Entnommen: https://linkezeitung.de/2022/11/11/europas-erzwungene-deindustrialisierung/
Europas erzwungene Deindustrialisierung
VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 11. NOVEMBER 2022
von Rainer Rupp – https://meinungsfreiheit.rtde.life
Die wahnsinnigen Selbstmord-Sanktionen gegen Öl und Gas sowie andere für
unsere Wirtschaft existenziell wichtige Rohstoffe und industrielle
Halbwaren aus Russland führen zu einer unvorstellbaren
Deindustrialisierung Europas. Schritt für Schritt scheinen sich
unaufhaltsam die schlimmsten Befürchtungen zu bewahrheiten. Diese
Katastrophe wäre für die Völker Europas, vor allem für Deutschland,
jedoch leicht vermeidbar gewesen. Doch die elitäre Blase unserer
Regierungspolitiker, deren Karrieren und Wohlstand von ihrer
Unterwürfigkeit gegenüber den Wünschen und Interessen Washingtons
abhängen, hat es vorgezogen, skrupellos die Zukunft der Menschen des
eigenen Landes zugunsten strategischer US-Interessen zu verkaufen.
Zu wenige Terminals, fehlende Infrastruktur: LNG-Schiffe stauen sich vor europäischen Küsten
Die US-Vasallen, die abgehoben von den Bedürfnissen der einfachen
Menschen hierzulande Politik, Medien und Wissenschaft dominieren, haben
uns diese Energiekrise aufgezwungen. Sie wird auch dann nicht zu Ende
sein, wenn die Preissteigerungen abgeklungen sind. Denn eines steht
fest: Deutschland wird noch viele Jahre viel Gas importieren müssen.
Importe von Flüssiggas (LNG) über lange Strecken über das Meer werden
immer viel teurer sein als Pipelinegas aus Russland. Zudem hat
russisches Gas einen doppelt so hohen Brennwert wie US-amerikanisches
LNG. Auch haben die Russen es vorgezogen, langfristig feste
Lieferverträge abzuschließen, während das importierte LNG sehr flexibel
auf kurzfristige Lieferengpässe mit starken Preiserhöhungen reagiert.
Die Situation bei Pipeline-Öl aus Russland ist nicht anders.
Das Fazit heißt also, selbst wenn sich die
Energieversorgungssituation
in Europa und Deutschland in ein bis zwei Jahren stabilisiert hat, wird
das reale Preisniveau der wichtigsten Energieträger viel höher liegen
als der zu Zeiten der Versorgung mit russischem Pipeline-Gas und -Öl.
Das aber heißt wiederum, dass große Teile der deutschen Industrie einen
wichtigen Teil ihrer bisherigen Wettbewerbsfähigkeit auf den globalen
Märkten verlieren, was besonders die energieintensiven Branchen trifft.
Unternehmen in diesen Branchen werden entweder schließen oder in Länder
auswandern, in denen:
a) die Energie billiger ist,
b) keine politische CO₂-Hysterie Investitionen in die Produktion und die
Nutzung von fossilen Energieträgern verhindert wie in den USA und
c) das gesamtwirtschaftliche Umfeld expandiert, weshalb der deutsche
Großkonzern BASF seine energieintensive Produktion nicht in die USA oder
Kanada verlegen will, sondern nach China.
Wer in Europa jedoch darauf zählt, in Zukunft ausreichend Öl und
Fracking-Gas aus den USA zu bekommen, der hat seine energiepolitische
Zukunft auf Sand gebaut. Denn hinter dem von Washington zur Schau
gestellten, angeblichen Überfluss an heimischer Produktion sowie
Reserven an Öl und Fracking-Gas verbergen sich viele Fallstricke.
Unabhängig davon, ob nun durch eine Rezession in den USA, in Europa oder
gar in China die Nachfrage nach Öl und Gas zurückgeht oder nicht, steht
fest, dass langfristig auf jeden Fall wieder mehr Öl, Gas und Kohle
gebraucht werden, vor allem um den Entwicklungsländern ein bezahlbares
wirtschaftliches Wachstum zu ermöglichen.
Die OPEC hat ihre Prognose für die langfristige Ölnachfrage angehoben
und erneut ihre Forderungen nach neuen Investitionen in fossile
Brennstoffe wiederholt. Dies steht im krassen Gegensatz zur
US-dominierten Internationalen Energieagentur, die nur wenige Tage zuvor
erklärt hatte, dass im Zuge des Ausbaus der Wind- und Solarenergie die
globale Nachfrage nach Öl und Gas in wenigen Jahren ihren Höhepunkt
erreichen wird.
