Sonntag, 31. Januar 2021

Pandemien - Produkt dekadenter Gesellschaften - LZ

 

Entnommen: https://linkezeitung.de/2021/01/31/alle-pandemien-der-vergangenheit-waren-das-produkt-von-dekadenten-gesellschaften-die-von-covid-19-ist-keine-ausnahme/


Alle Pandemien der Vergangenheit waren das Produkt von dekadenten Gesellschaften, die von Covid-19 ist keine Ausnahme


VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 31. JANUAR 2021 ⋅ EIN KOMMENTAR


von https://de.internationalism.org/

2017 zeigte die Wissenschaftsjournalistin Laura Spinney in ihrem Buch 1918 – Die Welt im Fieber (Originaltitel Pale Rider), wie der internationale Kontext und die Funktionsweise der Gesellschaft im Jahr 1918 entscheidend zum Ausgang der sogenannten „Spanischen“ Grippe-Pandemie beitrugen: „Im Grunde hat uns die Spanische Grippe gelehrt, dass eine weitere Grippe-Pandemie unvermeidlich ist, dass aber ihr Gesamtzoll – ob 10 oder 100 Millionen Opfer – allein von der Welt abhängt, in der sie auftritt“. Da die Welt seit einigen Monaten mit Covid-19 konfrontiert ist, bringt uns diese Lektion dazu, uns zu fragen, was diese Pandemie uns über die Welt, in der wir leben, lehrt.

Die Verbindung zwischen der Entwicklung einer Infektion einerseits und der Organisation und dem Zustand der Gesellschaft andererseits ist nicht nur bei der Spanischen Grippe von 1918-1920 gegeben. In der Tat entdeckte der Marxismus, dass im Allgemeinen die Produktionsweise einer Epoche die gesellschaftliche Organisation bedingt und damit auch alles, was die Individuen betrifft, die diese Gesellschaft ausmachen.

Von der Pest im Römischen Reich bis zu Covid-19


In der dekadenten Zeit des Weströmischen Reiches ermöglichten es die Existenzbedingungen und die Expansionspolitik des Reiches, dass sich der Pestbazillus spektakulär ausbreiten und ein wahres Massensterben unter der Bevölkerung verursachen konnte: „Die öffentlichen Bäder waren Brutstätten; die Abwasserkanäle stagnierten unter den Städten; die Kornkammern waren ein Segen für die Ratten; die Handelswege, die das ganze Reich verbanden, ermöglichten die Ausbreitung von Epidemien vom Kaspischen Meer bis zum Hadrianswall mit einer bis dahin unbekannten Effizienz“.[1]

Der Schwarze Tod, der im 14. Jahrhundert in Europa wütete, fand die Bedingungen für seine Ausbreitung sowohl in der Entwicklung des Handels mit Asien, Russland und dem Nahen Osten als auch in der Entwicklung des Krieges, insbesondere in Verbindung mit der Islamisierung der asiatischen Regionen.

Diese beiden Pandemien trugen wesentlich zum Niedergang der Sklaverei und der mittelalterlichen Gesellschaften bei, indem sie wichtige Teile der Gesellschaft zerstörten und sie desorganisierten. Es waren nicht Krankheiten, die den Zusammenbruch dieser Produktionssysteme herbeiführten, sondern vielmehr der Verfall dieser Systeme, der die Verbreitung von Infektionserregern begünstigte. Sowohl die Justinianische Pest als auch die Schwarze Pest haben zu einer Zerstörung beigetragen, die bereits in vollem Gange war, und diese zweifellos stark beschleunigt.

Seit dem Aufkommen des Kapitalismus sind Krankheiten ein ständiges Hindernis für das reibungslose Funktionieren der Produktion, indem sie die für die Wertschöpfung unverzichtbaren Arbeitskräfte außer Gefecht setzen. Sie sind immer auch ein Hindernis für imperialistische Aktivitäten gewesen, indem sie die auf den Schlachtfeldern mobilisierten Männer geschwächt haben.

Als der Virus der Spanischen Grippe begann, die Menschheit zu infizieren, brauchte die kapitalistische Welt mehr denn je menschliche Kraft auf höchstem Effizienzniveau. Diese Notwendigkeit war jedoch an Bedingungen geknüpft, die selbst der Nährboden für eine Pandemie waren, die zwischen 50 und 100 Millionen Menschen oder zwischen 2,5 und 5 % der Weltbevölkerung dahinraffte. Die Welt der Spanischen Grippe war eine Welt im Krieg. Der Erste Weltkrieg, der vier Jahre zuvor begonnen hatte und kurz vor seinem Ende stand, hatte bereits die neue Welt geprägt, eine Welt der kapitalistischen Dekadenz, der festgefahrenen Wirtschaftskrisen und der immer stärker werdenden imperialistischen Spannungen.

Aber der Krieg war noch nicht vorbei. Die Truppen waren immer noch an der Front und im Hinterland zusammengepfercht, was eine ansteckungsfördernde Umgebung schuf. Insbesondere der Transport der Soldaten von Amerika nach Europa erfolgte per Schiff unter erbärmlichen Bedingungen: Das Virus war weit verbreitet und die Männer landeten natürlich mit dem Virus in sich, ansteckend für die lokale Bevölkerung. Nach Kriegsende waren die Demobilisierung und Rückkehr der Soldaten in ihre Heimat ein starker Faktor der Ausbreitung der Epidemie, zumal die Soldaten durch vier Jahre Krieg geschwächt, unterernährt und ohne die geringste Versorgung waren.

Wenn wir über die Spanische Grippe sprechen, denken wir zwangsläufig an Krieg, aber der Krieg ist bei weitem nicht der einzige Faktor, der die Ausbreitung der Krankheit erklärt. Die Welt von 1918 war eine Welt, in der der Kapitalismus seine Produktionsweise bereits überall dort durchgesetzt hatte, wo ihn seine Interessen dazu zwangen, und schuf entsetzliche Ausbeutungsbedingungen. Es war eine Welt, in der die Arbeiter und Arbeiterinnen massenhaft untergebracht waren, zusammengepfercht in der Nähe von Fabriken, in Vierteln, in denen es Umwelt- und Luftverschmutzung, Unterernährung und einen allgemeinen Mangel an Gesundheitsdiensten gab. Es war eine Welt, in der der kranke Arbeiter ohne Versorgung nach Hause in sein Dorf geschickt wurde, wo er am Ende die meisten Leute ansteckte. Es war eine Welt von Bergleuten, die den ganzen Tag in unterirdischen Schächten eingesperrt waren, Gestein abbauten, um Kohle oder Gold zu gewinnen, mithilfe von Chemikalien, die ihren Körper ruinierten und ihr Immunsystem schwächten, und die nachts in engen Baracken untergebracht waren. Es war auch die Welt der Kriegsanstrengungen, in der das Fieber den Arbeiter nicht daran hindern sollte, in die Fabrik zu gehen, selbst wenn es bedeutete, alle Arbeiter vor Ort anzustecken.

Ganz allgemein war die Welt der Spanischen Grippe auch eine Welt, in der das Wissen über den Ursprung der Krankheiten und die Vektoren der Ansteckung im Allgemeinen unbekannt waren. Die Keimtheorie, die die Rolle von körperexternen Infektionserregern bei der Krankheit in den Vordergrund schob, steckte noch in den Kinderschuhen. Obwohl man begann, Mikroben zu beobachten, wurde die Existenz von Viren nur von wenigen Wissenschaftlern vermutet: Zwanzigmal kleiner als ein Bakterium, war ein Virus zu dieser Zeit mit optischen Mikroskopen nicht beobachtbar. Die Medizin war noch wenig entwickelt und für die große Mehrheit der Bevölkerung unzugänglich. Traditionelle Heilmittel und Glaubensvorstellungen aller Art dominierten den Kampf gegen diese unbekannte, erschreckende und oft verheerende Krankheit.

Das Ausmaß der menschlichen Katastrophe, die durch die Spanische Grippe-Pandemie verursacht wurde, hätte sie zur letzten großen Gesundheitskatastrophe für die Menschheit machen sollen. Die Lehren, die daraus hätten gezogen werden können, die Anstrengungen, die auf die Erforschung von Infektionen hätten gerichtet werden können, die beispiellose Entwicklung der Technologie seit dem Aufkommen des Kapitalismus hätten dazu führen können, dass die Menschheit den Kampf gegen die Krankheit gewinnt.

Gesundheitspolitik in den Diensten der kapitalistischen Ausbeutung


Die Bourgeoisie ist sich der Gefahr bewusst geworden, welche die Gesundheitsfragen für ihr System darstellen. Dieses Bewusstsein ist nicht in irgendeiner menschlichen oder fortschrittlichen Dimension zu sehen, sondern nur als Wille, die Arbeitskraft so wenig wie möglich zu schwächen, sie so produktiv und profitabel wie möglich zu halten. Dieser Wille war bereits in der Zeit des Aufstiegs des Kapitalismus nach der Cholera-Pandemie in Europa in den Jahren 1803 und 1840 aufgekeimt. Die Entwicklung des Kapitalismus ging einher mit einer Intensivierung des internationalen Handels und gleichzeitig mit der Erkenntnis, dass Grenzen keine Krankheitserreger aufhalten.[2] So begann die Bourgeoisie bereits 1850, mit den ersten internationalen Konventionen und vor allem mit der Gründung des Internationalen Amtes für öffentliche Hygiene (OIHP) im Jahr 1907 eine multilaterale Gesundheitspolitik zu betreiben. Zu dieser Zeit war das Vorhaben der Bourgeoisie offensichtlich, da diese Maßnahmen im Wesentlichen auf den Schutz der Industrieländer und den Schutz ihres Handels ausgerichtet waren, der für das Wirtschaftswachstum unerlässlich war. Das OIHP umfasste nur dreizehn Mitgliedsländer. Nach dem Krieg schuf der Völkerbund ein Hygienekomitee, dessen Berufung bereits internationaler war (seine Tätigkeit betraf etwa 70 % des Planeten), dessen erklärtes Programm aber immer noch darauf abzielte, durch die Förderung der Hygienepolitik sicherzustellen, dass alle Rädchen der kapitalistischen Maschine optimal funktionierten. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam mit der Gründung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und vor allem mit einem Programm zur Verbesserung der Gesundheit, dass sich nicht nur an die Mitgliedsstaaten, sondern an die gesamte Weltbevölkerung richtete, eine systematischere Herangehensweise an das Thema Gesundheit auf. Ausgestattet mit beträchtlichen Ressourcen, organisiert und finanziert die WHO Operationen zu vielen Krankheiten mit einem starken Schwerpunkt auf Prävention und Forschung.

Auch dahinter sollte man natürlich nicht eine plötzliche humanitäre Berufung der herrschenden Klasse sehen. Aber in einer Welt, die sich mitten im Kalten Krieg befand, wurde die Gesundheitspolitik als ein Mittel gesehen, um sicherzustellen, dass man, sobald der Krieg zu Ende war, auf die größtmögliche und produktivste Arbeitskraft zurückgreifen konnte, insbesondere während der Zeit des Wiederaufbaus – und auch später, um die Präsenz und die Herrschaft über die Entwicklungsländer und ihre Bevölkerungen aufrechtzuerhalten; die Gesundheitsvorsorge wurde als eine weniger kostspielige Lösung angesehen als die Behandlung der Kranken in Krankenhäusern.

Gleichzeitig haben sich Forschung und Medizin weiterentwickelt, was zu einer besseren Kenntnis der Infektionserreger, ihrer Funktionsweise und ihrer Bekämpfung geführt hat, insbesondere mit Antibiotika, die es ermöglichen, eine wachsende Zahl von Krankheiten bakteriellen Ursprungs zu heilen, und mit der Entwicklung von Impfstoffen. So sehr, dass die Bourgeoisie bereits in den 1950er Jahren zu glauben begann, dass die Schlacht gewonnen sei und viele Infektionskrankheiten nun der Vergangenheit angehörten: Die Entwicklung von Impfungen, insbesondere für Kinder, und der Zugang zu besserer Hygiene führten dazu, dass Kinderkrankheiten wie Masern oder Mumps selten wurden, dass die Pocken sogar ausgerottet wurden, ebenso wie die Kinderlähmung fast auf der ganzen Welt eliminiert wurde.[3] Das Kapital sollte nun auf eine unverwundbare, immer verfügbare und ausbeutbare Arbeitskraft zählen können.

AIDS, SARS, Ebola… Anzeichen für den Rückzug der kapitalistischen Herrschaft über die Natur

Die anarchische Entwicklung des Kapitalismus in seiner Dekadenzphase, die zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts begann, hat einen starken demographischen Wandel, zunehmende Umweltzerstörung (insbesondere Abholzung), verstärkte Vertreibung von Menschen, unkontrollierte Verstädterung, politische Instabilität und Klimawandel hervorgebracht, alles Faktoren, die das Auftreten und die Verbreitung von Infektionskrankheiten begünstigen.[4] So tauchte Ende der 1970er Jahre ein neues Virus in der Menschheit auf und verursachte die bis heute andauernde AIDS-Pandemie. Die Hoffnungen der Bourgeoisie schwanden so schnell, wie sie entstanden waren. Denn zur gleichen Zeit trat das kapitalistische System in die letzte Phase seiner Existenz ein, nämlich in die seines Zerfalls. Die Entwicklung der Ursprünge und Folgen des Zerfalls des Kapitalismus ist nicht der Gegenstand dieses Artikels. Wir können jedoch feststellen, dass die eklatantesten Erscheinungen dieser Zersetzung sehr schnell die Gesundheitsfragen betrafen: das Jeder-für-sich, die kurzfristige Sichtweise und der fortschreitende Verlust der Kontrolle der Bourgeoisie über ihr System, all dies in einem Kontext einer immer tieferen und immer schwerer zu bekämpfenden Wirtschaftskrise.

Heute sticht die COVID-19-Pandemie als beispielhafter Ausdruck des kapitalistischen Zerfalls hervor. Sie ist das Ergebnis einer wachsenden Unfähigkeit der Bourgeoisie, eine Frage in die Hand zu nehmen, die sie selbst bei der Gründung der WHO im Jahr 1947 als Grundsatz festgelegt hatte: alle Bevölkerungen auf das höchstmögliche Gesundheitsniveau zu bringen. Ein Jahrhundert nach der Spanischen Grippe haben sich die wissenschaftlichen Kenntnisse über Krankheiten, deren Entstehung, Infektionserreger und Viren auf ein absolut unvergleichliches Niveau entwickelt. Die Gentechnik ermöglicht es heute, Viren zu identifizieren, ihre Mutationen zu verfolgen und wirksamere Impfstoffe herzustellen. Die Medizin hat immense Fortschritte gemacht und sich zunehmend gegen Traditionen und Religionen durchgesetzt. Sie hat auch eine sehr wichtige präventive Dimension angenommen.

