Freitag, 31. Mai 2019

DIE MÄR der chinesischen SCHULDENFALLE - kritisches Netzwerk



Respekt vor staatlicher Souveränität

Oder: Die Mär der chinesischen Schuldenfalle

von Willy Sabautzki / isw München e.V.

Die China Africa Research Initiative (CARI) an der "Johns Hopkins University School of Advanced International Studies" (SAIS) ist ein Forschungsprogramm, das sich dem Verständnis der politischen und wirtschaftlichen Aspekte der Beziehungen zwischen China und Afrika widmet. Es wurde 2014 ins Leben gerufen mit Sitz in Washington.

SAIS-CARI konzentriert sich auf die Erstellung und Förderung hochwertiger, gut recherchierter und datengestützter Analysen der Beziehungen zwischen China und afrikanischen Ländern. CARI ist u. a. auf die Erstellung evidenzbasierter Analysen spezialisiert, um die wirtschaftlichen und politischen Dimensionen der Beziehungen zwischen China und Afrika und ihre Auswirkungen auf die menschliche Sicherheit und die globale Entwicklung zu verstehen.

Africa-Deborah-Brautigam-Joerg-Kronauer-China-Afrika-Geostrategie-Geopolitik-Neokolonialismus-Kritisches-Netzwerk-Mali-Afrikapolitik-Zukunftsmarkt-Rohstoffwirtschaft

In ihrem Artikel für die New York Times vom 26.April d.J. beantwortet Deborah Brautigam, Professorin der Hopkins Universität und Leiterin von CARI, die Frage, in welcher Weise der politisch-ideologisch motivierte Vorwurf gegenüber China, verschuldete arme Länder u. a. auch in Afrika mit Krediten in eine Schuldenfalle zu locken und somit ihren weltweiten Einfluss gegenüber der westlichen Welt zu stabilisieren. Der aktuelle Anlass dafür ergab sich anlässlich der Zusammenkunft von 150 Staaten in Beijing beim Belt and Road Forum, einer Leistungsschau des weltweiten Infrastruktur-Entwicklungsprojekts "Belt and Road Initiative" (BRI).

Die gezielte Falschmeldung „Diplomatie der Schuldenfalle“

Der Vorwurf gegenüber China, mit dem BRI-Projekt eine „Diplomatie der Schuldenfalle“ zu betreiben und strategischen Nutzen aus der Verschuldung von Staaten zu ziehen, scheint für Prof. Dr. Deborah Brautigam nicht schlüssig und nicht ausreichend durch Fakten belegt. Sie lässt sich legitimer Weise darauf ein, dass die Verschuldung von Staaten im weltweiten Maßstab zunehme und China dabei erstmalig eine Rolle spiele. Mangels eindeutig belegbarer Beweise widerspricht sie aber den Vorwürfen, es gäbe von staatlicher Seite eine Vorgabe für chinesische Banken, durch eine Überbeleihung oder die Finanzierung von anzunehmenden unwirtschaftlichen Projekten strategische Vorteile für China zu organisieren. (> FAZ-Artikel)

Deborah Bräutigam on China’s political concerns in Africa

In umfangreichen Feldforschungen hat Dr. Brautigam zuvor bereits nachgewiesen, dass die vorherrschende und angebliche Weisheit über die Beziehungen Chinas zu afrikanischen Ländern in Frage zu stellen ist. Seit 1957 haben mehr als 45 afrikanische Länder Hilfe aus China erhalten. Bereits in den sechziger Jahren hat die Volksrepublik zahlreiche Entwicklungsprojekte in Afrika mit Finanzierungshilfen durchgeführt. Das bekannteste von allen ist dabei der Bau der Eisenbahnlinie von den Kupferminen Sambias an die Küste Tansanias [1]. Deborah Brautigam lieferte einen ersten aussagekräftigen Bericht über Chinas Erfahrung als Geber von Entwicklungshilfe im ländlichen Afrika. In ihrer detaillierten Analyse erklärt sie, wie Chinas innenpolitische Agenda die Gestaltung seiner Hilfe begründet und wie andererseits die Innenpolitik in afrikanischen Ländern das Ergebnis beeinflusste [2].

Deborah-Brautigam-Will-Africa-Feed-China-Kritisches-Netzwerk-Afrika-foreign-aid-economic-engagement-African-Development-land-grabs-grabbing-food-security-Chinese-agribusinessIm Zeitraum von 2000 bis 2017 hat die CARI Forschungseinrichtung von mehr als 1000 chinesischen Krediten in Afrika Informationen zusammengestellt; das entspricht einem Kreditvolumen von 143 Mrd. US-Dollar. Mit dem gleichen Anspruch der Trennung von Dichtung und Wahrheit hat das "Global Development Policy Center" der Universität Boston seit 2005 chinesische Kreditvergaben an Lateinamerika und die Karibik, mit einem Kreditumfang von über 140 Mrd. US-Dollar, nachvollzogen: Beide Einrichtungen kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass es sich bei der aktuellen Risikoeinschätzung des anlaufenden BRI Projektes um eine überzogene bis fehl- interpretierte Darstellung handelt [3].

Für die Feld-Untersuchungen afrikanischer Kreditnehmer hat CARI spezielle Kreditschuldenprofile entwickelt, in die auch umfassende Statistiken der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) eingeflossen sind. Die Forschungsinitiative kam zum Ergebnis, dass in einigen der 17 vom International Monetary Fund, (engl. IMF) identifizierten Staaten, Kamerun, Äthiopien, China zwar der größte Einzel-Kreditgeber war, aber die Majorität bei anderen ausländischen Kreditgebern lag.

Das erwähnte "Global Development Center", Boston fasste in einer in diesem Jahr abgeschlossenen Studie abschließend zusammen, dass abgesehen von Venezuela, als eine mögliche wichtige Ausnahme, die Kreditvergabe von China allein die kreditnehmenden Staaten keinesfalls über die IMF festgelegten Schuldengrenzen getrieben habe. (> NYT-Artikel) Zugegebenermaßen sei China in seiner Politik der Finanzierung von überwiegend infrastrukturfördernden Projekten ein wichtiger Einflussfaktor auf die weitere Entwicklung in Afrika und Latein-Amerika. Aber eine geschürte Angst, dass China bedürftige Staaten ausplündere, sei unbegründet. Nach Einschätzung von Deborah Brautigam gibt es keinerlei Fakten, die darauf hinweisen könnten, China würde infolge politisch-strategischer Überlegungen gezielt sparsame Kredite vergeben, um damit Staaten in Abhängigkeiten zu zwingen.

Respekt vor staatlicher Souveränität als Prinzip chinesischer Infrastruktur-Projektierung

Über das Kernstück des Chinesischen Masterplans „Made in China 2025“, die Infrastruktur-Projektion der neuen Seidenstraße, eine langfristig nachvollziehbare Planung zur Festigung weltpolitischer Verbindungen, hat das isw mehrfach ausführlich Stellung bezogen; siehe hierzu einige unten verlinkte Artikel und insbesondere isw-report 115.

In Ergänzung dazu erscheint es gerade im Zusammenhang mit dem sich zuspitzenden Handelskonflikt mit der Wirtschaftsmacht USA angebracht, den aus chinesischer Sicht dargelegten Umgang mit souveränen Staaten zu erwähnen. Um die eigene Staatssouveränität und Anerkennung des chinesischen Weges von Staatsführung und gesellschaftlicher Entwicklung zu festigen, folgte China stets den fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz.

„Beijing bestand in der Kooperation mit anderen Staaten stets auf diesen Prinzipien: auf der gegenseitigen Achtung der Souveränität und der territorialen Integrität, auf einem gegenseitigen Nichtangriffsversprechen, auf strikter Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten des jeweils anderen Landes, auf Gleichberechtigung und gegenseitigem Nutzen in den Beziehungen auf friedlicher Koexistenz.“ (> Artikel in The New York Times)

Joerg-Kronauer-Der-Rivale-Chinas-Aufstieg-zur-Weltmacht-und-die Gegenwehr-des-Westens-Kritisches-Netzwerk-Neue-Seidenstrasse-antichinesischer-Wirtschaftskrieg-IndustriestrategieSo beschreibt Jörg Kronauer in seinem im April 2019 erschienenen Buch "Der Rivale - Chinas Aufstieg zur Weltmacht und die Gegenwehr des Westens" den Aufstieg Chinas als den Weg der Ausweitung des Handels mit Japan, den westlichen Volkswirtschaften und in Folge auch mit Afrika zur Absicherung der eigenen industriellen Entwicklung.

Hierfür waren zunehmend die Rohstoffe aus afrikanischen Ländern erforderlich, die im bilateralen Gegenzug zunächst mit Textilien, später mit Maschinen, Elektronikprodukten und günstigen Autos bezahlt wurden. Seit 2009 ist China größter Handelspartner von Afrika mit einem Umfang des afrikanischen Gesamtimports von mittlerweile 22,6 % [4]. Vorwürfe gegenüber China richteten sich infolge der sich ausweitenden Beziehungen zu Afrika u. a. auch gegen ein angebliches Land Grabbing und der Ausplünderung durch chinesische Firmen mit ihren importierten chinesischen Landarbeitern. In den eingangs erwähnten Felduntersuchungen von D. Brautigam waren dafür aber keinerlei Belege zu finden.

Spätestens seit dem abgehaltenen Forum der "Belt and Road Initiative" in Beijing im April d.J. scheint sich das „Dämonisierungs-Gebelle“ gegenüber dem Reich der Mitte in altbekannter Manier zu wiederholen und lauter zu werden. Fakt ist dennoch, dass nach nur einer Dekade nach dem offiziellen Start in 2013 über das gigantische geo-strategische und geo-ökonomische Infrastruktur-Projekt bis 2023 etwa 1, 3 Billionen US-Dollar (die Angaben schwanken je nach Quelle) generiert werden sollen. Mittlerweile beteiligen sich auf Basis bilateraler Verträge und Vereinbarungen über 120 Staaten und Territorien an der chinesischen BRI Kooperation. Absichtserklärungen von weiteren beteiligungswilligen Staaten, darunter die Schweiz, liegen offensichtlich den Projektorganisatoren vor. Einschließlich der Weltbank sind annähernd 30 international agierende Organisationen beteiligt.

Sunzi Manöver: Die Kunst des Krieges. Wahrhaft siegt, wer nicht kämpft

Eines der Schlüsselergebnisse des BRI- Forums dürfte wohl die Darstellung eines geopolitischen Sun Tzu-Manövers - Die Kunst des Krieges. Wahrhaft siegt, wer nicht kämpft – gewesen sein [5]. Damit scheinen sensibel-kritische Beobachter der Szene darauf hinzuweisen, dass es Beijing gelungen sei, für ein einvernehmliches Voranschreiten des Projektes plausible Antworten zu geben auf die Fragen eines tragfähigen Schuldenniveaus, der Anti-Korruption, einvernehmlicher Beratungsprozesse sowie der Zusicherung bilateraler Planungsbeteiligung. (> Artikel auf ASIA TIMES)

Das dargelegte chinesische Investment- und Entwicklungsmodell für die Projektfinanzierung scheint, bei aller gebotenen sensiblen Betrachtungseise, ohne Fallstricke, ohne weitere nicht-transparente Bedingungen, ohne 0815-Gleichschaltung bei der Einzelplanung und ohne Einmischung in die inneren Angelegenheiten der beteiligten Staaten internationalen Projektstandards Stand zu halten. Im fortschreitenden Verlauf der Projektrealisierung wird China sein Selbstverständnis der Anwendung der Prinzipien der friedlichen Koexistenz kontinuierlich beweisen können.

Willy Sabautzki (bitte auch die weiter unten verlinkten Lesetipps (Artikel / Dokumente) beachten - es lohnt sich!)
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[1] Zu den Forschungsgebieten von SAIS-CARI zählen chinesische Agrarinvestitionen in Afrika, chinesische Wasserkraftfinanzierungen in Afrika, das Modell der fliegenden Gänse (auch Fluggänsemodell od. Gänseflugmodell) in der afrikanischen Industrie, chinesische Kredite an Afrika sowie chinesische Direktinvestitionen und Strukturwandel in Afrika. Die Forschung basiert sowohl auf quantitativer Datenerhebung und -analyse als auch auf qualitativer Feldforschung. Infolgedessen hat SAIS-CARI mehrere streng überprüfte Datenbanken zu verschiedenen Aspekten der chinesischen Tätigkeit in Afrika erstellt. Bemerkenswert ist, dass die Initiative im April 2016 ihre exklusive Datenbank chinesischer Kredite an afrikanische Länder startete. Die Ergebnisse dieser Datenbank wurden unter anderem in NPR, The Economist und The New York Times veröffentlicht.

[2] Jörg Kronauer: "Der Rivale. Chinas Aufstieg zur Weltmacht und die Gegenwehr des Westens", 2019, S. 105 >> weiter.

[3] Deborah Brautigam: Will Africa Feed China?, 2015

[4] Jörg Kronauer: "Der Rivale. Chinas Aufstieg zur Weltmacht und die Gegenwehr des Westens", 2019 >> weiter.

[5] Sunzi "Die Kunst des Krieges“ gilt als die früheste beschriebene Strategie. Sunzi mahnte, dass der Krieg und der Kampf möglichst vermieden werden sollte, da er den Staat und das Volk ruiniert. >> Volltext.

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Deborah Brautigam: Will Africa Feed China? (Dauer 19:06 Min.)

Professor Deborah Brautigam, a the leading expert on China in Africa. She is the Bernard L. Schwartz Professor of International Political Economy at Johns Hopkins University, and her teaching and research focus on international development strategies, governance, and foreign aid. She regularly advises international agencies and governments on China-Africa economic engagement. Professor Brautigam is the author of "The Dragon’s Gift: The Real Story of China in Africa and Chinese Aid and African Development: Exporting Green Revolution".

We talk with her about her new book, "Will Africa Feed China?" It focuses on the question of “land grabs”, food security, and Chinese agribusiness investment in Africa. Episode November 4, 2015. pin_green.gifChina Africa Research Initiative 5th Annual Conference - Catalysts, Competition and Learning - Day 1 (Dauer 8:37.07 Std.!)

► Quelle: Erstveröffentlicht am 21. Mai 2019 bei isw-München >> Artikel. Die Bilder und Grafiken sind nicht Bestandteil des Originalartikels und wurden von KN-ADMIN Helmut Schnug eingefügt. Für sie gelten ggf. andere Lizenzen, s.u..

