Samstag, 26. Oktober 2013

Dem Morgendämmern vorauseilende Lichtblicke


 Buchtipp von Alex Schumann


 
 
 
Morgendämmerung! Das ist Hoffnung. Dass der Tag gut verlaufen möge. Doch der fängt mit Aufstehen an. Also raus aus dem Bett. Dem vorauseilenden Licht entgegen. Du überwindest dich. Tag für Tag. Welche Leuchtfeuer weisen Dir heute den Weg? Welche Schatten werfen sie? Ist das stets vorauszusehen? Du suchst Halt. In Deinem eigenen Wollen. In den Lichtblicken, die Du in Dir hast. Die musst Du im Auge behalten. Sonst verlierst Du den Weg, den Du gehen willst. Das Wachsein ist Deine Stärke. Lichtpunkte sind Perlen, die Kraft verleihen... Einer Kraft des Sehens und Begreifens, des Tuns...
 
Perlen der Erkenntnis findet man – wer wüsste das nicht - sowohl im Alltag, als auch beim kritischen Lesen. Über fünfunddreißig Rezensionen zu politischen Sachbüchern wollten – in guter Zusammenarbeit mit der Neuen Rheinischen Zeitung, Herausgeber und Redakteur Peter Kleinert – von Harry Popow gründlich durchforstet und besprochen werden. Welch ein Vergnügen des Denkens, von dem Berthold Brecht schrieb. Dabei erinnere ich mich u.a. an das Buch von Joe Bageant „Auf Rehwildjagd mit Jesus. Meldungen aus dem amerikanischen Klassenkampf“. Dazu schrieb der Autor eine Rezension, in der ich folgende Textstelle sehr interessant fand: Das Denken vieler Amerikaner drehe sich um das eigene Wohl, gegen Krieg haben sie weitgehend nichts und die Arbeiterklasse will vom Klassenkampf nichts hören. Ohne Bildung, meint Joe Bageant, könne sich nichts ändern: „Was meine Leute wirklich brauchen, ist jemand, der einmal ordentlich auf den Tisch schlägt und laut und verständlich sagt: ´Hört mal zu, Ihr verdammten Büffelhörner! Wir sind blöder als ein beschissener Hackklotz und hätten dafür sorgen sollen, dass man uns was beibringt, damit wir wenigstens ein bisschen kapieren, was in dieser beschissenen Welt abläuft.´“

Wer haut hierzulande auf den Tisch? Es sind Autoren, die nach vorne denken und schreiben, es sind deren Werke, die nicht auf die Bestsellerlisten gelangen und auch in Printmedien als Rezensionen kaum zu finden sind und dennoch tiefgründig recherchierte Wegweiser darstellen. Folgen Sie den Spuren Platons und anderer Intellektueller und lassen sich inspirieren von deren Kraft der überzeugenden Worte. Besuchen Sie das sowjetische Ehrenmal in Treptow und lesen Sie eine interessante Zwiesprache mit Tamara... Oder gewinnen Sie Einblick in Begegnungen der nicht sehr erfreulichen Art, so zum Beispiel mit einem „Braven Soldaten“. Oder amüsieren Sie sich über ein „fiktives“ Wortgefecht mit einem, der Substanz für ein Gewürz hält. Oder erleben Sie eine Feld- und Waldwanderung, die mit einer kleinen Überraschung endet. Oder die Premiere eines italienischen Dokumentarfilms im Filmtheater Babylon. Oder den Dank eines Piraten für die Besprechung seines Buches. Oder in dem Buch „Blattkritik“ den Frontalangriff auf die Medien und deren Geldgeber. Oder wie man die Konsumenten zum Shoppen verführen will. Oder wie und warum Mord´(s)geschäfte vom Staat geduldet und gefördert werden. Oder die Tränen des Vaterlandes zu Problemen Israels zu den Palästinensern. Oder wie man mit Gott auf Sklavensuche geht. Oder wie eine Chamäleon-Dame ihr Volk verschaukelt. Oder wie Mumia Abu-Jamal in einem amerikanischen Dok-Film sehr warmherzig und lebendig als aufrechter Klassenkämpfer beschrieben wird. Oder wie Daniela Dahn das Privateigentum an Produktionsmitteln unter Beschuss nimmt...