Allerdings dominieren angesichts von COVID-19 die Ohnmacht der Staaten und die Panik vor dem Unbekannten. Während es der Menschheit hundert Jahre lang allmählich gelungen ist, die Natur zu beherrschen, befinden wir uns nun in einer Situation, in der dies immer weniger der Fall ist.

Covid-19 war in der Tat alles andere als ein Strohfeuer: Natürlich gab es HIV, das als Erinnerung daran diente, dass neue Pandemien noch kommen würden. Seitdem hat es aber auch SARS, MERS, Schweinegrippe, Zyka, Ebola, Chikungunya, Prionen, etc. gegeben. Fast verschwundene Krankheiten wie Tuberkulose, Masern, Röteln, Skorbut, Syphilis, Krätze und sogar Kinderlähmung sind wiederaufgetaucht.

All diese Warnungen hätten zu mehr Forschung und vorbeugenden Maßnahmen führen müssen; dies ist nicht geschehen. Nicht wegen Nachlässigkeit oder schlechter Risikoeinschätzung, sondern weil der Kapitalismus mit dem Zerfall notwendigerweise immer mehr in einer kurzfristigen Sichtweise gefangen ist, die auch dazu führt, dass er allmählich die Kontrolle über die Regulierungsinstrumente verliert, die es bis dahin ermöglicht haben, den Schaden zu begrenzen, der durch den ungezügelten Wettbewerb aller Akteure in der kapitalistischen Welt untereinander entstanden ist.

In den 1980er Jahren gab es erste Kritiken von Seiten der WHO-Mitgliedsstaaten, die der Meinung waren, dass die Präventionspolitik zu kostspielig geworden sei, vor allem wenn sie nicht direkt dem eigenen nationalen Kapital zugutekam. Die Impfungen begannen abzunehmen. Der Zugang zu Medikamenten wurde durch Kürzungen im öffentlichen Gesundheitssystem erschwert. Auf dem Rückzug ist sie aber auch alternativen „Medikamenten“ gewichen, die sich aus dem irrationalen Klima nähren, das durch den Verfall gefördert wird. So sind hundert Jahre später die empfohlenen „Heilmittel“ gegen das Virus (SARS-CoV-2) die gleichen wie die, die für die Spanische Grippe empfohlen wurden (Ruhe, Diät, Flüssigkeitszufuhr), zu einer Zeit, als noch nicht bekannt war, dass die Ursache der Krankheit ein Virus war.

Die Wissenschaft als Ganzes verliert ihre Glaubwürdigkeit und damit auch ihre Kredite und Subventionen. Die Erforschung von Viren, Infektionen und der Mittel ihrer Bekämpfung wurde fast überall aus Mangel an Ressourcen eingestellt. Nicht, dass sie so teuer wäre, aber ohne sofortige Rentabilität wird sie zwangsläufig als zu teuer angesehen. Die WHO gibt ihre Tuberkulose-Aktivitäten auf und wird von den Vereinigten Staaten aufgefordert, sich auf die Krankheiten zu konzentrieren, die sie als vorrangig ansieht, oder sie riskiert, ihren finanziellen Beitrag zu verlieren (den größten, 25% der Einnahmen).

Die Bedürfnisse der Wissenschaft, die immer noch versucht, langfristig zu arbeiten, sind nicht mit den Zwängen eines Systems in der Krise vereinbar, das den dringenden Anspruch auf eine direkte Rendite für jede Investition stellt. Zum Beispiel gibt es zu einer Zeit, in der das Zika-Virus weltweit als Krankheitserreger anerkannt ist, der Geburtsfehler verursachen kann, fast keine Forschung und keinen Impfstoff in einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium. Zweieinhalb Jahre später werden die klinischen Studien aufgeschoben. Das Fehlen eines profitablen Marktes zwischen den Epidemien ermutigt weder Regierungen noch Pharmaunternehmen, in diese Art von Forschung zu investieren.[5]

Der erhebliche Rückgang bei der Vorsorgepolitik: ein Spiegelbild einer Gesellschaft ohne Zukunft

Heute ist die WHO praktisch zum Schweigen gebracht, und die Erforschung von Krankheiten liegt in den Händen der Weltbank, die ihr einen Kosten-Nutzen-Ansatz aufzwingt (mit der Einführung ihres DALY-Indikators, der auf dem Kosten-Nutzen-Verhältnis bei der Anzahl verlorener Lebensjahre basiert).


Wenn also ein Coronavirus-Spezialist, Bruno Canard, von „einem Langzeitprojekt“ spricht, „das schon 2003 und mit dem Auftreten des ersten SARS hätte begonnen werden müssen“, und ein Virologen-Kollege, Johan Neyts, mit Bedauern feststellt, dass „wir für 150 Millionen Euro in zehn Jahren ein Breitspektrum-Antivirus gegen Coronaviren gehabt hätten, das wir den Chinesen schon im Januar hätten geben können. Wir wären nicht da, wo wir heute sind“[6], so stellen sie sich gegen den Strom der aktuellen Dynamik des Kapitalismus.

So schrieb Marx bereits 1859 in seinem Beitrag Zur Kritik der Politischen Ökonomie: „Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen […]. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um.“ Während die Menschheit über die wissenschaftlichen und technologischen Mittel zur Bekämpfung von Krankheiten wie nie zuvor verfügt, stellt die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Organisation ein Hindernis für die Verwirklichung dieser Mittel dar.

So sieht sich die Menschheit im Jahr 2020, die in der Lage ist, lebende Organismen in all ihren Formen zu kennen und zu beschreiben, wie sie funktionieren, gezwungen, die Mittel einer Vergangenheit aufzugreifen, in der noch Obskurantismus herrschte. Die Bourgeoisie schließt ihre Grenzen, um sich vor dem Virus zu schützen, so wie im 18. Jahrhundert eine Mauer gebaut wurde, um die Provence zu isolieren, die von der Pest befallen war. Kranke oder krankheitsverdächtige Menschen werden unter Quarantäne gestellt, so wie während des Schwarzen Todes die Häfen für fremde Schiffe gesperrt wurden. Die Bevölkerung wird eingeschlossen, öffentliche Plätze werden geschlossen, Freizeitaktivitäten und Versammlungen verboten und Ausgangssperren verordnet – gleich wie es namentlich in den großen Städten der Vereinigten Staaten während der Spanischen Grippe der Fall war.

Seitdem ist also nichts mehr erfunden worden, und die Rückkehr dieser gewalttätigen, archaischen und überholten Methoden signalisiert die Ohnmacht der herrschenden Klasse angesichts der Pandemie.

Die Konkurrenz, dieses Fundament des Kapitalismus, verschwindet nicht angesichts des Ernstes der Lage: Jedes Kapital muss die anderen besiegen oder sterben. So versuchten die Staaten in einer Zeit, in der sich die Toten stapelten und die Krankenhäuser keinen einzigen Patienten mehr aufnehmen konnten, immer noch, die Ausgangssperren möglichst nach den Konkurrenten anzuordnen. Wenige Wochen später ging es darum, durch eine möglichst frühe Aufhebung des Lockdowns die Wirtschaftsmaschine so schnell wie möglich zu starten, um die Märkte des Konkurrenten zu erobern. All dies geschah mit Geringschätzung gegenüber der menschlichen Gesundheit und trotz der Warnungen der wissenschaftlichen Gemeinschaft über die fortbestehende Virulenz des SARS-CoV-2. Die Bourgeoisien sind unfähig, über das auf allen Ebenen der Gesellschaft herrschende Jeder-für-sich hinauszugehen, und scheitern, wie z.B. im Kampf gegen die globale Erwärmung, bei der Entwicklung gemeinsamer Strategien zur Bekämpfung von Krankheiten.

Justinians Pest beschleunigte den Untergang des Römischen Reiches und seines Sklavensystems; der Schwarze Tod löste den Untergang des Feudalsystems aus. Jene Pandemien waren das Produkt dieser dekadenten Systeme, in denen „die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen“ geraten, und gleichzeitig waren sie ein Beschleuniger ihres Untergangs. Die COVID-19-Pandemie ist ebenfalls das Produkt einer dekadenten (und sogar zerfallenden) Welt; auch sie wird ein Beschleuniger der Widersprüche eines veralteten und moribunden Systems sein.

Sollten wir uns darüber freuen, dass der Untergang des Kapitalismus durch die Pandemie beschleunigt wird? Wird der Kommunismus so entstehen können, wie der Kapitalismus auf den Trümmern des Feudalismus geboren werden konnte? Der Vergleich mit den Pandemien der Vergangenheit endet hier. In der Sklavenwelt und der feudalen Welt waren die Grundlagen einer Organisation, die dem von den Produktivkräften erreichten Entwicklungsstand entsprach, bereits in ihnen vorhanden. Die bestehenden Produktionsweisen stießen an ihre Grenzen und ließen Raum für die Durchsetzung einer neuen herrschenden Klasse, die bereits über angemessenere Produktionsverhältnisse verfügte. Am Ende des Mittelalters hatte der Kapitalismus bereits eine wichtige Rolle in der gesellschaftlichen Produktion eingenommen.

Der Kapitalismus ist die letzte Klassengesellschaft der Geschichte. Nachdem er fast die gesamte menschliche Produktion unter seine Kontrolle gebracht hat, lässt er vor seinem Untergang keinen Raum für eine andere Organisation, und keine andere Klassengesellschaft könnte ihn ersetzen. Die revolutionäre Klasse, das Proletariat, muss zuerst das gegenwärtige System zerstören, bevor sie das Fundament für ein neues Zeitalter legt. Wenn eine Reihe von Pandemien oder anderer Katastrophen den Sturz des Kapitalismus herbeiführt, ohne dass das Proletariat reagieren und seine eigene Kraft durchsetzen kann, so wird die ganze Menschheit mitgerissen.

Was in dieser Periode auf dem Spiel steht, ist die Fähigkeit der Arbeiterklasse, der kapitalistischen Verantwortungslosigkeit zu widerstehen, allmählich die Gründe dafür zu verstehen und die historische Verantwortung zu übernehmen. So endet das oben erwähnte Zitat von Marx:

„Auf einer gewissen Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen […]. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche der sozialen Revolution ein.“

GD (Oktober 2020)


Samstag, 30. Januar 2021

BlackRock so mächtig wie nie

 

Entnommen: https://www.kommunisten.de/rubriken/kapital-a-arbeit/8091-blackrock-so-maechtig-wie-nie


BlackRock so mächtig wie nie

Zwar konnte sich BlackRock-Mann Friedrich Merz nicht als CDU-Vorsitzender durchsetzen, aber das ficht den größten Vermögensverwalter der Welt wenig an. Zum Einen ist der politische Einfluss auch so enorm und vor allem konnte BlackRock im Krisenjahr 2020 seine Anlagen auf den Rekordwert von fast 8,7 Billionen US-Dollar steigern. Im Jahr davor verwaltete BlackRock für Anleger noch rund 7,43 Billionen Dollar. Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands lag 2020 mit 3,329 Billionen Euro (4,04 Billionen USD) um 5,0% unter dem Vorjahreswert.

 Hintergrund des Vermögensanstiegs waren sowohl die Kursentwicklungen wie auch Mittelzuflüsse vonseiten der Investor*innen, umschreibt BlackRock in seinem Bericht[1] die Tatsache, dass die Reichen in der Krise noch reicher werden und ihr Geld von Vermögensverwaltern wie BlackRock noch weiter vermehren lassen. Allein im vierten Quartal 2020 steckten sie netto rund 127 Milliarden Dollar in die Investmentinstrumente von BlackRock. Auf das Gesamtjahr 2020 gerechnet, verzeichnete BlackRock eigenen Angaben zufolge Nettomittelzuflüsse von 391 Milliarden Dollar. Zudem meldete das Unternehmen für 2020 einen Gewinnsprung um 20 Prozent . Der bereinigte Nettogewinn stieg im Schlussquartal 2020 auf 1,57 Milliarden Dollar, verglichen mit 1,31 Milliarden Dollar im Vorjahr. [1]

″immer mehr Menschen zu finanziellem Wohlergehen verhelfen″

″Während dieser Krise ist unsere Überzeugung, immer mehr Menschen zu finanziellem Wohlergehen zu verhelfen, stärker denn je″ teilt BlackRock mit und verweist auf das ″Geschäftsmodell, das uns in die Lage versetzt hat, nahtlos einen Handelsvolumina-Rekord zu bewältigen und Risiken in einem noch nie dagewesenen Markt zu managen″.

In den Genuss dieses Geschäftsmodells kommen Menschen und Institutionen mit einem Anlagevermögen ab etwa 50 Millionen US-Dollar. Zu dem lukrativen Geschäftsmodell zählt auch, dass BlackRock keine Bankschalter und keinen öffentlichen Kundenverkehr unterhält. Die Superreichen überweisen direkt. Deshalb hat der Management-Apparat von BlackRock für die fast 9 Billionen US-Dollar an verwaltetem Kapital nur 16.000 Beschäftigte – während die Deutsche Bank für nicht einmal ein Hundertstel an Kapital 87.000 Beschäftigte gewinnmindernd durchfüttern muss.