► Helmut S. - ADMIN



Donnerstag, 30. Mai 2019

Ein Pils zum Vatertag - ein Gruß von ALEX


Ein Pils zum Vatertag
Von User ALEX, Mitautor von „EISZEIT-BLÜTEN“
Lieber Harry, die Wochen des künstlich für das Leben in der europäischen Gesellschaft als wichtig hoch stilisierten Wahl - und Propaganda - Rummels sind ja nun endlich vorüber. Das große Wunden-Lecken ob der vermeintlichen Ursachen und die Suche nach den Verursachern der Ergebnisse hat begonnen. Ein Jammern und Wehklagen hebt an und man könnte direkt mitleidige Gefühle für die Akteure empfinden. Ich nicht, lieber Harry! Ich habe zwar keine Lust mehr zum kommentieren. Aber umso mehr freue ich mich täglich morgens zwischen Morgentoilette und Frühstück über die Beiträge im Cleo - Schreiber - Blog . Ich lese sie alle! Die von Dir eingestellten Beiträge sind für mich ein erstklassiges geistiges Frühstück und ganz nach meinem Geschmack. Ich merke da täglich, dass meine politischen Geschmacksrezeptoren noch funktionieren. Nimm dafür nur das eine Beispiel: Hermann Plopas ´ GELIFTETE JUGEND UND ALTE SCHINKEN FÜR STRASSBURG. Das ist eine wirklich „brillante Analyse der Verblödung". Und die dazugehörige Lachnummer des Herrn Bundespräsidenten zum Grundgesetz-Jubiläum ist ein Musterbeispiel dafür, wie weit die dem Mainstream folgende Verblödung schon gediehen ist und mißbraucht wird. Und das bei Kaffee und Kuchen vom höchsten deutschen Repräsentanten.

Aber was mir heute noch so durch meine grauen Zellen unter der Schädelkalotte schwirrte? Die alten Kampflieder der Arbeiterklasse, die wir als Soldaten der KVP und der NVA so oft und mit Begeisterung sangen. Da waren doch jede Menge Texte auch aus und für die Sozialisten, und dazu gehörten ja auch die SPDler, entstanden.
Wo sind sie geblieben ?

Wann singt man denn wieder - und handelt danach: Brüder zur Sonne zur Freiheit. Dem Morgenrot entgegen, ihr Kampfgenossen all. Meines Wissens singt nur noch der Ernst-Busch-Chor - Spaniens Himmel breitet seine Sterne - Auf auf zum Kampf, zum Kampf sind wir geboren, Durch´s Gebirge, durch die Steppe zog...

Vor ca 15 Jahren sangen in der U-Bahn-Station Kurt-Schuhmacher- Platz ein russisches Strassen-Sänger - Paar das Partisanen - Lied zu den Klängen ihres Bajans. Als ich das vernahm, hat´s mich gepackt und ich sang mit. Otschen Karascho, Towarisch! Das war toll. Zwei Russen und ein Deutscher im tiefen Westen Berlins.

Mensch Harry, SCHÖN, DAS ERLEBT ZU HABEN. Noch schöner, wenn das auch unter Zar Putin nicht verboten wurde und gelegentlich noch erklingt .

Meine Zeilen veröffentlichen? Ja, ALEX stimmt Dir zu! Mach was draus als Geschenk zum Vatertag. Und zum Wohl - ein Berliner Pils!
ALEX

Dropsrollen - Leseprobe (11)


SOLDATEN FÜR DEN FRIEDEN (Teil elf)

Leseprobe aus „AUSBRUCH AUS DER STILLE. Persönliche Lebensbilder“ im 70. Jahr der Gründung der DDR am 07. Oktober 1949

Der Autor Harry Popow wurde 1936 in Berlin-Tegel geboren, wuchs in der DDR auf, arbeitete als Militärjournalist im Dienstgrad Oberstleutnant in der NVA und betätigt sich heute als Blogger, Buchrezensent und Autor. Er ist seit 1961 sehr glücklich verheiratet.



    1. Die Heiligabend-Dropsrollen



    2. Pinnow 1957. 18.45 Uhr. Dem Kalender nach weiß Henry, dass heute Heiligabend ist. Bis 18 Uhr hatte er Dienst. Die Stube im Ledigenheim ist kalt, er ist als Lediger alleine auf der Bude, die anderen haben Urlaub. Henry heizt den Kachelofen. Auf dem Tisch ein Weihnachtsteller, den er von der Regimentsküche mitgebracht hat: Brot, Butter, Wurst, u.a. zwei Dropsrollen, das sind runde Bonbon, sie sehen aus wie große Tabletten und schmecken sehr süß. Wie gerne hätte er seine Mutter, seine Geschwister beschenkt ... Nur nicht rührselig werden. Kopfarbeit gegen Herzschmerz – wieder einmal siegt die reine Vernunft. Nein, er ist nicht unglücklich. Wie viele mussten früher den Heiligabend im Schützengraben verbringen ... Und jetzt? Also, was will man noch mehr! Er zieht die Uniform aus und schlüpft in den Trainingsanzug. Er hat Hunger, hat den ganzen Tag noch nichts gegessen. Zwei Briefe kamen heute, von zu Hause und von Marlis, einer Freundin aus Leipzig. Der Kachelofen wird langsam warm. Den mit einer sauberen geblümten Tischdecke verzierten Tisch rückt Henry ganz nahe an den Ofen heran, um essen und dann schreiben zu können. Seine zehn Nüsse knackt er alle hintereinander. 21.35 Uhr. Klaviermusik von F. Schubert. Wunderbar, er würde auch gerne spielen können, hat aber – das spürt man eben - absolut kein Talent.

      Musik hören und lesen – das sind seine wichtigsten Freizeitbeschäftigungen. So zum Beispiel „Das Chagrinleder“ von Honore de Balzac. Von Seite 133 schreibt er sich dieses Zitat heraus: „In diesem luftigen Grabe lebte ich etwa drei Jahre und arbeitete rastlos Tag und Nacht mit soviel Freude, dass mir das Studium die schönste Aufgabe, die glücklichste Lösung des menschlichen Lebens zu sein schien.“ Der junge Mann will seine Gedanken dazu festhalten. Er schreibt: Große Geister leben, um arbeiten zu können. Es bereitet ihnen Genuss, etwas nützliches für die Gesellschaft zu leisten. Sehr glücklich müssen Menschen sein, die mit Wenigem zufrieden sein können. Das Glück: Es ist bekannt, dass sich gefühlskalte Menschen gegenüber Gefühlsausbrüchen und Schwärmereien oft überlegen fühlen. Können jene aber noch tiefes Glück empfinden? Henry überkommt es: Er will sich an einem Drama versuchen. „Roberto oder die Rebellion des Geistes“ oder so ähnlich. Aber er hat keine Ahnung, wie man so etwas anstellt. Eines aber ist klar: Die Gefühle, die müssen raus, Hauptsache, man nimmt sich etwas vor, lässt es nicht zur geistigen Verödung kommen.

      Jahresende 1957. Am Abend notiert Henry: Ausnahmsweise mal wieder nette Leute gesehen. Beim Konzert im Klub. Ein Orchester brachte uns die 9. Sinfonie von Beethoven in die Wildnis. Augenblicke des Vergessens und der Hoffnung. Und jetzt will ich essen. Neulich sagte mein Zimmerkumpel, Leutnant Ko., zu mir: „Wenn es so einfach wäre, dass Frieden überall auf der Welt allein von mir abhinge, dann würde ich dafür mein Leben geben.“ Seine Worte sind ganz ehrlich gemeint, gehen mir zu Herzen. Und was brachte das Jahr mir? Dazu blättere ich in meinem Taschenkalender der NVA und schaue mir die Notizen an: Meine Bücher: sechs Bände Heine, drei Bände Goethe, 1. Band „Zur deutschen Geschichte“ von Engels, „Der Finanzier“ von Th. Dreiser, „Junggesellenwirtschaft“ (Balzac), „Ein Held unserer Zeit“ (Lermontow), „Stärker wie der Tod“ (Maupassant), „Rot und Schwarz“ und „Über die Liebe“ (Stendhal), „Lehrjahre des Gefühls“ (Flaubert), „Shakespeare Gestalten“ und andere. 15. Februar: Faschingsabend mit der DAKO. Cleo kennengelernt. Vom 16. bis 30. September Prüfungen an der Offiziersschule. 18. Oktober: Mit Marlis und Ute in „Hoffmanns Erzählungen“. 19. Oktober: Film „La Strada“ gesehen. Ende des Urlaubs in Leipzig. Auf Seite 91 des ersten Kalenders der NVA ein Foto mit folgender Unterschrift: „Garmisch-Partenkirchen; heute noch Tummelplatz amerikanischer Besatzer. In einem wiedervereinigten Deutschland Erholungszentrum der Werktätigen.“ Diesen Kalender werde ich mir aufheben.

      Im Kinosaal des Regimentes. Alle Offiziere sind versammelt. Vor sich die VS-Bücher (Geheime Verschlusssachen), die nur für dienstliche Aufgaben vorgesehen sind. Aber so toll ist das Gesagte dann doch nicht. Informiert werden die Vorgesetzten nämlich über einen Beschluss des Politbüros vom 14.1.1958. Es geht darum, eigene Vorstellungen über die Einheit von politischer und militärischer Führung, sprich Einzelleitung, zu entwickeln. (Der Hintergrund, den aber kaum jemand kennt: Man will nicht den Praktiken in der Sowjetarmee folgen; Offiziere sind schließlich keine gesonderte „Klasse“, die wie Alleinherrscher schalten und walten können, die DDR ist gegen die Anmaßungen der vielen „kleinen Shukows“, gegen Überheblichkeit und Selbstherrlichkeit, gegen zunehmenden „Bonapartismus“, wie Jahrzehnte später nach 1989 in dem Buch „Rührt euch! Zur Geschichte der NVA“, Seite 421, nachzulesen sein wird.)

    3. Also haben sich die Kommandeure mehr auf das Kollektiv zu orientieren, heißt es, auch sollen sie die Meinung des jeweiligen Politstellvertreters einholen, wenn es die Umstände erlauben. Henry und die anderen Offiziere nehmen das mit Verständnis zur Kenntnis, sie sind schließlich eine sozialistische Armee – aber was das für jeden Vorgesetzten bedeuten würde, für sein menschliches und politisches Urteilsvermögen, für seine Charakterbildung, das sollte sich als große Herausforderung erweisen. dass das der springende Punkt war, der immer wieder zu Auseinandersetzungen führte mit arroganten Leuten, mit Nichtkönnern – das hat Henry in den folgenden über dreißig Jahren in der Armee immer wieder persönlich erlebt. (...)

    4. Brief von Cleo? Ihre Schrift erkennt er von weitem, wenn der Hauptfeldwebel der Kompanie die Post geholt hat. Dann fängt Henry innerlich an zu zittern, so spannend ist es für ihn. Aber die Briefe sofort zu öffnen, das fällt ihm nicht ein. Nein, er wartet bis zum Abend. Legt sich nach dem Abendessen aufs Bett, schaltet leise Musik ein und das Nachttischlämpchen, schaut, dass ihn niemand stört und liest ganz langsam, jedes Wort abtastend, ja, genießend: „Gestern kam Dein Glückwunsch. Du kannst mir glauben, dass Du mir eine große Freude damit gemacht hast, erstens weil es unerwartet kam und zweitens etwas besonderes war. Du bist eben ein sehr aufmerksamer und vornehmer Mann, das hast Du Deinen gleichaltrigen Genossen voraus. Ansonsten bist Du also noch in Pinnow und nicht vor Langeweile gestorben? Wie Du weißt, war ich zur Schauspielprüfung in Berlin. Ich kann nur sagen, dass es einfach toll war. 1. habe ich 3 Tage lang 150,-Mark gebraucht, jetzt bin ich vollkommen blank. Berlin ist eben furchtbar teuer, aber herrlich. Dort müsste man wohnen. Du kennst ja Berlin, Henry? 2. An der Schule dort sind den früh 67 Personen geprüft worden, davon sind 10 in die engere Auswahl gekommen. Unter den zehn war ich auch. Von den zehn haben sie dann drei Jungen und zwei Mädchen genommen. Leider war ich nicht dabei. Man muss eben direkt an der Quelle sitzen und Beziehungen haben. Die zwei, die sie genommen haben, waren nämlich Schülerinnen der Helene Weigel. Aber ich war trotzdem gut, wie die Kommission sagte. Nun ja, geht eben wieder von vorne los, mal wird es schon klappen.“ 

      In einem weiteren Brief heißt es: „Ich will mich unbedingt bedanken für das wunderbare Geburtstagsgeschenk. Henry, stell Dir vor, ich hatte nämlich noch gar keinen Geburtstag. Du hast Dich um einen ganzen Monat versehen, ich habe nicht am 14. März, sondern am 14. April Geburtstag. Ich muss Dir schildern, wie Dein Fleurop-Geschenk kam. Ich wollte eben mit Jutta ins Theater gehen, stand im Unterrock im Flur, plötzlich klingelt es. Ich rufe ‚Moment, ich muss erstmal ein Kleid anziehen‘, natürlich hat man vor der Tür gelacht. Weißt Du, was ich bekommen habe? 6 große Stengel weißen Flieder von Dir. Henry, ich habe mich wirklich so gefreut, dass ich kurz vor halb acht erst fortgekommen bin und gerade so im Dunkeln noch durch die Reihe schleichen konnte. Henry, ich kenne mich nicht aus, aber der Flieder muss Dich doch sehr viel gekostet haben. Bin ich denn das Dir wert?“ Und ein anderes Mal meint Cleo: „Du beschäftigst Dich viel mit Büchern, das ist gut. Ich habe mir jetzt eine Kleist-Kassette bestellt, muss 4x monatlich 10 DM abbezahlen. Wenn ich das abbezahlt habe, lege ich mir noch die Klassikerkassette mit Goethe-Schiller-Lessing und Herder zu. Ich kann das gut für meine Weiterarbeit verwenden. Das Ihr nach Leipzig zieht, ist toll, es war ja schon immer Deine Wunschstadt, mir persönlich auch am sympathischsten von allen DDR-Städten.“

      Früh 3.40 Uhr. Nachtwache. Blick aus dem Fenster in die dunkle Ebene. Stumm und dunkel heben sich die langen Kiefernstämme gegen den sich erhellenden Horizont ab. Erste Vogellaute. Die Luft ist frisch und rein. Vor Tagen hatte der junge Zugführer die Paradetage in Berlin noch einmal Revue passieren lassen. Diesmal war er nicht zu Fuß auf dem Marx-Engels-Platz, sondern per Schützenpanzerwagen. Erneut hatte ihn die Parade stark innerlich bewegt. Und so schrieb er denn ein „Gedicht“, eine „Ballade“, wie er sein vermeintliches Kunstwerk nannte und sandte es an die Wochenzeitung „Volksarmee“. Mal sehen, was die antwortet ...

      Die ließ nicht lange auf sich warten und holte ihn vom hohen Pferd wieder auf den Boden zurück: „Werter Genosse Popow! Wir erhielten Ihren Brief mit dem Gedicht ‚Parade‘, worin Sie uns um ein Urteil über Ihre Arbeit baten. Zunächst einmal verrät jede Zeile, dass ihr Verfasser mit dem Herzen bei der Sache war und das ist gut. Weniger gut ist es natürlich, eine ‚Schnelldichtung‘ - Sie schrieben diese Zeilen in zehn Minuten - nicht mehr zu überarbeiten. (...) Unser unvergessener Peter Nell sagte einmal: ‚Warum denn gleich Gedichte, sag’s lieber mit einer Geschichte!‘ Mit sozialistischem Gruß, Gustav J.! ...“
      Zum Inhalt

    Ausgangssituation ist Schweden und in Erinnerung das Haus in Berlin Schöneberg, in dem die Ziebells 1945 noch wohnen. Der Leser erfährt zunächst, wer die Eltern waren (seine Mutter stammt aus Moskau), berichtet kurz vom Evakuierungsort 1943/44 in Pommern, von der Rückkehr in das noch unter Bombenhagel liegende Berlin (Schöneberg), von den Eindrücken nach Kriegsende und vom Einleben in der neuen Gesellschaft, dabei auch von einer Begegnung der Jungen Pioniere mit Wilhelm Pieck.

