Dienstag, 25. Juni 2013

"Das erste Leben der Angela M." - von Ralf Georg Reuth und Günther Lachmann


 
                                                    Die Chamäleon-Dame


Buchtipp von Harry Popow


Ein Chamäleon kann seine Farbe blitzschnell wechseln, wie mitunter auch ein Mensch, besonders in Gefahrensituationen. Das dient der Tarnung und der Kommunikation mit Artgenossen. Was die Echse vom Menschen unterscheidet - sie ist im Aussterben begriffen. In der menschlichen Gesellschaft aber ist das Chamäleon stark im Kommen. Wer hätte dies nicht schon - auch an sich selbst - beobachtet. Brisant wird die Sache nur, wenn der Farbwechsel, oder auch Gesinnungswechsel, bei der Gattung Mensch aus politischen Gründen erfolgt. Bei Leuten, die das Gesellschaftsschiff zu steuern haben, denn bei dieser charakterlichen Schwankungsbereitschaft weiß man nie so genau, wohin die Reise gehen soll.

Zwei Bundesbürger haben so einer markanten Persönlichkeit mit eben dieser Perfektion des Standpunktwechsels und des irritierenden Schwadronierens, des Lavierens zwischen allen Fronten und des ewigen gewinnenden Lächelns mit jedermann Namen und Gesicht gegeben. Der Titel: „Das erste Leben der Angela M.“ Die Autoren: Ralf Georg Reuth, 1952 in Oberfranken geboren, studierte Geschichte sowie Germanistik und promovierte 1983 über Hitlers Strategie. Günther Lachmann wurde 1961 in Papenburg geboren. Sein Studium galt der Vokswirtschaft. Er ist verantwortlicher Redakteur der WELT-Gruppe in Berlin.

Das fängt in dem 336 Seiten zählenden Buch interessant an: Das Autoren-Team überrascht die Leser mit einer nicht gerade löblichen Einschätzung: Sie sei sehr zurückhaltend, wenn es um ihre inneren Befindlichkeiten gehe, verschlossen, um nicht zu sagen verschwiegen. Bei der Schilderung des nur über 20 Jahre zurückliegenden Geschehens bleibt sie „vage, ganz so, als seien die damals handelnden Personen bis heute in einem dichten Nebel verborgen“. (S. 9) „Bis heute rätseln Zeitgeschichtler und Journalisten über ihr Weltbild, ihre Antriebskräfte, ihre Ziele und ihre Unnahbarkeit, die sie, die doch ganz oben angekommen ist, immer noch umgibt.“ So zitieren Reuth und Lachmann die „Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4.12.2004. (S. 11) Allerdings: Sie sei immer gegen den Sozialismus gewesen, sie habe schon immer die staatliche Einheit und die soziale Marktwirtschaft „im Blick“ gehabt. So nährte sich „die Legende von der patriotischen Pfarrerstochter, die in der Wende auszog, um mitzuhelfen, die gespaltene Nation zusammenzufügen“. (S. 285)

Welch ein Frontenwechsel der Angela M.! Von einer engagierten FDJlerin, von der Sekretärin für Agitation und Propaganda zu einer marktkonformen Staatenlenkerin! Steckt dahinter nur ein klatblütiges Kalkül, mit dem Strom der Zeit zu schwimmen, ganz oben sein zu wollen? Antworten finden auch die beiden Autoren nicht, denn die Merkel beherrsche die Kunst, „sich nicht festzulegen, nichts zu sagen“ und sie habe die Fähigkeit „eine Maske zu tragen“. (S. 14) So bleibt nur übrig festzustellen, sie habe sich dem Zeitgeist angepasst, damals wie heute.

 Statt ihrer basteln die Autoren an unterbelichteten gesellschaftlichen Tatsachen und Zuständen, die für eine frühe Absage an den Sozialismus bei der DDR-Bürgerin herhalten muss. Bienenfleißig quetschen sie Augenzeugen aus, wühlen und schnüffeln wie Spürhunde in Stasi-Akten. Ihr „bewährtes“ Angriffsziel für Einäugige: Das Verhältnis von Staat und Kirche. Sie erspähen aus der Froschperspektive – das ist ja nichts Neues -  ,dass die Stasi überall war. Sie entwerfen ein DDR-Bild - obwohl sie dort nicht groß geworden sind - , das aus der Manipulationskiste von BILD zu stammen scheint. Haben die Autoren Angela Merkels Leben lediglich dazu benutzt, um wiederholt auf die einstige DDR mit ihren großen Visionen für ein friedliches Dasein einzudreschen? Um nach wie vor den Antifaschismus der DDR-Gesellschaft in Abrede zu stellen und die auf Gesellschafteigentum an Produktionsmitteln beruhende echte Friedensliebe? Das also soll der dunkle Hintergrund vom Leben in der DDR und damit von Merkels Leben sein?