Desweiteren zählt zum Geschäftmodell von BlackRock, dass BlackRock der größte Organisator von Briefkastenfirmen ist. Das Kapital der Superreichen wird, für jeden einzelnen in einer besonderen Briefkastenfirma in einer jeweils passenden Finanzoase zwischen Delaware, den Cayman Islands und Luxemburg angelegt. Gleichzeitig werden diese Kapitalgeber anonymisiert, vor Öffentlichkeit, Finanzämtern und Finanzaufsicht namenlos und unsichtbar gemacht.
″So sind die etwa fünf Prozent der Aktien des Braunkohlekonzerns RWE auf 154 Briefkastenfirmen in einem Dutzend Finanzoasen verteilt, unter Namen wie BlackRock Holdco 4 LLC, BlackRock Holdco 6 LLC u.ä. BlackRock begeht damit natürlich nicht selbst Steuerflucht, bietet aber die Möglichkeit dazu; rechtlich gesehen: Beihilfe.″ [2]

Damit BlackRock in der Lage ist, ″immer mehr Menschen zu finanziellem Wohlergehen zu verhelfen″, müssen andere Menschen dafür bluten. Unternehmen, in denen BlackRock sich als Miteigentümer einkauft, werden gewinnbringend "restrukturiert", abgeschrumpft, teilverkauft, fusioniert, mit Abbau von Arbeitsplätzen, Auslagerungen, Tarifflucht u.ä.. Immerhin ist BlackRock Großaktionär in etwa 18.000 Unternehmen, Banken und Finanzdienstleistern in den USA, in der EU, in Großbritannien, Asien, Lateinamerika - in Deutschland bei allen DAX-Konzernen.

Klimarisiko als Anlagerisiko

BlackRock bleibe ″unerschütterlich″ beim Einsatz für seine Anleger*innen, ″denen wir helfen, ihre Anlage- und Sparziele zu erreichen″, versichert BlackRock-Chef Larry Fink, warnt aber vor den Klimarisiken, die die Anleger*innen zwingen, ″ihre zentralen Annahmen zur modernen Finanzwirtschaft zu überdenken. … Was passiert, wenn es keinen funktionierenden Markt mehr für Hochwasser- und Brandschutzversicherungen gibt? Und wie entwickeln sich die Inflationsraten und damit auch die Zinsen, wenn die Lebensmittelpreise infolge von Dürre und Überschwemmungen steigen? ... Auch für Anleger spielen diese Fragen eine immer größere Rolle, denn sie erkennen, dass das Klimarisiko auch ein Anlagerisiko ist.″ [3]


Um dem zu begegnen, werde Nachhaltigkeit zum zentralen Teil der Anlagestrategie des Unternehmens, verspricht Larry Fink. Reines ″Greenwashing″ sagen Umweltorganisationen, die zwölf der klimaschädlichsten Großprojekte weltweit untersucht haben: Zum Beispiel Ölförderprojekte in der Tiefsee vor Guyana, Gasfelder in Mosambik und neue Kohlekraftwerke in Bangladesch. Das Ergebnis: BlackRock ist insgesamt betrachtet der größte Investor. Einem Report der Nichtregierungsorganisation Urgewald zufolge ist das Unternehmen über Anteile und Anleihen mit mehr als 110 Milliarden Euro dabei.[4]

BlackRock Studie UrgewaltBlackRock betont, man werde künftig sein Engagement bei Kohleproduzenten zurückfahren, Unternehmen stärker in die Pflicht nehmen und die Zahl nachhaltiger Investments stark ausbauen. Vor allem bei Fonds, die nach ökologischen und sozialen Kriterien zusammengestellt sind. Nach Testergebnissen der Zeitschrift "Finanztest" von Juli 2020 schneiden die untersuchten "nachhaltigen" Fonds von BlackRock aber in vier von fünf Fällen in puncto Nachhaltigkeit am schlechtesten ab. Auch die Nichtregierungsorganisation Facing Finance hat die Nachhaltigkeits-Fonds von BlackRock unter die Lupe genommen. Einer der untersuchten Fonds zum Beispiel verzichte zwar auf Beteiligungen an Kraftwerkskohle oder Ölsanden. Trotzdem investiere auch er in Ölkonzerne wie Total oder den umstrittenen Rohstoffkonzern Glencore.

"Die Analyse der BlackRock-Investitionen zeigt, dass das Geld über seine Indexfonds uneingeschränkt in den Kohlesektor fließt, auch in Unternehmen, die aus seinen aktiven Fonds verbannt sind, wie PGE (Anm.: größter polnischer Energiekonzern) oder Coal India", heißt es in einer aktuellen Untersuchung vom Januar 2021 von Reclaim Finance and Urgewald.[5]

BlackRock bleibt eben ″unerschütterlich″ beim Einsatz für seine Anleger*innen, um ihnen zu helfen, ″ihre Anlage- und Sparziele zu erreichen″.

Die ″Viererbande″

Neben BlackRock gehören noch die Vermögensverwalter Vanguard (5,6 Billionen USD), Fidelity (2,961 Billionen USD) und Capital Group (1,9 Billionen USD) zur ″Viererbande″ der superreichen Vermögensverwalter. Diese Finanzgiganten sind natürlich in den fünf Internetriesen Apple, Amazon, Microsoft, Alphabet und Facebook beteiligt und haben durch ihr Finanzengagement die Börsenwerte dieser Technologiekonzerne rapide nach obengetrieben.


Diese vier dominanten Geld-Konzerne sind zudem auch untereinander verflochten. Vanguard hält bei BlackRock 10,5% der Aktien, Capital Research 4,55%, umgekehrt ist BlackRock bei Vanguard mit 9,76% beteiligt. Eine exklusive und geschlossene Gesellschaft. Einen derartig großen und unheimlichen Macht-Cluster aus ökonomisch-gesellschaftspolitischem Potenzial und Geldmacht hat es in der Wirtschaftsgeschichte bisher nicht gegeben. 

 
Anmerkungen:

[1] INVESTOR RELATIONS, January 14, 2021
https://ir.blackrock.com/files/doc_financials/2020/Q4/BLK-4Q20-Earnings-Release.pdf

[2] Telepolis, 17.1.2021, Werner Rügemer: Noch mehr BlackRock in der US-Regierung
https://www.heise.de/tp/features/Noch-mehr-BlackRock-in-der-US-Regierung-5023050.html?seite=all

[3] Larry Fink, Eine grundlegende Umgestaltung der Finanzwelt
https://www.blackrock.com/de/privatanleger/larry-fink-ceo-letter

[4] Urgewalt, 27.1.2020: BlackRocks neue Policy betrifft weniger als 20% der Kohle-Industrie
https://urgewald.org/medien/blackrocks-neue-policy-betrifft-weniger-20-kohle-industrie

[5] urgewalt, 13.1.2021: Ein Jahr nach Nachhaltigkeitsversprechen: BlackRock hält $85 Mrd in Kohlefirmen
https://urgewald.org/medien/jahr-nachhaltigkeitsversprechen-blackrock-haelt-85-mrd-kohlefirmen
Reclaim Finance, 12.1.2021: ONE YEAR ON: BlackRock still addicted to fossil fuels
https://reclaimfinance.org/site/en/2021/01/12/one-year-on-blackrock-still-addicted-fossil-fuels-2/
https://reclaimfinance.org/site/wp-content/uploads/2021/01/OneYearOnBlackRockStillAddictedToFossilFuels.pdf


Freitag, 29. Januar 2021

JUNGE CHINESEN FÜR SOZIALISTISCHE IDEALE - LZ

Entnommen: https://linkezeitung.de/2021/01/29/mit-dem-kapitalismus-fertig-lesen-junge-chinesen-das-kapital/


Mit dem Kapitalismus fertig, lesen junge Chinesen „Das Kapital“


VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 29. JANUAR 2021

von Wang Rui – http://www.defenddemocracy.press/

Übersetzung LZ

Kann der Marxismus ein Comeback feiern, wenn eine neue Generation zunehmend vom „996“-Agitation und den liberalen Plattitüden der Älteren genug hat?

Wie ich in meinem ersten Artikel erörtert habe, befinden sich die jungen Chinesen mitten in einer umfassenden Neubewertung der modernen Geschichte ihres Landes, die ihre Einstellung zur so genannten sozialistischen Periode, grob definiert als die Jahre zwischen der Gründung der Volksrepublik China 1949 und dem Beginn der „Reform und Öffnung“ 1979, neu gestaltet.

Zu dieser Verschiebung hat eine Welle von populärwissenschaftlichen Artikeln und Videos in den sozialen Medien beigetragen, die versuchen, das populäre Verständnis von Sozialismus, Mao Zedong und der frühen Geschichte der Volksrepublik zu revidieren. Aber Artikel allein machen noch keine Bewegung; sie haben so viel Resonanz gefunden, weil sich die Erfahrungen und Einstellungen junger Chinesen von denen früherer Generationen stark unterscheiden. Einfach ausgedrückt: Das Leben im Kapitalismus ist nicht so, wie man es gedacht hatte.

Junge Chinesen, die in den 1990er und 2000er Jahren geboren wurden, wuchsen in einer Ära des rasanten Wirtschaftswachstums und eines entsprechenden Anstiegs von Chinas gesamter nationaler Stärke auf. Vor allem nach 2008, als der Westen in einer selbstverschuldeten globalen Wirtschaftskrise steckte und China zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt aufstieg, verloren westliche Ideologien wie der Liberalismus allmählich ihre kulturelle Hegemonie aus der Zeit nach dem Kalten Krieg.

Dies hat den Menschen ein Fenster geöffnet, um ihr Verständnis der chinesischen und der Weltgeschichte umfassend zu überdenken. Viele junge Chinesen lehnen den neoliberalen Konsens ab, dass es keine Alternative zu westlichen Entwicklungsstrategien gibt, und bevorzugen stattdessen einen kühleren, analytischen Ansatz, um die Vor- und Nachteile verschiedener politischer Ideologien zu vergleichen. Online betonen Historiker und Bastler die Auswirkungen von Industrie, sozialer Klasse, Militär und Geopolitik auf die nationale Entwicklung – während sie ihr Publikum davor warnen, sich vor den finsteren Absichten ausländischer Mächte zu hüten und vereinfachende „Hipster“-Einstellungen zur Politik zu vermeiden.

Ein Teil dessen, was hier vor sich geht, ist generationenbedingt. Jahrelang wurde denjenigen, die sich für die Geschichte Chinas interessierten, kein wirklich vielfältiges Meinungsbild präsentiert, sondern eher eine Reihe von Werken, die unter den singulären ideologischen Trends der 80er und 90er Jahre entstanden. Viele davon waren reich an Informationen, aber auch stark von liberalen politischen und kulturellen Strömungen durchdrungen, die bei jungen Menschen keinen Anklang finden. Selbst wenn man Ideologie und Erfahrung beiseite lässt, ist es nur natürlich, dass eine neue Generation sich an den Axiomen derjenigen stößt, die früher den kulturellen Diskurs des Landes dominierten.

Vor einem Jahrzehnt zum Beispiel war das chinesische Festland noch von einer Welle der Nostalgie für die republikanische Zeit erfasst, die die vorkommunistische Kuomintang (KMT) Regierung stark romantisierte. Heute ist es jedoch selbst auf ehemaligen liberalen Hochburgen wie der Frage-und-Antwort-Plattform Zhihu populär geworden, lange Beiträge mit Archivfotos und Dokumenten zu verfassen, die speziell die Korruption und den sozialen Verfall der KMT-Herrschaft hervorheben und damit den Beweis antreten, dass nur die Kommunistische Partei Chinas Aufstieg hätte bewerkstelligen können.

Meiner Meinung nach ist jedoch der wichtigste Motivationsfaktor hinter der Wertschätzung der sozialistischen Periode des Landes, dass junge Chinesen unter dem Kapitalismus gelebt und gelitten haben. Ihre Anerkennung und Wertschätzung für die frühen Errungenschaften der KPCh beim Aufbau des Sozialismus wird durch eine breitere Aufarbeitung der Geschichte und Theorie der internationalen sozialistischen Bewegung seit dem 19. Jahrhundert gefördert.

Diese Aufarbeitung geht tiefer als die Reproduktion von Zombie-Narrativen oder der Rhetorik des 20. Jahrhunderts: Sie basiert auf einem lebendigen Sinn für das zeitgenössische Leben und die Realität. Junge Chinesen haben einen Großteil ihres Lebens damit verbracht, den Zerfall der globalen kapitalistischen Ordnung, den Anstieg der Ungleichheit und den Zusammenbruch des Status der Arbeiterklasse zu beobachten. Die frühere Generation vertrat die Ideologie des reinen Marktes, des privaten Unternehmertums und des Kapitalismus, aber für viele junge Chinesen, die im privaten Sektor arbeiten, den ihre Eltern aufgebaut haben, sind diese Ideen nicht mit der Entfesselung der Produktivität verbunden, sondern mit dem dröhnenden Druck der „Involution“, dem Gefühl der relativen Deprivation und zermürbenden Arbeitszeiten wie dem Marathon von 9 bis 21 Uhr an sechs Tagen in der Woche, der als „996“ bekannt ist.

Tatsächlich ist fast überall, wo man online hinschaut, ein Gefühl von Wut und Frustration über Kapitalismus und Marktideologie spürbar. Erst werden junge Chinesen zu extremen Arbeitszeiten gezwungen, die offensichtlich wenig einbringen, dann müssen sie sich von Leuten wie dem Alibaba-Mitbegründer Jack Ma Vorträge darüber anhören, dass es ein „Segen“ sei, 996 Stunden zu arbeiten, oder zuzusehen, wie die Reichen von ihren Investment- und Immobilienportfolios profitieren, ohne einen Finger krumm machen zu müssen. In den letzten Jahren ist sogar die abfällige Verwendung von „Kapitalist“ und anderen hochgradig belasteten Begriffen im öffentlichen Diskurs wieder aufgetaucht, da junge Linke nach Wegen suchen, ihrer Frustration Luft zu machen.

Unter diesen Umständen ist es keine Überraschung, dass sich zumindest einige der umfassendsten, kraftvollsten Kritik an Kapitalismus und Märkten zuwenden, die je entwickelt wurde: Dem Marxismus. Bis zu einem gewissen Grad fühlt sich diese Linksverschiebung wie eine Rückkehr zur Form an. Junge Linke fordern das ideologische Erbe ihres Landes zurück, das schließlich auf der Idee gegründet wurde, die Unterdrückung und Ausbeutung der Arbeiter und Bauern durch die Kapitalistenklasse zu beenden. Und weil sie in einem Bildungssystem mit obligatorischen Kursen über Marxismus und Sozialismus aufgewachsen sind, werden selbst scheinbar unpraktische oder überholte Konzepte wie Klasse und „Mehrwert“ zu einem praktischen analytischen Rahmen, wenn viele Schüler später im Leben auf Schwierigkeiten stoßen.