    Die Lehrzeit wird skizziert mit der Arbeit im Zwickauer Steinkohlenrevier, mit Tätigkeiten in der Geologischen Kommission der DDR und mit dem Besuch der Offiziersschule der KVP/NVA in Erfurt und in Plauen i.V., wo er seine spätere Frau kennenlernte.

    Wie lebt ein junger Offizier in der Einöde im Nordosten der DDR, welche Gedanken und Gefühle bewegen ihn? Darum geht es in den nächsten Aufzeichnungen seiner Impressionen. Seine Träume führen ihn mitunter weg vom Kasernenalltag und so nimmt er die Gelegenheit wahr, für fünf Monate im Walz- und Stahlwerk Eisenhüttenstadt als einfacher Arbeiter tätig zu sein.

    Durch Versetzungen gelangt er nach Potsdam. Dabei kommen Querelen des Alltags als Ausbilder und später als Politoffizier nicht zu kurz. Ein Glücksfall für ihn, als er nach Neubrandenburg in einen höheren Stab als Redakteur berufen wird. Er beginnt ein Fernstudium als Diplomjournalist an der Karl-Marx-Universität in Leipzig. Inzwischen ist er längst glücklich verheiratet. Die Höhen und Tiefen eines Militärjournalisten – die zwingen ihn, vieles neu zu überdenken. Vor allem als einstiger Ausbilder gelingt es ihm, die Probleme der Soldaten immer besser zu verstehen und sie bildhaft zu schildern.

    Die spätere Arbeit als Abteilungsleiter in der Wochenzeitung „Volksarmee“ macht ihm nicht nur Spaß, er nimmt auch Stellung gegen Ungereimtheiten, was ihm nach der Entlassung aus dem aktiven Armeedienst und der Tätigkeit als Journalist im Fernsehen der DDR nicht nur böse Blicke einbringt. So fährt er im September 1989 seiner Tochter nach Ungarn hinterher, um herauszukriegen, weshalb sie mit ihrem Partner abgehauen ist; er gibt ihr dabei das Versprechen, sie in keiner Weise als Tochter zu verurteilen. Nach seiner Rückkehr wird er mit einer Parteistrafe gerügt, die Wochen später angesichts der vermeintlichen Verstöße und Fehler durch die Politik nicht mehr relevant scheinen und wieder gestrichen wird. Auf Unverständnis stößt er auch bei seinen Mitarbeitern, als er nach der Teilnahme an der Dokumentarfilmwoche1988/89 in Leipzig angeblich nicht die erwarteten Schlussfolgerungen zieht.

    Nach der Wende: Versuche, arbeitsmäßig Fuß zu fassen, u.a in Gran Canaria und in einer Steuerfirma. Die Suche nach Alternativen, günstiger zu wohnen, sowie die Sehnsucht nach Ruhe führt das Ehepaar nach Schweden.

    Episoden aus dem Dorfleben und von vielen Begegnungen, so z.B. bei der Geburtstagsfeier einer siebzigjährigen Schwedin, machen den Alltag und die feierlichen Momente in der „Stille“ nacherlebbar. Keine der in der DDR erlebten Widersprüche und politischen Unterlassungssünden wirft den überzeugten Humanisten aus der Bahn, wogegen die Kapitaldiktatur mit ihren hörigen Medien, politische Manipulationen und Lügen im angeblich so demokratischen Deutschland ihn aufbringen – er bleibt ein Suchender!

    Harry Popow: AUSBRUCH AUS DER STILLE. Persönliche Lebensbilder in Umbruchzeiten. © Copyright by Harry Popow, Verlag: epubli, Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin, Erscheinungsdatum 18.02.2019, ISBN: 9783748512981, Seiten: 500, Preis: 26,99 Euro














Dienstag, 28. Mai 2019

Die Strategie des Kapitalismus - Patrik Köbele



Pressemitteilung der DKP zum Ausgange der EU-Wahl 2019


Anerkennung für die Strategie der herrschenden Klasse


Von Patrik Köbele

Zum Ausgang der EU-Wahl erklärt Patrik Köbele, Vorsitzender der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP): Es ist den Herrschenden mit einer Kampagne von Politik, Medien und Konzernen gelungen, die EU-Wahl 2019 zu einer Schicksalswahl zu erklären und eine, für EU-Wahlen, außergewöhnlich hohe Wahlbeteiligung zu erreichen. Die EU ist zentraler Bestandteil der Strategie der herrschenden Klasse in Deutschland. Man muss anerkennen, dass es ihr gelungen ist, die große Mehrheit der Menschen in diese Strategie einzubinden.

Das gelang auch durch eine tiefgehende Umgruppierung im Lager der bürgerlichen Parteien. SPD und CDU wurden einmal mehr abgestraft. Die Krise der SPD beschleunigt sich. Die Grünen wurden im Westen zur neuen Volkspartei. Ihnen hängt immer noch der Ruf einer Alternative an, obwohl sie die kriegerische und antisoziale Politik des deutschen Imperialismus voll mitträgt.

Natürlich hat es den Grünen geholfen, dass die Gefahr der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen, unter anderem durch „Fridays for future“, stark ins Massenbewusstsein gerückt worden ist. Aber auch für diesen Widerspruch der kapitalistischen Produktionsweise bieten sie letztlich nur Antworten, die im Interesse der größten Teile des deutschen Monopolkapitals liegen. Sie werden eine Politik forcieren, die grüngetünchten Kapitalismus von den Menschen bezahlen lässt.

Die EU-Wahl hat erneut aufgezeigt, dass Deutschland nach wie vor in Ost und West geteilt ist. Im Osten hat die Linkspartei ihren Status als Volkspartei nahezu eingebüßt. Die Menschen trauen ihr die Rolle als Verteidigerin der sozialen und demokratischen Rechte nicht mehr zu. Dazu beigetragen haben dürfte auch ihr Wechsel zu den EU-Befürwortern. Von diesem Vakuum profitiert die AfD. Sie gibt sich als Protestpartei, während sie in zentralen Fragen wie der NATO-Mitgliedschaft die Politik des deutschen Monopolkapitals genauso mitträgt wie die wesentlichen Grundprinzipien des militaristischen, neoliberalen und undemokratischen EU-Konstrukts.

Hinsichtlich des befürchteten Rechtsrucks hat die führende Kapitalfraktion des deutschen Monopolkapitals im Vorfeld der Wahl deutlich gemacht, dass die AfD (noch) nicht ihre Hauptoption, wohl aber ein gern gesehener Druckfaktor ist. Diese Orientierung führte mit zur hohen Wahlbeteiligung und zum Erfolg der Grünen. Im Lager der Parteien von CDU über Grüne, SPD und FDP werden nun die Karten neu gemischt. Welche Folgen dieses Ergebnis für die Große Koalition hat ist unklar. Klar ist aber, dass es derzeit auf Bundesebene keine Optionen für Konstellationen gibt, die weniger Aggressivität nach innen und außen bedeuten.

Bei den Europawahlen hat auch die Partei Die Linke deutlich verloren, während sie bei den Landtagswahlen in Bremen deutlich hinzugewonnen hat. Letzteres wird möglicherweise dazu führen, dass auch das Modell SPD, Grüne, Linke seinen Durchbruch als Option der Verwaltung der Herrschaftsinteressen in Deutschland findet.

Unser Abschneiden, das Wahlergebnis der DKP, ist unbefriedigend. Trotz guter Ansätze im Wahlkampf haben wir im Verhältnis zur letzten EU-Wahl ein Fünftel der Stimmen eingebüßt. Unsere grundsätzliche EU-Kritik war und ist richtig. Sie war die linke Alternative zur EU-Euphorie und damit zur Einbindung der Massen in einen zentralen Punkt der Herrschaftsstrategie des deutschen Monopolkapitals. Wir stellten uns fast allein der Lüge, dass die EU Europa 70 Jahre Frieden gebracht hätte, entgegen. Aber offensichtlich konnten wir unsere Inhalte nicht vermitteln und uns nicht als wirksame Kraft präsentieren. Auch diejenigen, die der Linkspartei wegen ihres Pro-EU-Kurses den Rücken gekehrt haben, konnten wir nicht überzeugen. Wir haben auch zu wenig deutlich gemacht, dass in der stark diskutierten Frage der Umweltzerstörung die EU nicht Lösung, sondern Mitverursacher ist. Das führte mit dazu, dass vor allem junge Menschen, die nach Alternativen suchen, diese in uns nicht sahen. Eher wählten sie mit der PARTEI noch eine Gruppierung, die Zustände sarkastisch anprangert, aber keine Alternative ist und sein will.

Wahlergebnisse sind ein Gradmesser der Verankerung. Unser Wahlergebnis hat die Schwächen unserer Verankerung drastisch aufgezeigt. Das muss sich ändern, das ist die zentrale Botschaft unseres schlechten Abschneidens.

Dafür war der Wahlkampf auch ein Mittel. Wir sind an vielen Orten mehr nach außen gegangen, viele Gliederungen haben öffentliche Veranstaltungen und Aktionen durchgeführt, Materialien wurden massenhaft verteilt, neue Mitstreiterinnen und Mitstreiter für die DKP wurden gewonnen. Dafür danken wir allen Genossinnen und Genossen, allen Freundinnen und Freunden, die sich engagiert haben. Und natürlich auch unseren Wählerinnen und Wählern!

Die Ergebnisse unserer Schwesterparteien sind uneinheitlich. Eine detaillierte Auswertung können wir bis heute nicht vornehmen. Vorläufig gratulieren wir Der PTB in Belgien, der AKEL in Zypern und der KKE in Griechenland zu erfolgreichen Wahlkämpfen.








Runderneuerung von unten - Linke Zeitung



Geliftete Jugend und alte Schinken für Straßburg


VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 28. MAI 2019


von Hermann Ploppa – https://kenfm.de

„Schicksalswahl“: Am Wahlsonntag lag das Unterste zuoberst und das Oberste zuunterst. Neben den traditionell langen Gesichtern bei den kaum noch darstellbaren Sozialdemokraten nun auch noch lange Gesichter bei den traditionell konservativ Halbrechten. Die TV-Moderatoren fragten uns, ob es wohl noch einmal reichen würde zu einer Mehrheit für die alten Kumpels von halbrechts konservativ und sozialdemokratisch. Spannend, spannend, denkt sich vermutlich der Zuschauer am heimischen Bildschirm und kann sich gar nicht vom Fernsehsessel lösen, um das Klo aufzusuchen.

Äh, worum geht’s denn eigentlich? Richtig, um nichts. Um rein gar nichts. Denn das Europa-Parlament hat überhaupt gar nichts zu entscheiden. Das Europa-Parlament kann noch nicht einmal von sich aus Gesetze auf den Weg bringen. Die Straßburger Parlamentarier dürfen lediglich die aus Brüssel von der EU-Kommission heruntergereichten Beschlüsse abnicken. Wenn sie das nicht tun, auch egal. Das Europa-Parlament kann immerhin einen von Brüssel vorgeschlagenen EU-Kommissionspräsidenten ablehnen. Wow! Und dafür sitzt Ihr geschlagene fünf Jahre in Straßburg? Lol!

Zu einer Demokratie gehört zwingend eine Dreiteilung der Macht zwischen Exekutive (das ist die Regierung), der Legislative (dem Parlament) und der Judikative (der – das ist wichtig: unabhängigen Gerichte). Aber: hat man schon mal gehört, dass ein Parlament etliche hundert Kilometer von der Regierung entfernt residiert? Der Bundestag in Bonn, die Bundesregierung in Berlin? Aber das Europa-Parlament dämmert im verschlafenen, weintrunkenen Elsass, in Straßburg, vor sich hin, während die Regierung Europas im geschäftigen Brüssel herumwuselt. Es kümmern sich um unsere 751 europäischen Volksvertreter sage und schreibe 25.000 zugelassene Lobbyisten. Ist das nicht rührend?

Es ist also nicht weiter verwunderlich, wenn bei dieser Europawahl äußerst kuriose Ergebnisse herauskommen: In Großbritannien hat eine Brexit-Partei aus dem Stand über ein Drittel der Wähler gewinnen können, während sich die regierende Konservative Partei mit kaum noch darstellbaren 8.71% auf dem vierten Platz wiederfindet, und auch die oppositionelle Labour-Partei sich auf Platz drei mit kläglichen 14.05% zufrieden geben muss. Bei der Wahlbeteiligung gibt es ein klares West-Ost-Gefälle. Riga ist nun mal verdammt weit weg von Straßburg. Und insgesamt hat wieder einmal lediglich die Hälfte aller wahlberechtigten EU-Bürger überhaupt an der Wahl teilgenommen.

Welche Möglichkeiten zur Artikulation der eigenen Wünsche haben denn die Menschen draußen im Lande bei dieser Wahl zu einem fast vollkommen macht- und funktionslosen Parlament? Die Alten wählten rechts oder rechts-“populistisch“. Die Jungen wählten ökologisch-umweltrettend oder gar polit-satirisch (also in Deutschland die Witzpartei Die Partei). Die Mainstreampresse stempelte uns entweder zu Europa-Freunden (wenn wir die gewünschten Parteien wählten) oder zu Europa-Feinden (wenn wir die unerwünschten Parteien gewählt haben). Kein Wunder, dass sich so ein diffuses Stimmungsbild ergeben hat.

Ich sag mal so: ich bin auch für Europa. Aber das Europa, das von abgehobenen Eliten nach dem Zweiten Weltkrieg am Reißbrett entworfen wurde, ist nicht mein Europa. Denn nach dem Krieg hat die Regierung der USA den obskuren Geheimdienst CIA damit beauftragt, Westeuropa zu einem antikommunistischen Staatenbund zusammenzuschweißen. Dafür wurden synthetische, scheinbar unabhängige Organisationen wie die Americans for a United Europe (ACUE) gegründet, die reichlich Geld in eine synthetische Bewegung für ein geeintes Europa ausgeben konnte. Entstanden ist eine neue, nicht von unten her legitimierte Europa-Regierung, die mittlerweile als gigantischer Moloch immer mehr Entscheidungskompetenzen von den nationalen, demokratisch legitimierten Regierungen absaugt. Im undurchdringlichen Brüsseler Dschungel haben Eurokraten das Sagen, die von niemandem gewählt sind. Die sich ganze Regierungsprogramme von privaten Stiftungen und Thinktanks wie der Bertelsmann-Stiftung vorkauen lassen, und den Brei dürfen wir Bürger dann auslöffeln. Friß‘, Vogel oder stirb‘. Dabei werden ungefragt marktradikale Glaubenssätze in die Politik eingewoben, die Grundsätze wie soziale Verantwortung und Solidarität geradezu in die kriminelle Ecke stellen. Vor wenigen Jahren wurde dieser gar nicht demokratische Skandal noch thematisiert. Mittlerweile hört man kaum noch ein Wort grundsätzlicher Kritik. Ich will ein Europa, in dem zunächst einmal grundsätzlich diskutiert wird: wollen wir überhaupt Macht an eine supranationale Behörde abgeben? Wenn ich das frage, bin ich wohl schon „Rechtspopulist“. Im Moment nähern wir uns jedoch einem Zustand, in dem der Nationalstaat ungefragt demontiert wird. Man kann sagen über den Nationalstaat was man will. Aber eines ist doch klar: gegen die neofeudale Übermacht der globalen Konzerne ist der Nationalstaat der letzte Großorganismus, den man noch umfunktionieren könnte zu einem Abwehrapparat gegen die Versklavung in der Schönen Neuen Konzernwelt.