OPEC-Generalsekretär Haitham al-Ghais sagte auf der ADIPEC-Konferenz in
den Vereinigten Arabischen Emiraten, dass „insgesamt Investitionen in
Höhe von 12,1 Billionen allein in den Öl-Sektor bis zum Jahr 2045“ nötig
seien, um die bis dahin gestiegene Nachfrage zu erschwinglichen Preisen
zu decken. Weiter berichtete Reuters, dass die „chronische
Unterinvestition in die globale Ölindustrie in den letzten Jahren
aufgrund von konjunkturellen Abschwüngen in der Branche, wegen der
COVID-19-Pandemie sowie der Politik, die auf die Beendigung der
Finanzierung von Projekten für fossile Brennstoffe abzielt, jedoch
Anlass zur Sorge gibt“. Und jetzt hat US-Präsident Joe Biden zwei Tage
vor den Zwischenwahlen vor einer jubelnden Menge von Klima-Rettern
eindringlich und wiederholt unterstrichen: „There is no more drilling!“
Es „wird keine weiteren [Öl- und Gas-]Bohrungen geben“.
Dies bedeute, dass die zukünftige globale und auch die US-Versorgung mit
Öl in Mengen, die der Nachfrage entsprechen, überhaupt nicht garantiert
ist.
Aber auch der Ausbau von Wind- und Sonnenenergie droht an „einer
schwerwiegenden Kupferknappheit“ zu scheitern, vor der zwei führende
Bergbaumanager jüngst gewarnt hatten. Und nicht zuletzt denkt Indonesien
öffentlich über eine OPEC-ähnliche Organisation für
Batterie-Metallbergbau nach, was die Lieferkette für die Energiewende
noch schwieriger machen würde.
Internationale Energieagentur: EU-Gaskrise könnte sich nächstes Jahr verschärfen
China hat zwar bei Weitem keine ausreichenden heimischen
Energieressourcen, aber in Russland hat es einen starken Partner, mit
dem die Energieversorgungsnetzwerke weiter ausgebaut werden. So wird
China schon in baldiger Zukunft über eine zweite Pipeline, nämlich über
die riesige Pipeline Power of Siberia 2, mit russischem Gas beliefert.
Die Pipeline hat übrigens ihren Ausgangspunkt unweit von dem von Nord
Stream 2, sodass das für Europa bestimmte Gas ohne große Probleme nach
China umgeleitet werden kann. Und russisch-chinesische Pipelines werden
folgen.
Was die EU und speziell Deutschland betrifft, so wären die Russen echt
blöde, wenn sie sich dazu hergeben würden, auch nur noch einen weiteren
Rubel in die Versorgung der Europäer zu investieren, die sich nicht nur
wirtschaftlich und politisch als unzuverlässige Kunden, sondern auch als
russlandfeindliche Kriegstreiber erwiesen haben.
Die auf Öl- und Energienachrichten spezialisierte Website Oilprice.com
hat am 6. November eine alarmierende Analyse über die Zukunft der
energieintensiven Branchen in Europa veröffentlicht unter dem Titel:
Wird Europa eine erzwungene Deindustrialisierung als Folge der
Energiekrise erleben? Dafür gibt die Analyse drei Hauptgründe an:
Besonders betroffen in der EU sind Industrien wie Ferrolegierungen,
Düngemittelfabriken und Spezialchemikalien. Einige schließen bereits
infolge der anhaltenden Energiekrise.
Bestimmte Branchen werden sich möglicherweise nicht wieder erholen bzw. zurückkommen, wenn die Energiekrise nachlässt.
Ein zunehmend straffes regulatorisches energiepolitisches Umfeld ist ein weiterer Grund für die Deindustrialisierung in Europa.
Weiter heißt es bei Oilprice.com:
„Die Europäische Union feiert in diesem Jahr in aller Stille einen
stetigen Rückgang des Gas- und Stromverbrauchs inmitten
rekordverdächtiger Preissteigerungen, einer Unterbrechung eines
Großteils der russischen Gasversorgung und einer Liquiditätskrise auf
dem Energiemarkt. Doch der Grund zum Jubeln ist mehr als zweifelhaft:
Die Unternehmen haben ihren Energieverbrauch nicht nur gedrosselt und
machen weiter wie bisher. Vielmehr schließen sie Fabriken, verkleinern
die Produktion oder verlagern sie ganz aus Europa. Europa könnte
durchaus auf dem Weg zur Deindustrialisierung sein.“
Dass die Europäische Union auf eine Rezession zusteuert, dürfte
inzwischen jedem klar sein, der die Indikatoren beobachtet. Der
PMI-Indikator für Oktober ist ein weiterer Beweis dafür, dass die
Eurozone in eine ziemlich tiefe Rezession abgleitet, während der
Inflationsdruck intensiv bleibt, berichtet Reuters. Der Purchasing
Managers Index (PMI) ist hierzulande als „Einkaufsmanagerindex“ bekannt
und gehört zu den wichtigsten Frühindikatoren zur Beurteilung der
Konjunktur und der allgemeinen wirtschaftlichen Gesundheit. Im Oktober
lag er den vierten Monat in Folge unter der Marke von 50, die
Wirtschaftswachstum von Kontraktion trennt. Er fiel von 48,1 im
September auf 47,1 im Oktober und somit auf den niedrigsten Wert seit
November 2020. Laut Reuters zeigt die Länderaufschlüsselung, dass
„Deutschland in viel größeren wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt
als Frankreich“. Damit hätte Deutschlands grüne Außenministerin mithilfe
des grünen Wirtschaftsministers ihr erklärtes Ziel, „in Europa die
Führung zu übernehmen“, erreicht.