Um nur einige wenige, der Gedankenakrobatik entsprungene und die Geschichte verfälschende phraselologische Fügungen zu nennen: Die DDR-Gründung 1949 sei eine Antwort von sowjetischen Besatzern und ihren deutschen Helfern auf die Gründung der BRD gewesen. (S. 18) Diffamiert wird der Staat DDR auch durch die Unterstellung, die Kirche und die „Junge Gemeinde“ hätten im Mittelpunkt des „staatlichen Terrors“ gestanden. (S. 19) Horst Kasner, dem Vater der Angela Merkel, man nannte ihn den „Roten Pastor“, der für eine Kirche im Sozialismus eintrat, wird Naivität „vorgeworfen“, er würde „das wahre Wesen des zweiten deutschen Staates“ nicht verstehen. (S. 26) Auf Seite 35 wird ihm missbilligend vorgeworfen, mitverantwortlich für folgende Aussage zu sein: Die Kirche habe sich in den „Dienst der sozialistischen Gesellschaft zu stellen“, um eine Wiederholung der Hitler-Barbarei zu verhindern. Weiter: Die „Christliche Friedenskonferenz“ (CFK) 1958 in Prag stünde „unter dem Dogma der Notwendigkeit des Friedens in einer atomar hochgerüsteten bipolaren Welt…“ (S. 28) Unverzeihlich schmettern die Autoren auch diese die Nazidiktatur verniedlichende Lüge von der „zweiten deutschen Diktatur“, die DDR anprangernd, wiederholt in die Welt. (S. 43) Natürlich wurde auch die Worthülse von „Freiheit und Demokratie“ strapaziert, die ein täuschendes pars pro toto für das wahre Wesen des Kapitalismus sein soll. So täuscht man das angeblich „dumme“ Volk.

Die Autoren kommen nicht umhin, der Wahrheit entsprechende Ausssagen zur deutschen Geschichte nach 1945 zu zitieren. So lehnten sich führende linke protestantische Kreise Westdeutschlands gegen „Adenauers West-Integrations-Politik, seinem Wiederbewaffnungskurs und seiner konseqenten Ablehnung des Moskauer Angebots, ein neutrales Gesamtdeutschland zu schaffen“ auf. „Mehr Sozialismus lautete dort die Losung.“ (S. 20) Ergänzend wird von den Autoren registriert, dass die neue Generation im Westen nach der Rolle der Väter während Nazidiktatur und Völkermord gefragt habe, dass sie den Vietnamkrieg des US-Imperialismus verurteilte und bald in der DDR weniger die kommunistische Diktatur sah als den „antifaschistischen“ und damit den moralisch legitimierten zweiten deutschen Staat…(S. 78)

Zurück zur Angela Merkel. Wie hat sie als spätere Studentin und Sekretärin für Agitation und Propaganda in der FDJ an der Karl-Marx-Universität und später an der Akademie der Wissenschaften der DDR solche und ähnliche Wahrheiten über die Geschichte verinnerlicht? Es liegt auf der Hand: Offensichtlich ließ sie weltanschauliche Themen überhaupt nicht an sich heran, denn sie besaß das Talent, stets zuzuhören ohne ihre Meinung zu sagen. Sie wollte nicht auffallen. Trotz Blautuch bei den Jungen Pionieren und später im Blauhemd der FDJ („ich war gerne in der FDJ“) habe sie sich so verhalten, „dass ich mit diesem Staat nicht dauernd in Konflikt leben musste“. (S. 12) Weshalb habe sie dann trotzdem mitgemacht, ohne „aufzumucken“?

Die Autoren finden es heraus: Sie war gemeinschaftshungrig. Die Hauptsache war für die junge FDJlerin, dass sie vorwärts kam, ob auf der Erweiterten Oberschule oder als Studentin der Physik. Sie spricht es auch unverblümt aus: Du musst nur für dich da sein. (S. 146) Später wird sie zugeben, immer schon für das westliche Wirtschaftsmodell geschwärmt zu haben. Die Wirtschaft sei nur noch über Wettbewerb und Markt zu steuern. (S. 223)

Zur Wendezeit wurde sie plötzlich sehr lebendig und neugierig. Sie roch den Braten, denn das Private hatte bei ihr stets Vorrang. So nimmt es nicht Wunder, wenn die junge und „intelligente“ Frau schnell mit ihrer Vergangenheit abschloss und mir nichts dir nichts die „Nähe zum Sieger“ suchte. (S. 232) Mit großer Verwunderung und Befremden nahmen ihre ehemaligen Freunde und Mitstreiter an der Akademie die politisch-moralische Kehrtwende wahr. „Wer eine solche Wendung mitmacht - für den können politische Inhalte nicht im Mittelpunkt stehen. Für den geht es um Karriere und Macht. Für den ist Macht Selbstzweck.“ (S. 286)

Fest steht, das Anliegen der Autoren, den Hintergrund des Lebens in der DDR darzustellen, um daraus Schlüsse für das Denken und Fühlen der Angela Merkel zu ziehen, ist ihnen kaum gelungen. (Wollten sie das wirklich?) An äußeren Taten und Mitmachaktionen ist ihr damaliges Innenleben nicht sichtbar geworden. Solche wie sie gab es zuhauf, die nur Lippenbekenntnisse zur Schau trugen, um sich persönliche Vorteile zu ergattern. Allerdings ist folgende inhaltliche Aussage von geborenen DDR-Gegnern, deren Sicht nur auf ein Zerrbild gerichtet ist, nicht von der Hand zu weisen: In so einem „Stasiland“ sei inhaltliches Engagement unmöglich gewesen! Womit wir dann wieder bei den „Hintergründen“ für ihr erstes Leben gelandet wären.