Nicht weniger interessant: Essays sowie Tagebuch- und Blog-Notizen einschließlich E-Mails zum politischen Alltag. Selbstverständlich – wie kann das anders sein - aus sehr subjektiver und privater Sicht des Autors. Lassen Sie sich kurzweilig entführen in die Welt des Widerstands gegen gewollte Sinnentleerungen, bewusst provozierter Hohlköpfigkeit. Zu entdecken sind Lichtblicke, die der Morgendämmerung vorauseilen...

Harry Popow: „Dem Morgendämmern vorauseilende Lichtblicke“, 218 Seiten, Preis: 15 Euro – Versandkostenfrei, Oktober 2013, 1. Auflage, Druck und Verlag: dbusiness.de Digital Business and Printing Gmbh, Prenzlauer Allee 174, 10409 Berlin, Buchbestellungen bitte über die Mail-Adresse: info@copyhouse.de, www.copyhouse.de

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Erstveröffentlichung der Rezension in der Neuen Rheinischen Zeitung

http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19604 

Sonntag, 20. Oktober 2013

Goldene Worte im "RotFuchs"


Im RotFuchs (Oktober 2013) gelesen:

Der springende Punkt ist also: Ohne Machteroberung gibt es keine wirkliche Revolution – ohne Führung durch eine von der Wissenschaft des Marxismus-Leninismus ausgehende Partei keine Machteroberung! Da sind die Floskeln gewisser „linker“ Theoretisierer von einer „Transformation im Rahmen des bestehenden Systems“ nichts als Schall und Rauch.“ (S. 1)

Klaus Steiniger

Dienstag, 15. Oktober 2013

"Kriemhilds Lache"

„Kriemhilds Lache“ - von Barbara Kalender & Jörg Schröder
Verleger-Latein
Buchtipp von Harry Popow

Man möge sich wundern über ein solches Projekt, und doch ist es interessant: Die beiden Autoren Barbara Kalender und Jörg Schröder, beide kommen aus dem Verlagswesen, wollen den Leser mitnehmen auf eine Zugreise ohne ein bestimmtes Ziel. Eine Erlebnisreise, die erst nach gedachten neunzig Kilometern endet und alle tausend Meter hält. An Bahnstationen, sprich Episoden, die langweiliger nicht sein können, und an Bahnhöfen die nur so strotzen von Leben. Lässt du dich auf so eine Fahrt ein, dann lässt du den Alltag hinter dir, dann lässt du dich fallen in die stille Erwartung eines Nichts und du spürst, da ist noch mehr zu entdecken als im hektischen Einerlei des manchmal so grauen Alltags.
 
Neunzig Geschichtchen, neunzigmal Staunen über Bagatellen, dass sie überhaupt erwähnenswert seien, dann wieder über Geschichtsfakten, die du so noch nicht gelesen hast. Da spielen sowohl Erinnerungen an Begebenheiten im Verlagswesen eine Rolle als auch Alltäglichkeiten beim Fahren in der Ringbahn oder beim Spaziergang im Park als auch persönliche Blickpunkte bei Reisen ins Ausland.

Einschläfernd und ermüdend können sie sein, solche Bahnfahrten. Nicht aber, wenn du hellwach bleibst bei jedem Halt und Ironie zu entdecken und zu genießen weißt. Da bleibt ein Netzstecker siebzehn Stunden in der Dose, lässt das Bügeleisen glühen und nichts passiert. Und schon konstatieren die Autoren, Tschechow aus den „Drei Schwestern“ zitierend, ob das Leben erst einmal im Unreinen gelebt werden müsse. Auf Seite 37 geißeln die Autoren die „Doofheit der Medienmacher“ und schreiben von Wasserwerken, „die ja in Wirklichkeit Atomminendepots entlang der Zonengrenze waren...“ Banale Beobachtungen – wie etwa Redewendungen wie „Fotzenlecker“ in der Ringbahn – werden zur Frage an das Leben: Sich empören, verwundern oder gleichmütig bleiben. Nicht gleichgültig bleiben die Autoren, wenn sich Schizophrenie ausbreitet dergestalt, dass der Verfassungsrichter Voßkuhle vor der Verharmlosung des DDR-Unrechtsstaates warnt aber gnädig meint: „Dennoch haben die Menschen dort auch schöne Momente erlebt.“ Was Voßkuhle übersieht, die Leute fühlen sich „durch die Abwicklung ihrer Produktionsmittel gedemütigt. (…) Es ging nicht nur um schöne Momente!“, so Jörg Schröder. (S. 47/49)

Oder wenn sich der Wohnort in Berlin-Mitte als Brennpunkt eines früheren literarischen Lebens erweist. Oder wenn in einem „Kinderkampfwagen“ plötzlich ein Ursprung des Faschismus entdeckt wird. Oder wenn über Scharlatane geschrieben wird, die mit Tricks Doktortitel gegen hohe Summen „verabreichen“.