Schlägt sich das in irgendwelchen Debatten noch nieder? Nö! Denn auch die europäische Linke nuschelt nur noch brav vor sich hin. Die Quittung erhielt unter anderem die deutsche Linkspartei, die ihre rote Sahra weggebissen hat. Frau Wagenknecht hatte ja auch Fundamentalkritik am Brüssel/Straßburger Moloch geübt. Das geht nun offenkundig gar nicht mehr. Blieben also scheinbar nur die Grünen, die wenigstens dafür kämpfen, dass wir in ein paar Jahren überhaupt noch Sauerstoff atmen können. So wurde es zumindest angepriesen. Wer allerdings in einem Bundesland lebt, wo die Grünen in der Regierung sitzen, erlebt es allerdings ganz anders. „Staatsmännische Vernunft“ siegt über Umweltschutz. Ob Garzweiler, ob Stuttgart21: mit den Grünen kriegen die Konzerne einfach alles durch, was sie mit den Altkonservativen schon lange nicht mehr durchdrücken können. Ist die Verzweiflung und Verunsicherung so groß, dass die Menschen draußen im Lande das schön weit verdrängen? Vor allen Dingen sind die Grünen eine NATO-Partei. Schon vergessen, wie die Grünen Schaum vorm Mund hatten, als Guido Westerwelle die deutsche Zustimmung zum völkerrechtswidrigen Überfall auf Libyen im Weltsicherheitsrat verweigert hat? Wie Frau Marieluise Beck und ihr Göttergatte Ralf Fücks von den Grünen mit den amerikanischen Neocons unisono zum Krieg gegen Russland trommeln?

Ach so, ja. Das Europa-Parlament hat doch wahrscheinlich auf Druck der Grünen empfohlen, Trinkhalme, Geschirr und Wattestäbchen aus Plastik ab 2021 zu verbieten. Aber Glyphosat finden die Euro-Parlamentarier in Ordnung bis mindestens 2022. Und die Sanktionen gegen Russland sollte man weiter verschärfen, finden die Dickbäuche aus Straßburg. Ja, und dann habt Ihr Euch in einer Entschließung gegen das Ausspionieren unserer Konten durch die US-Schnüffelbehörde ausgesprochen. Ach so, das ist ja nur eine Entschließung, also nicht bindend. Klingt aber als Presse-Schlagzeile super: „EU-Parlament spricht sich gegen NSA-Schnüffelei aus!“

Ja, also was hat denn der Wähler, die Wählerin, nun eigentlich zu wählen gehabt? Es gab schlichtweg nichts zu wählen. Jedenfalls nicht, wenn man seine bürgerlichen Freiheiten gegen eine anonyme kafkaeske Veranstaltung wie den Konzern-Moloch von Brüssel behaupten möchte. Die alte Garde von Knallchargen will keiner mehr wählen. Aber was dann? Rechtspopulistisch? Ist was für verbitterte alte Männer. Früher gab es in der Politik noch Idealisten, die ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben im Kampf für eine bessere Welt. Tempi Passati! Heute ist Politik offenkundig ein Karrieresprungbrett für Minderbegabte, die in ihrem Leben überdurchschnittlich gut verdienen wollen ohne viel arbeiten zu müssen. Schockierend der Strache Heinz Christian, wie er Red Bull-gedopt auf den viel zu kurzen Rock der angeblichen russischen Oligarchin glotzt, auf die Venusfalle reinklatscht und seine Primitivität und Machtgier offenbart. Und dann ist da der Youtuber Rezo, der uns in genialer Komposition eine brunzdumme Drogenbeauftragte präsentiert, die die elementarsten Fakten aus ihrem Spezialgebiet nicht draufhat. It’s Money for Nothing! Eine wirklich brillante Analyse der Verblödung unserer Politikerkaste aus einer Ecke, aus der man nichts dergleichen erwartet hat. Doch hat Rezo ja eine indirekte Wahlempfehlung für Grüne, Linke, VOLT oder Diem25 abgegeben. Und das trotz seiner klaren Kritik an imperialistischen Verbrechen wie den Drohnenmorden, dirigiert aus Ramstein – von den Grünen niemals wirklich in Frage gestellt.

Die Welt rettet man nicht dadurch, dass man irgendwelche Wackeldackel nach Straßburg entsendet. Sondern nur dadurch, dass man hier und jetzt anfängt, die Gesellschaft von unten her rundzuerneuern. Das geschieht bereits allerorten. Das neue Leben muss vernetzt werden. Habt den Mut, Eure Vereinzelung aufzugeben!







Sonntag, 26. Mai 2019

LACHNUMMER GRUNDGESETZ - U.Gellermann



Das Grundgesetz-Kabarett


Kaffe-Klatsch beim Bundespräsidenten


Autor: U. Gellermann
Datum: 27. Mai 2019

Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich, behauptet der Artikel 3 des Grundgesetzes für die deutsche Republik. Und schon hier wäre der Einsatz einer Lachkonserve geboten. Bekannt sind die Lachmaschinen aus den diversen Sitcoms, den TV-Komödien, bei denen die elektronischen Lachsäcke das Publikum ersetzen müssen: HA, HA, HA, HA! Doch auch das durchaus ernsthafte Grundgesetz sollte bei einer öffentlichen Lesung unbedingt mit einem Lachsack begleitet werden: Gut gemeint der Artikel 3, aber wir alle wären gleich? Geh doch mal ohne Star-Anwaltsfirma vor ein Gericht, am besten noch gegen ein Konzern. Und Du wirst feststellen, dass der viel, viel gleicher ist als Du. Zum bitteren Lachen ist auch dieser: Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen steht im Artikel 14, HA, HA, HA, HA! Der Milliardär auf der Charity-Party hebt sein Glas und sagt: „Zum Wohl!“ das war es dann mit der Allgemeinheit. Sein Eigentum ist seins, und Deins gibt es gar nicht. Prost. Und dann noch dieser: Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Da sagen doch die paar Fettaugen auf der Suppe der Allgemeinheit: Wohlsein! Und der Lachsack muss ran, denn sonst lacht wirklich keiner mehr. Sind sie schon enteignet, die Wohnungskonzerne, die am Elend der Mieter schuld sind? Sind sie schon enteignet, die Rüstungskonzerne, die sich am Verrecken vieler Menschen dumm und dämlich verdienen?

Gut ist auch folgender: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. HA, HA, HA, HA! HA, HA, HA, HA! Der Witz hat nun wirklich Ausgang. Der Dichter Brecht stellte zu diesem Artikel im Gesetz die Frage „Aber wo geht sie hin?“ Und wir alle wissen die Antworten: In die Hinterzimmer, in die Kneipen der Lobbyisten, in die Vorstands-Sitzungen der Aktiengesellschaften, hinter die Schreibtische der Mediengewaltigen, in die Fachausschüsse der Europäischen Union. Das Volk jedenfalls geht leer aus, wenn es um die Macht geht. Im selben Artikel 20 des Grundgesetzes wird auch behauptet, dass die Bundesrepublik ein sozialer Staat sei. Da geht dem Lachsack die Puste aus, da schweigt die Comedy-Maschine. Da könnten die Obdachlosen ein garstiges Lied zu singen. Da pfeift der Hartz Vierer aus dem letzten Loch. Und die Reichen pfeifen einfach drauf.

Die meisten Medien wissen natürlich um den Widerspruch zwischen geschriebener Verfassung und Verfassungswirklichkeit. Deshalb verabreichen sie zum 70. Geburtstag des Grundgesetzes jede Menge Beruhigungsmittel. Gern in Form des Bundespräsidenten. Der meint, das Grundgesetz solle ein „Ruhepol“ sein, das lässt ihn die „Tagesschau“ sagen. Die „Süddeutsche Zeitung“ sieht den Mann beim Kaffeeklatsch mit Publikum im Schloss Bellevue und hält das für eine „Volksbegegnung“. Der ARD ist es noch nicht beruhigt genug, sie langweilt mit ihrer Nachrichtensendung über das Haltbarkeitsdatum von Verfassungen allgemein. Immerhin gibt die „Frankfurter Allgemeine“ einen sachdienlichen Hinweis, wenn sie in einer Zwischenüberschrift erkennt, das Grundgesetz sei als „Antithese zur Herrschaft des Bösen in den Jahren 1933 bis 1945“ gemeint gewesen. Fraglos ist das Grundgesetz auch aus der Erfahrung der Mütter und Väter während der Nazizeit zu verstehen.

Die Ablehnung des Faschismus lässt sich bis in den Artikel zur Enteignung begreifen. Immerhin hatte sogar die CDU 1947 in ihrem Ahlener Programm die Erkenntnis „Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden“. Es wehte eine Ahnung vom Zusammenhang zwischen den Nazis und ihren kapitalistischen Finanziers durch die junge Bundesrepublik. In der Verfassungsgebenden Versammlung, die das Grundgesetz am 8. Mai 1949 verabschiedete, saßen immerhin Menschen, die gerade noch aus den Gefängnissen und Konzentrationslagern der braunen Diktatur dem Tod entronnen waren wie Kurt Schumacher von der SPD und Max Reimann für die KPD. Selbst der CDU-Vertreter Konrad Adenauer hatte vor den Repressionen der Nazis sein Exil im Kloster gefunden.

Gemessen am blutigen Ernst der Abkehr vom Faschismus, die den Neubeginn rund um das Grundgesetz prägte, sind die Geburtstagsfeiern dieser Tage eher Lachnummern. Vor allem, weil Text und Wirklichkeit der Verfassung nicht in Beziehung gesetzt werden. Diese Analyse wird sorgsam vermieden. Das im Grundgesetz beschworene Volk könnte ja auf den dummen Gedanken kommen, die Verfassung beim Wort zu nehmen. Da sagen die Herrschenden in Wirtschaft, Politik und Medien doch lieber: HA, HA, HA, HA!






Samstag, 25. Mai 2019

Das Monster zur Sicherung der Klassengesellschaft - rubikon



Das Elitenprojekt


Die Europäische Union ist ein bürokratisches Monster, das die Klassengesellschaft absichern will.


von Peter Frey

Der Neoliberalismus kam auf leisen Sohlen und im weißen Gewand. Dieses Gewand besteht aus großen Worte — Freiheit, Demokratie und Menschenrechte. Der Parlamentarismus in den Nationalstaaten hält für Bürger die Illusion eines echten Mitbestimmungsrechts aufrecht. In Wahrheit funktioniert „Demokratie“ in der Europäischen Union nicht als Volksherrschaft, sondern als Herrschaft über das Volk. Der europäische Traum ist der eines konsequent von oben aufzubauenden und zu verwaltenden Superstaates.

An den Beginn dieses Artikels sei ein Jahrzehnte altes Zitat des französischen Politikers Robert Schuman gestellt:

„Die Zusammenlegung der Kohle- und Stahlproduktion wird sofort die Schaffung gemeinsamer Grundlagen für die wirtschaftliche Entwicklung sichern — die erste Etappe der europäischen Föderation — und die Bestimmung jener Gebiete ändern, die lange Zeit der Herstellung von Waffen gewidmet waren, deren sicherste Opfer sie gewesen sind. Die Solidarität der Produktion, die so geschaffen wird, wird bekunden, dass jeder Krieg zwischen Frankreich und Deutschland nicht nur undenkbar, sondern materiell unmöglich ist“ (1).

Inwieweit Schuman Ideologe oder Missbrauchter oder auch eine Mischung aus beidem war, lassen wir an dieser Stelle außen vor. Fakt ist, dass er eine von Macht getriebene Entscheidung in einen Mantel von Ethik und Moral hüllte, um der Bevölkerung ein Projekt, das niemals das ihre war, als scheinbar eben das zu verkaufen. Schuman setzte fort:

„Die Schaffung dieser mächtigen Produktionsgemeinschaft, die allen Ländern offen steht, die daran teilnehmen wollen, mit dem Zweck, allen Ländern, die sie umfasst, die notwendigen Grundstoffe für ihre industrielle Produktion zu gleichen Bedingungen zu liefern, wird die realen Fundamente zu ihrer wirtschaftlichen Vereinigung legen. Diese Produktion wird der gesamten Welt ohne Unterschied und Ausnahme zur Verfügung gestellt werden, um zur Hebung des Lebensstandards und zur Förderung der Werke des Friedens beizutragen. Europa wird dann mit vermehrten Mitteln die Verwirklichung einer seiner wesentlichsten Aufgaben verfolgen können: die Entwicklung des afrikanischen Erdteils“ (2).

Der Zitierte preist an dieser Stelle nichts anderes als das System, das Europa zuvor in zwei fürchterliche Kriege gestürzt hatte. Das für mich Frappierendste an dem Zitat ist jedoch, dass der koloniale Anspruch des europäischen Imperialismus — mit Frankreich an der Spitze — auf Afrika schon damals klar und deutlich postuliert, ja konsequent weitergeführt wurde. Und damals wie heute wurde es in eine verzerrende, lügende Sprache gepackt, im Zitat: „die Entwicklung des afrikanischen Erdteils“!

Das Zitat stammt aus einer Rede Robert Schumans vom 9. Mai 1950. Diese Rede wird heute — symbolisch — als die Geburtsurkunde der Europäischen Union bezeichnet. Schuman überlebte faszinierenderweise seit dem Kriegsende ein Dutzend Regierungen als Ministerpräsident, Finanz- und Außenminister Frankreichs. 1958 wurde er schließlich zum ersten Präsidenten der Europäischen Union gewählt (3). In seiner denkwürdigen Rede vernahm man des Weiteren:

„Die Ein- und Ausfuhr von Kohle und Stahl zwischen den Teilnehmerländern wird sofort von aller Zollpflicht befreit und darf nicht nach verschiedenen Frachttarifen behandelt werden. Nach und nach werden sich so die Bedingungen herausbilden, die dann von selbst die rationellste Verteilung der Produktion auf dem höchsten Leistungsniveau gewährleisten. Im Gegensatz zu einem internationalen Kartell, das nach einer Aufteilung und Ausbeutung der nationalen Märkte durch einschränkende Praktiken die Aufrechterhaltung hoher Profite anstrebt, wird die geplante Organisation die Verschmelzung der Märkte und die Ausdehnung der Produktion gewährleisten“ (4).

Das Konzept ist verblüffend simpel — bis heute und es heißt: Kappung aller Hindernisse für einen grenzenlos freien Verkehr von Waren und Dienstleistungen.

