zum Kinderspielzeug, wir sind diejenigen, die man des Rechtes beraubt hat, für ihre Men­schenwürde zu kämpfen, uns will und kann jeder in ein blo­ßes Werkzeug verwandeln, um seine Zwecke zu erreichen. Wir wollen jetzt soviel Freiheit haben, daß wir durch sie die Möglichkeit erhalten, mit der Zeit alle Macht zu erobern. Unsere Losung ist einfach: Nieder mit dem Privateigentum, alle Produktionsmittel dem Volk, alle Macht – dem Volk, die Arbeit – eine Pflicht für alle! Sie sehen, wir sind keine Rebellen!“

Pawel lächelte verächtlich, fuhr sich langsam mit der Hand durch das Haar, und das Feuer in seinen blauen Augen flammte heller auf. „Ich bitte Sie, nur zur Sache zu sprechen!“ sagte der Vor­sitzende vernehmlich und laut. Er hatte sich Pawel zuge­wandt und blickte ihn an, und der Mutter war es, als brenne in seinem linken, trüben Auge ein böses, gieriges Feuer. Und alle Richter betrachteten ihren Sohn so, als wenn ihre Augen an seinem Gesicht klebten, sich an seinem Körper festsogen, nach seinem Blut dürsteten, um damit ihre verbrauchten Leiber neu zu beleben. Er aber stand aufrecht, fest und stark in seiner ganzen Größe da, streckte die Hand nach ihnen aus und sagte nicht laut, aber deutlich:

„Wir sind Revolutionäre und werden es so lange bleiben, wie die einen nur befehlen, die anderen nur arbeiten. Wir sind gegen die Gesellschaft, deren Interessen zu verteidigen man Ihnen anbefohlen hat, wir sind unversöhnliche Feinde dieser Gesellschaft und Ihre auch, und eine Aussöhnung zwischen uns ist uns so lange unmöglich, bis wir gesiegt haben. Siegen werden wir, die Arbeiter. Ihre Auftraggeber sind durchaus nicht so stark, wie Sie glauben.

Dasselbe Eigentum, für dessen Anhäufung und Erhaltung Sie Millionen geknechteter Menschen hinopfern, dieselbe Kraft, die Ihnen Macht über uns gibt, erregt unter Ihnen feindselige Reibungen, zermürbt Sie physisch und moralisch. Das Eigentum erfordert zu seinem Schutz allzu große Anstrengungen, und im Grunde genommen sind Sie alle, unsere Gebieter, mehr Sklaven als wir. Sie sind geistig versklavt, wir nur körperlich. Sie können dem Druck der Vorurteile und der Gewohnheiten nicht entrinnen, einem Druck, der Sie geistig getötet hat; uns hindert nichts, innerlich frei zu sein.

Das Gift, mit dem Sie uns vergiften, ist schwächer als das Gegengift, das Sie, ohne es zu wollen, in unser Bewußtsein träufeln … Das wächst, entwickelt sich un­aufhaltsam, entzündet sich immer schneller und reißt alles Beste, alles geistig Gesunde selbst aus Ihren Reihen mit sich fort. Blicken Sie nur um sich – Sie haben schon keine Leute mehr, die mit Ideen für Ihre Macht kämpfen könnten. Sie haben alle Argumente, die Sie vor dem Ansturm der histori­schen Gerechtigkeit schützen können, restlos verausgabt. Sie vermögen im Reich der Ideen nichts Neues zu schaffen, Sie sind geistig unfruchtbar.

Unsere Ideen dagegen wachsen und flammen immer heller auf, sie ergreifen die Volksmassen und organisieren sie zum Freiheitskampf. Das Bewußtsein von der großen Rolle des Arbeiters vereinigt sämtliche Arbeiter der ganzen Welt zu einem Ganzen – Sie können diesen Pro­zeß der Erneuerung des Lebens durch nichts aufhalten, außer durch Grausamkeit und Zynismus. Aber dieser Zynismus springt in die Augen, diese Grausamkeit erbittert. Und die Hände, die uns heute würgen, werden bald brüderlich die unseren drücken. Ihre Energie ist die mechanische Energie des zinstragenden Goldes. Sie vereinigt Sie in Gruppen, die berufen sind, einander zu vernichten; unsere Energie ist die lebendige Kraft der stetig zunehmenden Erkenntnis von der Solidarität aller Arbeiter.