 Doch an welchen Bahnstationen du auch die Augen offen hältst, dir fallen vor allem der Witz und die kritische Ironie der Autoren auf. Da wird beispielsweise von Kumpeln aus dem Ruhrgebiet berichtet, die während einer vielbesuchten Pressekonferenz zu einem Manuskript über den Alltag der Bergarbeiter die Diskussion mit den sie bewegenden Problemen ganz und gar an sich rissen und die Romanfiguren links liegen ließen. Man merkt den Autoren deren Sympathie für die Kumpel an – ohne jegliche Ironie.

 Gespannt wartet man auf den Haltepunkt, als die Titelgeschichte „Kriemhilds Lache“ ins Bild gerät. Das ist pure Sahne. Da gerät der Rassenhass einiger Rechter in den Fokus, so dicht erzählt, so aufregend stilistisch gekonnt, dass man sich diese Art der Polemik noch öfter wünschte: Es geht um die Erinnerung an die erste Lichterkette gegen Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit im Dezember 1992 unter dem Motto „München – eine Stadt sagt NEIN“. Und es geht um Beobachtungen des Autorenpaares am Lech, wo sie wohnten. Da „grölte das Glatzenpack“, da gab es Nazikonzerte im Dorfsaal, die zum Treffpunkt der Rechten wurden. Mit „der augenzwinkernden Zustimmung von Saalbesitzern und Dorfbewohnern“. (S. 224) Ein Bundeswehrsoldat riss den rechten Arm hoch. Die Autorin Barbara: „Sie wissen, dass der Hitlergruß verboten ist! Wenn sie nicht sofort die Nazimusik ausmachen und verschwinden, sind sie fällig!“ Der Kerl „gab Gummi“. „Barbara schickte ihm eine Verwünschung hinterher, begleitet von einem Lachen, das einer Kriemhild würdig gewesen wäre.“ (226)

 Während der gesamten „Zugreise“ triumphiert die gelassene Neugier, bei der man auch kleine Banalitäten in Kauf nehmen muss. Die Autoren stellen sich und ihr Verlagsmilieu dar und sprechen besonders Insider an, die die Szene kennen - im Verlagswesen und bei Querelen zwischen Intellektuellen. Zugegeben, Geschichten sind die wenigsten, eher Randbeobachtungen, Randglossen, allerdings nicht ohne Hintersinn, der sich dem Leser erst erschließen muss. Das Verleger-Paar zeigt eine feinsinnige Beobachtungsgabe, seinen Scharfsinn, anknüpfend an Äußerlichkeiten, sprich Erscheinungen, Antennen in die Geschichte ausfahrend. Mitunter mit Namen und Hintergründen, die dem Leser nicht immer geläufig sind.

 „Kriemhilds Lache“ ist ein beachtenswertes Politikum, auch wenn von den auf der Seite 248 diskutierenden Literaten von der These der Politisierung der Kunst niemand etwas hören will... Sei´s drum. Man wird sich doch wohl nicht selbst auf die Schippe nehmen wollen. Dennoch: Befriedigt wird der Leser nach 90 Stationen dieser bestaunenswerten Literaturreise die Endstation erreicht haben. Mit positiven und weniger erträglichen Eindrücken. So ist das Leben: Das Banale und das Großartige, das Tiefsinnige. Sowohl als auch. Eben Verleger-Latein...

 Die Autoren: Barbara Kalender, geboren 1958 in Stockhausen (Hessen), trat 1981 in den März Verlag ein. Jörg Schröder, geboren 1938 in Berlin, gründete 1969 den März Verlag. Seit 1990 erscheinen die Beiträge von „Schröder erzählt“, inzwischen ist die Serie auf 60 Folgen angewachsen. (PK)

 
Barbara Kalender & Jörg Schröder: „Kriemhilds Lache“, Verbrecher Verlag Berlin 2013, www.verbrecherei.de, 272 Seiten, 1. Auflage, ISBN: 978-3-943167-39-9, 26 Euro, Zeichnungen von F.W. Bernstein

 
Erstveröffentlichung in der Neuen Rheinischen Zeitung

http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=19563

Freitag, 11. Oktober 2013

Geistige Enthauptung

Die Qualität der Bildung, die den niedrigsten gesellschaftlichen Klassen gewährt wird, soll so dürftig und mittelmäßig wie nur möglich sein, damit die Unwissenheit, die die niedrigsten gesellschaftlichen Klassen von den höchsten unterscheidet, auf einem Niveau bleibt, welches die niedrigsten Klassen nicht überwinden können.