Aber der aktuelle Trend geht über das Klassenzimmer hinaus. In der Tat beschweren sich viele Studenten darüber, dass ihre obligatorischen Marxismuskurse – die lange Zeit von Lehrern und Studenten gleichermaßen als Pro-forma-Übungen behandelt wurden – nicht genug tun, um sie vorzubereiten oder ihnen das Wissen zu vermitteln, das sie wirklich wollen.

Sie haben einen Punkt. „Wenn du der Lehrer der Massen sein willst, musst du zuerst ihr Schüler sein“, mahnte Mao einst. Aber viele Marxismus-Lehrer an chinesischen Universitäten haben sich zu sehr mit ihrer Marginalisierung abgefunden, um sich den veränderten Umständen und der gestiegenen Nachfrage nach ihrem Fachgebiet anzupassen; andere setzen Marx aktiv herab und preisen an seiner Stelle Libertäre wie Friedrich Hayek oder sogar KMT-Fürsten wie Chiang Ching-kuo.

Das zwingt ihre Studenten, die im Allgemeinen wenig Geduld für Libertarismus oder KMT-Nostalgie haben, sich anderswo umzusehen. Das hat ironischerweise viele dazu gebracht, die Lehrbücher des Landes zu überspringen und Figuren wie Marx und Lenin in ihren eigenen Worten zu lesen. Für andere haben sich Online-Videos verbreitet, die vorgeben, die Kernsätze des Marxismus-Leninismus zu erklären, und viele von ihnen haben Millionen von Aufrufen erhalten.

Interessanterweise ist einer der populärsten Interpreten der marxistischen Tradition gar kein Chinese, sondern der amerikanische Akademiker Richard D. Wolff. Netizens haben Videos seiner Vorträge von YouTube gezogen und untertitelte Versionen auf Seiten wie Bilibili unter Titeln wie „Why Aren’t You a Marxist?“ hochgeladen. Trotz seines akademischen Hintergrunds wird Wolff für seine klaren Analysen und verständlichen Erklärungen von Kernkonzepten gelobt, und einige seiner Videos auf Bilibili haben inzwischen mehr Aufrufe als die Originale. Näher an der Heimat hat Bilibili auch dazu beigetragen, die Arbeit des chinesischen Agrarwissenschaftlers Wen Tiejun bekannt zu machen, dessen Geschichte „Eight Crises: China’s Real Experiences, 1949-2009“ (Acht Krisen: Chinas reale Erfahrungen, 1949-2009) einen Aufschwung an Popularität und Verkäufen erfahren hat.

Diese Entwicklungen haben in einigen Kreisen Alarm wegen eines Linksdrifts ausgelöst. Aber meiner Erfahrung nach sind die jungen Linken des Landes trotz ihrer Frustration und ihres manchmal irrationalen Überschwangs von echten Gefühlen und dem Wunsch motiviert, ihr Land zu verbessern. Sie wollen die Ideale derer wieder aufgreifen, die für den Sozialismus und die chinesische Revolution gekämpft und sich geopfert haben – und eine gerechte, gleichberechtigte Gesellschaft aufbauen, auf die diese Märtyrer stolz gewesen wären.

Übersetzer: David Ball; Redakteure: Wu Haiyun und Kilian O’Donnell.

Published at www.sixthtone.com

Fed Up With Capitalism, Young Chinese Brush Up on ‘Das Kapital’



Mittwoch, 27. Januar 2021

Wütender Widerstand gegen Nord Stream 2 - Wolfgang Bittner

 

Entnommen: https://www.nachdenkseiten.de/?p=69194


Wütender Widerstand gegen Nord Stream 2


Wolfgang Bittner


26. Januar 2021 um 14:04
Ein Artikel von Wolfgang Bittner | Verantwortlicher: Redaktion
Manuela Schwesig darf die US-Sanktionen in der Tagesschau nicht kritisieren. Von Wolfgang Bittner. – Dieser Beitrag zeigt, wie ernst es um vernünftige Beziehungen mit Russland steht. Eine Phalanx von Einflusspersonen der USA versucht unentwegt und auf verschiedenen Wegen, das Projekt Nord Stream 2 zu stoppen. Für mich ist noch nicht ausgemacht, wie dieser Machtkampf ausgehen wird. Albrecht Müller.

Ob es um Kriege oder völkerrechtswidrige Sanktionen geht: Kritik an der aggressiven Politik der US-Regierung ist nicht nur unerwünscht, sondern sie wird systematisch unterbunden. Jüngstes Beispiel dafür ist die neu entfachte Polemik gegen die Nord-Stream-2-Pipeline. Um die Fertigstellung endlich zu ermöglichen, hat das Land Mecklenburg-Vorpommern eine „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“ gegründet. Das stieß auf geradezu wütenden Widerstand bei US-affinen Berliner Politikern, aber auch im EU-Parlament und bei den Umweltverbänden NABU und WWF.

Bezeichnend für die verlogene Propaganda, mit der gegen das Pipeline-Projekt vorgegangen wird, ist ein Interview, das die Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios, Tina Hassel, mit der Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, führte, ausgestrahlt in dem Bericht aus Berlin der ARD-Tagesschau am 24. Januar. Die Journalistin stellte als Erstes fest, das EU-Parlament habe noch einmal den sofortigen Baustopp gefordert, die Gaspipeline sei ein „zentrales geopolitisches Projekt des Kreml“. Nun aber wolle man in Mecklenburg–Vorpommern „unbedingt weiterbauen und hat sich etwas Überraschendes einfallen lassen“[1]

Es folgten ein tendenziöser „Bericht“ über die Stiftung und zwei Stellungnahmen von Mitarbeitern des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Danach braucht Deutschland das Pipelineprojekt angeblich überhaupt nicht, das sei „energiewirtschaftlich unsinnig“ und widerspreche den Klimazielen. Und natürlich ging Frau Hassel auch auf die Inhaftierung des neu erstandenen Helden Russlands, Alexej Nawalny, ein, denn das stünde dem Weiterbau der Pipeline entgegen.

Manuela Schwesig zeigte sich der Dreistigkeit gewachsen und entgegnete: „Dort, wo amerikanische Sanktionen deutsche Unternehmen bedrohen, müssen wir schauen, wie wir helfen können, denn hier vermisse ich den Aufschrei…“ Die Journalistin unterbrach, aber Schwesig fuhr unbeirrt fort: „Es kann nicht sein, dass die Amerikaner unsere deutschen Unternehmen bedrohen.“ Obwohl die Journalistin erneut dazwischenfuhr, sprach Schwesig weiter, allerdings kaum noch vernehmbar: „US-Senatoren haben dem Hafen Mukran mit wirtschaftlicher Vernichtung gedroht, und das geht zu weit.“ Das sei zwar ärgerlich, wimmelte Hassel ab, aber das Europäische Parlament – und das seien keine Amerikaner – habe gesagt: „Um Gottes Willen nicht weiterbauen“.

Dann kam die unausweichliche Frage: “Frau Schwesig, haben Sie keine Bauchschmerzen angesichts der Verhaftung von Alexej Nawalny und angesichts der Bilder, die wir gestern gesehen haben: Massenverhaftungen, Tausende im ganzen Land, die auf die Straße gehen, angesichts dieser Bilder mit Nord Stream 2 weiter Geschäfte zu machen?“ Schwesig antwortete hierauf zurückhaltend-diplomatisch, sie teile die Kritik der Bundesregierung, „dass alles um Herrn Nawalny herum aufgeklärt werden muss, dass er freigelassen werden muss und völlig klar ist, dass es freie Demonstrationen braucht, die friedlich sein dürfen, ohne dass hier mit Gewalt gestoppt oder eingegriffen wird“.

Es wäre schön, wenn das für Demonstrationen in Deutschland (oder Frankreich) ebenso gelten würde. Doch darüber wird in den deutschen Medien nicht gesprochen. Vielmehr wird bei jeder passenden oder geschaffenen Gelegenheit gegen Russland gehetzt. Immerhin betonte Schwesig noch, es sei wichtig, „dass Deutschland jetzt mit Russland im Dialog bleibt, gerade in diesen schwierigen Zeiten“. Es gehe um eine sichere Energieversorgung, und das sähe „eine ganz große Mehrheit“ in Mecklenburg-Vorpommern genauso.

Die verbissenen Versuche der USA zur Verhinderung von Nord Stream 2 mit Hilfe deutscher Einflusspersonen aus Politik und Medien haben nun schon eine längere Geschichte, die es wert ist, dokumentiert zu werden. Im Überblick wird die niederträchtige Vorgehensweise der US-Regierung erst richtig deutlich.

Musterbeispiel für die mangelnde deutsche Souveränität

Seit 2019 verschärfte die US-Regierung immer wieder ihre Drohungen und Erpressungsversuche gegen den Weiterbau und schließlich gegen die Fertigstellung der Ostseepipeline. Die Scheinargumente wurden unverzüglich von einigen deutschen Politikern übernommen. Es trat ein äußerst befremdliches, rechtswidriges Verhalten zu Tage, da sich diese Politiker, darunter Parlamentarier, gegen essenzielle deutsche Interessen aussprachen und damit ihren Amtseid brachen. Und nicht nur das, sie polemisierten in der bereits von anderen Vorfällen bekannten Weise gegen die Betreiber des Pipelinebaus und scheuten sich auch nicht, deren Befürworter zu diffamieren.

So fand der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages, Norbert Röttgen (CDU), es „richtig, das Gut der europäischen Einheit und Handlungsfähigkeit über die Solidarität mit Deutschland zu stellen.“[2] Sogleich trat ihm der Grünen-Europapolitiker Reinhard Bütikofer zur Seite und bezeichnete das Beharren der Bundesregierung als „verbohrtes Festhalten“ an dem Projekt.[3] Das entsprach ganz den Vorgaben aus Washington, vertreten durch den US-Botschafter (2018-2020) Richard Grenell, der zuvor mehrmals mit anmaßenden Äußerungen im Stile eines Satrapen aufgefallen war. Grenell hatte von einem „dreisten Versuch der russischen Regierung, den Würgegriff zu verstärken“, gesprochen und die deutsche Regierung darauf hingewiesen, „dass die wachsende russische Aggression eine Dynamik hat, die nicht mit dem Kauf zusätzlichen Gases belohnt werden sollte.“[4]

Im Januar 2019 hatte Grenell im Einvernehmen mit US-Präsident Donald Trump offen mit Sanktionen gegen die am Pipelinebau beteiligten Unternehmen gedroht.[5] Daraufhin hatte die Schweizer Firma Allseas, die mit einem Spezialschiff an der Verlegung der Rohre in der Ostsee beteiligt war, ihre Arbeit eingestellt, und auch der italienische Konzern Saipem gab auf, obwohl bereits etwa 2.300 der 2.400 Kilometer langen Gasleitung verlegt waren. Beiden Unternehmen war mit einem Ausschluss von Aufträgen für alle Projekte, die unter die Gerichtsbarkeit der USA fallen, gedroht worden sowie mit dem „Einfrieren“ sämtlicher Vermögenswerte weltweit. Des Weiteren drohte Anteilseignern und Mitarbeitern der beteiligten Unternehmen ebenfalls der Zugriff auf ihre Konten und Vermögenswerte weltweit sowie ein Einreiseverbot in die USA.

Im Mai 2020 erdreistete sich Grenell erneut, erpresserische Drohungen gegen Deutschland zu richten. Er forderte die Bundesregierung auf, ihre Russlandpolitik grundsätzlich zu überdenken: „Deutschland muss aufhören, die Bestie zu füttern, während es zugleich nicht genug für die Nato zahlt.“[6] Am 23. Oktober 2019 erließ der US-Kongress sogar ein „Gesetz zum Schutz von Europas Energiesicherheit“, das Sanktionen gegen Firmen vorsieht, die sich am Weiterbau der Pipeline beteiligen.[7] Aufgrund dieser völkerrechtswidrigen Maßnahmen, die auch gegen die Charta der Vereinen Nationen und gegen das allgemeine Zoll- und Handelsabkommen GATT der Welthandelsorganisation WTO verstoßen, konnte Nord Stream 2 erst einmal nicht weitergebaut werden.

Gegen derartige ungeheuerliche Zumutungen und Übergriffe gab es in Politik und Medien kaum Widerstand. Anstatt die sofortige Aufhebung des rechtswidrigen Anti-Nordstream-Gesetzes zu verlangen und den US-Botschafter auszuweisen, verhielt sich die Bundesregierung zögerlich. Man muss sich vorstellen, in Deutschland würde ein Gesetz gegen die Diskriminierung von Minderheiten in den USA mit Strafandrohungen gegen US-Bürger erlassen werden. Unvorstellbar, was geschehen würde.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier erklärte zunächst nur mit leiser Kritik, während der Coronakrise sei es nicht dienlich, an der Eskalationsspirale zu drehen und „weitere extraterritoriale, also völkerrechtswidrige Sanktionen anzudrohen“.[8] Im Juni 2020 gab es dann Protest aus Berlin, anstatt wirksame Gegenmaßnahmen zu ergreifen, wie zum Beispiel Strafzölle auf US-Gas zu verhängen.

Eine neue Ungeheuerlichkeit ereignete sich Anfang August 2020: Drei republikanische US-Senatoren drohten der Verwaltung des Hafens Sassnitz-Mukran auf Rügen mit harten Konsequenzen, wenn sie das Nord-Stream-2-Projekt weiter unterstützten. In dem Hafen lagern die Rohre für den Weiterbau und er war auch die Basis für die russischen Verlegeschiffe. In einem Brief schrieben die von niemandem, außer der Öl- und Gasindustrie, dazu legitimierten US-Parlamentarier, die Fährhafen Sassnitz GmbH zerstöre bei einer weiteren Zusammenarbeit mit den Pipelinebetreibern „ihre künftige finanzielle Lebensfähigkeit“.[9]

Die Drohungen richteten sich gegen den Vorstand, die Geschäftsführer, Mitarbeiter und die Anteilseigner der Hafengesellschaft. Gewarnt wurde vor jeglicher Mitwirkung bei der Verlegung der Pipelinerohre. Im Falle der Zuwiderhandlung dürften die Beteiligten nicht mehr in die USA einreisen, dortiges Vermögen würde eingefroren.[10] Auch könnte Zugriff auf sämtliche das US-Finanzsystem durchlaufende Transaktionen genommen und amerikanischen Firmen verboten werden, über Sassnitz-Mukran Waren zu importieren, zu exportieren oder dort Schiffe zu versichern usw. Der Hafen stünde in diesem Fall vor dem Ruin.

