Nach antirussischen Sanktionen nun Subventionen – zweiter Akt des US-Handelskriegs gegen Europa
VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 26. NOVEMBER 2022 ⋅ EIN KOMMENTAR
von Igor Malzew – https://meinungsfreiheit.rtde.life
Der jüngste Vorstoß der USA, „grüne“ Industrie zu subventionieren und so
Europa die Produktion abzulocken, ist nur der letzte Schritt in der
US-Langzeitpolitik der Deindustrialisierung Europas zum Ausbau ihrer
eigenen Wirtschaftsmacht – davor kam der Sanktionszwang gegen Russland.
Das Thema „US-europäischer Handelskrieg wegen Ausschluss europäischer
Hersteller aus dem US-Klimaschutzprogramm“ wird heiß diskutiert, scheint
mir. Und es hört sich nach Wahrheit an – aber in Wirklichkeit ist dem
ganz und gar nicht so. Die US-Regierung ist weitaus gerissener, als man
gemeinhin annimmt, und erst recht geht es hier überhaupt nicht um Joe
Biden. Was wirklich los ist? Ein Handelskrieg auf Leben und Tod.
„Inflation Reduction Act“: Revitalisierung der US-Industrie auf Kosten deutscher Unternehmen
Während die Europäer im Allgemeinen und die Deutschen im Besonderen
versuchen, gegen die Inflation, die Folgen des immer noch nicht
abgeschlossenen grünen Wandels, den Mangel an Erdgas als Rohstoff für
die Industrie und zur Stromerzeugung anzukämpfen und sich Investitionen
zu erkämpfen, fallen ihnen die USA in den Rücken. Unter Bidens
Unterschrift wurde ein milliardenschweres Klimagesetz namens Inflation
Reduction Act verabschiedet. Sein Kern ist folgender: Damit die USA
weniger Treibhausgase ausstoßen, sollen nicht nur dringend riesige
Subventionen an grüne Unternehmen in der Energie-, Transport- und
Wasserstoffindustrie vergeben werden. Sondern vor allem schreibt das
Gesetz auch vor, dass ihre Produkte in Nordamerika hergestellt werden
müssen.
Doch was, fragt man sich auf den ersten Blick, hat denn Europa damit zu
tun? Sie kämpfen drüben, in Detroit und San Francisco und sonst wo, für
alles Gute und gegen CO₂? – Ja, dann sollen sie doch kämpfen, meine
Güte!
Aber hier gibt es zwei Schlüsselwörter: „Multimillionen-Subventionen“.
Das bedeutet, dass der US-amerikanische Staat allen Unternehmen, die
sich bei ihm dafür anmelden, beispiellose staatliche Präferenzen und
Unterstützung gewährt. Nochmals deutlicher: also alles, was die
US-Amerikaner bei Gerichtsprozessen gegen ausländische Importeure als
„unlauteren Wettbewerb“ bezeichnen. So entspringen der noch immer
andauernde Skandal um Boeing und Airbus und die dazugehörigen
Klageprozesse der Idee, dass Airbus in einem Teilbereich der Produktion
staatliche Unterstützung von Frankreich oder der EU erhalte und Airbus
daher einen unfairen Vorteil im Preiswettbewerb mit Boeing genieße – mit
Boeing, das im Gegensatz dazu natürlich und zweifelsfrei das Produkt
härtester Arbeit im Geiste ehrlichsten Unternehmertums Marke
Frontier-Ära sei.
Erzeugerpreise: Deutschland droht Deindustrialisierung
Aber was die EU nicht darf, das dürfen natürlich die USA. Denn zwingt
Washington die ganze Welt nicht dafür dazu, seine Richtlinien zu
befolgen, um sich ihnen auch selbst zu unterwerfen. Den Spiegel zum
Beispiel erinnert das „verdächtig an die ‚America First‘-Strategie“.
Und nun Schritt Nummer zwei: Indem sie Sanktionen gegen die Russen
verhängen und fördern und die EU zwingen, diese Sanktionen zu
akzeptieren und umzusetzen, verdienen sich die USA nicht nur die
sprichwörtliche goldene Nase an Flüssigerdgas, das im Vergleich zum
Pipeline-Gas viel teurer ist. Sondern sie machen auch jede künftige
Entwicklung der europäischen Industrie unrentabel – und damit
unwahrscheinlich. Und natürlich machen sie die europäische Konkurrenz
damit schon jetzt wettbewerbsunfähig. Dies gilt umso mehr für den
US-Markt.