  Geheimnisse der Massenbeeinflussung

Übersetzung aus dem Russischen: Marina Weber

Heute wollen wir uns einmal einer solchen wichtigen Erscheinung zuwenden, wie der Massenmanipulation des Bewusstseins durch die Medien. Ich denke, viele werden mir zustimmen, dass heute (wie im übrigen auch zu allen Zeiten) die Meinungsbeeinflussung der Bevölkerung ein vorrangiges Ziel jedes beliebigen Staates ist. Betrachten wir einmal die bekanntesten und wirksamsten Methoden, mit deren Hilfe die Massenmedien mit Leichtigkeit das Bewusstsein der Bevölkerung manipulieren können, und damit gewisse „Neuerungen“ zur täglichen Gewohnheit werden lassen. Es wäre wünschenswert, dass jeder darüber Bescheid weiß…
Fangen wir also an:
Voraussetzung für eine erfolgreiche Manipulation besteht darin, dass die Mehrheit der Bürger in überwiegendem Maße weder ihren Geist, ihren Verstand, noch ihre Zeit dafür aufwenden, um die Mitteilungen der Massenmedien anzuzweifeln. Jede Manipulation des Bewusstseins beruht auf Wechselwirkung. Der Mensch kann nur dann Opfer einer Manipulation werden, wenn er selbst als Co-Autor, als Mitwirkender in Erscheinung tritt. Manipulation ist keine Gewaltanwendung, sondern eine Verführung.
Zehn Methoden der Manipulation des Bewusstseins durch die Massenmedien
Der amerikanische Sprachwissenschaftler, politische Publizist und Theoretiker, der Psychologe und Professor für Sprachwissenschaft am Technologischen Institut Massachusetts, Noam Chomsky, formulierte 10 Methoden der Manipulation des Bewusstseins durch die Massenmedien. Hier sind sie:
1. Die Aufmerksamkeit ablenken
Ein Hauptelement der Massenbeeinflussung ist die Ablenkung der Aufmerksamkeit der Menschen von wichtigen Problemen und von den Festlegungen, die durch die politisch und ökonomisch herrschenden Kreise getroffen wurden, indem der Informationsraum ständig mit wenig bedeutsamen Mitteilungen übersättigt wird. Die Methode der Ablenkung der Aufmerksamkeit ist um so bedeutsamer, als man es dem Bürger damit nicht ermöglicht, an wichtige Erkenntnisse auf dem Gebiet der Wissenschaft, der Wirtschaft, der Psychologie, der Neurobiologie oder Kybernetik zu gelangen. „Die Aufmerksamkeit der Bürger wird ständig von den gegenwärtigen sozialen Problemen abgelenkt und auf Themen umgeschaltet, die keine reale Bedeutung haben. Man ist bestrebt, dass die Bürger stets beschäftigt sind und ihnen keine Zeit zum Nachdenken mehr übrigbleibt: „vom Feld in den Stall“, wie alle übrigen Tiere auch. (Zitat aus dem Buch „Die geheimen Waffen für ruhige Kriege“)
2. Probleme schaffen und dann dafür Lösungsvorschläge anbieten
Die vorliegende Methode heißt auch: „Problem – Reaktion – Lösung“. Man schafft ein Problem, eine bestimmte „Situation“, die darauf berechnet ist, eine bestimmte Reaktion unter der Bevölkerung hervorzurufen, damit sie selbst nach Maßnahmen verlangt, die für die führenden Kreise ohnehin erforderlich sind. Zum Beispiel: Man lässt in den Städten eine Gewaltspirale oder blutige Terrorakte zu, damit die Bürger selbst Gesetze fordern zur Verstärkung der Sicherheitsmaßnahmen und für eine Politik, die die bürgerlichen Freiheiten weiter einschränkt. Oder: man provoziert eine Wirtschaftskrise, um sie zu zwingen, den Verstoß gegen soziale Rechte und zur weiteren Einschränkung städtischer Dienstleistungen als ein notwendiges Übel zu akzeptieren.
3. Die schrittweise Einführung von Maßnahmen
Um irgendwelche unpopuläre Maßnahmen durchzusetzen, reicht es aus, sie allmählich, von Tag zu Tag, von Jahr zu Jahr mehr einzuführen. Auf diese Weise wurden gerade erst in 80er und 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts grundsätzlich neue sozial-ökonomischen Bedingungen (der Neoliberalismus) durchgesetzt: die Hinführung zu Minimalfunktionen des Staates, zu Privatisierung, zu Unsicherheit und Instabilität, zu Massenarbeitslosigkeit, zu einem Lohn, der nicht einmal ein würdiges Leben gewährleistet. Wenn alles gleichzeitig geschehen wäre, so hätte das sicher zu einer Revolution geführt.
4. Das Aufschieben der Umsetzung