Doch auf dieses Konzept — und das gilt heute in gleicher Weise — musste eine Marke, die den Menschen das Gefühl (!) vermittelte, dass ein solches Konzept gut für uns alle, gut für die Gesellschaft ist. Zur gleichen Zeit führte Frankreich eine Reihe kolonialer Feldzüge in Indochina und Nordafrika. Das sei erwähnt, um den Lesern das Groteske der wohlfeilen Worte bewusst zu machen. B-Geschichten gibt es, seit es Macht gibt — also seit Menschengedenken.

Immer waren es Vertreter der Wirtschaft, die die Politik veranlassten, die Strukturen der EU weiter zu formen. Die EU ist nie etwas anderes als ein Projekt des Geldes gewesen und die heutige Praxis zeigt das fortwährend. Natürlich muss man in der Lage sein, hinter die Fassade des Projekts zu schauen. Vor der ernüchternden Wirklichkeit ist nämlich ein gewaltiger Popanz aufgebaut, der uns Bürgern suggeriert, dass wir es gewesen wären, welche die europäische Einigung — in Form eben dieser Institution EU — gefordert und bewusst mitgetrieben hätten.

Das ist einfach nicht wahr.

Weil die EU ein Projekt von Wirtschafts- und Finanzeliten ist, so wie das auch für die Politik der Nationalstaaten, also der Mitglieder der EU — und natürlich auch darüber hinaus — gilt, sitzen an den entscheidenden Schalthebeln dieses supranationalen Gebildes Leute aus der Wirtschaft.

Die EU wird organisiert und gesteuert von Konzernvertretern und von Bankern. Von diesen im wahrsten Sinne des Wortes beauftragte Politiker sowie ins Leben gerufene und finanzierte Organisationen wurden als neue Ebene eingezogen und lassen die monopolartigen Strukturen dahinter verschwimmen.

Es gibt keine unabhängigen Entscheider in der EU. Wir finden keine Menschen, die einer tatsächlichen Graswurzelbewegung entstammen und bodenständig geblieben sind. Menschen, die damit ihrem Gewissen und dem Auftrag ihrer Wähler folgen könnten. Auch kleine Unternehmer und tatsächlich von Wirtschaft und Politik unabhängige Organisationen haben im Moloch EU nichts zu melden.

Dieses Gebilde ist genau dafür da, am großen Rad zu drehen. Kleinteiligkeit ist da nicht gewünscht und aufgrund der Struktur auch gar nicht anwendbar. Denn solche großen Strukturen ersticken auch in ihrem eigenen bürokratischen Sumpf, wobei sie zehntausenden Menschen ein recht einträgliches Auskommen bescheren. Die EU bedient also auch ohne Zweifel unseren Opportunismus.

Auf der ersten Seite und im ersten Abschnitt eines Grundsatzdokuments der Europäischen Kommission ist Folgendes zu lesen:

„Das Alleinstellungsmerkmal der EU ist, dass alle diese Staaten souverän und unabhängig bleiben, aber einige ihrer hoheitlichen Befugnisse in Bereichen bündeln, in denen eine Zusammenarbeit sinnvoll ist“ (5).

Nur um anzudeuten, wie viel Schein in diesen wohlklingenden Sätzen steckt, die sich durch das ganze Dokument ziehen: Griechenland kann ein Lied davon singen, wie „souverän“ es noch als EU-Mitglied ist. Souverän ist der Beherrschende, nicht der Beherrschte. Bei den Beherrschten finden sich dann immer noch genug Opportunisten, die für den eigenen kleinen oder auch größeren Gewinn, das System der Herrschenden stützen. Auch das zeigt Griechenland deutlich.

Das oben erwähnte Papier gibt sich die Überschrift: „Die Europäische Union — Was sie ist und was sie tut“. Der ganz oben stehende Punkt ihres Tuns im Bereich Wirtschaft und Finanzen lautet:

„Förderung von Wachstum und Beschäftigung“ (6).

Wenn Sie diese Pille — selbstredend unterbewusst — akzeptiert und geschluckt haben, werden Sie alles Weitere aus der damit gebildeten Matrix begreifen und hinnehmen.

Dabei ist das Mantra vom (ewigen) Wachstum genauso irrsinnig, wie das von Beschäftigung. Doch alles andere ordnet sich diesem Irrsinn — das ist gelebte Praxis der EU-Politik — konsequent unter.

Mit solch einem Grundsatz ist für mich ein auf die Natur und die Menschen hier und anderswo ausgerichtetes Denken und Handeln schlicht unvereinbar. Das, was die menschliche Zivilisation mit Sicherheit an ihr selbstgemachtes Ende führen wird, ist auch noch als eherner Grundsatz festgeschrieben.

Ähnliches las ich in Grundsatzdokumenten der Vereinten Nationen, zum Beispiel in der Agenda 2030:

„Wir sind außerdem entschlossen, die Bedingungen für ein nachhaltiges, inklusives und dauerhaftes Wirtschaftswachstum, geteilten Wohlstand und menschenwürdige Arbeit für alle zu schaffen, unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Entwicklungsstufen und Kapazitäten der einzelnen Länder“ (7).

Den Vereinten Nationen — ebenso wie die EU ein Elitenprojekt und eine supranationale Organisation — ist es ernst. Sie wiederholt ihre Agenda:

„Wir sehen eine Welt vor uns, in der jedes Land ein dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum genießt und es menschenwürdige Arbeit für alle gibt“ (8).

17-mal taucht „nachhaltiges Wirtschaftswachstum“ im Dokument auf, bis hin zu konkreten Vorgaben wie das in allen (!) Staaten der Weltgemeinschaft umzusetzen ist (9). Denken wir immer wieder daran: So wie die Europäische Union sind auch die Vereinten Nationen ein Elitenprojekt. Volkes Wille hat bei der Gründung beider Organisationen keine Rolle gespielt. Beide haben sich den Kapitalismus als alternativlos zu eigen gemacht, weil das schließlich auch der konkrete Auftrag für sie war.

Wenn sich Politik an diese ehernen Grundsätze erzkapitalistischen Wirtschaftens hält, dann müssen solche Dinge zwangsläufig kommen:

*EU-Assoziierungsabkommen
*EU-Fischfang
*EU-Sanktionen
Was denken Sie, liebe Leser, wie groß Ihr Einfluss auf Prozesse ist, die vom Räderwerk der EU angestoßen werden?

Wurden wir jemals wirklich gefragt? Oder wurden wir einfach nur informiert?

Die Rolle des Parlamentarismus in Nationalstaaten ist die einer Fassade, die uns die Illusion von Mitbestimmung verschafft.

Je weiter wir in der Machtvertikale nach oben gehen, desto größer die Fassade, desto geringer unser politischer Einfluss. Was auf lokaler, kommunaler Ebene noch hinreichend funktionieren kann, wird spätestens im Bundestag zur Farce. Im supranationalen Gebilde der Europäischen Union wird es schlicht zum Witz.

Die Kampagne — so wie sie durch die EU vor deren Parlamentswahlen im Mai 2019 geführt wurde — ist daher auch in keiner Weise konkret. Sie spielt(e) nur noch mit emotional gefärbten Parolen, die man früher der Sparte „Es droht der Untergang des Abendlandes“ zuordnete. Heute muss das Gespenst des Populismus und „russischer Beeinflussung“ herhalten, um die Menschen vor den Karren des neoliberalen, kriegsstiftenden Projekts EU zu spannen. Dafür — nicht aber für eine wirkliche sachbezogene Diskussion zum Auftrag und praktischen Tun der EU — geben sich die tonangebenden Medien gern her (10).

Was bleibt?

Nicht dass ich nun dazu auffordere, die Europäische Union zu bekämpfen. Doch lehne ich sie für mich — als Instrument politischer Teilhabe — schlicht ab. Die EU spaltet und normiert, ihre Agenda ist aggressiv über den Kontinent hinaus, sie trägt den Krieg in sich. Dabei hat sie den Namen Europa für sich gekapert. Sie spielt im Wortgebrauch mit Werten, um die Bevölkerung vor ihren Karren zu spannen und in der Praxis ist sie schlicht eine Wirtschaftsunion unter deutscher Führung.

Die EU ist eine notwendige Institution, um den Irrsinn unserer Marktwirtschaft, der tatsächlich gelebten Ideologie, noch ein paar Jahrzehnte weitertreiben zu können.

Ein Projekt, dass dafür entwickelt und geformt wurde, wirtschaftliche Macht zu zementieren, auszubauen und das dafür ausgerüstet ist, diese Ziele mit den umfassenden Mitteln des Krieges zu erreichen, kann kein Projekt sein, mit dem ich mich in irgendeiner Art und Weise identifizieren will. Einem solchen Projekt werde ich auch nicht mit meiner Stimme seine weitere Existenz legitimieren. Europa aber ist viel, viel mehr, als das beschränkte und moralisch aufgepeppte Kapitalismus-Projekt, das sich mit dem Namen Europäische Union schmückt.

Bitte bleiben Sie schön aufmerksam.

Quellen und Anmerkungen:

(Allgemein) Dieser Artikel von Peds Ansichten ist unter einer Creative Commons-Lizenz (Namensnennung — Nicht kommerziell — Keine Bearbeitungen 4.0 International) lizenziert. Unter Einhaltung der Lizenzbedingungen kann er gern weiterverbreitet und vervielfältigt werden.
(1, 2, 4) https://www.robert-schuman.eu/en/declaration-of-9-may-1950/de; abgerufen: 18.5.2019
(3) https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Schuman#Nachkriegszeit; abgerufen: 18.5.2019, 11:35 Uhr
(5-7) https://hla21.de/wp-content/uploads/2016/12/NAX_2030-AgendafuerNachhaltigeEntwicklung150918-1.pdf; S. 3, S. 4, S. 21; abgerufen: 18.5.2019
(8) Grundsatzpapier der Europäischen Kommission; https://publications.europa.eu/de/publication-detail/-/publication/715cfcc8-fa70-11e7-b8f5-01aa75ed71a1; 2018; ISBN 978-92-79-63384-3; im Weiteren GPEUK; S. 7
(9) GPEUK; S. 14
(10) 8.3.2019, 16:59 Uhr; https://www.mdr.de/sachsen/leipzig/leipzig-leipzig-land/mdr-europakonferenz-leipzig-zweiter-tag-oettinger-100.html


Peter Frey, Jahrgang 1960, ist seit 1965 Dresdner, gelernter Autoschlosser, war LKW-Fahrer, Taxifahrer, selbständig in der IT-Beratung. Nach der Insolvenz war er Sozialhilfeempfänger, Hartz-IV-Empfänger, und studierte schließlich ab 2004 Informationstechnik und ist seit Jahren in Dresden in der Friedensbewegung aktiv. Er will Menschen aufwecken und so zu aktivem, selbst bestimmten, dem kleinen wie dem großen Frieden gewidmeten Handeln bewegen. Seit einigen Jahren ist er hauptberuflich als Administrator tätig und betreibt nebenher den Blog Peds Ansichten.





STIMME GEGEN KRIEG



EU-WAHL 2019


Deine Stimme für den Frieden


Warum es sich lohnt, am Sonntag das Kreuz bei der DKP zu machen


Ausgabe vom 24. Mai 2019

Die EU steht für Krieg, die EU steht für Flucht, die EU steht für Armut. Sie ist ag­gres­siv gegen Russ­land, sie baut eine ei­ge­ne Armee auf, sie trägt dazu bei, dass Men­schen aus ihren Hei­mat­län­dern flie­hen müs­sen. Sie macht die Men­schen in ihren Mit­glieds­län­dern und auf an­de­ren Kon­ti­nen­ten arm und hilft dem Ka­pi­tal beim Schef­feln von Geld. Sie ist das Kon­strukt, das sich der Ka­pi­ta­lis­mus in Eu­ro­pa ge­schaf­fen hat, um seine In­ter­es­sen gegen die In­ter­es­sen der eu­ro­päi­schen Völ­ker durch­zu­set­zen. Eine Woche vor der Wahl hat sich das Par­la­ment der „Frie­dens­macht EU“ noch schnell einen 13 Mil­li­ar­den schwe­ren Rüs­tungs­fonds ge­gönnt. Der „Eu­ro­päi­sche Ver­tei­di­gungfonds“ soll den EU-Rüs­tungs­schmie­den die Ge­win­ne si­chern und die Mi­li­ta­ri­sie­rung der ein­zel­nen EU-Staa­ten vor­an­trei­ben.

Die Kom­mu­nis­tin­nen und Kom­mu­nis­ten auf der DKP-Lis­te zum EU-Par­la­ment ma­chen sich keine Il­lu­sio­nen, dass dies im EU-Par­la­ment ge­än­dert wer­den kann. Um in einem wirk­lich fried­li­chen Eu­ro­pa frei von so­zia­len Ängs­ten leben zu kön­nen, müs­sen wir die EU über­win­den. Das kann nur ge­lin­gen in au­ßer­par­la­men­ta­ri­schen Kämp­fen. Aber eine kom­mu­nis­ti­sche Stim­me im EU-Par­la­ment kann dazu bei­tra­gen, die­sen Kämp­fen Gehör zu ver­schaf­fen und sie zu ver­stär­ken. Sie kann Druck von links auf die an­de­ren Par­tei­en aus­üben. SPD und Links­par­tei sind in einen Wett­be­werb ge­tre­ten, wer die EU am bes­ten ret­ten kann, die Ge­werk­schafts­füh­run­gen wer­ben dafür, „pro-eu­ro­päi­sche“ Par­tei­en zu wäh­len. Sie alle brau­chen mehr als einen Stup­ser von lin­ker Seite um sich dar­auf zu be­sin­nen, dass ihnen die Rech­te der Men­schen am Her­zen lie­gen soll­ten, nicht die der Ban­ken und Kon­zer­ne.

Dafür braucht es Kom­mu­nis­tin­nen und Kom­mu­nis­ten im Wahl­kampf, aber auch in den Par­la­men­ten. Die DKP will das EU-Par­la­ment als Tri­bü­ne nut­zen, sie will auch von dort aus hel­fen, den Wi­der­stand gegen die herr­schen­de Po­li­tik zu in­ten­si­vie­ren.
Das Haupt­an­lie­gen der DKP ist es, dass die ar­bei­ten­den Men­schen, die Geg­ner des Mo­no­pol­ka­pi­tals für ihre In­ter­es­sen kämp­fen. Das tun sie nicht, indem sie ein Kreuz­chen auf einem Zet­tel ma­chen, schon gar nicht bei der EU-Wahl. Aber das Kreuz­chen bei der DKP zu ma­chen kann hel­fen, eine solch zahn­lo­se und un­de­mo­kra­ti­sche In­sti­tu­ti­on wie das EU-Par­la­ment zu nut­zen, um dem au­ßer­par­la­men­ta­ri­schen Wi­der­stand eine Stim­me zu geben.
Auch wenn die DKP ver­mut­lich nicht ins EU-Par­la­ment ein­zie­hen wird, jede Stim­me für die Kom­mu­nis­tin­nen und Kom­mu­nis­ten er­höht den Druck auf linke Par­tei­en, eine an­de­re EU-Po­li­tik zu ma­chen.