Denn auch dies ist die Botschaft dieses Prügelbuches: Es gibt kein Schwarz, Grün, Gelb. (Rot existiert für diese Rückläufer der Geschichte nicht.) Es ist aus mit eindeutigen Farbzuweisungen für Parteien und Gruppierungen. (Siehe Regierungskoalition.) Gefragt ist Beliebigkeit, Austauschbarkeit und Unberechenbarkeit. Vorbei mit einer klaren politischen Orientierung. Es ist die Zeit angebrochen fürs Lavieren, um das Volk zu täuschen. Zeit ist da für die Mitte, fürs Zulächeln gegenüber jedermann. Jeder färbe sich selbstbestimmend ein, je nach Lust und Laune. Es lebe der Pluralismus und die vielgepriesene Individualität. „Jedem das Seine.“ Die Angela M. machts vor. Nie wieder Ideologie. Nie wieder Kollektivismus. Habt Spaß, aber stört die Wirtschaft nicht beim Wachstum.

Für die Kanzlerin ist die Steuerbrücke also genau der richtige Platz. Die Geldmacht braucht sie zur Tarnung. Was wird sie antworten, wenn einmal das „Regierende Volk“ die Maskenfrau zur Rechenschaft ziehen würde, warum sie sich von einer Humanistin - denn schließlich trat sie vor und während der Wende für einen demokratischen Sozialismus ein - zu einer absolut marktkonformen und dem Zeitgeist angepassten Staatenlenkerin hatte hinreißen lassen? Vielleicht fiele die Antwort so aus: Ich wollte stets das Beste, war doch  immer brav zu jedermann… So würde sich halt ein Chamälion rechtfertigen, dass dem Kapitalismus selbst im Zerfallsprozeß noch kräftig zu Diensten war. Den Autoren sei gedankt.

 

Ralf Georg Reuth, Günther Lachmann: „Das erste Leben der Angela M.“, Gebundene Ausgabe: 336 Seiten, Verlag: Piper; Auflage: 4 (14. Mai 2013), Sprache: Deutsch , ISBN-10: 3492055818 , ISBN-13: 978-3492055819

 

Erstveröffentlichung der Rezension in der Neuen Rheinischen Zeitung


 

   

 

Mittwoch, 12. Juni 2013

NEUES VON ALEX


Alex ist mein Freund. Reiner Zufall: Habe ihn per Mausklick im Internet kennengelernt. Etwas älter als ich. Mit einem ganzen Rucksack voller Erlebnisse und Erfahrungen. Ein einstiger DDR-Bürger, der sein Hirn noch voll in Gebrauch hat und – das vor allem – das Herz auf dem rechten Fleck. Mit seinem Einverständnis nehme ich gelegentlich diese oder jene Zeilen, die er mir per E-Mail sendet, in meinem Blog auf. Warum nicht?

 

Mail vom 11. Juni 2013:

 

 
Lieber Harry , beim Lesen des Kommentars zur Hochwasserthematik kamen mir  die „zentralistische Planwirtschaft“  der die DDR verteufelnden Verurteilungen in Erinnerung. Am gestrigen Abend beklagte ein vom Hochwasser seiner Kommune betroffener Bürgermeister ( ? ) den Umstand , dass man sich hinsichtlich Deichbau zum Schutz seiner Gemeinde seit Jahren ( 2002 , letzte Überschwemmung seiner Gemeinde ) darüber streitet , wer wofür welche Kosten zu tragen habe. Keine klaren Zuständigkeiten. Ergebnis : Bislang kein Deich . Und das nach elf Jahren. So lange hat die „arme“ DDR nicht mal benötigt, um ein umfassendes Hochwasserschutzprogramm durch den Bau von Talsperren im Erzgebirge , im Vogtland und in Thüringen zu verwirklichen. Auch das Oderbruch war schneller trocken gelegt . Das Ergebnis für die genannte Gemeinde: Wieder schutzlos gegenüber den Hochwasserfluten. Es handelt sich um die im Fernsehbeitrag genannte "gespaltene" Gemeinde, in der die im Elend sogar in unterschiedlicher Weise betroffenen Bürger ob der unmöglichen Zustände gegeneinander positioniert werden. Ich habe leider nicht richtig mitbekommen, ob es sich um Mühlberg handelte. Wie auch immer, es ändert sich nichts am Ergebnis .

Ich meine, ein optimales Hochwasserschutzprogramm, dass den im Kommentar benannten Rechtsgrundsatz nach Sicherheit für alle Bürger gewährleistet, das kann und muss nur durch den Bund realisiert werden. Aber das wäre eben zentralistisch. Und wie der Autor des Artikels in "Kommunisten online " richtig feststellt, es wäre sozialistisch. Aber wir leben ja nicht in einem sozialistischen Land. Also lässt man Länder und Kommunen mit ihren Problemen zumindest bis zur nächsten Katastrophe allein. Und die Not lindernde Hilfe leistet die mitleidige Volksseele mit Spendenaktionen. Bis zur nächsten Flut. Bis dahin darf sich jeder potenziell gefährdete Haushalt Rettungsboot, Schwimmwesten u.a. beschaffen. Nur eine Versicherung zu seinem im Grundgesetz zugesicherten Schutz erhält er nicht. Es gibt ja keine Staatliche Versicherung mehr. Wer das wünscht, der muss sich schon fragen lassen: Ja, wo leben wir denn ? Und auch:Wie lange noch ?