Eine andere Methode, um unpopuläre Maßnahmen durchzusetzen, besteht darin, sie als „nützlich und notwendig“ vorzustellen, um damit das Einverständnis der Bürger anzustreben, sie zu gegebener Zeit in der Zukunft verwirklichen zu können. Es ist viel einfacher, irgendwelchen Opfern in der Zukunft zuzustimmen, als in der Gegenwart. Erstens, weil es nicht sofort geschehen wird. Und zweitens, weil das Volk in der Masse immer geneigt ist, naive Hoffnungen zu hegen, dass „sich morgen alles zum Besseren ändern wird“, und dass gelingen wird, jene Opfer zu vermeiden, die man von ihm verlangt. Das gewährt den Bürgern mehr Zeit, sich an den Gedanken der Veränderungen zu gewöhnen und sie sanftmütig zu akzeptieren, wenn die Zeit herangekommen ist.
5. Das Volk so behandeln, wie man kleine Kinder behandelt
Meist werden bei propagandistischen Aktionen, die auf ein breites Publikum berechnet sind, solche Argumente, Personnagen, Begriffe und Betonungen verwendet, wie man sie benutzt, wenn es sich um entwicklungsgehemmte Kinder im Schulalter handelt oder um geistig minderbemittelte Individuen. Je sich jemand bemüht, seine Zuhörer zu täuschen, in desto höherem Grad ist er bemüht, infantile Redewendungen zu verwenden. Warum? „Wenn sich jemand an einen Menschen wendet, so als ob dieser 12 Jahre oder jünger sei, so wird infolge der Suggestibilität, als Antwort oder Reaktion bei diesem Menschen, mit einem bestimmten Grad von Wahrscheinlichkeit, auch eine kritische Einschätzung darüber fehlen, wie das auch für Kinder im Alter von 12 Jahren oder weniger charakteristisch ist.“
6. Auf Emotionen größeren Nachdruck legen als auf Überlegungen
Die Einwirkung auf die Emotionen ist die klassische Methode, um die Fähigkeit der Menschen zur rationalen Analyse, und um im Endeffekt überhaupt die Fähigkeit eines kritischen Verständnisses auszuschalten. Andererseits ermöglicht es die Verwendung des emotionalen Faktors auch, im Unterbewusstsein eine Tür zu öffnen, durch die man Gedanken, Wünsche, Ängste, Befürchtungen, Zwänge oder feste Verhaltensmuster dorthin einschleusen kann…
7. Die Menschen in Unwissenheit halten und Mittelmäßigkeit pflegen
Es wird angestrebt, dass die Menschen unfähig werden, die Verfahrensweisen und Methoden zu verstehen, die angewendet werden, um sie besser beherrschbar zu machen und bereit, sich dem Willen unterzuordnen. Die Qualität der Bildung, die den niedrigsten gesellschaftlichen Klassen gewährt wird, soll so dürftig und mittelmäßig wie nur möglich sein, damit die Unwissenheit, die die niedrigsten gesellschaftlichen Klassen von den höchsten unterscheidet, auf einem Niveau bleibt, welches die niedrigsten Klassen nicht überwinden können.
8. Die Bürger anregen, sich für Mittelmäßigkeit zu begeistern
In der Bevölkerung soll sich der Gedanke verbreiten, dass es modern ist, stumpfsinnig, abgeschmackt und unerzogen zu sein…
9. Das Gefühl der eigenen Schuld verstärken
Man zwingt den Menschen, fest daran zu glauben, dass er am eigenen Unglück selber schuld sei, das nur geschieht aufgrund der Unzulänglichkeiten seiner geistigen Möglichkeiten, seiner Fähigkeiten oder seiner unternommenen Bemühungen. Im Ergebnis dessen beginnt der Mensch, anstatt gegen das Wirtschaftssystem aufzustehen, sich mit Selbsterniedrigung zu beschäftigen und sich für alles selbst zu beschuldigen. Das ruft einen Zustand der Niedergeschlagenheit hervor und führt zur Untätigkeit. Doch ohne eigenes Handeln kann auch von einer Revolution nicht die Rede sein!
10. Über die Menschen mehr wissen als sie von sich selber
Die Erfolge in der Entwicklung des Wissenschaft führten in den letzten 50 Jahre zu einer Bildung, die sich erheblich vom Wissen der einfachen Menschen unterscheidet, und zu Kenntnissen, die nur die herrschende Klasse selbst besitzt und auch benutzt. Dank der Biologie, der Neurobiologie und der angewandten Psychologie, erhielt das „System“ die Verfügungsgewalt über führende Erkenntnisse vom Menschen, sowohl auf dem physiologischem wie auf psychologischem Gebiet. Dem System gelang es, über den gewöhnlichen Menschen mehr zu erkennen, als er von sich selber weiß. Das bedeutet, dass das System über eine größere Macht verfügt und in größerem Maße auf ihn einwirken kann als er auf sich selbst.