Die drei Senatoren gehören einer Gruppe führender US-Politiker an, die schon gegen Ivo Morales in Bolivien und Nikolas Maduro in Venezuela gezündelt hatten. Ihr von Eigeninteresse geprägtes Selbstverständnis ist offensichtlich, dass die USA unangreifbar seien und sich ohne Rücksicht jede Lumperei erlauben können. Wortführer ist der aus Texas stammende Lobbyist der Fracking-Industrie Ted Cruz, dessen Wahlkampf 2018 unter anderem von der Öl- und Gasindustrie gesponsert wurde.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, wandte sich seinerzeit gegen die Behandlung Deutschlands als Vasallenstaat, Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig sprach von Erpressungsversuchen, denen die Bundesregierung entschieden entgegentreten müsse. Ex-Kanzler Gerhard Schröder verlangte Gegensanktionen und der Grünen-Politiker und ehemalige Umweltminister Jürgen Trittin forderte von der Bundesregierung Schutz vor den „Wild-West-Methoden aus Washington“: Die „Unsitte amerikanischer Drohbriefe an deutsche Unternehmen“ nehme überhand, das sei eine „wirtschaftliche Kriegserklärung“.[11]

24 der 27 EU-Mitgliedstaaten wollten die Souveränitätsverletzung dann doch nicht hinnehmen und protestierten in Washington dagegen – ergebnislos.[12] Da ein Einfuhrboykott dem Freihandelsprinzip widerspricht und die Bundesregierung keine Gegenmaßnahmen beabsichtigte, wurde eine Klage vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag in Erwägung gezogen, dessen Rechtsprechung die USA jedoch nicht anerkennen. So gab es zwar auch gegen die Anmaßung der US-Senatoren vehemente Proteste, aber dabei blieb es dann.

Die Pipeline und der Fall Nawalny

Die deutsche Regierung hielt zunächst uneingeschränkt am Weiterbau der Pipeline fest – bis der angeblich vom Kreml beauftragte Mordanschlag auf Alexej Nawalny ins Spiel gebracht wurde. Politiker, die sich mit Schuldzuweisungen gegen Russland und dessen Präsidenten besonders hervortaten, waren die üblichen US-Propagandisten, die geschickt und hinterhältig den Fall Nawalny mit dem Bau von Nord Stream 2 verknüpften.

Norbert Röttgen äußerte: „Es gibt nur eine Sprache, die Putin versteht: Geld und Gas. …mit unserer bisherigen Politik haben wir nichts erreicht, weil Putin es nicht für nötig hält, irgendwo auf die Europäer Rücksicht zu nehmen oder auf uns zuzugehen. Wir präsentieren ihm nur Schwäche.“[13] Dass Wladimir Putin seit seiner Rede 2001 im Deutschen Bundestag für Frieden und Zusammenarbeit in Europa geworben hat und ständig abgewiesen wurde, verschwieg Röttgen geflissentlich und forderte scheinheilig „europäische Geschlossenheit“ gegen Russland. Und den wichtigsten Beitrag dazu müsse Deutschland liefern.

Reinhard Bütikofer schrieb am 8. September 2020 auf seiner Webseite: „Doch jetzt kippt die Stimmung gegen Nord Stream 2. In der Union meldete sich Kramp-Karrenbauer kritisch zu Wort, auch Merz und Spahn und sogar ein gewisser Amthor… Bild, Welt, Tagesspiegel und FAZ positionierten sich eindeutig gegen die Pipeline. Maas, unser Außenminister, wollte plötzlich keine Zukunftsgarantien für sie mehr abgeben. Und schließlich ließ sogar Frau Merkel verlauten, sie schließe sich der Position von Maas an, sie könne für die Zukunft der Pipeline nichts mehr ausschließen.“[14] Unterstützung kam von den anderen einschlägig bekannten Einflusspersonen, die schon lange das Ende von Nord Stream 2 forderten.

Die Arbeiten an der Pipeline stagnierten, doch das Ziel der US-Regierung, das Projekt zur Gänze zum Scheitern zu bringen, war noch nicht erreicht, die endgültige Entscheidung hing noch in der Schwebe. Deshalb forderte Röttgen nach der angeblich bewiesenen Vergiftung Nawalnys durch russische Stellen den sofortigen Stopp des Pipeline-Projekts und verstieg sich in die Behauptung: „Putin nimmt die Europäer nicht ernst, weil es bei uns nur nette Worte oder auch Empörung, aber niemals Taten gibt…“[15]

Bütikofer schloss sich an und folgerte: „Ins Kippen gebracht wurde die Stimmung offenkundig durch den Mordanschlag auf das Leben von Alexej Nawalny in Russland. Auf einmal dominierten Grundsatzfragen, gegenüber denen die gebetsmühlenartige Behauptung vom großen ökonomischen Nutzen des Pipelineprojektes hilflos erschien. Wieso behandeln wir eigentlich das Putin-Regime als Partner, das in offenem, in grinsendem Zynismus rücksichtslos mit seinen Bürgern umspringt, so wie es nach außen Internationales Recht verlacht?“[16]

Am 25. Januar 2021 forderte die Bundesvorsitzende der Grünen, Annalena Baerbock (Young Global Leader des Weltwirtschaftsforums) einen sofortigen Baustopp für Nord Stream 2 mit der Begründung: „Diese Pipeline konterkariert die geostrategischen Interessen der Europäer, ist ganz gezielt gegen die Ukraine gerichtet, sie ist eine Wette gegen die europäischen Klimaziele, konterkariert alle EU-Sanktionen gegenüber Russland und ist damit ein absolut fatales Projekt.“[17] Auch der Europaparlamentarier Manfred Weber, der schon länger gegen Nord Stream 2 polemisiert, sprach sich für den Abbruch der Bauarbeiten aus, und in fast allen Medien wurde gegen Russland gehetzt.

Die Interventionen und Kriege der westlichen Allianz mit zerstörten Ländern, zigtausenden von Opfern und hunderttausenden von Flüchtlingen sind für diese Politiker und Journalisten „humanitäre Einsätze“ oder „Maßnahmen zur Demokratisierung“; die schwerwiegenden Folgen werden ignoriert. Die Ermordung von Politikern und Oppositionellen anderer Staaten mittels Drohnen gehört für sie „zum Geschäft“, und Sanktionen, mit denen Staaten stranguliert werden, in denen andere politische Vorstellungen herrschen, halten sie für gerechtfertigt und geboten. Manche deutsche Parlamentarier und Journalisten scheinen die Direktiven aus Washington verinnerlicht zu haben. Doch damit sind sie nicht Vertreter des Volkes, das sie gewählt hat, vielmehr verraten sie dessen Interessen.

Inzwischen hat am 15. Januar das russische Verlegeschiff „Fortuna“ die Weiterarbeit an der Pipeline in dänischen Gewässern aufgenommen, neuen Drohungen der Regierung Biden zum Trotz. Das Unternehmen Nord Stream 2 erklärte, die Arbeiten fänden „in Übereinstimmung mit den erhaltenen Genehmigungen statt“.[18]

Aber wen würde es wundern, wenn es demnächst zu einer Explosion in der Ostsee käme wie 1982 in Sibirien, als die Jamal Pipeline vom CIA gesprengt wurde? Experten sprachen damals von der größten nichtnuklearen Explosion, die jemals gezündet wurde. Weil dafür die USA verantwortlich waren, wurde es bald vergessen. Ebenso vergessen wurde eine Äußerung Henry Kissingers von 2014, dass der Regime Change in Kiew sozusagen die Blaupause für das sein könnte, was für Moskau beabsichtigt ist.

Der Schriftsteller und Publizist Dr. jur. Wolfgang Bittner lebt in Göttingen. 2019 ist von ihm das Sachbuch „Der neue West-Ost-Konflikt – Inszenierung einer Krise“ erschienen. Im Februar erscheint im Verlag zeitgeist das Buch „Deutschland – verraten und verkauft. Hintergründe und Analysen“.


Dienstag, 26. Januar 2021

Keine Atempause - Arnold Schölzel, RotFuchs

 

Entnommen: http://www.rotfuchs.net/files/rotfuchs-ausgaben-pdf/2021/RF-276-01-21.pdf


Keine Atempause


Im Lärm der Medien hierzulande wie in allen NATO- und EU-Staaten u. a. wegen Donald Trump und seinen Anhängern gingen zwei für die Menschheit schlechte Nachrichten unter: Beide Kammern des USParlaments verabschiedeten um den Jahreswechsel den US-Rüstungshaushalt für 2021, der wie in jedem Jahr der Präsidentschaft Trumps eine neue Rekordhöhe hat. Unvorstellbare 740,5 Milliarden US-Dollar sollen für Kriege, Militärbasen und Atombomben ausgegeben werden, damit die Kassen der Rüstungskonzerne klingeln. Die Nachricht von diesem Skandal wird, wenn überhaupt, in Presse, Funk und Fernsehen abgestumpft aufgenommen, vor allem aber wird von ihr abgelenkt – mit Pandemie-Hysterie oder einem angeblich historischen Sturm auf das „Herz der Demokratie“ (Bundespräsident FrankWalter Steinmeier).

Überhaupt keine Meldung war Nachrichtenagenturen und deutschen Medien mit Ausnahme der Internetzeitschrift „Das Blättchen“ die zweite schlechte Nachricht aus den USA wert: Am 17. November 2020 teilte das Pentagon offiziell mit: „Die USRaketenabwehragentur und Matrosen der US-Marine an Bord der USS ,John Finn‘, einem mit dem Aegis-Raketenabwehrsystem ausgerüsteten Zerstörer, haben am 16. November während einer Flugtest-Demonstration im (…) Ozeangebiet nordöstlich von Hawaii eine bedrohungsrepräsentative Interkontinentalrakete mit einer StandardMissile-3-Block-IIA-Rakete abgefangen und zerstört.“ Der Direktor der Raketenabwehrbehörde, Vizeadmiral Jon Hill, bezeichnete das als „unglaubliche Leistung“. Auch wenn solche Tests unter „Laborbedingungen“ stattfinden, so Wolfgang Schwarz in „Das Blättchen“, „war dies tatsächlich der erste erfolgreiche Raketenabwehrtest der USA mit einem nichtlandgestützten Abwehrsystem“. Erfolgreiche Versuche mit bodengestützten Abwehrraketen habe es 2015 und 2017 gegeben. Schwarz zitiert den US-Experten Ankit Panda von der außenpolitischen „Denkfabrik“ Carnegie Endowment, der die Bedeutung dieses Tests so einschätzt: „Rußland und China würden sich in ihren Befürchtungen bestärkt sehen, daß die US-Raketenabwehrpläne auf die Neutralisierung ihrer jeweiligen Zweitschlagsfähigkeit zielen. Sie haben Gründe, dies zu glauben“, so Panda, der in Erinnerung rief, daß Präsident Trump im Zusammenhang mit dem US Missile Defense Review 2019 (einem Grundsatzpapier zur US-Raketenstrategie, A. S.) erklärt hatte, daß das Kernziel der US-Raketenabwehr darin bestehe, „sicherzustellen, daß wir jede Rakete, die gegen die Vereinigten Staaten abgeschossen wird, aufspüren und zerstören können – (…) jederzeit und überall“. Moskau und Peking befürchten laut Panda, daß die USA versuchen, „Erstschlagsfähigkeit gegen sie zu erlangen“.

Darum geht es. Diese Erstschlagsfähigkeit – verbunden mit einer Raketenabwehr, die den Schaden von Vergeltungsschlägen begrenzt – wiederzuerlangen, ist das Ziel des US-Imperialismus, seitdem die Sowjetunion ein ungefähres Gleichgewicht bei atomar bestückten Raketen mit dem Westen erreicht hatte. Damit war klar: „Wer zuerst schießt, stirbt als zweiter.“ Alle sogenannten Nachrüstungsdebatten, die von der NATO wegen angeblichen Vorsprungs der Sowjetunion von den 60er bis zu den 80er Jahren und erneut in den vergangenen zwei Jahrzehnten losgetreten wurden, galten dem Versuch, den zweiten Teil dieser Formel für den Westen außer Kraft zu setzen. Ein Meilenstein in dieser Hinsicht war die einseitige Kündigung des Abkommens von 1972 zwischen der Sowjetunion und den USA über die Begrenzung von Raketenabwehrsystemen im Jahr 2002. Das destabilisierte wie kein anderer Rückzug aus einem Rüstungskontrollvertrag das militärische Gleichgewicht.

Seit nunmehr 18 Jahren versuchen die USA und ihre Verbündeten mit Ausflüchten und Lügen ihre Urheberschaft für die daraus resultierende Friedensgefährdung zu kaschieren. Und davon abzulenken, daß sie den eisernen Willen haben, die technischen Voraussetzungen zu schaffen, um möglichst ungestraft einen atomaren Erstschlag führen zu können. Beide Nachrichten aus Washington besagen, daß es keine Atempause geben soll. Der neue US-Präsident Joseph Biden hat bereits unter Barack Obama bewiesen, daß er ein Anhänger dieser irrsinnigen Politik ist. Arnold Schölzel

Sonntag, 24. Januar 2021

ERKENNTNISSE & WAHRHEIT - sascha313

 

Entnommen: https://sascha313.wordpress.com/2021/01/23/woher-nehmen-wir-unsere-erkenntnisse/


Woher nehmen wir unsere Erkenntnisse?