Montag, 10. Juni 2013

Kommentar zur Hochwasserthematik


Wir treten im Grunde für nichts weiter als die volle Verwirklichung der sozialen Menschenrechte ein, zu denen neben dem Grundrecht auf Arbeit gegen Leben sichernden guten Lohn auch das Recht auf Wohnen in sicherem Umfeld gehört.


Kommentar zur Hochwasserthematik

KAPITALVERNICHTUNG GEHÖRT ZUM GESCHÄFT

von Jens-Torsten Bohlke

Kommunisten-online –

So mancher alte einstige DDR-Bürger fragte sich in diesen Tagen, warum die Hochwasser-Situationen seinerzeit von 1960 bis 1989 an Elbe und Oder im Vergleich zu den heutigen Hochwasserkatastrophen in derselben Region so glimpflich abliefen. Es wurde schon mal sehr rasch auch die Nationale Volksarmee damals eingesetzt, wenn gerade zusätzliche Kräfte in der Wirtschaft beispielsweise bei der Kartoffelernte oder zur Vermeidung eines drohenden Dammbruchs vonnöten waren. Dass aber tagelang Hubschrauber über Magdeburg kreisten und Dutzende von neuen Wohnhaussiedlungen mal eben in giftiger stinkender Brühe versanken, wie es derzeit zwischen Bad Schandau und Magdeburg der Fall ist, das ist ein Novum, etwas Neues, eine neue Qualität, welche nicht so einfach mal eben vom Himmel gefallen sein kann.

Wie kann die Sicherheit der Bürger in Eigenheimen gewährleistet werden

Die sozialistische DDR verhielt sich im Gegensatz zur kapitalistischen Bundesrepublik Deutschland strikt an Sicherheitsvorgaben, wenn es um Baugenehmigungen ging. So schön der Blick auf den vorbeirauschenden Fluss auch sein mag, – liegt der gewünschte Platz für den Eigenheimbau in einer Überflutungszone, dann konnte dort zu DDR-Zeiten nicht gebaut werden. Diese Schutzmaßnahmen können nur in einer sozialistischen Gesellschaft getroffen und praktiziert werden. Wie wir heute sehr anschaulich erleben, ist eine kapitalistische Gesellschaft völlig unfähig diesbezüglich und agiert geradezu hilflos.

Frau Slomka verdammt Fluss-Auen zu Malariabrutstätten

Man höre sich nur mal die „Argumente“ von Marietta Slomka an, die durchaus in den Clubs der ganz Reichen verkehrt. Demnach müssten die Menschen ja irgendwo wohnen und deswegen in hochwassergefährdeten Gebieten ihre Häuser bauen und dort leben. Und die bösen Fluss-Auen mit ihren Wäldern beheimateten einst die Malaria-Mücken, welche doch wohl niemand von uns in unserem ach so paradiesisch gesunden Deutschland zurückhaben wolle. Folgen wir Marietta Slomka und dem Monopolkapital, dessen Sprachrohr diese ZDF-Moderatorin ist, dann muss der Blick auf Flüsse aus hochwassergefährdeten Gebieten unbedingt weiterhin so profitabel für die Immobilienhaie vermarktet werden wie bisher, – Business as usual eben, ein stinknormaler Geschäftsvorgang aus dem Alltag eben! Und wird da Kapital in Form von Grundstücken vernichtet, indem teuer gekaufte Grundstücke hochwasserzerstört wieder dem Finanzkapital mittels dessen finanzierender Bank zufallen, so gehört auch diese Kapitalvernichtung einfach nur mit zum Geschäft und bringt weitere Profite. Jene 0,0001% der Menschheit, die die Banken besitzen, freut dies.

Seehofers Versprechen von Milliardenhilfen für Hochwasseropfer

Da wundert es nicht, wenn der Ruf der betroffenen Bürger an die Politiker nach Hilfe wie das Pfeifen im Walde ungehört verhallt. Bayerns Seehofer verspricht da zwar gar Milliarden, aber er sagt weder, für wen genau diese Milliarden Euro bereitgestellt werden sollen, noch wer für diese Milliarden Euro aufzukommen hätte. Schon jetzt ist die Rede von Summen von 400 Euro Soforthilfe, die an Erwachsene in manchen Gegenden als Hochwasser-Opferhilfe gezahlt werden, während es für Kinder 250 Euro … UND FÜR DEN UNTERNEHMER 1500 Euro sind. Der Unternehmer ist laut Logik dieser kapitalistischen Gesellschaft derjenige, der am bedürftigsten ist, wenn es um die Verteilung von Steuergeldern geht. Er ist 6 x so bedürftig wie ein Kind. Wir dürfen demzufolge davon ausgehen, dass die von Seehofer medienwirksam angekündigten Milliardenpakete weiterhin für notleidende Banken und Konzerne, nicht aber für den kleinen Häuslebauer bestimmt sein werden.