Dienstag, 1. Oktober 2013

Mumias Botschaften aus der Hölle

„Long Distance Revolutionary“ - Dok-Film aus den USA über Mumia Abu-Jamal
Mumias Botschaften aus der Hölle
Filmtipp von Harry Popow

Da „lebt“ ein Mann in einem sechs Quadratmeter engen Raum. Dreiundzwanzig Stunden pro Tag. Halbdunkel. Er sitzt und schreibt. Mit der Hand. Ohne PC, ohne Internet. Tausende angriffslustige Kommentare. Weltweit - trotz starker Hindernisse - gesendet und veröffentlicht. Woche für Woche. Und er liest viel. Wenn Besuch zugelassen ist, trägt er Handschellen. Und täglich das Warten. Auf die Giftspritze. Monat für Monat. Jahr für Jahr. So eingepfercht muss er ausharren, der 1982 zum Tode Verurteilte. Und schreibt das Unbewiesene seiner angeblichen Schuld an der Ermordung eines Polizisten mit Artikeln und Büchern in die Welt hinaus. Es geht ihm nicht um sich selbst, um sein Ego. Er klagt die Vereinigten Staaten des schlimmsten Rassismus an. Und er lebt und übersteht die Qualen der Hölle und wird zum Idol aller Freiheitsliebenden, aller US-Afro-Amerikaner, zur Kultfigur. Und ist nicht zum Schweigen zu bringen, nicht totzukriegen. Bis 2011, als dieses Urteil aufgehoben und in ein lebenslanges Eingesperrtsein umgewandelt wird. Weil er Freunde hat, Mitstreiter, Sympathisierende.




Mumia Abu-Jamal

Quelle: http://www.mumia-themovie.com/



Sein Name: Mumia Abu-Jamal. Ein US-amerikanischer schwarzer Menschenrechtler. Seit über dreißig Jahren geht sein Name um die Welt. Eine Symbolfigur, die im Namen von fast 3000 Todeskandidaten von Afro-Amerikanern in den USA und Millionen aufrechter Menschen Mut macht, nicht klein beizugeben. Ein Name, der den Millionärs-Eliten der USA das Gruseln lehrt. Bereits 1996 wurde unter der Produktionsleitung von Peter Kleinert - heute Herausgeber und Redakteur der www.nrhz.de („Neue Rheinische Zeitung“) - der erste Film über ihn und mit ihm in der Todeszelle gedreht. "Hinter diesen Mauern - Mumia Abu-Jamal und der lange Kampf um Freiheit" befasste sich auch mit den verbrecherischen Fehlurteilen der amerikanischen Justiz. Und in diesen Tagen des Oktober 2013 kommt erneut ein Dokumentarfilm über ihn in die deutschen Kinos: „Long Distance Revolutionary“. Länge: 120 Minuten. Produziert in Amerika.