Die DKP tritt zur EU-Wahl an, weil sie die EU ab­lehnt. Die Kom­mu­nis­tin­nen und Kom­mu­nis­ten tre­ten als In­ter­na­tio­na­lis­ten an, weil sie da­ge­gen kämp­fen, dass Teile der deut­schen Ar­bei­ter­klas­se durch Lohn­ver­zicht die deut­sche Ex­port­wal­ze fi­nan­zie­ren und so zur Aus­beu­tung in an­de­ren Län­dern bei­tra­gen und damit auch sich selbst scha­den, weil sie da­ge­gen kämp­fen, dass die EU die Le­bens­grund­la­gen von Men­schen in an­de­ren Län­dern der Erde zer­stört. Die Kom­mu­nis­tin­nen und Kom­mu­nis­ten tre­ten als Frie­dens­kämp­fer an, weil die EU das Pro­dukt der Welt­herr­schafts­an­sprü­che von US-Im­pe­ria­lis­mus, NATO und der eu­ro­päi­schen Im­pe­ria­lis­ten ist, weil sie mit der Ag­gres­si­on gegen Russ­land, dem Auf­bau einer EU-Ar­mee und den ge­mein­sa­men Rüs­tungs­vor­ha­ben den Frie­den in Eu­ro­pa ge­fähr­det.

Am 26. Mai gegen Krieg, Flucht­ursachen und Armut stim­men. Am 26. Mai gegen die EU stim­men. Am 26. Mai DKP wäh­len.




Donnerstag, 23. Mai 2019

Rede des neuen ukrainischen Präsidenten - Von Wilfried


Liebe Freunde,
ich habe die Rede des neuen ukrainischen Präsidenten übersetzt. Aus meiner Sicht eine sehr bemerkenswerte Rede. Darüber schreibt die Presse nichts. Sie macht deutlich, wie sehr die jetzige Politik Merkel die Lage in der Ukraine völlig falsch eingeschätzt hat. Noch in letzter Minute vor der Wahl empfing die Kanzlerin einen der größten Schakale der Ukraine. Nun bleibt es superspannend. Allein mit dem Wort „Komiker“ kann man dies nicht mehr abtun.
Bitte an Interessenten weiterreichen.



Herzlichen Gruß
Wilfried



Herzlichen Dank lieber Freund Wilfried. Hier Deine Übersetzung:



"Liebe Ukrainer“!
Nach meinem Wahlsieg sagte mein sechsjähriger Sohn:
"Pa! Sie sagen im Fernsehen, dass "Zelensky der Präsident ist ..." Es stellt sich heraus, dass ... ich ... auch der Präsident bin?! "
Und dann klang es wie ein Witz, aber dann wurde mir klar, dass es tatsächlich wahr war. Weil jeder von uns ein Präsident ist. Nicht 73 Prozent, die für mich gestimmt haben, sondern alle 100 Prozent der Ukrainer. Das ist nicht meins, das ist unser gemeinsamer Sieg. Und das ist unsere gemeinsame Chance. Für was wir verantwortlich sind. Und in diesem Moment legte nicht nur ich den Eid ab, jeder von uns legte eine Hand auf die Verfassung und jeder von uns schwor der Ukraine Treue. Stellen Sie sich die lauten Schlagzeilen vor: "Der Präsident zahlt keine Steuern." Sind Sie damit einverstanden, dass dies eine Schande ist? Das meine ich, wenn ich sage, dass jeder von uns ein Präsident ist. Ab heute ist jeder von uns für das Land verantwortlich, das wir unseren Kindern überlassen. Jeder von uns wird an seiner Stelle alles für das Gedeihen der Ukraine tun können. Ein europäisches Land beginnt mit jedem. Wir haben den Weg nach Europa gewählt, aber Europa ist nicht irgendwo. Europa - hier (in meinem Kopf). Und wenn es hier sein wird - dann wird es erscheinen und hier - überall in der Ukraine. Und das ist unser gemeinsamer Traum. Aber wir haben einen gemeinsamen Schmerz. Jeder von uns ist im Donbass gestorben. Jeden Tag verlieren wir jeden von uns. Und jeder von uns ist ein Migrant.

Diejenigen, die ihr Zuhause verloren haben ... Und diejenigen, die die Türen ihres Hauses geöffnet haben und den Schmerz geteilt haben. Und jeder von uns ist ein Arbeiter. Diejenigen, die nicht zu Hause waren, sondern in einem fremden Land Verdienste fanden ... Diejenigen, die im Kampf gegen die Armut gezwungen sind, ihre eigene Würde zu verlieren. Aber wir werden alles überwinden! Weil jeder von uns Ukrainer ist. Wir sind alle Ukrainer: Es gibt nicht mehr oder weniger, richtige oder falsche. Von Uschgorod nach Lugansk. Von Tschernigow nach Simferopol. In Lviv, Kharkov, Donetsk, im Dnjepr und in Odessa - wir sind Ukrainer. Und wir müssen eins sein. Denn nur dann sind wir stark.



Und heute appelliere ich an alle Ukrainer der Welt. Wir sind 65 000 000. Ja, wundern Sie sich nicht - 65 000 000. (Anmerkung des Übersetzers: Zur Zeit hat die Ukraine ca. 26.000 000 Einwohner, unter dem alten Präsidenten sind ca. 12.000 000 ausgewandert). Diejenigen, die das ukrainische Land geboren hat. Ukrainer in Europa und Asien, in Nord- und Südamerika, in Australien und in Afrika. Ich appelliere an alle Ukrainer auf dem Planeten! Wir brauchen dich wirklich. Wer bereit ist, eine neue, starke und erfolgreiche Ukraine aufzubauen, dem gebe ich gerne die ukrainische Staatsbürgerschaft. Sie sollten nicht in die Ukraine gehen, um  sie zu besuchen, sondern um nach Hause zu gehen. Wir warten auf euch. Es werden keine Souvenirs aus dem Ausland benötigt, bitte bringen Sie Ihr Wissen, Ihre Erfahrung und Ihre mentalen Werte mit. All dies wird uns helfen, eine neue Ära einzuleiten. Skeptiker werden sagen: Das ist fantastisch. Es ist unmöglich. Oder ist das vielleicht unsere nationale Idee? Vereinigt zu sein - das ist unmöglich. Im Gegensatz zu allen! Denken Sie an Islands Fußballnationalmannschaft bei der Europameisterschaft. Als der Zahnarzt, Direktor, Pilot, Student und Reinigungskraft die Ehre ihres Landes verteidigten. Und sie haben es getan, obwohl es niemand geglaubt hat. Und das ist unser Weg. Wir müssen Isländer im Fußball werden, Israelis in der Verteidigung ihres Heimatlandes, Japaner in der Technologie, Schweizer in der Fähigkeit, trotz aller Meinungsverschiedenheiten glücklich miteinander zu leben. Und unsere erste Priorität ist ein Waffenstillstand im Donbass. Ich wurde oft gefragt: sind Sie bereit für einen Waffenstillstand? Komische Frage. Und was tun sie für das Leben von Menschen in Ihrer Nähe? Ich kann Ihnen versichern - damit unsere Helden nicht mehr sterben, bin ich zu allem bereit. Und ich habe keine Angst davor, schwierige Entscheidungen zu treffen. Ich bin bereit, meine Popularität und mein Ansehen  zu verlieren, und wenn ich muss, bin ich bereit, meine Position ohne zu zögern zu verlieren, damit nur Frieden kommt. Ohne unsere Gebiete zu verlieren.


Geschichte ist eine unfaire Sache. Wir haben diesen Krieg nicht begonnen. Aber wir müssen diesen Krieg beenden. Und wir sind bereit für den Dialog. Und ich bin sicher, dass die Rückkehr aller ukrainischen Gefangenen ein hervorragender erster Schritt sein wird, um diesen Dialog zu beginnen. Unsere nächste Herausforderung ist die Rückgabe verlorener Gebiete. Ehrlich gesagt scheint mir dieser Wortlaut nicht ganz zu stimmen. Denn es ist unmöglich, das zu verlieren, was uns schon gehörte. Sowohl Krim als auch Donbass sind unser ukrainisches Land. Wo wir das Wichtigste verloren haben. Das sind Leute. Und heute müssen wir ihr Bewusstsein wiedererlangen. Das haben wir verloren. Im Laufe der Jahre haben die Behörden nichts unternommen, um ihnen das Gefühl zu geben, Ukrainer zu sein. Sie wussten, dass sie keine Fremden waren, sie waren unsere, sie waren Ukrainer. Und wenn jemand mindestens 10 Pässe austeilt, ändert das nichts. Der Ukrainer ist nicht im Pass. Der Ukrainer ist da. Und ich weiß es genau. Ich weiß von den Kämpfern, die die Ukraine verteidigen - unseren Helden, die sowohl ukrainisch als auch russisch sprechen. Dort an der Front gibt es keinen Streit und Zwietracht, es gibt Mut und Ehre. Und ich möchte an unsere Verteidiger appellieren. Es gibt keine starke Armee, wenn die Regierung die Menschen, die täglich ihr Leben für das Land geben, nicht achtet. Ich werde alles tun, um dieses zu respektieren. Dies ist eine würdige und vor allem stabile finanzielle Unterstützung, Ihre Wohnbedingungen, gesetzlichen Feiertage nach der Durchführung von Kampfeinsätzen, Ruhe für Sie und Ihre Familien.



Wir müssen nicht über NATO-Standards sprechen, sondern diese Standards schaffen. Natürlich gibt es neben dem Krieg noch viele Übel, die die Ukrainer unglücklich machen. Das sind schockierende Zölle, sinkende Löhne und Renten, schmerzhafte Preise, nicht vorhandene Jobs. Dies ist ein Zustand, dessen Besserung hauptsächlich von denen gesprochen wird, die noch nie mit einem Kind in einem regulären Krankenhaus waren. Dies sind die katastrophalen ukrainischen Straßen, die nur in hektischer Fantasie gebaut und repariert werden. Lassen Sie mich einen amerikanischen Schauspieler zitieren, der ein großer amerikanischer Präsident wurde: „Die Regierung löst unsere Probleme nicht. Die Regierung ist unser Problem. "Und ich verstehe unsere Regierung nicht, die nur die Hände hochwirft und sagt: Wir können nichts tun. Es ist nicht wahr, Sie können. Sie können ein Blatt nehmen, einen Stift nehmen und Platz schaffen für diejenigen, die an die nächsten Generationen denken und nicht an die nächsten Wahlen! Mach es. Und die Leute werden es zu schätzen wissen. Was ist Ihr selektiver Applaus? Nicht jeder mag, was ich sage? Vergebens, denn nicht ich sage es, sondern die Menschen in der Ukraine. Und meine Wahl zeigt, dass die Bürger es satthaben, erfahrene, systematisch aufgeblasene Politiker zu haben, die in 28 Jahren ein Land der Möglichkeiten des „Rückstoßes“, der „Einseitigkeit“ und der „Abweichung“  geschaffen haben.


Wir werden ein Land mit anderen Möglichkeiten aufbauen. Wo jeder vor dem Gesetz gleich ist, wo es faire und transparente Spielregeln gibt. Alleine für alle. Und dafür müssen Menschen, die dem Volk dienen, an die Macht kommen. Und ich möchte wirklich, dass nicht mein Bild aufgehängt wird sondern ihre Bilder.  Weil der Präsident keine Ikone, kein Idol ist, ist der Präsident kein Porträt. Hängen Sie dort Fotos Ihrer Kinder auf und schauen Sie ihnen vor jeder Entscheidung in die Augen. Ich kann noch viel mehr sagen, aber die Ukrainer wollen keine Worte, sondern Taten. Deshalb ... Liebe Abgeordnete! Sie haben die Einweihung am Montag an einem Arbeitstag festgelegt. Ich sehe ein Plus darin - es bedeutet, dass Sie bereit sind zu arbeiten.


Deshalb bitte ich Sie zu akzeptieren:
1. Das Gesetz zur Aufhebung der parlamentarischen Immunität.
2. Gesetz über die strafrechtliche Verantwortlichkeit für illegale Bereicherung.
3. Ein neues Wahlgesetz mit offenen Listen.
Und auch: Bitte folgende Personen von ihren Ämtern befreien:
1. Vorsitzender des Sicherheitsdienstes der Ukraine.
2. Der Generalstaatsanwalt der Ukraine.
3. Der Verteidigungsminister der Ukraine.
Das ist nicht alles, was Sie tun können. Aber für den Anfang - genug. Sie haben zwei Monate Zeit. Treffen Sie diese wichtigen Gesetze und Entscheidungen. Hängen Sie alle Medaillen selbst auf. Sammeln Sie gute Punkte für vorgezogene Parlamentswahlen. Ich löse die Verkhovna Rada der Ukraine der 8. Einberufung auf. Ruhm in die Ukraine!
Und zum Schluss. Liebe Leute! Während meines Lebens habe ich versucht, alles zu tun, damit die Ukrainer lächeln. Das war meine Mission. Jetzt werde ich alles tun, damit die Ukrainer zumindest nicht mehr "weinen".



Dienstag, 21. Mai 2019

EU des Kapitals - weiterer Nährboden für Nationalismus - rubikon



Die Propaganda-Wahl


Anlässlich der Europa-Wahl beschimpfen die Etablierten jene rechtspopulistischen Geister, die sie selbst riefen.


von Nicolas Riedl

Die Euphorie anlässlich der Europawahl am 26. Mai 2019 ist unerträglich und kulminiert dieses Jahr in besonderer Weise: Jetzt gelte es, den „bösen“ Populisten und Nationalisten eins vor den Latz zu knallen, weil diese sich anmaßten, vollkommen grundlos gegen das demokratische Friedensprojekt EU aufzumucken. Das Narrativ, die EU sei eben ein solches, ist mittlerweile an unzählig vielen Stellen durch die Realität widerlegt. Dennoch halten viele Bürger der gut situierten, jedoch schmelzenden Mittelschichten Europas am Glauben fest, die EU sei die Krone der Demokratie.

Freude schöner Götterfunken! So mancher mag sich bei der EU die Frage stellen: Wie nackt muss der Kaiser eigentlich noch sein, damit selbst der EU-vernarrteste Bürger endlich erkennt, dass das Gewand der Demokratie nicht existiert? Muss der Kaiser erst gehäutet werden, sodass die scheußliche Fratze des neoliberalen, finanzfaschistischen Europas der Banken und Konzerne zum Vorschein tritt?

Wer sich gegen dieses Projekt ausspricht oder, und sei es faktenbasiert, auf dessen undemokratischen Kern aufmerksam macht, gilt ganz schnell als Populist oder ewiggestriger Nationalist oder zumindest als einer, der noch in so altbackenen Kategorien wie – igitt – Staatsgrenzen denkt. Den Vorwurf, Nationalist zu sein, kann sich bereits jeder einhandeln, dessen Englisch-Kenntnisse etwas unzulänglich sind. Denn dann gehört er ganz offensichtlich nicht zu der kosmopolitischen, heimatlosen Gesellschaft, wie sie der neoliberale Marktradikalismus fordert.