Hausversicherungen schützen nur in einer sozialistischen Gesellschaft

Gab es derartige Hochwasserhilfen in der DDR? Selbstverständlich. Damals waren die Bürger bestens versichert, und zwar staatlich versichert. Die staatliche Hausversicherung kam auch für Hochwasserschäden auf. Wohl dem, der seinen alten DDR-Hausversicherungsvertrag bis heute nicht durch eine Unterschrift unter einen Neuvertrag nach den AGB der Allianz, die die staatliche Versicherung der DDR seinerzeit übernahm, setzte. Die Allianz zahlt nach ihren AGB bei Hochwasserschäden nichts, die staatliche Versicherung der DDR dagegen kam für Schäden durch Hochwasser sehr wohl auf. Daher erübrigte sich in der DDR auch der Aufruf, privat für Hochwasseropfer zu spenden. Die Nachbarschaftshilfe, die heute mühsam in Katastrophenfällen auf ein Mal wiederentdeckt zu werden scheint, um dann bei Sonnenschein wieder im Hauen und Stechen der alltäglichen kleinbürgerlichen Interessenkonflikte unterzugehen, gehörte zu den Alltäglichkeiten des Lebens in der sozialistischen DDR und wurde dort schon in der Schule den Kindern beigebracht.

Der Zusammenhang zwischen Malaria, Dengue und Kapitalismus

Frau Slomka sieht natürlich gerne darüber hinweg, dass die DDR eine hohe Geburtenrate aufwies und dennoch ihre Bürger nicht in hochwassergefährdeten Gebieten siedeln ließ. Abgesehen von dem wissenschaftlich unhaltbaren Gerede, Sümpfe oder Flußauen würden die Malaria-Mücken erneut in Mitteleuropa ansiedeln. Auch wenn jene Mücken, die die malaria-verwandten Dengue-Epidemien hervorrufen, bereits bis nach Spanien vordringen konnten. Der Kapitalismus „bescherte“ Spanien allerdings bekanntlich auch seit Jahrzehnten stark anwachsende und sich ausdehnende Slums mit elendiglichsten sanitären Missständen, wo sich derartige Krankheitserreger in Regenzeiten bestens vermehren und ihre Opfer so geschwächte Organismen bei Mangel an ärztlicher Hilfe und durch Ernährungsmängel aufweisen, dass die Erkrankung dann zwangsläufig tödlich verläuft. Auch im kapitalistischen Kuba gab es Malaria und Dengue. Im sozialistischen Kuba sind diese Krankheiten nicht mehr vorhanden, weil ihre Erreger vor Ort ausgerottet werden konnten und die Hygiene im Alltag erheblich verbessert worden ist. Aber davon will uns Frau Slomka besser nichts erzählen. Es passt nicht in ihren Auftrag, für den sie gut aus den von uns gezahlten Fernsehgebühren bezahlt wird. Und dieser Auftrag lautet Desinformation statt Information. Die infolge ihrer Verluste an Hab und Gut wütenden Kleinbürger sollen Naturkatastrophen bitte als gottgegeben hinnehmen.

Das Menschenrecht auf Wohnen in sicherem Umfeld

Wir Kommunisten meinen, dass der hohe Stand von Wissenschaft und Technik durchaus hinreicht, um allen Menschen auf der Erde ein Leben in Frieden, Wohlstand und Sicherheit zu ermöglichen. Wir treten im Grunde für nichts weiter als die volle Verwirklichung der sozialen Menschenrechte ein, zu denen neben dem Grundrecht auf Arbeit gegen Leben sichernden guten Lohn auch das Recht auf Wohnen in sicherem Umfeld gehört. All diese Rechte vermag die kapitalistische Gesellschaft den Bürgern nicht zu gewährleisten. Wohnen hat seinen Preis zu haben, und der Blick auf den Fluss steigert diesen Preis noch weiter, sehr zum Wohl des Profits für manchen Immobilienhai. Weshalb wir Kommunisten den Blick auf den Fluss niemandem versprechen, aber gerne für diejenigen ermöglichen, die dies aus einem nicht hochwassergefährdeten Gebiet haben möchten … allerdings nur in einer sozialistischen Gesellschaft!

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Veröffentlicht in meinem Blog mit freundlicher Genehmigung der Redaktion kommunisten-online

Samstag, 1. Juni 2013

„Schwarzbuch Waffenhandel. Wie Deutschland am Krieg verdient“ / Jürgen Grässlin


  
Mord(s)geschäfte im Visier

Buchtipp von Harry Popow

Ein Aufschrei! Erst Irak, Afghanistan, Libyen, Syrien, Mali – und bald auch noch Iran? „Neuerliche Kriege und Bürgerkriege, neuerliche Schlachten und Massaker, Exekutionen und weitere Menschenrechtsverletzungen schlimmster Art werden folgen, wenn die Weltgemeinschaft nicht endgültig handelt.“ Das steht geschrieben auf Seite 573 in dem soeben veröffentlichten Buch von Jürgen Grässlin mit dem Titel „Schwarzbuch Waffenhandel. Wie Deutschland am Krieg verdient“.