 
Ein Film, der Unruhe schafft

 
Das vorneweg: Es ist ein Film, der Unruhe schafft, der einen nicht dazu bringt, sich ruhig im Fernsehsessel zurückzulehnen. Ein Film der Schnelligkeit, der Kontraste, der ans Herz rührenden Emotionen. Dabei erinnere ich mich an das Buch von Joe Bageant, das ich kürzlich rezensierte, „Auf Rehwildjagd mit Jesus. Meldungen aus dem amerikanischen Klassenkampf“. Der Autor stellte darin u.a. fest, das Denken vieler Amerikaner drehe sich um das eigene Wohl, gegen Krieg haben sie weitgehend nichts und die Arbeiterklasse will vom Klassenkampf nichts hören. Ohne Bildung, meint Joe Bageant, könne sich nichts ändern: „Was meine Leute wirklich brauchen, ist jemand, der einmal ordentlich auf den Tisch schlägt und laut und verständlich sagt: ´Hört mal zu, Ihr verdammten Büffelhörner! Wir sind blöder als ein beschissener Hackklotz und hätten dafür sorgen sollen, dass man uns was beibringt, damit wir wenigstens ein bisschen kapieren, was in dieser beschissenen Welt abläuft.´“

 
Einer haut ebenfalls kräftig auf den Tisch: Mumia Abu-Jamal. Es gibt also auch das andere Amerika... „Die Blitze sollen unsere Botschaft tragen“. Ein Spruch von Mark Twain zu Beginn des Films. Ein Schwarzer liest lautstark aus dem Buch: „Days & Nightmares“ (Alptraum). Autor: Mumia Abul-Jamal: „Eingehüllt ins süße, trügerische Entkommen des Traums höre ich die unverkennbaren Geräusche: Knüppel klatschen auf Fleisch, Stiefel treten zu, Schreie, Flüche... und alles vermischt in der Filmmaschine des Gehirns, erinnert an die größten Hits der Polizei – Hits gegen mich. Eine neue Dämmerung, neue Prügelorgie, ein neuer Gefangener in Handschellen, in den Betonboden geklatscht von einer Wärter-Schwadron.“

 
Ein mitreißend lebendiges Bild des heute 59jährigen

 
Und dann geht es mit den Sequenzen im Sekundentakt: Fotos und Interviews mit dem gefangenen Idol, Kommentare von KollegInnen, Freunden und Freundinnen, ehemaligen WeggenossInnen aus der Black Panther Party, seiner Schwester Lydia und seiner 89-jährigen Literaturagentin. Und: Tariq Ali, Noam Chomsky, Alice Walker, Angela Davis und viele andere sprechen über den Menschen, den Autor und den Visionär. Er und seine Stimme dominieren den zweistündigen aufregenden und die menschliche Seele herausfordernden Film. Sie sind Überbringer der Botschaften des unrechtmäßig Inhaftierten. Darüber hinaus als Illustrationen: Dokumente, Plakate, Zeitungsausschnitte, Tonbandgeräte, Grafiken. Im starken Kontrast dazu: Prügelnde Polizei, Folterungen, Gehängte, Feuer, Explosionen, Gefängnistrakte, Schüsse, Hetzreden von Rassisten der schlimmsten Art. So entsteht ein mitreißend lebendiges Bild des heute 59jährigen, aufgehoben in der Wärme Gleichgesinnter, im Schoß der gegen Ungerechtigkeit und für Gleichberechtigung Kämpfenden. So bilden Inhalt und Form, Aufnahmen und Untertitel, von denen noch zu sprechen ist, eine wunderbare Ehe, die den Visionen und dem Anliegen dieser amerikanischen Kultfigur gerecht werden.

 
Welch eine geistige Helligkeit strahlt dir entgegen, wenn du - Dank der Nahaufnahmen - aufmerksam den Worten und der Mimik und Gestik unseres Helden folgst. Seine Augen, die dich offen ansehen, auch mal mit einem Seitenblick, Nachdenklichkeit ausdrückend. Seine Hände, die das Kinn oft stützen, seine Kraft in der Zelle, wo er gezwungen ist, bei spärlicher Beleuchtung zu lesen und zu schreiben. Dann erst seine Stimme, von der im Film des Öfteren die Rede ist. Tief und dunkel, angenehm und sympathisch. Da möchtest du ihm gegenüber sitzen und seinen Worten lauschen.