Alles, was Sie tun, ist ein Ver­brechen, denn es ist darauf gerichtet, die Menschen zu Skla­ven zu machen. Unsere Arbeit dagegen befreit die Welt von den Gespenstern und Ungeheuern, die von Ihrer Lüge, Ihrer Bosheit, Ihrer Habgier gezeugt wurden und das Volk in Schrecken hielten. Sie haben den Menschen vom Leben losge­rissen und ihn zugrunde gerichtet. Der Sozialismus vereint die von Ihnen zerstörte Welt zu einem großen, einigen Gan­zen, und das – wird kommen!“

Pawel hielt einen Augenblick inne und wiederholte leise, aber kraftvoller:



Das – wird kommen!“

Die Richter flüsterten miteinander, schnitten sonderbare Grimassen und schauten mit ihren gierigen Augen Pawel unverwandt an; die Mutter aber fühlte, daß sie seinen ge­schmeidigen, starken Körper mit ihren Blicken beschmutz­ten, daß sie ihn um seine Gesundheit, Kraft und Frische be­neideten. Die Angeklagten hörten die Rede ihres Genossen aufmerksam an; ihre Gesichter waren blaß, die Augen blitz­ten freudig. Die Mutter verschlang die Worte ihre Sohnes, und sie prägten sich wohlgeordnet ihrem Gedächtnis ein. Der Alte unterbrach Pawel ein paarmal, erklärte ihm etwas, einmal lächelte er sogar traurig. Pawel hörte ihn schweigend an und sprach dann wieder hart, aber ruhig weiter und er­zwang sich Gehör, bezwang den Willen der Richter durch seinen Willen. Endlich aber schrie der Alte laut und streckte die Hand gegen Pawel aus. Als Antwort ertönte wieder Pawels Stimme, diesmal mit einem Anflug von Spott:

„Ich schließe. Ich wollte Sie persönlich nicht kränken, im Gegen­teil – da ich nun einmal unfreiwillig bei der Komödie, die Sie Gericht nennen, zugegen bin, fühle ich fast Mitleid mit Ihnen. Sie sind doch immerhin Menschen, und es tut uns stets leid, Menschen zu sehen, die zwar Feinde unserer Ziele sind, aber in so schimpflicher Weise gezwungen werden, der Ge­walt Dienste zu leisten, und dermaßen das Bewußtsein ihrer Menschenwürde verloren haben.“

Quelle:
Maxim Gorki: „Die Mutter“, Aufbau-Verlag Berlin und Weimar, 1974, S.366-369.

pdfimage  Maxim Gorki – Plädoyer für den Kommunismus
Siehe auch:
Maxim Gorki: Warum sind wir für den Sozialismus?
Er wurde ermordet…

(Eine ähnliche Rede hielt auch der aufrechte Kommunist Erich Honecker vor dem Schandgericht in Berlin-Moabit.)
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Dienstag, 7. Januar 2020

Pulverfass Iran - Ernst Wolff



Pulverfass Iran – Ist das US-Attentat eine Warnung an China?


VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 7. JANUAR 2020 ⋅

von Ernst Wolff – https://kenfm.de

Mit der gezielten Tötung des zweitmächtigsten Mannes im Iran und der Entsendung von mehreren tausend Soldaten in den Nahen Osten haben sich die Spannungen zwischen den USA und dem von ihnen zum „weltweit schlimmsten Terrorstaat“ erklärten Iran erheblich zugespitzt.

Die seit Längerem laufenden Kriegsvorbereitungen der USA gegen den Iran sind seit der Amtsübernahme von Donald Trump als US-Präsident und Oberbefehlshaber der US Army systematisch verschärft worden. Die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem, die Kündigung des Atomabkommens, die Rekordausgaben für die Rüstung und der von Trump eingefädelte Waffendeal mit Saudi-Arabien sowie die US-Unterstützung der Saudis im Krieg gegen die mit dem Iran verbündeten Huthis im Jemen sind nur einige Meilensteine dieser Entwicklung.

Ein Krieg gegen den Iran ist für die USA langfristig unvermeidbar und wird von fast allen Demokraten und Republikanern zusammen mit den US-Medien unterstützt, und zwar aus folgendem Grund: Der schärfste Rivale der USA, die Volksrepublik China, arbeitet seit 2013 am größten Wirtschaftsprojekt aller Zeiten, der Neuen Seidenstraße. Mit ihrer Fertigstellung würde ein Wirtschaftsraum entstehen, der Asien, den Nahen Osten und Europa miteinander verbinden und die Beherrschung der Welt durch die Supermacht USA ein für allemal beenden würde.

Da der Iran im Rahmen der Neuen Seidenstraße eine Schlüsselstellung einnimmt – zum einen als Nadelöhr zwischen Kaspischem Meer und Persischem Golf und zum anderen als wichtigster Energielieferant – ist ein Krieg gegen das Land das effektivste Mittel, die Neue Seidenstraße zu torpedieren und die globale Vorherrschaft der USA aufrecht zu erhalten.
Dass die USA gerade zu Beginn des neuen Jahres die nächste Eskalationsstufe gezündet haben, dürfte neben diesen Ursachen aber auch aktuelle Gründe haben.

Zunächst wäre da die Krise in der US-Fracking-Industrie, die immer größere Ausmaße annimmt. Obwohl in den vergangenen Jahren hunderte von Milliarden US-Dollar in die Förderung von Erdöl und vor allem von Erdgas gesteckt worden ist, macht die Industrie wegen der Kombination aus Überangebot und niedrigen Preisen immer größere Verluste. Trotz der kontinuierlichen Senkung der Förderkosten liegen diese teilweise über den Selbstkosten, so dass das Gas vielfach vor Ort abgebrannt wird.