Jürgen Grässlin ist ein mutiger Publizist und ein Missionar. Wie es heißt, zählt er zu den profiliertesten Rüstungsgegnern Deutschlands. Er ist Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) und u.a. Sprecher der Kampagne „Aktion Aufschrei: Stoppt den Waffenhandel!“ Er ist Autor zahlreicher kritischer Sachbücher über Rüstungsexporte sowie Militär- und Wirtschaftspolitik. Er wurde mit dem »Aachener Friedenspreis« ausgezeichnet. Er ist ein Mann der gründlichen Recherche und der Tat. Auch der juristischen Auseindersetzung. Er spricht von erfolgreichen Kampagnen aus der Friedens-, Frauen, Menschenrechts- und Entwicklungsarbeit, aus Kirchen und Gewerkschaften und von solchen Aktivisten, die sich „gegen die Produktion und den Export besonders verwerflicher Waffensysteme – wie Landminen oder Streumunition – oder gegen den Waffenhandel als  solchen“ wenden.

Im „Schwarzbuch“ liefert er sich erneut ein Duell mit der Macht, denn es geht um die Wurst. Um Profit und Ressourcen, weltweit. Und wenn es sein muss – mit Krieg und Mord und eiskalt einkalkulierten Toten, angeblicher „nationaler Interessen“ wegen. Ist da nicht ein „Empört Euch!“ angesagt? Wer sekundiert da Jürgen Grässlin und den immer zahlreicher werdenden Protestierenden? Wer wagt sich aus der Deckung und spuckt den Kriegsprofiteuren kräftig in die Suppe? Und das aus allen friedlichen Kanonen? Gleich zwei weitere Attacken gab es jüngst im Monat Mai gegen Wirtschaftsbosse und deren politische Handlanger. Da nahmen das ZDF mit seinem Beitrag „Tödliche Deals“ die Schuldigen an weltweiten Morden und Kriegen unerbittlich aufs Korn. Und auf dem Marktplatz in Friedrichshagen schmetterten am 27. Mai dreitausend empörte Widerständler dem Flughafendesaster, der Verschleuderung von Steuergeldern, dem unzumutbaren Fluglärm von 22 bis 06 Uhr ihr Nein entgegen. Es war die hundertste Montagsdemo!! Die Helden der Bürgerinitiativen von Berlin und Brandenburg proben den Aufstand.

Sie erweisen sich ebenso wie Tausende andere als Sekundanten des Autors Grässlin für eine bessere Welt. Er fährt mit über 600 Seiten argumentativ und polemisch einer Elite, die sich dem totbringenden Rüstungsexport verschrieben hat, in die Parade. Das friedliche Waffenarsenal der Publizistik im Hocheinsatz kontra dem Arsenal der Tötungsmaschinerie. Ein weitgehend totgeschwiegenes Thema, fährt dieses Mordgeschäft doch unerhörte Profite ein, ungeachtet der Tatsache, dass mit deutschen Waffen gemordet und gelyncht wird, Demonstranten niedergeschossen werden. Von Ethik und Moral keine Spur.  Einen ganzen Sack von brisanten Daten und Dokumenten schüttet der Autor vor den Lesern aus, dazu 20 Täterprofile und 23 Infokästen. So erhalten die Opfer eine Stimme und die Täter „Namen und Gesicht“, wie er schreibt.

Jürgen Grässlin verweist auf den Seiten 22 und 23 auf die Potsdamer Konferenz, die vom 17. Juli bis zum 2. August 1945 stattfand. Dort wurde u.a. die völlige Abrüstung und Entmilitarisierung Deutschlands und die Ausschaltung der gesamten deutschen Kriegsproduktion beschlossen. Sowohl in der Präambel des Grundgesetzes als auch im Artikel 26 sei die Friedenssicherung „festgeschrieben“, die Führung eines Angriffskrieges für „verfassungswidrig“ erklärt und „Zur Kriegführung bestimmte Waffen dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden“.

Doch Wort und Tat klafften auseinander. „Zur Remilitarisierung Deutschlands gehörte neben einer eigenen Armee auch der Wiederaufbau einer eigenständigen Rüstungsindustrie.“ (S. 24) Vor allem die USA habe Interesse an der deutschen Wiederbewaffnung gezeigt, was die Adenauer-Regierung weidlich zu nutzen wusste. „Die Gespenster der Vergangenheit kehrten in neuem Gewand zurück“, so Jürgen Grässlin. Nicht zu vergessen: Erwiesenermaßen mit Unterstützung alter Nazikader!

Jürgen Grässlin lässt keinen Zweifel daran: Rüstungsexporte müssen generell verboten werden. Und wenn sie schon praktiziert werden, unterliegen sie laut Grundgesetz und vielmals überarbeiteter politischer Grundsätze strengen Auflagen. So darf nicht in Staaten und Länder exportiert werden, die Menschenrecht verletzende Handlungen praktizieren. Verwiesen wird zum Beispiel auf Seite 34 mit den im Jahre 1971 beschlossenen „Politischen Grundsätzen“ auf den Willen der jeweiligen Bundesregierungen, „Rüstungsexporte nach eigenen politischen Vorstellungen zu gestalten“. Vom Export deutscher Kriegswaffen, so die Grundsätze wenig später ergänzend, wurden grundsätzlich Spannungsgebiete ausgeschlossen, „wenn eine Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine erhebliche Störung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu befürchten“ war. (S. 36) Trotz dieser Beschränkungen muß der Autor immer wieder aufs Neue feststellen: Die Wirklichkeit sieht anders aus. Kriegswaffen würden sehr wohl an Staaten ausserhalb des atlantischen Bündnisses, in Spannungsgebiete sowie in Länder der Dritten Welt „grenzenlos“ geliefert. (S. 36)