 
Kampf um die Gleichberechtigung der Afro-Amerikaner

 
Du erfährst von seiner Kindheit, von seiner Liebe zur Aufrichtigkeit, die gleichermaßen auch sein Motiv bildet für den Kampf um die Gleichberechtigung der Afro-Amerikaner im gottgelobten Land USA. Eine Stimme im O-Ton: „Er war glaub ich nicht unbedingt daran interessiert, eine Religion zu finden oder einen Glauben – er wollte herausfinden, was Liebe ist.“ Eine weitere Meinung: „Ich glaube, Mumia würde Che zustimmen, der sagte: ´Auf die Gefahr hin, lächerlich zu wirken – ein Revolutionär wird von Liebe geleitet und von Liebe für die Menschen.´“

 
Beeindruckend die Wirkung dieses Mannes auf seine Landsleute. Nicht nur wegen der Stimme, die er als Rundfunkjournalist eine Zeit lang in den Äther schmettern konnte. Sondern vor allem wegen des Inhalts, wegen des Protestes gegen die Allmacht des Kapitals, die im Rassismus das Ventil für den Kampf gegen die Afro-Amerikaner gefunden hat. Dieser Hass, der aus den Mündern solcher Leute wie Nixen u.a. so liest, wie H.R. Haleman, der frühere Stabschef von Präsident Richard Nixon, dessen Strategie zitierte: „Die Schwarzen sind das eigentliche Problem. Wir brauchen ein System, dem das klar ist und das dabei so tut, als wäre es nicht so.“

 
"Sie sind die einzigen, die eine Atombombe auf andere geworfen haben."

 
Was die Filmaufnahmen nicht zeigen können, das vermitteln die Untertitel (ins Deutsche übersetzt von Annette Schiffmann): So sagt Mumia, die USA anprangernd: „Sie sind die einzigen, die eine Atombombe auf andere geworfen haben, die ganze Populationen anderer Menschen kolonisiert und versklavt haben... und die gigantische Völkermorde begangen haben – an amerikanischen Natives, an Juden (...) Keine einzige Nation auf der Welt hat derart schockierende und blutige Praktiken verschuldet wie die Menschen der Vereinigten Staaten von heute.“ Und an anderer Stelle: „Das Schlimmste ist, dass die Leute sich an die Grausamkeit gewöhnen. Ich weiß noch, in Vietnam, in den späten 60er Jahren, als ich das erste Mal sah, was die amerikanischen Bomben anrichteten. Einen ganzen Tag lang war ich fertig – die toten Kinder, die da auf der Straße lagen...“

 
Der Kommentar eines US-Bürgers lautet so: „Er versteht, dass wir diesen Kampf fortsetzen müssen, weil alles bis heute so weitergeht... und es geht nicht um ihn, es geht um alle, es geht ums Kollektiv. Er zieht die Medien zur Verantwortung, die Welt und uns selbst – damit wir die Wahrheit sehen hinter dem, was vor sich geht. Er hat eine Vision von der Chance zur Freiheit.“

 
Mumia: „Wenn du raus auf die Straße gehst und die Mittel einer imperialen Macht benutzt, dann kannst du nicht gewinnen. Du kannst nicht mit Geld gewinnen. Auch nicht mit Knarren. Um die Zapatisten zu zitieren: Unsere Worte sind unsere Waffen.“

 
Kurz nach Vollendung dieses Films wurde Mumias Todesurteil aufgehoben. Er bleibt im Gefängnis – ohne Möglichkeit auf Bewährung. Aber seine Botschaften erreichen immer mehr Menschen... (PK)

 

"MUMIA - Long Distance Revolutionary"

Ein Film von Stephen Vittoria, USA – mit deutschen Untertiteln (Übersetzung Annette Schiffner)

Deutsche Kino-Premiere: 5. Oktober 2013, 20:00 Uhr, BERLIN, Babylon-Mitte mit Q&A-Video-Liveschaltung zum Regisseur in Los Angeles nach der Vorführung

Weitere Screenings dort: 6., 7. und 8. Oktober – www.babylonberlin.de

 
Anlässlich des weltweiten Tages gegen die Todesstrafe am 10. Oktober zeigt Monoduofilms den neuen Film über Mumia Abu-Jamal in 11 deutschen Städten – weitere folgen im November und Dezember – unerwartete Erfolgsgeschichte (39 Städte) in den USA – beeindruckte Kritiken bis in die New York Times

 
Zum ersten Film "Hinter diesen Mauern - Mumia Abu-Jamal und der lange Kampf um Freiheit aus dem Jahr1996 finden Sie weitere Informationen unter http://www.kaos-archiv.de/ in der Rubrik Dokumentarfilme

 Erstveröffentlichung in der Neuen Rheinischen Zeitung

Mehr über den Rezensenten: http://cleo-schreiber.blogspot.com