Kosmopoliten hetzen mit kleinem Handgepäck, MacBook und take-away-verpacktem Essen durch sterile Bahnhofshallen und Flughafen-Gates, immer nach WiFi-Verbindungen Ausschau haltend. Oder man ist zu alt für die international denkende Jugend, die mit Selfie-Lassos wedelt, auf BlaBlaCars, Flixbussen und Easyjets reitend auf die Jagd nach Sehenswürdigkeiten geht und mit Airbnb die Ureinwohner aus den Innenstädten verjagt.

In EU-Kampagnen und vielen Schulen wird jungen Leuten vollkommen einseitig erklärt, sie könnten sich nun – im Gegensatz zu früher – vollkommen unbeschwert durch Europa bewegen, müssten sich an den Grenzen zu ihrem Urlaubsort keiner lästigen Grenzkontrolle unterziehen (was mittlerweile nicht mehr stimmt) und müssten auch die Währung (meistens) nicht tauschen. Ja, die EU wird als ein buntes, lebensfrohes Projekt verkauft.

Aber nun wollen ganz böse Nationalisten und Populisten aus der Provinz dieses wunderschöne Schlaraffenland dem Erdboden gleichmachen, so die offizielle Lesart.

Obwohl doch Kritik jeglicher Logik und Rationalität entbehre, denn in der EU sei doch alles super, es gäbe nichts, worüber man sich beschweren könne. Diese Tölpel seien total undankbar für dieses großartige Geschenk der Demokratie und hätten keinen blassen Schimmer von der europäischen Geschichte.

Wer hingegen tatsächlich die Geschichte vergisst, um nicht zu sagen, sie überhaupt nicht kennt, sind diejenigen, die in der EU einen Gegenentwurf zu den deutschen Herrschaftsansprüchen und Größenwahn-Fantasien im zweiten Weltkrieg sehen.

Betrachten wir die aktuelle wirtschaftliche Dominanz Deutschlands im europäischen Wirtschaftsraum und weltweit: Deutschland erzielt massive Exportüberschüsse, die die importierenden Staaten immer tiefer in die Schulden treiben, respektive von uns abhängig machen (1). Außerdem diktiert Berlin (über Brüssel) den anderen EU-Staaten, wie diese zu wirtschaften haben und dass diese ihr Haushaltsdefizit (im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt) unter 3 Prozent halten müssen (2).

Da wirken die Pläne und Visionen von Werner Daitz, Außenhandels-Abteilungsleiter des Außenpolitischen Amtes der NSDAP, wie eine Blaupause. Auch ihm schwebten die konkreten Pläne eines Europas vor, welches von Deutschland de facto zwar dominiert werde, nach außen hin jedoch den trügerischen Anschein vermitteln sollte, es handle sich um ein gänzlich europäisches Projekt aller Länder (3).

Nicht anders stellt sich die Situation heute dar. Europa wird als ein Projekt verkauft, bei dem sich die Staaten auf Augenhöhe begegnen. Dabei müsste jedem vernunftbegabten Menschen auffallen, dass das strukturschwache Rumänien zum Beispiel der Industrienation Deutschland nie und nimmer auf Augenhöhe begegnen kann. Besonders deutlich wird die Ungleichheit in dem Gefälle zwischen Nord- und Südeuropa.

Die Achse aus Deutschland und Frankreich dominiert die EU. Passend zu dem PR-Bild der EU flutete eine Bewegung aus überwiegend gut situierten Bürgern unter dem Motto „Pulse of Europe“ (4) die europäischen Innenstädte. Sie wollte ein klares Signal setzen, wie demokratisch die EU sei und dass man die EU nicht den „Nationalisten“ wie Boris Johnson, Marine Le Pen oder Frauke Petry überlassen dürfe. Welch komplette Ironie, wenn man bedenkt, dass die Idee der EU nicht ohne braune, nationalsozialistische Wurzeln aus dem Boden gesprossen ist.

Aber ist die EU heute demokratisch? Wie schnell schlägt denn dieser Pulse of Europe auf dem demokratischen EKG angesichts der tödlichen Austeritäts-Politik (5), dem Wüten der Troika in Südeuropa (6, 7), der massiven Einschränkung der Meinungsfreiheit und Überwachung im Netz (8)?

Lassen ihn die Bilder kalt angesichts der Tatsache, dass Macron derzeit seine eigene Bevölkerung brutal und grausam von Polizei und staatlich finanzierten Schläger-Rambos niederprügeln lässt (9)?

War die EU denn jemals ein demokratischer Staatenverbund? „Demokratie“ ist natürlich ein Begriff, der mannigfaltig definiert und ausgelegt werden kann und der je nach Parameter unterschiedlich bewertet wird. Bereits seit Jahrtausenden streiten sich große Philosophen und Politologen über eine klare Definition oder darüber, ob man überhaupt schon eine adäquate Definition gefunden hat.

Wir wollen die EU an zwei Aspekten beurteilen. Erstens: Ist die EU, dieser Staatenverbund mit all seinen Organen und den dazugehörigen Aufgaben das, was sich das „europäische Volk“ gewünscht hat? Ging die Gründungsinitiative wirklich von der „europäischen Bevölkerung“ aus? War diese der maßgebliche Architekt der EU, wie sie sich mit den Verträgen von Maastricht, Amsterdam, Nizza und letztlich Lissabon etablierte? Der zweite Aspekt ist ganz simpel. Wie stark ist der Einfluss der „europäischen Bevölkerung“ auf die Gesetzgebung? Das Initiieren, Ausarbeiten und Verabschieden von Gesetzen, die die EU-Bürger unmittelbar betreffen.

Die EU? Die hab ich als Bürger doch gar nicht bestellt!



Wenn wir uns die Frage stellen, ob die EU gemäß der Lincoln-Formel – „Regierung des Volkes durch das Volk für das Volk“ – errichtet wurde, stoßen wir bereits auf das erste (sprachliche) Hindernis.

Es gibt kein souveränes europäisches Volk! Italiener und Finnen sind beispielsweise kein gemeinsames Volk. Ähnlich befand dies das Bundesverfassungsgericht, genauer gesagt, es bemängelte die Legitimation des EU-Parlaments in seiner Funktion als adäquates Repräsentationsorgan (10). Das liegt sowohl an dem überschaubaren Interesse der europäischen Völker an der Wahl zum EU-Parlament als auch an der unterschiedlichen Repräsentation der einzelnen EU-Staaten durch die degressiv-proportionale Verteilung der Parlamentssitze (11).

Zur Beurteilung, ob die EU einem Volkswillen entsprungen ist, beziehungsweise wer der Urheber und Architekt dieses weltweit einzigartigen Staatenverbundes ist, kommt man um eine kurze chronologische Aufarbeitung ihrer Entstehung nicht herum. Wie bereits erwähnt, existierte die Idee eines gemeinsamen europäischen Wirtschaftsraumes schon lange vor Ende des 2. Weltkrieges. Dass man dem Schrecken der Kriegsjahre nun ein Ende setzen wollte, war eines der Motive für die europäische Integration, ebenso wie das Errichten eines Bollwerkes gegen den Kommunismus aus dem Osten (12). Das zweite Argument lässt bereits durchschimmern, dass das erste nur ein Vorgeschobenes war, denn der Krieg (gegen die Kommunisten) tobte schließlich im Verborgenen weiter (13).

Man mag sich nun streiten, ob die Gründung des Eurorates am 5. Mai 1949 oder die Unterzeichnung des Vertrages über die EGKS (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl) am 18. April 1951 als Spatenstich für das bezeichnet werden kann, was später die EU wurde. 1957 jedenfalls folgten die Ratifizierung der Römischen Verträge und die damit einhergehende Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft sowie der Europäischen Atomgemeinschaft. Diese drei verschmolzen durch den Fusionsvertrag von 1965 zur Europäischen Gemeinschaft (EG). Ein wesentlicher Meilenstein dieser Entwicklung ist die Einheitliche Europäische Akte (EEA) aus dem Jahr 1986 (14, 15).

Der Mauerfall und der Zusammenbruch der UdSSR waren selbstverständlich auch für die EG eine Zäsur. Diese manifestierte sich in dem 1992 unterschriebenen und 1993 in Kraft getretenen Vertrag von Maastricht, der den Beginn der EU und damit auch der Wirtschafts- und Währungsunion einläutete (16).

Nun stellt sich die Frage: Welche konstituierende Rolle spielte das „demos“, das Volk, bei dieser Geburtsstunde? Wurde es miteinbezogen oder erlitt es ein Geburts-Bindungs-Trauma?

Wurde das Volk denn gefragt, ob es die EU-Organe mit ihren Funktionen, Rechten und Pflichten überhaupt wollte? Die Antwort lautet schlicht und ergreifend: Nein!

Sowohl die Kriterien für Maastricht wie auch sämtliche Regelungen, die später folgten, wurden durch den EU-Rat bestimmt. In diesem sitzen die Staats- und Regierungschefs, die in ihren jeweiligen Mitgliedsländern Teile der Exekutive darstellen, auf der EU-Ebene aber plötzlich als Legislative agieren. Gewaltenteilung? Eines der Kernelemente republikanischer Verfassungsstaaten! Ein Kernelement der Demokratie! So etwas braucht die EU wohl nicht (17). Bereits hier sollten sich jene, die nach „mehr Europa“ rufen, mal verwundert die Augen reiben.

Aber wer waren dann die maßgeblichen Architekten? Maßgeblich beteiligt war der Unternehmerverband ERT (European Roundtable of Industrialists), der 1982 gegründet wurde. Zu Beginn fanden sich darin noch die 20 Chefs der größten europäischen Konzerne, doch schon bald wurde dieser Verband auf die Top 50 ausgeweitet. Der ERT skizzierte den detaillierten Bauplan für eine EU, die zugunsten der großen Konzerne agieren sollte. Er flüsterte diesen Plan in die Ohren der Kommission undder nationalen Regierungen.

Diese setzten ihn dann in die Tat um, errichteten einen Binnenmarkt mit niedrigen Handelshemmnissen, ermöglichten Steuererleichterungen sowie den Zugriff auf öffentliches Gut (18) und trieben den Abbau des Sozialstaates massiv voran. Ebenso wenig darf als entscheidender Architekt die AMUE (Association for the Monetary Union of Europe), kurz gesagt: die Bankenlobby, außer Acht gelassen werden. Auch diese trug – ganz im Gegensatz zu den Bürgern Europas – dazu bei, das EU-Europa zu konstituieren, wie wir es heute kennen (19).

Der Einfluss des EU-Bürgers auf die Gesetzgebung



Somit wird klar, dass der einfache Bürger beim Errichten des gemeinsamen europäischen Hauses der Demokratie in keiner Weise beteiligt war. Die Organe und insbesondere das institutionelle Dreieck aus EU-Parlament, EU-Rat und EU-Kommission wurden in dieser Form ohne seine Einwilligung installiert. Ist der EU-Bürger, wenn er denn schon das Haus nicht mitbauen durfte, wenigstens Hausherr?

Da in der Politik heute zunehmend Persönlichkeiten statt Inhalte im Vordergrund stehen, rückt das, worum es eigentlich geht, immer mehr in den Hintergrund: die Gesetzgebung (20). Die meisten Bürger können sagen, wer ihr Lieblings-Politiker, aber nicht, was ihr Lieblingsgesetz ist (21).

Aber wie sieht es nun mit dem Einfluss des Bürgers auf die EU-Gesetzgebung aus? Kann er die Gesetze, die ihn unmittelbar betreffen, adäquat beeinflussen, nachdem zahlreiche nationale Kompetenzen an Brüssel abgetreten wurden? Betrachten wir das doch mal am Fall Deutschlands. Der Bürger wählt bei der Bundestagswahl die Abgeordneten mit der Erst- und Zweitstimme. Diese wählen dann den Bundeskanzler (1. Filter). Der Bundeskanzler ernennt wiederum seine Minister, die dann nach Brüssel geschickt werden und dort im Rat sitzen (2. Filter). Der Rat hat kein Gesetzinitiativrecht. Wer dann? Die EU-Kommission.

Erinnern Sie sich an die letzte Wahl der EU-Kommission? Wohl kaum! Sie waren schließlich nicht dabei. Sie durften das EU-Parlament wählen – wie jetzt auch. Dieses wählt und ernennt mit der Mehrheit der Stimmen den Präsidenten des mächtigsten EU-Organs, der EU-Kommission. Der Kandidat für dieses Amt wird dem Parlament – obacht – zuvor vom Europäischen Rat vorgeschlagen. Verwechseln Sie bitte den Europäischen Rat nicht mit dem Rat der EU! Der Europäische Rat besteht aus den Regierungs- und Staatschefs der Mitgliedsländer, der Rat der EU aus den Fachministern (22).

Wir halten fest: Bei der Bundestagswahl wird Ihr Einfluss als Wähler durch zwei Filter geschwächt: die Kanzlerwahl und die Ernennung der Minister, die in den Rat nach Brüssel gehen. Bei der Europawahl wählen Sie EU-Parlamentarier, die über kein Gesetzinitiativrecht verfügen, sondern darauf reduziert sind, einen vorab vom Europäischen Rat auserkorenen Kandidaten in das Amt des Präsidenten der EU-Kommission zu wählen, die das Gesetzinitiativrecht innehat.

Zwar müssen sich die vom Kommissions-Präsidenten ausgewählten Kommissionäre (pro Mitgliedsstaat einer) vor dem Zustandekommen der Kommission einer Anhörung des EU-Parlamentes unterziehen. Auch kann das EU-Parlament mit einer Zweidrittelmehrheit die Kommission mit einem Misstrauensvotum absetzen. Aber wann kommt das schon vor? Und selbst wenn: Mit der neuen Kommission geht das Spiel doch wieder von vorne los!

Und bei diesem Spiel schlägt ausschließlich die Kommission die Gesetze vor, während die Vertretung der EU-Bürger, also das Parlament, lediglich kleine Änderungsvorschläge anbringen oder schlicht eine Beendigung des Rechtsetzungsverfahren herbeiführen oder auch die Kommission auffordern kann, eine Gesetzesinitiative anzustoßen. Diese wiederum hat lediglich die Pflicht, nach einem Vierteljahr zu begründen, warum sie dies nicht tun wird.
Verwirrt? An dieser Stelle sei noch einmal auf die visualisierte Darstellung aus „Die Anstalt“ vom September 2016 verwiesen, die das Ganze mit herrlich bissigem Humor verständlich vermittelt hat.

Zum Gesetzgebungsverfahren gibt es außerdem hier eine sehr gute Übersicht des Bundes Hessen.

Vor diesem Hintergrund entpuppen sich die lauten Werbetrommeln um die Europawahl als eine Menge Lärm um nichts. Denn die Wirkung der EU-Bürger auf die Gesetzgebung ist faktisch gleich null.

Die EU macht Europa zu Bürokratistan



Egal ob EU-Gegner oder EU-Befürworter, ein Grundprobleme dürfte wohl beide einen: Niemand kapiert, wie die EU funktioniert!