 Der Publizist blickt mit einer unglaublichen Akribie hinter die Kulissen der Viereinigkeit Politik, Konzerne, Banken und Bundeswehr. Sie alle ziehen an einem Strang wenn es darum geht, nicht nur Profite zu sichern, sondern ihre politische und ökonomische Vormachtstellung in Europa und in der Welt weiter auszubauen. An vorderster Front der Waffenfabrikanten, so der Autor, stehen u.a. Eurofighter Jagflugzeug GmbH, Heckler&Koch, EADS, Krauss-Maffei Wegmann, MTU Friedrichshafen, Rheinmetall Defence, Daimler AG und Daimler Trucks North America. Nehme man nur Heckler&Koch unter die Lupe. Dieser Konzern unterhält enge Beziehungen nach Saudi-Arabien, denn die feudale Golfdiktatur habe die Erlaubnis erhalten, deutsche Sturmgewehre in Lizenz selbst zu produzieren. Man verweist auf die massiven Menschenrechtsverletzungen, die das Regim in Riad verantwortet, vor allem auf die blutige Unterdrückung der schiitischen Minderheit im Osten des Landes. 2012 habe Berlin „Kleinwaffen“-Exporten im Wert von über 76 Millionen Euro zugestimmt. Kleinwaffen sind u.a. Pistolen, Maschinenpistolen und Sturmgewehre. Experte nennen sie die „Massenvernichtungswaffen des 21. Jahrhunderts“.

Saudi-Arabien sei seit jeher ein Verbündeter im Kampf gegen Terror und al-Qaida, Kritik an völkerrechtswidrige Militäraktionen würde – falls überhaupt – nur zurückhaltend vorgebracht, und Schwarz-Gelb warf jegliche Bedenken über Bord und steigerte die Ausfuhr von Waffen 2010 auf ein einmaliges Rekordniveau. (S. 138) Schließlich verkamen die „Politischen Grundsätze“ in der Ära Merkel/Steinmeier endgültig zur Makulatur. (S. 107) Es sei besonders verwerflich, wenn z. B. Rot-Grün die Aufrüstung des Regimes in Riad betrieb. So stiegen der Wert der  Waffenexportgenehmigungen durch die Bundesregierung und nachgeordneter Kontrollbehörden von 51,1 Mio. DM (1999) auf 72,8 Mio. DM (2000). Ganz legal wanderten Teile für Gewehre und Karabiner, Schießanlagen, Herstellungsausrüstung für Teile von Maschinenpistolen und automatischen Gewehren, für Munition für Haubitzen und Teile für Kampfflugzeuge nach Saud-Arabien. (S. 81) Nach siebenjähriger Regierungszeit habe der Waffenexport einen Umfang von rund 8,3 Mrd. US-Dollar betragen – ein Fiasko. (S. 92)

Als klassische Kriegsprofiteure bezeichnet Jürgen Grässlin die Rüstungskonzerne und Zulieferbetriebe. In der Ära der christlich-sozialen und dem ersten Jahr der christlich-liberalen Koalition von 2005 bis 2010 lieferten allein die „sechs führenden Rüstungskonzerne Deutschlands (mit MTU Aero Engiges) Kriegswaffen im Gesamtwert von 127,71 Mrd. US-Dollar an NATO-Staaten, NATO-assoziierte Länder und Drittländer, darunter zahlreiche kriegführende und die Menschenrechte missachtende Staaten“. (S. 224)

Wer entscheidet letztendlich über Waffenlieferungen? Das ist der Bundessicherheitsrat – aber weitgehend hinter verschlossenen Türen. Bescheinigt wird den Bundesregierungen seit Mitte der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts eine desaströse Gesamtbilanz. CDU/CSU, SPD und FDP etablierten Deutschland an dritter Stelle der Weltwaffenexporteure nach den USA und Rußland. Treffgenau die folgende Feststellung, auch hinsichtlich kommender Wahlen: „Dabei spielte es letztlich keine Rolle, welche Koalition aus den vier Altparteien die Regierungsgewalt innehielt.“ (S. 66)

Dass Konzerne und Banken vom Geschäft profitieren ist ja nicht neu. Weniger im Blickpunkt stehen die Mittel des Lobbyismus, bei dem, so der Autor, durch persönliche Kontakte der personelle „Austausch zwischen Industrie und Amtsseite“ für eine „enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit“ zu sorgen habe. (S. 192) Wörtlich dazu auf Seite 193: Laut Recherchen des Magazins stand fest, dass „die Waffenfirma Heckler&Koch aus Oberndorf am Necktar 20 000 DM für die Parteikasse der FDP gespendet habe, nachdem das Unternehmen im (…) Wirtschaftsministerium um die Genehmigung für den Export von Gewehrteilen für eine Waffenfabrik, ebenfalls in Saudi-Arabien, eingekommen war“. (S. 193)