Und selbst wenn es in den USA Steuerabzüge von um die 7.000 US-Dollar
beim Kauf von Elon Musks Elektroautos gibt – das ist doch nur Kampf für
die grüne Agenda, oder? Vollkommen richtig. Nur gibt es keinerlei Abzüge
oder Subventionen beim Kauf importierter Elektroautos zum Beispiel aus
Deutschland. Das ist nur ein Detail – aber eines von vielen, die Bände
sprechen.
Dann schließlich der dritte Schritt, der im Inflation Reduction Act
beschrieben ist: Die Produktion muss in Nordamerika (den USA und Kanada)
erfolgen. Infolgedessen machen sich in Berlin nicht nur Investoren in
die deutsche Industrie und Wirtschaft rar, sondern ganze Unternehmen
wandern ab – vor allem solche, die stabile und günstige
Energielieferungen benötigen. Denn diese konnten weder die
Windkraftaktivisten gewährleisten noch den Politikern, die Washingtons
Befehl, „Putins Gasleute“ zu erwürgen, sofort mit Ja und Amen zustimmen.
Und nun sagt Washington zur BASF oder, sagen wir, zu Northvolt, dem
Hersteller von Elektroauto-Batterien: „Welcome to America the Great“ und
öffnet seine Arme. Und im selben Atemzug zu Europa: „Was dein war, wird
mein.“ Also nordamerikanisch. Wow, how many Arrrrbeitsplätze –
dänkieshawn! Mehren der Steuereinnahmen, Stärken der industriellen Macht
der USA und so weiter – alles auf Kosten Europas. Klappt doch alles wie
am Schnürchen.
Und damit das klar ist: Damit ist der Kurs auf den Ruin Europas bereits
konkret eingeleitet worden – wovor einzelne Scheuklappenfreie unter den
Bürgern schon seit Langem warnten. Also mindestens seit den letzten
sechs Monaten.
Deutschland zahlt für Pax Americana: Chemiekonzerne und Volkswagen wandern in die USA aus
Wer seine Produktion und Technologie in die USA verlagert (natürlich
ohne zugehöriges Personal – Arbeitskräfte haben wir hier auch selbst
genug, bleibt ihr mal schön in München, Rüsselsheim und so weiter), der
bekommt sofort staatliche Subventionen, der spielt eine führende Rolle
im Kampf für das Klima, ist überhaupt der strahlende Held und se gud
Gei.
Und wer seine faschistisch vorbelasteten deutschen Wertprodukte wie „Das
Auto“ auf altmodische Art und Weise aus Deutschland exportieren will –
und seien sie noch so grün und klimaneutral, der hat, ehrlich gesagt …
Ääähhh, ja, die falschen Batterien in falschem Formfaktor, Größe und
Kapazität. Genau. Die falschen Batterien. So. Und dann hat er natürlich
auch keinen Anspruch auf die grüne Subvention. Hunderte von Inspektoren
werden ausschwärmen, und sie werden Spuren von staatlicher finanzieller
Subvention aus Bayern in der linken Scheinwerferreihe finden, was
unlauteren Wettbewerb bedeutet. Und das muss natürlich finanziell
geahndet werden. Mit saftigen Strafzöllen.
So setzen denn auch viele deutsche Unternehmen nach Angaben des
Industrie- und Handelskammertages den Plan „Mehr in den USA investieren“
bereits emsig um.
Selbst Bundeskanzler Olaf Scholz hat bereits erkannt, dass in Europa und
insbesondere in Deutschland gerade Kapital expropriiert wird. Der
Wirtschaftskrieg zwischen der EU und den USA hat bereits begonnen. Die
Frage ist nur, wer als Erster aussprechen wird, dass es sich um einen
Krieg und nicht um einen Streit zwischen Wirtschaftssubjekten handelt.
Selbst Scholz hat das verstanden und auf seiner jüngsten Asienreise eine
Rede über „freieren Handel“ gehalten. Aber was nützt das? Der Prozess
ist schon angelaufen. Beschweren Sie sich gefälligst bei Ihrem Karl
Marx.
Übersetzt aus dem Russischen.
Igor Malzew ist ein russischer Journalist und Schriftsteller, war und
ist teils noch immer Kolumnist, politischer Kommentator und Beobachter
für zahlreiche russische Blätter, stellvertretender Chefredakteur der
Iswestija, erster Chefredakteur der Medwed, Chefredakteur und Gründer
des Automobilressorts beim Kommersant. Er ist regelmäßiger Kolumnist
beim russischen Zweig von RT.
https://meinungsfreiheit.rtde.life/meinung/155450-nach-antirussischen-sanktionen-nun-subventionen/
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