Erstellt am 23. Januar 2021 von sascha313


WissenschaftZunächst verdanken wir unsere Erkenntnisse unseren Sinnesorganen. Wir bezeichnen dies als das 1.Signalsystem (Reiz → Empfindung → Wahrnehmung) oder die „sinnliche Stufe der Erkenntnis“. Die Entwicklung des 2.Signalsystems erfolgte im Verlauf des Prozesses der Menschwerdung und der Entstehung der menschlichen Gesellschaft. Sie ging in ständiger, enger Verbindung und Wechselwirkung mit bestimmten biologischen Veränderungen und der gesellschaftlichen Entwicklung vor sich. Friedrich ENGELS gibt in seiner Schrift über den Anteil der Arbeit an der Menschwerdung des Affen eine anschauliche Darstellung dieser Entwicklung. Das 2.Signalssystem (Begriffe → Urteil → Schluß) oder die „rationale Stufe der Erkenntnis“ besteht in der Fähigkeit des menschlichen Denkens…

Der Zusammenhang zwischen Arbeit, Sprache und Denken


Arbeit und Sprache spielten für die Entwicklung des Menschen und der menschlichen Gesellschaft, für die Entwicklung des menschlichen Denkens eine hervorragende Rolle. Friedrich ENGELS schrieb: „Zunächst die Arbeit, dann aber zusammen mit ihr die artikulierte Sprache, das waren die beiden Triebkräfte, unter deren Einfluß das Gehirn des Affen sich allmählich in das menschliche Gehirn umwandelte.“ In seienr Arbeit über den Marxismus in der Sprachwissenschaft schreibt STALIN: „Die Lautsprache ist in der Geschichte der Menschheit eine der Kräfte, die den Menschen halfen, sich vom Tierreich abzusondern, sich zu Gemeinschaften zu vereinigen, ihr Denken zu entwickeln, eine gesellschaftliche Produktion zu organisieren, einen erfolgreichen Kampf mit den Kräften der Natur zu führen und bis zu dem Fortschritt zu gelangen, den wir in der Gegenwart haben.“

Die Arbeit ist das primäre…

Natürlich blieb die neue Qualität, die sich auf der Grundlage der Arbeit und der Sprache entwicklet hatte, das Denken, nicht ohne Einflußauf die Sprache und die Arbeit. Es wirkte seinerseits fördernd auf beide.  Ein besodnerer Zusammenhang besteht ferner zwischen Sprache und Denken. ENGELS schrieb, „Die Entwicklung des Gehirns und der ihm unterstehenden Empfindungen, die Entwicklung des sich immer weiter aufhellenden Bewußtseins, des Vermögens, zu abstrahieren und logisch zu denken, wirkten auf Arbeit und Sprache zurück und gaben beiden immer neue Anstöße zur weiteren Entwicklung. Arbeit, Sprache und Denken sind also grundlegende Faktoren der Menschwerdung und der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft. Die Arbeit das Primäre, Denken und Sprache das Sekundäre.“

Sprache und Denken

Ein besonderer Zusammenhang besteht ferner zwischen Sprache und Denken. In seiner Arbeit über den Marxismus in der Sprachwissenschaft schreibt STALIN: „Man sagt, daß die Gedanken im Kopf des Menschen entstehen, bevor sie in der Rede ausgesprochen werden, daß sie ohne sprachliches Material, ohne sprachliche Hülle, sozusagen in nackter Gestalt entstehen. Aber das ist völlig falsch. Welche Gedanken im Kopf des Menschen auch immer entstehen mögen, sie können nur auf der Grundlage des sprachlichen Materials, auf der Grundlage der sprachlichen Termini und Sätze entstehen und existieren. Gedanken, frei vom sprachlichen Material, frei von der sprachlichen ,natürlichen Materie‘, gibt es nicht. ,Die Sprache ist die unmittelbare Wirklichkeit des Gedankens‘ (Marx). Die Realität des Gedankens offenbart sich in der Sprache. Nur Idealisten können von einem Denken, das mit der ,natürlichen Materie“ der Sprache nicht verbunden ist, von einem Denken ohne Sprache sprechen.“ Dieser Hinweis STALINS ist für das Verständnis des Zusammenhangs von Denken und Sprache sehr wichtig. Die Sprache liefert also dem Denken  das Wortmaterial, ohne welches Gedanken im menschlichen Gehirn nicht entstehen können.

Quelle:
Prof.Dr. M. Zetkin: Grundlagen der Medizin für Heilberufe, VEB Verlag Volk und Gesundheit Berlin, 1953, S.236ff.


Die nonverbale Kommunikation


Nonverbale Kommunikation ist jedes nichtsprachliche Verhalten, das Auskunft über innere Zustände und/oder Absichten des sich verhaltenden Lebewesens gibt. Dazu gehören auch bildhafte, akustische, haptische und olfaktorische Signale. An der nonverbalen Kommunikation eines Menschen sind Emotionen, Einstellungen, Lebensgewohnheiten, und teilweise sogar Gedanken ablesbar. Doch ein Austausch der Gedanken bedarf immer der verbalen Kommunikation. Können Tiere denken? Kurt GOSSWEILER schrieb: „daß die Tiere z.B. sehr wohl den Zusammenhang zwischen Ursache un Wirkung erkennen – und das ist ja doch auch schon ,Denken‘, wenn auch auf niedriger Stufe. Daß manche Tiere aber noch zu ganz anderen, schwierigeren Denkleistungen, z.B. zur Verwendung von aus der Natur gewonnenem Material als Werkzeuge und sogar zum Zählen, fähig sind, das kann man in den Quiz-Sendungen ,Wunder der Natur‘ (oder so ähnlich) in eindrucksvollen Beispielen erleben.“

Was ist Wissenschaft?


Wissenschaft: historisch entstandene und sich entwickelnde Gesamtheit spezifisch gesellschaftliche Ar­beitsprozesse, die auf die Gewinnung, Verarbei­tung, Vermittlung und Anwendung von Erkenntnissen über gesetzmäßige Zusammenhänge in der objektiven Realität gerichtet sind, sowie das System dieser Erkenntnisse selbst. Das spezifische Primärpro­dukt wissenschaftlicher Tätigkeit sind empirische und theo­retische wissenschaftliche Erkenntnisse über die Natur, die Gesellschaft und das Denken, die in den Einzel­wissenschaften als logisch geordnete und entwicklungsfähige Systeme von Begriffen, Aussagen, Theorien, Hypo­thesen u.a. zusammengefaßt sind. Diese sind Wi­derspiegelungen von Gegenständen, Eigenschaften, Strukturen und Prozessen der objektiven Realität und bilden eine Form des gesellschaftlichen Bewußt­seins.

Die Wissenschaft als Produktivkraft

Als gesellschaftliche Tätigkeit ist die Wissenschaft sozialökonomisch determiniert; ihre grundsätzliche Ziele er­geben sich aus den Existenz-, Produktions- und Reproduktionsbedingungen der jeweiligen Gesell­schaftsordnung, aus grundlegenden gesellschaftlichen Bedürfnissen und ihrem eigenen Entwicklungs­stand. Als Einheit von materieller und ideeller Tä­tigkeit ist die Wissenschaft Produkt der gesellschaftl. Praxis und zugleich Grundlage und Voraussetzung ziel­strebigen und erfolgreichen menschlichen Handelns; ihre Erkenntnisse finden in allen gesellschaftlichen Be­reichen Anwendung. Von besonderer Bedeutung ist ihre Rolle als unmittelbare Produktivkraft der Ge­sellschaft, zu der sie sich in dem Maße entwickelte, wie sich ihre Erkenntnisse in Arbeitsmitteln und -gegenständen, technologischen Prozessen und Erzeug­nissen der materiellen Produktion materialisierten.

Wissenschaft im Kapitalismus und im Sozialismus

Im Kapitalismus unterliegt die Wissenschaft den Verwer­tungsbedingungen des Kapitals; ihre Nutzung im Profit- und Machtinteresse der herrschenden Klasse führte über ihren militärischen, ideologischen oder biologischen Mißbrauch bis zur heuti­gen Gefahr der Vernichtung der Menschheit in ei­nem Atomwaffenkrieg oder durch einen „Great Reset“. Der fortschrittsfördernde und humanistische Charakter der Wissenschaft vermag sich nur unter sozialistischen Verhältnissen voll zu entfalten; die Ergebnisse der Wissenschaft und ihre rasche und breitenwirk­same Anwendung in der Produktion dienen hier der Erhöhung der ökonomischen Leistungskraft der sozialistischen Gesellschaft, der Entwicklung ihres militärischen Schut­zes, dem sozialen Fortschritt sowie der sozialistischen Persönlichkeitsentwicklung.

Die wissenschaftlich-technische Revolution

Die hohe Dynamik des wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritts, seine ra­sche Umsetzung in grundlegend neue Technologien und deren breite Anwendung in der Produktion sind Basis der revolutionären Veränderungen, die sich gegenwärtig in den Produktivkräften vollziehen (wissenschaftlich-technische Revolution). In der Gegenwart führt die Entwicklung der Wissenschaften einer­seits zu immer stärkerer Differenzierung der Wis­senschaften, zur Entstehung neuer Disziplinen, von Grenzwissenschaften und Querschnittswissen­schaften, andererseits zu einer stetigen Vereinheitlichung des wissenschaftl. Weltbildes (Integration der Wissenschaften). Das System der Wissenschaften kann nach dem Gegenstand in Naturwissenschaften und Gesellschaftswissenschaften, aber auch nach den Methoden, dem Abstraktionsgrad und anderen Gesichtspunkten klassifiziert werden.

Wissenschaftsmoral

Der soziale Charakter der Wissenschaft wird durch die zugrunde liegenden Klasseninteressen bestimmt. Im Kapitalismus gibt es keine klassenneutrale Wissenschaft. Dabei geht es insbesondere um die Erhaltung des Friedens, die Durchsetzung des sozialen Fortschritts, des Schutzes der Umwelt und der Gesundheit. Es gibt heute eine weltweite Auseinandersetzung um die Bewahrung einer humanistisch-progressiven Moral der Wissenschaft. Auseinandersetzungen zwischen  humanistischen und antihumanistischen Positionen finden auch zwischen den Vertretern der bürgerlichen Klasse statt.

Quelle:
BI-Lexikon (5 Bd.), VEB Bibliographisches Institut Leipzig, 1988, Band 5, S.425.


Was ist Wahrheit?


Wahrheit ist eine Bezeichnung dafür, daß sich Gegenstände, Erscheinungen und Gesetzmäßigkeiten der objektiven Realität im Bewußtsein des Menschen so widerspiegeln, wie sie außerhalb und unabhängig vom erkennenden Subjekt existieren. Wahrheit ist die Übereinstimmung vom Denkinhalt, von Urteilen und Begriffen mit dem Objekt, die geprüft wird durch die gesellschaftliche Praxis. Zur Wahrheit zu kommen, sagt MARX, bedeutet zu den Dingen zu gehen, wie sie sind. (MEW, Bd.1, S.27).

Quelle:
N.I.Kondakow: Wörterbuch der Logik. VEB Bibliographisches Institut Leipzig, 1978, S.524.


Welche Bedeutung hat die Evidenz?


Die Wissenschaft strebt nach Erkenntnis vom We­sen der Dinge und der Erscheinungen durch logi­sche Schlüsse, die auf Erfahrung und Experiment beruhen. Urteile, die auf Evidenz basieren, können sich aber als falsch erweisen. Bekannt sind verschiedenartige optische Täuschungen, Fehler bei der Bewertung und dem Vergleich von Teilstreckenlängen, von Winkelgrößen oder Entfernungen zwischen Gegenständen, die vom Beobachter unter bestimmten Bedingungen begangen werden.

Sind Sinneserfahrungen sicher?

Die Idealisten versuchen seit altersher die Erscheinungen der optischen und akustischen Täu­schung zum Beweis einer angeblichen Unsicherheit der Sinneserfahrung zu nutzen. Aber diese Versuche haben keinen Erfolg. Verzerrungen in der Wahrnehmung durch die einen Sinnesorgane werden durch die Angaben der anderen Sinnesorgane korri­giert, und deshalb entsteht im Ergebnis letzten Endes gesichertes Wissen. Von der Zuverlässigkeit sinnlichen Wissens zeugt auch die Tatsache, daß der Mensch gerade mit den Sinnesorganen die Be­dingungen aufdeckte, unter denen das Entstehen von optischen und. akustischen Täuschungen möglich wird. Da der Mensch diese Bedingungen kennt, nutzt er sie bewußt aus, z.B. bei der Per­spektive in der Malerei und Architektur.

Wie gelangt man zur Wahrheit in der Erkenntnis?

Die meisten wahren Kenntnisse, die den Inhalt der Wissenschaft bilden, sind keine evidenten, sondern vermittelte Wahrheiten. Ihr Wahrheitsgehalt wird im Arbeitsprozeß beim Schließen überprüft mit Hilfe von Geräten und Apparaturen. Darum ist der Versuch einer ganzen Reihe von Rationalisten, z. B. von DESCARTES, jede Wahrheit auf eine rational evi­dente Aussage zurückzuführen, nicht gerechtfertigt. Das Allgemeine, das die Wissenschaft aufdecken muß, um das Wesentliche zu erforschen, wird in Ge­danken und Wörtern widergespiegelt, die Funk­tionen nicht des ersten, sondern des zweiten Signal­systems sind.

Quelle:
N.I.Kondakow: Wörterbuch der Logik. VEB Bibliographisches Institut Leipzig, 1978, S.161


Freitag, 22. Januar 2021

Bettenabbau mitten in der Pandemie - Michael Hauke

 

Entnommen: https://www.hauke-verlag.de/bettenabbau-mitten-in-der-pandemie/


Bettenabbau mitten in der Pandemie


Von Michael Hauke

Wir haben ein neues Jahr, aber das leidige Thema bleibt. In unseren Zeitungen wurde heftig diskutiert. Dass es Corona gibt, war nie der Streitpunkt. Die Frage war stets, ob die Krankheit und deren Folgen so schlimm sind, dass sie so einschneidenden Maßnahmen rechtfertigen.

Was wir noch vor einem Jahr für unmöglich hielten, haben wir 2020 erlebt: die Abschaffung etlicher Grundrechte und die Ausschaltung aller Parlamente durch das Bevölkerungsschutzgesetz, die Zerstörung weiter Teile des sozialen Zusammenlebens bis hin zur totalen Vereinsamung besonders der alten Menschen durch Kontaktbeschränkungen, Besuchsverbote und Ausgangssperren, die Einschränkung der Reisefreiheit einschließlich totalem Reiseverbot, das Zerstören unzähliger Existenzen und ganzer Branchen durch Berufsverbote und Lockdowns. Die sozialen Folgen sind zum großen Teil irreparabel. Die wirtschaftlichen Folgen sind überhaupt nicht absehbar. Sind diese noch vor kurzem unvorstellbaren Maßnahmen wirklich gerechtfertigt, darf also die Medizin schlimmer sein als die Krankheit, wie es der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen in den Zeitungen des Hauke-Verlages formulierte?