Entlarvend wirken jene Textstellen, die sich mit der vielfachen Schönfärberei, den Verhüllungen der Geschäftsbeziehungen, den Tricks in der Wortwahl und den Vertuschungen hinsichtlich der Motivation befassen. Statt Krieg sagt man zum Beispiel „Stabilisierungseinsätze“. Da müssen, und das betont der Autor mehrfach, Scheinargumente herhalten, zuallererst das der Arbeitsplätze, wobei der Rüstungsexport nur 0,12 Prozent zum Gesamtexport beiträgt. (S. 16) Noch schlimmer wird es, wenn die Denkweisen und Beweggründe der Rüstungsprofiteure ans Tageslicht kommen und so die Täter bloßstellen und deren wahre „humane“ Absichten im „Interesse der Sicherung des Friedens“ offenbaren. Man schlägt förmlich die Hände über dem Kopf zusammen, wenn man beispielsweise solche Aussagen liest: Den Eurofighter betreffend misst der „Referent im Führungsstab der Luftwaffe dem mehrrollenfähigen Kampfflugzeug eine entscheidende Rolle in kommenden Kriegen zu“. (S. 234) Und an anderer Stelle: „Für zukünftige Luftkriege sei der neue Militärtransporter in den Spannungsgebieten des Nahen und Mittleren Ostens“ vorzüglich geeignet, so das Königshaus in Riad. (S. 245) Erschreckender geht es nicht. Da beschreibt ein Wolfgang Dürr vom EADS Astrium die Bedeutung „der Raumfahrt für den Einsatz im Krieg. (…) Da die Zeit nationaler Kriege weitgehend vorbei sei, müssten diese Systeme international kooperationsfähig sein. (…) Kriege sollen vom Weltraum aus geführt  und gewonnen werden“. (S. 258/259)

 Eines der wichtigsten Motive für Waffengeschäfte äußert der Mitbegründer der Angolanischen Antiimperialistischen Menschenrechtsinitiative Matondo, den Jürgen Grässlin so zitiert: Letztlich gehe es auch für Deutschland „um Ressourcen und Rohstoffe“, so Matondo. Deutschland wolle sich „den militärischen Einfluss und damit den Zugang zu den Rohstoffen (…) sichern, wie auch die Handelswege für Öl und Gase“.

Ein Aufschrei müsste umgehen. Mehren sich die Tendenzen zu gewaltsamen Konfliktlösungen? Wie ist der wahnsinnige Rüstungswettlauf, der zum Kriege drängt, zu stoppen? Das Fazit des Autors sieht so aus: „Diese Faktenlage verweist auf eine der unbequemsten Wahrheiten des 20. und 21. Jahrhunderts: Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union – des Friedensnobelpreisträgers 2012 – und der UNO (…) haben mit ihrer Lieferung von Kriegswaffen und Rüstungsgütern an Aggressoren  und Kriegstreiber, Despoten  und Diktatoren weltweit Kriege und Bürgerkriege ermöglicht.“ Deshalb stelle sich die Frage: Wie kann der Teufelskreislauf von Waffenproduktion, -export und –einsatz durchbrochen werden? (S. 575)

Das ist die Frage aller Fragen. Immerhin: Der Autor hat die Rüstungsindustrie im Fokus. Sie ist ein - wenn auch der aggressivste – Teil einer von Intrigen und Arroganz strotzenden Industriedynastie. Das wird man nicht vergessen dürfen. Illusionäre Vernunft-Anmahnungen greifen da wohl zu kurz. Auch nicht ein Austausch von Verantwortlichen und Schuldigen. Die Rüstungsgegner, die auf dem Marktplatz Friedrichshagen gegen die Wirtschaftsbosse demonstrierenden und tausende andere Bürger, die sich eine andere Wirtschaftsordnung vorstellen können, mögen ihre Kräfte bündeln, denn Einzelkämpfer haben keine Chance. Das ist das Fazit aus dieser Super-Kampfschrift gegen die Allmacht des Kapitals. Solange die Mord(s)brüder das Sagen haben, müssen sie im Visier bleiben. Das friedliche Duell mit den Waffen, die der Kultur zu Gebote stehen, möge nicht im Gegenfeuer der bürgerlichen Medien untergehen. Empört Euch! ruft der Autor. Was tun? fragt er. Vielleicht ein ordentliches Dacapo? Land und Staat in die Hände des Volkes? Ziviler Ungehorsam? Es geht nicht nur um den Aufschrei, sondern auch um`s Tun, so die Bürgerwehr im Südosten Berlins zum Beispiel gegen die Müggelflugroute. Denn: „Wer den Profit über Menschenleben stellt, macht sich moralisch und ethnisch mitschuldig am massenhaften Tod unschuldiger Menschen“. (S. 552) Das Schwarzbuch von Jürgen Grässlin ist ein Buch der Superlative, das zum Nachdenken anregen sollte. Ein Glücksfall für den Widerstand, denn der   Duellierende benötigt Sekundanten.

 Jürgen Grässlin: „Schwarzbuch Waffenhandel. Wie Deutschland am Krieg verdient“ Taschenbuch: 624 Seiten, Verlag: Heyne Verlag (13. Mai 2013), Sprache: Deutsch, ISBN-10: 3453602374, ISBN-13: 978-3453602373

 Erstveröffentlichung der Rezension in der Neuen Rheinischen Zeitung