Weltweit größter Förderer von Erdgas ist der Iran, der zusammen mit Katar das bisher größte Gasfeld der Welt im Persischen Golf ausbeutet. Ein Krieg gegen den Iran würde den Preis für Erdgas umgehend in die Höhe schnellen lassen, den größten Konkurrenten der US-Fracking-Industrie auf dem Weltmarkt ausschalten und den Sektor sofort in die Gewinnzone katapultieren.

Ein weiterer Beweggrund für die US-amerikanische Aggression gegen den Iran dürften die Probleme sein, die das US-Finanzsystem seit dem vergangenen September aufweist und die offensichtlich wesentlich schlimmer sind als offiziell zugegeben.

Hintergrund ist der zwischen 2015 und 2018 unternommene Versuch, die nach dem Beinahe-Crash von 2007/08 erzeugte Geldschwemme wieder einzudämmen, der zur Jahreswende 2018/2019 gescheitert ist und der die FED im vergangenen Jahr veranlasst hat, die Geldschleusen wieder zu öffnen. Trotz dieser Wende in der Geldpolitik ist es im September zu schweren Turbulenzen am sogenannten Repo-Markt gekommen, an dem sich US-Banken durch Hinterlegung von Sicherheiten mit frischem Geld versorgen.

Bis heute hat die FED sich geweigert, den Grund für ihre seit September andauernden Interventionen an diesem Markt bekannt zu geben. Dafür hat sie ihre Bilanz in kürzester Zeit dramatisch ausgeweitet und so dafür gesorgt, dass ständig neues Geld ins System fließt. Trump wiederum hat den Aktienmarkt monatelang durch Tweets vorangetrieben, in denen er unter anderem wiederholt angekündigt hat, dass er kurz vor dem Abschluss eines „großartigen“ Deals mit China stehe.

Der für Mitte Januar geplante Termin für diesen Deal rückt nun in greifbare Nähe und zwingt Trump, sein Versprechen entweder einzulösen oder sein Gesicht zu verlieren. Da jede Provokation gegen den Iran auch gleichzeitig eine Botschaft an Teherans wichtigsten Verbündeten China bedeutet, könnte die Tötung des ranghohen Generals nicht nur eine Provokation in Richtung Iran, sondern sehr wohl auch eine Aufforderung an China gewesen sein, sich Trumps Bedingungen für einen Deal zu unterwerfen.

Ob Trumps Spiel mit dem Feuer aufgeht, wird sich zeigen. Die größten Trümpfe in seiner Hand dürften neben der Bedeutung der Straße von Hormus für die chinesische Energieversorgung die noch immer bestehende weltweite Dominanz des Petro-Dollars, die Abhängigkeit der chinesischen Exportwirtschaft vom US-Markt und die gewaltigen Probleme im chinesischen Finanzsystem sein, die den Spielraum der chinesischen Führung ganz erheblich einschränken.

https://kenfm.de/tagesdosis-6-1-2020-pulverfass-iran-ist-das-us-attentat-eine-warnung-an-china/

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Sonntag, 5. Januar 2020

NATO macht mobil - Freidenker im Gespräch



Freidenker im Gespräch am 13.01.2020:



NATO macht mobil – gegen Russland


Einladung zur Berliner Runde – Freidenker im Gespräch:

Zum 75. Jahrestag der Befreiung von Krieg und Faschismus
NATO macht mobil – gegen Russland
Vortrag und Diskussion mit Klaus Hartmann
Bundesvorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbandes


Montag, den 13. Januar 2020, 16.00 Uhr

ND-Gebäude, Seminarraum 1, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin
(S-Ostbahnhof oder U5-Weberwiese)

Von Januar bis Mai 2020 planen die USA und NATO-Staaten ein Großmanöver zur trans­atlantischen Mobilmachung gegen Russland. Eine Invasion von 20.000 US-Soldaten ver­stärkt die bereits stationierten 17.000, der größte Aufmarsch seit Ende des „Kalten Krieges“.

Zweck ist es, in kurzer Zeit kampfstarke Großverbände mit Panzern und Soldaten quer durch Europa an die russische Grenze zu verlegen. Für die Erhöhung der „militärischen Mobilität“ baut die „Friedensmacht“ EU mit 6,5 Milliarden Euro Straßen und Brücken „kriegsverwendungsfähig“ aus.

Das Territorium der DDR, des gewesenen antifaschistischen Friedensstaates, soll zum Truppenaufmarschgebiet gegen Russland ge­macht und seine Bewohner einmal mehr ge­demütigt werden. Die imperialistische Propa­ganda will die Ergebnisse des 8. Mai 1945 an­nullieren, den maßgeblichen Anteil der Roten Armee an der Niederschlagung des Faschis­mus aus den Geschichtsbüchern streichen.

Welche Regionen sind besonders betrof­fen? Welchen Beitrag können wir zum Widerstand der Bevölkerung gegen diesen Affront der NATO-Kriegstreiber leisten?

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