In der letzten Ausgabe des vergangenen Jahres habe ich an dieser Stelle die nackten Zahlen aus den Krankenhäusern genannt und sie mit 2019 verglichen. Ergebnis: 15% weniger Patienten, weniger schwere infektiöse Atemwegserkrankungen, weniger künstliche Beatmungen, fallende bis gleichbleibende Zahlen von Intensivpatienten (Stand 30.11. bzw. 31.12.2020). Alles aus seriösen Quellen belegt, wie dem DIVI-Intensivregister oder den Analysen der Initiative Qualitätsmedizin. Diese Zahlen, die irgendwie nicht zu einer Pandemie passen wollen, stehen in krassem Widerspruch zu den Infektionszahlen, die in Wahrheit nur die positiven Ergebnisse eines nicht für Diagnosestellungen zugelassenen Tests sind.

Wenn diese Pandemie, die tatsächlich zu keiner Zeit zu einer Überlastung der Krankenhäuser und Intensivstationen geführt hat, so schlimm ist, warum konzentriert sich die Politik dann nicht mit aller Kraft auf den Ausbau des Gesundheitswesens statt ein ganzes Land einzusperren? Wäre doch eine Möglichkeit.

Warum wurden im letzten Jahr 21 Krankenhäuser geschlossen, davon allein acht im Dezember?

Wie konnte es sein, dass zum Höhepunkt der ersten Welle 400.000 Mitarbeiter im Gesundheitswesen in Kurzarbeit gehen mussten?

Wenn die Krankheit wirklich so wütet, hätte es genau umgekehrt sein müssen: Es hätte mehr Personal gebraucht, es hätten mehr Krankenhäuser gebaut werden müssen. Passt diese Politik wirklich zu einer Pandemie? Kann man dauernd einen drohenden Engpass im Gesundheitswesen an die Wand malen und gleichzeitig Krankenhäuser schließen und Personal abbauen? Man kann! Aber dann sollte die Politik aufhören, ein ganzes Land zuzusperren, um eine Überlastung des Gesundheitswesens zu verhindern. Hier stimmt etwas nicht! Folgende Kliniken wurden 2020 für immer geschlossen:

01.01. Winterberg (NRW)

01.01. Schneeberg (Sachsen)

01.02. Parsberg (Bayern)

01.07. Riedlingen (Ba-Wü)

01.07. Waldsassen (Bayern)

31.07. Vohenstrauß (Bayern)

01.08. Wedel (Schleswig-Holstein)

01.09. Bochum-Linden (NRW)

01.09. Havelberg (Sachsen-Anhalt)

30.09. Weingarten (Ba-Wü)

01.10. Oberwesel (Rheinland-Pfalz)

01.10. Sankt Goar (Rheinland-Pfalz)

31.10. Fürth (Bayern)

01.12. Essen-Altenessen (NRW)

20.12. Mannheim (Ba-Wü)

31.12. Lehnin (Brandenburg)

31.12. Essen-Stoppenberg (NRW)

31.12. St. Tönis (NRW)

31.12. Ingelheim (Rheinland-Pfalz)

31.12. Ottweiler (Saarland)

31.12. Losheim (Saarland)

Seit 1991 wurde die Zahl der Krankenhausbetten von 665.565 auf aktuell rund 495.000 reduziert (minus 170.565). Gleichzeitig stieg die Bevölkerungszahl um rund drei Millionen.


LENIN - Linke Zeitung

 

Entnommen: https://linkezeitung.de/2021/01/22/lenin/


Lenin


VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 22. JANUAR 2021


von Ernesto Estévez Rams – http://de.granma.cu/

Illustration entnommen aus pinterest

Lenin, 97 Jahre nach seinem Tod erinnern wir uns hier an ihn, wie wir uns an Fidel erinnern, unseren Lenin, den Lenin der Völker der Dritten Welt. Wir erinnern uns an ihn hier auf dieser Insel, wo die Bolschewiken von heute, Verteidiger der extremen Erlösung der Enteigneten, entschlossen bleiben, ein Graben gegen das Imperium zu sein, überzeugt, dass diese 62 Jahre der Erschütterung der Welt der Vorabend der Einnahme des Himmels durch Angriff sind.

In der Beschreibung der Ereignisse der Oktoberrevolution schildert John Reed im Prolog seines außergewöhnlichen Werkes „Zehn Tage, die die Welt erschütterten“ die Kräfte, die um die Macht kämpften, inmitten einer Revolution, die es noch nicht geschafft hatte, die Farbe ihres Schicksals zu definieren.

Auf der einen Seite das, was er die besitzenden Klassen nennt, die danach strebten, den Zaren abzusetzen und ihn durch eine bürgerliche Macht im Stil der westlichen Demokratien der Vereinigten Staaten und Frankreichs zu ersetzen; auf der anderen Seite die Bolschewiki, die forderten, dass die Revolution auf den Klassenkampf und die Notwendigkeit, dass alle Macht an die Sowjets geht, zentriert werden sollte.

Zwischen diesen beiden Kräften, die er als extrem bezeichnet, platziert John die „gemäßigten“ Sozialisten – die Anführungszeichen sind seine, nicht meine. Die Gemäßigten glaubten, dass Russland nicht bereit für eine Revolution war, die die Volksmassen an die Macht bringen würde, also eine soziale Revolution: „Folglich bestanden sie auf der Zusammenarbeit der mächtigen Klassen in der Regierung. Von dort bis zur Unterstützung war es nur ein Schritt. Die „gemäßigten“ Sozialisten brauchten die Bourgeoisie. Aus dieser Mäßigung erwuchs Verrat, oder, in Reeds Worten, als die Bolschewiki den ganzen vorgeblichen Kompromiss zwischen den Klassen zerbrachen, fanden sich diese Gemäßigten „auf der Seite der besitzenden Klassen kämpfend…. Das gleiche Phänomen kann man heute in fast jedem Land der Welt beobachten.“

Um sein Urteil über die Geschehnisse abzuschließen, zögert der amerikanische Journalist nicht, die Militanz in eines der Extreme zu stellen: „Im Gegensatz dazu, eine zerstörerische Kraft zu sein, waren die Bolschewiki meiner Meinung nach die einzige Partei in Russland mit einem konstruktiven Programm (…). Wären sie nicht an die Regierung gekommen, als sie es taten, so habe ich nicht den geringsten Zweifel, dass die Armeen des kaiserlichen Deutschlands im Dezember in Petrograd und Moskau gestanden hätten und dass Russland wieder von einem Zaren beherrscht worden wäre“. Die bolschewistischen Kommunisten waren der einzige wirkliche Schützengraben gegen die imperiale Macht, die sie bedrohte.

An der Spitze der extremistischen Kraft stand „der große Lenin“, wie John Reed ihn nannte, der ihn folgendermaßen beschrieb: „ … von kleiner, stämmiger Gestalt, großem, kahlem, vorstehendem, auf die Schultern gesetztem Kopf; kleine Augen, stumpfe Nase, breiter und großzügiger Mund, und massives Kinn. (…) Sein Aussehen war nicht sehr relevant, um das Idol von Menschenmengen zu sein, der wie möglicherweise wenige Führer in der Geschichte geliebt und respektiert wurde. Ein ungewöhnlicher Volksführer war er nur aufgrund seines Intellekts (…) mit der Macht, tiefgründige Ideen in einfachen Worten zu erklären, der Macht, Situationen konkret zu analysieren. Und, kombiniert mit Klugheit, der größten intellektuellen Kühnheit.“

Lenin, 97 Jahre nach seinem Tod erinnern wir uns hier an ihn, wie wir uns an Fidel erinnern, unseren Lenin, den Lenin der Völker der Dritten Welt. Wir erinnern uns an ihn hier auf dieser Insel, wo die Bolschewiken von heute, Verteidiger der extremen Erlösung der Enteigneten, entschlossen bleiben, ein Graben gegen das Imperium zu sein, überzeugt, dass diese 62 Jahre der Erschütterung der Welt der Vorabend der Einnahme des Himmels durch Angriff sind.

http://de.granma.cu/cuba/2021-01-21/lenin


Ich muss Marx also Recht geben, wenn er schreibt, dass die Menschheit ihre prähistorische Phase erst verlassen haben wird, wenn ein wirklich gerechtes soziales Regime etabliert werden konnte.“ (Fidel Castro in „junge Welt“ vom 5./6./7. Januar 2004, Seite 8)

(eingefügt von Harry Popow)

Montag, 18. Januar 2021

HUMANISMUS UNTER DER LUPE - sascha313

 

Entnommen: https://sascha313.wordpress.com/2021/01/17/was-ist-eigentlich-humanismus-und-warum-ist-der-monopolkapitalismus-eine-menschenverachtende-gesellschaftsordnung/


Was ist eigentlich Humanismus? Warum ist der Monopolkapitalismus eine menschenverachtende Gesellschaftsordnung? Die Frage der Moral.


Erstellt am 17. Januar 2021 von sascha313


Humanismus [<Iat.]: Streben nach Menschlich­keit (Humanität) und menschen-würdiger Daseinsge­staltung; Gesamtheit jener Ideen und Bewegungen in der Geschichte der Menschheit, die von der Bil­dungs- und Entwicklungsfähigkeit des Menschen, von der Achtung seiner Würde und Persönlichkeit ausgehen und auf die allseitige Ausbildung und freie Betätigung seiner schöpferischen Kräfte sowie auf die Höherentwicklung der menschlichen Gesellschaft ge­richtet sind; beruhen auf den jeweiligen konkreten historischen Bedingungen einer Gesellschaftsformation und sind wesentlich durch die Interessen und Be­dürfnisse der Klassen geprägt. Gemeinsame Grund­gedanken verbinden alle Formen des Humanismus miteinan­der.

Wie ist der Humanismus entstanden?


Ursprünglich bezeichnet Humanismus die frühbürgerliche geistig-­kulturelle Bewegung in der Renaissance (14./16. Jh.), die sich auf der ökonomischen Grundlage frühkapitalistischer Produktionsverhältnisse entwickelte. Der frühbürgerliche Humanismus wandte sich gegen die geistige Vorherrschaft der Scholastik, gegen die Macht der Kirche sowie gegen feudale Privilegien und stellte den Menschen als lebensbejahende, diesseitsbezo­gene und vernunftbegabte freie Persönlichkeit in den Mittelpunkt. Er blieb im wesentlichen auf einen Kreis von Gebildeten beschränkt.

Wer waren Verteter des Humanismus?


Seine Vertreter waren Dante Alighieri, F.Petrarca, G.Boccaccio, G.Pico della Mirandola, F.Rabelais, U.von Hutten, J.Reuchlin, Erasmus von Rotterdam, S.Franck, T.More u.a. Sie sahen im antiken Bildungsideal (phi­losophisch-wissenschaftliche einschließlich mathematische und künstlerisch-ästhetische Bildung, Gymnastik, Wettkämpfe, Redekunst, sittliche Erziehung, staatsbürgerliche Kenntnisse und öffentlicher Dienst für die Polis) die Verkör­perung der freien, entfalteten Persönlichkeit und des wahren Menschentums. Sie erstrebten die Wie­derbelebung, Erforschung und Pflege antiker Spra­chen, Literatur, Kunst und Kultur.

Der Humanismus des Bürgertums


Im 17. und 18. Jh, erfuhr der Humanismus mit der ökonomischen, politischen und kulturellen Erstarkung des Bürgertums Erneuerung in der Aufklärung, im utopischen Sozialismus und im sogenannten klassischen Humanismus (deutsche Philosophie, Literatur und Kunst). Seine Vertreter (J.Locke, B.Spinoza, G.W. Leibniz, Voltaire, D.Diderot, C.A.Helvetius, P.T. d’Holbach; G.B. de Mably, Morelly, J.Meslier; J.Winckelmann, I.Kant, J.G.Fichte, G.W.F.Hegel, L.Feuerbach, G.E.Lessing, G.Herder, J.W.Goethe, F.Schiller, W. von Humboldt u.a.) stellten Freiheit, Recht und Würde des Menschen sowie soziale Gleichheitsforderungen in den Mittelpunkt menschlichen Strebens. Ihre Vorstellungen konnten un­ter halbfeudalen und kapitalistischen Verhältnissen nicht verwirklicht werden.

Der sozialistische Humanismus der Arbeiterklasse


Der konsequente, umfassende und reale Charakter des sozialistische Humanismus ergibt sich dar­aus, daß er untrennbar mit der historischen Mission der Arbeiterklasse als Schöpfer der von Ausbeutung und Unterdrückung freien sozialistischen Gesellschaft verbunden ist und auf den wissenschaftlichen Erkennt­nissen des Marxismus-Leninismus beruht; er ist frei von jeglichen Zügen eines Utopismus.

Wann wird entsteht sozialistischer Humanismus?


Die Arbeiter­klasse kann ihre eigene Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung nur erreichen, indem sie die Bedingungen aller Ausbeutung und der Existenz von Klassen überhaupt aufhebt und durch den Auf­bau des Sozialismus und Kommunismus jene öko­nomische Gesellschaftsformation schafft, „die mit dem größten Aufschwung der Produktivkräfte der gesell­schaftlichen Arbeit die allseitigste Entwicklung des Men­schen sichert“ (Marx).

Von der Theorie zur Realität


Seit der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution ist der sozialistische Humanismus nicht mehr nur Theorie, sondern er wurde zugleich geschichtliche Realität. Er verkörperte sich in den Errungenschaften und Werten der sozralistischen Gesellschaftsordnung in den sozialistischen Staaten und realisierte sich in der schöpferischen Arbeit der Werktätigen dieser Länder zur Gestal­tung und zum weiteren Ausbau der entwickelten so­zialistischen Gesellschaft ebenso wie in der Politik der friedlichen Koexistenz der Sowjetunion und der sozia­listischen Länder und der umfassenden Unterstützung des Kampfes der nach Befreiung von imperialistischen Herrschaft strebenden Völker.

humanistische Psychologie: Strömung der bür­gerlichen Psychologie, die, ohne die Schranken bürgerlich­idealistischen Gesellschafts- und Lebensauffassungen überwinden zu können, der wachsenden Entfrem­dung und geistig-moralischen Verkrüppelung der Persön­lichkeit im Imperialismus vor allem mit praktisch-the­rapeutischen Mitteln entgegenzuwirken sucht.

Quelle: BI-Universal-Lexikon (5 Bd.), VEB Bibliographisches Institut Leipzig,1986, Bd.2, S.439f.