Mal ehrlich: Welcher EU-Bürger kann den Ablauf des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens in der EU, das Zusammenspiel des institutionellen Dreiecks oder einfach nur die Liste der EU-Organe aus der Hüfte erklären und aufzählen? Wohl kaum einer! Die EU-Bürger haben das Gemeinsame Haus der Demokratie nicht selbst gebaut. Sie haben in diesem Haus auch faktisch nichts zu sagen. Und zu guter Letzt finden sie sich in diesem Haus nicht einmal zurecht und wissen gar nicht, zu welchen Bereichen sie keinen Zutritt haben. Dass das Bündnis „Ein Europa für alle“ in einem Demonstrationsaufruf die EU überaus unvollständig und außerdem in einer Babysprache erklärt (23), ist entlarvend!

Beim Blick auf die EU hätte Kafka mehrere Fortsetzungen zu „Der Prozess“ schreiben können. Der Vorwurf, wer die EU nicht verstehe, sei einfach ein nationalistischer, für Populismus anfälliger, aus völlig irrationalen Gründen frustrierter und abgehängter Wutbürger, zieht nicht!

Fragen Sie doch mal Menschen, die „Pulse of Europe“-Demonstrationen besuchen, nach diesen Funktionen innerhalb der EU. Sie werden merken, dass die EU-Befürworter etwas befürworten, das sie gar nicht verstehen.

Sogar hochrangige Politiker außerhalb Europas haben dieses Problem. So fragte der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger einmal: „Wen rufe ich denn an, wenn ich Europa anrufen will?“ (24)

Das Ganze hat natürlich System. Dass die EU niemand versteht, liegt nicht daran, dass dort Chaoten am Werk sind. Die EU soll niemand verstehen, denn die Machtzentren werden verschleiert, damit der unzufriedene Bürger nicht mehr weiß, wohin er mit Fackeln und Mistgabeln ziehen soll. Nimmt er Kurs auf die Regierungspaläste der Mitgliedsländer, können die Politiker auf den Balkonen nur schulterzuckend erwidern, dass die Ursachen der Empörung nicht mehr in ihren Händen liegen (25).

Der Pulse of Europe



Was zeigt uns dieser Pulse of Europe? Dieser Puls soll vermutlich die Demokratie darstellen. Bei den oben genannten Fakten handelt es sich um etwas, das moderate Kritiker vorsichtig als „Demokratiedefizit in der EU“ bezeichnen. Aber ist das noch ein Defizit an Demokratie – oder nicht etwa deren gänzliche Abwesenheit? Bleibt bei faktenbasiertem Licht nicht ausschließlich der Schein von Demokratie übrig?

Im zweifachen Sinne: Der Schein, dass es sich um eine Demokratie handelt, und gleichsam eine Demokratie-Imitation, bei der es nur um den Schein geht. Um Geldscheine nämlich. Geldscheine als ausschließliches Symbol für den Reichtum weniger, denn die Scheine selber – Bargeld – sollen schließlich auch vonseiten der EU doch bitte möglichst schnell abgeschafft werden (26). Wegen der Keimgefahr, versteht sich! Nicht etwa, weil sich Kreditkarten und Online-Zahlungen besser nachverfolgen ließen.

Nein! Wer von der EU redet, kann nicht von Demokratie reden! Und was den Pulse of Europe angeht, so ist dieser von Anbeginn der EU eine durchgezogene, laut piepende Linie auf dem demokratischen EKG.

Die EU muss nach den Maßstäben einer lebendigen Demokratie als Totgeburt bezeichnet werden! In ihr schlägt kein „Herz der Demokratie“! Auch wenn sich viele EU-Befürworter anmaßen zu behaupten, die EU wäre so etwas wie der demokratische Herzmuskel, pocht doch etwas ganz anderes in ihrem Brustkorb. Ein Europa der Banken und Konzerne. Kapital und Waren fließen durch diese Blutbahnen, der Mensch bleibt auf der Strecke (27).

Das Ganze hat bereits Orwell’sche Ausmaße angenommen. Wir erinnern uns an den basalsten Doppeldenk: Krieg ist Frieden.

Die EU wird uns als Friedensprojekt verkauft. Das konnte man vielleicht zu Zeiten der EG noch durchgehen lassen, als auf europäischem Boden zumindest kein konventioneller Krieg geführt wurde. Verdeckte Kriegsführung à la Gladio-Geheimarmeen sparen wir hier einmal aus. Aber nach dem Vertrag von Maastricht dauerte es keine sechs Jahre, bis über europäischem, genauer gesagt über jugoslawischem Himmel wieder das Geheul von Bomben ertönte (28).

Heute verhält es sich nicht anders. Die EU möchte für 6,5 Milliarden Euro die Autobahnen und Schienen nach Osten wieder panzertauglich machen, also nach Russland, das seltsamerweise nicht zu Europa gezählt wird (29). Gegen etwaige „Aggressionen“ des neuen „Feindes“ soll bei Ulm eine NATO-Zentrale errichtet werden (30).

Von Frieden oder Friedfertigkeit der EU kann nun wahrlich keine Rede sein! Stattdessen findet eine zunehmende Militarisierung der EU statt, wohin man nur blickt! Aus den eingepflanzten Samen der gemeinsamen, europäischen „Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ durch PESCO (31) sowie der Rüstungspolitik zwischen Deutschland und Frankreich durch den Aachener Vertrag (32) wuchern nun zahlreiche Zweige militärischen und selbstzerstörerischen Größenwahns im EU-Diskurs, beispielsweise gemeinsame europäische Verteidigungsarmeen und Eurodrohnen (33).

Die aus der EU ausscheidende Atommacht Großbritannien soll – so wurde es zumindest in den öffentlichen Diskurs geworfen – durch Deutschland als Besitzer, nicht nur als Lagerstätte, von Atomwaffen ersetzt werden (34). Und kürzlich entfachte die Anwärterin für das Amt der nächsten Bundeskanzlerin, Annegret Kramp-Karrenbauer, die Debatte um einen sündhaft teuren europäischen Flugzeugträger, der „der globalen Rolle der Europäischen Union als Sicherheits- und Friedensmacht Ausdruck (...) verleihen“ soll (35).

Freiheit ist Sklaverei



Noch deutlicher wird das bei dieser Form der Doppeldenke. Gerne geraten Sozialkundelehrer oder auch Klaas Heufer-Umlauf (36) ins Schwärmen über die offenen Landesgrenzen in der EU. Diese gelten aber nicht nur für Touristen, die im Sommer den Süden unsicher machen. Sondern auch für die Menschen, die aus dem durch die Austeritätspolitik strukturell geschwächten Süden auf der Suche nach Arbeitsplätzen gen Norden ziehen müssen (37)!

In der heutigen Arbeitswelt ist Flexibilität das Gebot der Stunde. Der Lohnsklave soll entwurzelt durch den Kontinent reisen, stets erreichbar sein und immer für die Company zur Verfügung stehen. Hart erkämpfte Arbeitnehmerrechte werden europaweit aufgeweicht und die Billiglohnsektoren (ganz besonders in Deutschland) exzessiv ausgeweitet. Diese Sklaverei wird uns als die große, weite Freiheit verkauft, die am Ende nur die Freiheit der Kapitalisten ist, ihre lohnabhängigen Sklaven beliebig herumschieben zu können.

Unwissenheit ist Macht!



Umgekehrt stellen aufgeklärte EU-Bürger eine Gefahr für diejenigen dar, die im großen Stil finanziell von der EU profitieren. Deswegen wird die Meinungsfreiheit (durch die Hintertür) sukzessive eingeschränkt. Nirgendwo wird dies so deutlich wie bei dem vehementen und sturen Ringen um Artikel 13 (jetzt Artikel 17) der neuen EU-Urheberrechtsreform (38). Zuvor wurden schon in vielen anderen EU-Ländern Gesetze gegen die sogenannten „Fake-News“ erlassen (39).

Das in absehbarer Zeit nicht mehr zur EU gehörende Großbritannien treibt es derzeit massiv auf die Spitze: Nach dem Gesetzentwurf „Counter-Terrorism and Border Security Act 2019“ machen sich all jene, die weder Journalisten noch Wissenschaftler sind, bereits strafbar, wenn sie nur nach den „falschen / verbotenen“ Informationen suchen oder jemandem dabei über die Schulter gucken (40).

Der Orwell’sche Doppeldenk kulminiert in Macrons Plänen, eine „Demokratiepolizei“ einzuführen (41).

Zur Europawahl gehen?



Ob man nun am 26. Mai ein Kreuzchen für die EU setzt, muss jeder selbst entscheiden. Aber was erhofft man sich davon, wenn man verstanden hat, wie die EU funktioniert?

Ich appelliere mit meinem Artikel ganz klar dafür, dieser Wahl fern zu bleiben. Die Politiker vom Schlag Macrons würden mir nun sicher vorwerfen, ich sei ein Nationalist, der keine Lösung anbieten könne (42). Macrons „Lösungen“ jedenfalls sind nicht im Sinne der Bürger. Ich weiß nicht, was kommen würde, wenn die EU zerfällt. Ich weiß aber sehr wohl, was uns im umgekehrten Fall erwartet: nichts Demokratisches!

Sollen wir uns wirklich in diese Ohnmacht begeben und zur Europawahl gehen? Einfach wählen gehen, weil es ohnehin keine Alternative gibt? Einfach „weiter so“ machen, weil wir das schon immer so getan haben?

Wo stehen wir dann in 10 Jahren, wenn wir einfach „weiter so“ machen? Die EU bewegt sich derzeit mit voller Kraft in Richtung eines totalitären Systems oder in die totale Vernichtung durch einen Krieg gegen Russland.

Diesen Wahnsinn sollen wir durch unsere Stimme legitimieren? Und wer nun argumentiert, es gäbe doch diese und jene alternative Partei, der sei noch einmal daran erinnert, dass unsere Volksvertreter im EU-Parlament lediglich klitzekleine Änderungen an Gesetzen vornehmen können.

Wir als Bürger reden mit den Entscheidungsträgern der EU nicht auf Augenhöhe. Die EU-Flagge weht ständig über uns. Und genau wie bei den Sternen am Firmament blicken wir auch beim Betrachten der Sterne auf der EU-Flagge in die Vergangenheit. Wir sehen das Licht von Sternen, die schon gar nicht mehr existieren. Diese EU hat schon längst den Rückhalt in weiten Teilen der Bevölkerung verloren. Bei der letzten Wahl lag die Beteiligung gerade einmal bei 43 Prozent (43).

Hinzu kommen die Zerwürfnisse durch den Brexit, die Spaltung zwischen Nord- und Südeuropa, zu erwartende Spannungen durch neue Wellen Geflüchteter, die aufgrund unseres rücksichtslosen Handelns nach Europa, also in die Verursacherländer fliehen – und nicht zu vergessen: die subversiven Bewegungen wie By 2020 we rise up (44), Friday for Future und die Gelbwesten. Dass der Rapper Kollegah mit seiner Alpha-Army nicht auch irgendwas Großes plant, ist ebenfalls nicht auszuschließen (45).

Europa und die ganze Welt sind im Wandel. Wir müssen wieder lernen, in Alternativen zu denken. Kreativ zu sein. Uns solidarisch zu verhalten. Uns mit anderen zusammenschließen, statt immer nur gegeneinander unser eigenes Business zu machen. Viele Bürger in dieser EU können das mangels Zeit und Geld nicht umsetzen. Daher richtet sich dieser Appell vor allem an jene, die noch über die nötigen Zeit- und Geldreserven verfügen, um aktiv zu werden. An jene, die aktuell noch eher dem Staffel-Finale von Game of Thrones statt dem gesellschaftlichen Wandel entgegenfiebern.

Zur Erinnerung: Vor fünf Jahren lag die Wahlbeteiligung bei etwa 43 Prozent. Was wäre, wenn wir diese Zahl auf 21,5 halbieren? Dazu die zahlreichen, nicht zu stoppenden Protestbewegungen? Woher würde dieser Staatenverbund dann noch seine Legitimation beziehen?
Jene, die von der Angst getrieben sind, mit einem Fortbleiben der Wahl „die Rechten“ zu unterstützen, sollten sich gewahr werden, dass Hass und nationalistisches Gedankengut nicht abgewählt werden kann. Die Energie ist ja nicht weg, wenn sie sich auf parlamentarischer Ebene nicht entladen kann. Sie wird sich einfach andere Wege suchen, wie beispielsweise in Form terroristischer Untergrundaktivitäten.

„Die Rechten“ gehen nicht einfach beleidigt nach Hause und „lassen es bleiben“, wenn sie nicht die Mehrheit bei der Europawahl erhalten.

Außerdem sollte man sich fragen, ob man mit einer Wahlbeteiligung dem (nationalistischen) Rechtsruck nicht viel eher Schwung verleiht. Schließlich stärkt man damit ja die Quelle, aus der „die Rechten“ ihre Empörung speisen.

Vereinfacht gesagt ist die EU die Luft, die das Feuer der Nationalisten brennen lässt. Mit einer Wahlbeteiligung würde man diesem Feuer somit noch zusätzlichen Sauerstoff zuführen.

Weiterhin sollte man sich vor lauter Angst vor einem drohenden Rechtsruck vergegenwärtigen, wie rechts die EU mittlerweile schon ist. Austeritätspolitik und militärisches Muskeln-Spielen-Lassen ist bereits rechts. Und dass linke Parteien mit solch rechten Gebaren keine Berührungsängste haben, zeigten Parteien wie Syriza in Griechenland, die Movimento 5 Stelle in Italien und hierzulande die Grünen und die Sozialdemokraten auf traurige Art und Weise.
Es geht hier nicht darum, Europa wieder in kleine Einzelstaaten verfallen zu lassen, die sich gegenseitig bekriegen und sich angesichts mächtigerer Staaten nicht durchsetzen könnten.

Es geht um die Schaffung eines Europas – die EU ist nicht Europa! Der Kontinent besteht aus 44 Ländern, von denen 28 bzw. 27 zur EU gehören –, in dem die Länder auf Augenhöhe in Sachen der Völkerverständigung, der Verteilungsgerechtigkeit und dem Mitweltschutz (vulgo: „Umweltschutz“) zusammenarbeiten und sich der kapitalfaschistischen Metastase namens EU entledigen!

Quellen und Anmerkungen:

(1) https://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/deutschland-vs-usa-die-kehrseite-der-deutschen-exportueberschuesse/9011294-2.html?ticket=ST-1830928-fv4szAN2SCEwhjmDcQ5x-ap4
https://www.fr.de/meinung/schulden-anderen-11255275.html
(2) https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=LEGISSUM:l25020
(3) vgl. Hofbauer, Hannes: „Europäische Union: Dem Kapital ergeben, der Demokratie abhold“, S.62-63, in Ullrich Mies (Hrsg.) „Der tiefe Staaten schlägt zu – Wie die westliche Welt Krisen erzeugt und Kriege vorbereitet“, 2019 Wien, Promedia Verlag.
(4) https://pulseofeurope.eu/
https://kenfm.de/tagesdosis-25-4-2019-europawahlen-der-pulse-of-europe-oder-ein-pulsus-paradoxus/
https://kenfm.de/tagesdosis-29-3-2019-eumania-bei-campact-attac-co-vorgeblich-gegen-rechts/
https://www.nachdenkseiten.de/?p=51774&fbclid=IwAR2dkNj1XMoX50t1CGrM9pl9am6d6hZP5X5K8E_H3XxpNDDECQTrs52IsGU