Der sogenannte „Transhumanismus“  ist eine faschistische Ideologie. Mehr muß man dazu nicht sagen…


Der Imperialismus heute


Der Monopolkapitalismus ist eine menschenverachtende Gesellschaftsordnung des Egoismus und der Skrupellosigkeit – eine „Ellbogengesellschaft“. Es herrscht die Moral der Banditen. Das trifft nicht nur auf die herrschende Ausbeuterklasse zu, die Klasse der Kapitalisten und Oligarchen, auch die Arbeiter stehen zueinander in steter Konkurrenz. Es herrscht ein Klima des Denunziantentums und der Angst. Lediglich im familiären Bereich, im Freundes- und Bekanntenkreis gibt es noch eine gewisse Solidarität. Der folgende Text ist bemerkenswert, denn er wurde bereits 1966 in der DDR gedruckt. Er bezieht sich auf die BRD und ist heute immer noch erstaunlich aktuell:

Gewalt und Terror


Mit Unterstützung des internationalen Imperialismus, vor allem des USA-Imperialismus, entwickelten die deutschen Monopole einen aufgeblähten, militärisch bewaffneten Unterdrückungsapparat. Sowohl die ausländischen Besatzungstruppen als auch die bewaffneten Organe der BRD, deren Kern als NATO-Truppen gleichzeitig ein kollektives Machtinstrument zur Niederhaltung der Volksmassen im Herrschaftsgebiet des internationalen Imperialismus darstellt, stehen vollständig im Dienst des staatsmonopolistischen Kapitalismus. Sehen wir uns einmal die Vergangenheit an:



Terror

Die Kluft zwischen der Wirklichkeit in der BRD und dem Grundgesetz wird immer größer. Der offizielle „Verfassungsschutz“ schützt die Monopole vor der Verwirklichung der Verfassung. Dies bedeutet andererseits, daß der Kampf der demokratischen Kräfte unter den gegenwärtigen Bedingungen zur Verteidigung und Realisierung der im Grundgesetz enthaltenen demokratischen Rechte des Volkes geführt werden kann und muß.

Die Monopole ergänzen den Polizei- und Justizterror durch eine staatlich betriebene oder staatlich subventionierte Züchtung von Chauvinismus (Flüchtlingfrage) und militaristiscehm Ungeist. Der Kern  dieser militaristisch-chauvinistischen Hetze ist der Antikommunismus als offizielle Staatsdoktrin (unverminderte Hetze gegen die DDR, Mißbrauch des Begriffs „Antifa“ durch gekaufte Subjekte) und somit die ideologische Identität mit dem Hitlerstaat… Damit enthüllt sich der Antikommunismus überhaupt als denkfeindliche Ideologie und muß in immer tieferen Konflikt mit jeder Denkweise und Ideologie geraten, in der Vernunft und Überlegung eine sachliche Rolle spielen.


Macht

Quelle: Imperialismus heute. Dietz Verlag Berlin 1966, S.649-652 (gekürzt)



Was verstehen wir unter Moral?


Moral: ursprünglich Sitte, Herkommen, Brauch, auch eine Verhaltensweise, die die Sitten, den Charakter, die Gesittung und Lebensführung betrifft. Späterhin wurde unter Moral sowohl die Sittlichkeit als Ausdruck sittlicher Gesinnung und Haltung als auch die Sittenlehre verstanden. Auch Ethik bedeutete ursprünglich Sitte, Brauch, Gewohnheit. Die enge etymologische Verwandtschaft von Moral, Ethik oder Sittlichkeit mit den Sitten und Gebräuchen der Menschen deutet auf die Tatsache hin, daß in diesen bestimmte Anschauungen, Normen und Prinzipien zum Ausdruck kommen, vermittels derer die Menschen ihre gegenseitigen Beziehungen regeln. Obwohl auch heute noch Sitten und Bräuche Aufschluß über die Moral einer Gesellschaftsordnung vermitteln, sind sie doch nicht miteinander identisch.

Die Moral – aus marxistischer Sicht


Der Marxismus-Leninismus bestimmt die Moral als besondere Form des gesellschaftlichen Bewußtseins und praktischen Verhaltens der Menschen, als ein kompliziertes System von historisch konkreten, gesellschaftlich bedingten Prinzipien, Normen, Regeln, Anschauungen, Gefühlen und Verhältnissen, die mit deren Hilfe die Menschen einer gegebenen Gesellschaftsordnung ihre Beziehungen zueinander, zu ihren jeweiligen Gemeinschaften, den Klassen und der Nation oder der Gesellschaft als Ganzem regeln.

Was ist der Unterschied zur bürgerlichen Moral?


Im Gegensatz zu den verschiedenen idealistischen Auffassungen, denen zufolge die Quellen der Moral in einer ewigen und absoluten „Idee des Guten“, in der abstrakten menschlichen Vernunft, im Willen Gottes, in ewigen Naturgesetzen, in der abstrakten Natur des Menschen oder auch in seinen biologischen Trieben zu suchen sind, geht der Marxismus davon aus, daß die Moral eine historisch konkrete, gesellschaftliche bedingte Erscheinung ist, die ihren Ursprung vor allem in den jeweiligen materiellen, insbeson­dere in den ökonomischen Verhältnissen einer Gesellschaftsordnung hat.

Die Grundlagen der Moral


Die Produktionsweise des mate­riellen Lebens bestimmt, wie Karl Marx schreibt, den gesamten übrigen sozia­len, politischen und geistigen Lebens­prozeß. Die sittlichen Normen, Prin­zipien und Anschauungen widerspie­geln die objektiven Erfordernisse des Zusammenlebens in der menschlichen Gesellschaft, grundlegende gemein­same Interessen der Gesellschaft oder bestimmter Klassen, ohne deren Be­rücksichtigung die Gesellschaft sich nicht entwickeln kann. Durch die Zurückführung der Moral auf objektive Erfordernisse des materiellen Lebens der Gesellschaft erhält sie erstmalig eine wissenschaftlich begründete ob­jektive Grundlage und hört auf, eine Sammlung „a priori gewonnener For­derungen der abstrakten Vernunft“, des „objektiven Geistes“, der mensch­lichen Natur usw. zu sein.

Das Sein bestimmt das Bewußtsein


Wenn der Marxismus die moralischen Leitsätze und Forderungen auf das materielle Leben der Gesellschaft und in letzter Instanz auf die ökonomischen Ver­hältnisse gründet, dann bedeutet das nicht, daß es diese unmittelbar und direkt aus der Ökonomie ableitet. Der Zusammenhang der Moral mit der Öko­nomie ist in der höherentwickelten menschlichen Gesellschaft sehr kom­pliziert. Die moralischen Vorstellun­gen und Normen besitzen eine rela­tive Selbständigkeit. In ihnen spielt die Macht der Gewohnheit und der Tradition eine große Rolle, was dazu führt, daß moralische Prinzipien und Normen für eine gewisse Zeit erhal­ten bleiben, selbst wenn die Bedin­gungen, die sie hervorgebracht ha­ben, sich bereits wesentlich verändert haben oder gänzlich verschwunden sind.

Ellbogengesellschaft – oder sozialistische Gemeinschaft?


Die ökonomischen Verhältnisse bestimmen die moralischen Normen und Prinzipien, ihren Inhalt und die Richtung ihrer Entwicklung nicht direkt und unmittelbar, sondern nur in letzter Instanz – in der Klassengesellschaft vor allem vermittels der Politik und des Rechts. In der soziali­stischen Gesellschaft vereinfacht sich der Zusammenhang von ökonomi­schen Verhältnissen und moralischer Entwicklung und wird leichter durch­schaubar. So sind bei der Gestaltung des entwickelten Systems der sozialistischen Gesellschaft viele neue An­forderungen an die sozialistische Moral entstanden, denen wesentliche Pro­zesse der wissenschaftlich-technischen Revolution und neue Erfordernisse bei der weiteren Vervollkommnung der sozialistischen Produktionsver­hältnisse zugrunde liegen, z.B. spe­zielle Anforderungen an die sozialisti­schen Gemeinschaftsbeziehungen in der Produktion, an die Persönlichkeit der Werktätigen, besonders an das Verantwortungsbewußtsein.

Was folgt daraus?


Aus den Besonderheiten der gesellschaftlichen Bedingtheit und historischen Ent­wicklung der Moral folgt, daß es in einer in antagonistische Klassen gespalte­nen Gesellschaft keine einheitliche, für alle Mitglieder der Gesellschaft in gleicher Weise verbindliche Moral geben kann.

*Die Moral trägt in der Klassenge­sellschaft notwendig Klassencharak­ter.
*Alle ausbeutenden Klassen recht­fertigen in ihren Moralsystemen die Existenz des Privateigentums an Pro­duktionsmitteln, die Unterordnung der ausgebeuteten Klassen unter die Herrschaft der ausbeutenden Klassen, verherrlichen ihren Staatsapparat als ein Organ, das angeblich nur dem Gemeinwohl diene, und sanktionie­ren auf vielfältige andere Weise die herrschenden gesellschaftlichen Ver­hältnisse.
*In jeder Gesellschaftsord­nung ist die Moral der herrschenden Klasse zugleich auch die herrschende Moral der Gesellschaft.
*In der Geschichte der menschlichen Gesellschaft ist der moralische Fortschritt untrennbar verbunden mit der Tätigkeit und dem Kampf der Volksmassen um ihre Be­freiung von Ausbeutnng und Unter­drückung.
*Künftig ist die internationale Arbeiterklasse und vor allem das sozialistische Gesellschaftssystem der Träger des moralischen Fortschritts.


Warum muß der Kapitalismus beseitigt werden?


Die sozialistische Moral unterscheidet sich qualitativ von allen vorhergehend Moralsystemen. lhre Grundlage ist das sozialistische Eigentum an den Produktionsmitteln, das alle Menschen in ein grundsätzlich gleiches soziales Verhältnis zu den entscheidenden Voraussetzungen ihrer Existenz bringt, sowie die führende Rolle der Arbeiterklasse und ihr Bündnis mit allen anderen Werktätigen. Mit der Überwindung des Klassenantagonismus als entscheidender gesellschaftlicher Triebkraft wird in einem komplizierten gesellschaftlichen Entwicklungsprozcß auch der Antagonismus in den Moralauffassungen und Verhaltensweisen überwunden. Haupttriebkraft der gesamtgesellschaftlichen und damit auch der Moralentwicklung ist in der sozialistischen Gesellschaft die Übereinstimmung der grundlegenden Interessen aller Werktätigen und ihrer Gemeinschaften mit den Erfordernissen der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung geworden.

Sozialismus – das ist Menschlichkeit !


Auf der Basis dieser neuen ökonomischen und politischen Verhältnisse wird die politisch-moralische Einheit und Gemeinschaft des ganzen von Ausbeutung und Unterdrückung befreiten Volkes zu einem entscheidenden Charakteristikum der sozialischen Moral. Das Zusammenwachsen der Mitglieder der verschiedenen befreundeten Klassen und Schichten zur einheitlichen sozialistischen Menschengemeinschaft und die damit verbundene Herausbildung eines hochentwickelten Gemeinschaftsbewußtseins sowie eines hohen Verantwortungsbewußtseins für das Ganze der Gemeinschaft bei jedem einzelnen ihrer Mitglieder sind Ausdruck einer echten Revolution in den geistigen und moralischen Beziehungen der Menschen zueinander und zur Gesellschaft.

Die Grundätze der sozialistischen Moral


wie sie im Programm der SED formuliert sind:

„1. Du sollst Dich stets für die internationale Solidarität der Arbeiterklasse und aller Werktätigen sowie für die unverbrüchliche Verbundenheit aller sozialistischen Länder einsetzen.
2. Du sollst Dein Vaterland lieben und stets bereit sein, Deine ganze Kraft und Fähigkeit für die Verteidigung der Arbeiter-und-Bauern-Macht einsetzen.
3. Du sollst helfen, die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen zu beseitigen.
14. Du sollst gute Taten für den Sozialismus vollbringen, denn der Sozialismus führt zu einem besseren Leben für alle Werktätigen.
5. Du sollst beim Aufbau des Sozialismus im Geiste der gegenseitigen Hilfe und der kameradschaftlichen Zusammenarbeit handeln, das Kollektiv achten und seine Kritik beherzigen.
6. Du sollst. das Volkseigentum schützen und mehren.
7. Du sollst stets nach Verbesserung Deiner Leistungen streben, sparsam sein und die sozialistische Arbeits­disziplin festigen.
8. Du sollst Deine Kinder im Geiste des Friedens und des Sozialismus zu allseitig gebildeten, charakterfesten und körperlich gestählten Menschen erziehen.
9. Du sollst sauber und anständig leben und Deine Familie achten.
10. Du sollst Solidarität mit den um ihre nationale Befreiung kämpfenden und den ihre nationale Unabhängigkeit verteidigenden Völkern üben.“


Diese Grundsätze der sozialistischen Moral spornen die Menschen dazu an, aktiv und bewußt an der Gestaltung der ökonomischen, politischen und kulturcllen Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft teilzunehmen, die eigene Persönlichkeit eng mit der sozialistischen Gemeinschaft zn verbinden und sie allseitig zu entwickeln. In ihnen sind auch die humanistischen Bestrebungen vergangener Gesellschaftsklassen aufbewahrt, die die Arbeiterklasse als entscheidender Träger des gesellschaftlichen Fort­schritts übernommen und verwirk­licht hat.

Sozialismus – das ist gelebter Humanismus


Ihrem ganzen Wesen nach ist die sozialistische Moral eine Moral des realen Humanismus, des aktiven Ein­satzes für das Glück aller Menschen. Bei der weiteren Gestaltung des ge­sellschaftlichen Systems des Sozialis­mus in der DDR gewinnen die sozia­listischen moralischen Triebkräfte gesetzmäßig an Bedeutung, und es er­weitert sich der Bereich ihrer Wirk­samkeit. Darum muß den Fragen der moralischen Bildung und Erziehung, der Entwicklung des moralischen Verantwortungsbewußtseins für das Ganze der Gesellschaft, des Betriebes oder des Staates, der Förderung des gemeinschaftsbezogenen Denkens und Handelns und der staatsbürger­liehen demokratischen Aktivität stän­dig die ganze Aufmerksamkeit aller leitenden Organe der sozialistischen Gesellschaft gehören.

Quelle: Kulturpolitisches Wörterbuch, Dietz Verlag Berlin 1970, S.S.379ff.