China hat gelernt, aus Europas Energieproblemen Kapital zu schlagen
Die Ankündigung der BASF letzten Monat, dass der Konzern in Deutschland
dauerhaft nach unten gehen, aber in China expandieren würde, war ein
erster empfindlicher Schlag für eine Regierung, „die versucht,
Energieknappheit zum Jonglieren mit Klimazielen“ zu missbrauchen, so
Oilprice.com. „Der europäische Chemiemarkt wächst seit etwa einem
Jahrzehnt nur noch schwach, [und] der deutliche Anstieg der Erdgas- und
Strompreise im Laufe dieses Jahres setzt die Chemie-Wertschöpfungsketten
unter Druck“, hatte der BASF-Vorstandsvorsitzende Martin Brudermüller
Ende Oktober gesagt.
Es ist jedoch erwähnenswert, dass die Energiekrise nicht der einzige
Grund für die Pläne der BASF war, ihre Präsenz im Inland zu verringern
und im Ausland zu wachsen. Auch die immer strengere EU-Regulierung sei
ein Faktor für diese Entscheidung, sagte Brudermüller.
Auch andere Branchen scheinen Probleme mit neuen EU-Vorschriften zu
haben. Der Handelsverband der Stahl- und Aluminiumindustrie, die
ebenfalls erheblich unter der Energiekosteninflation gelitten hat, hatte
kürzlich vorgeschlagen, dass die EU mit ihrem neuen
grenzüberschreitenden Anpassungsmechanismus, auch bekannt als die
Importkohlenstoffsteuer, einen schrittweisen Ansatz verfolgt.
Die CBAM wurde konzipiert, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für
europäische Industrieunternehmen zu schaffen, die strengen
Emissionsvorschriften unterliegen. Dadurch wird die Produktion in der EU
zusätzlich zu den höheren Rohstoffpreisen noch teurer als die
Produktion in Ländern mit laxeren Emissionsstandards. Die CBAM-Steuer
ist also eine Art Schutzzoll für die künstlich verteuerte Produktion der
heimischen Produzenten auf dem EU-Binnenmarkt, natürlich zulasten der
Verbraucher und zugunsten der Verkäufer und Händler von
CO₂-„Verschmutzungsrechten“. Das würde vor allem wichtige Rohstoffe für
die europäische Stahl- und Aluminiumindustrie verteuern.
Der Kanzler als Handelsreisender – Deutschlands einsame Außenpolitik im Namen der Energie
Der CBAM-Schutzzoll kann zwar die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen
Hersteller auf dem EU-Binnenmarkt trotz hoher Kosten aufgrund der
strengen EU-Emissionsvorschriften einigermaßen sichern, aber das
funktioniert nicht auf den globalen Märkten. Dort werden die in der EU
hergestellten, energieintensiven Produkte aufgrund erhöhter
„politisch-grüner“ Energiepreise und wegen der zusätzlichen Kosten der
EU-Emissionsvorschriften wegen mangelnder Wettbewerbsfähigkeit nach und
nach aus dem Markt geworfen. Das wird zu Schließungen oder weiterer
Auswanderung von Fabriken führen, mit entsprechenden Arbeitsplatz- und
Einkommensverlusten sowie Verarmung früherer florierender
Industrieregionen.
Ein Zehntel der europäischen Rohstahlproduktionskapazität ist nach
Industrie-Schätzungen bereits stillgelegt. Alle Zinkhütten haben die
Produktion gedrosselt, und einige haben geschlossen. Die Hälfte der
primären Aluminiumproduktion wurde ebenfalls stillgelegt. Und bei
Düngemitteln sind 70 Prozent der Fabriken wegen der Energieknappheit
stillgelegt.
Auch Chemiebetriebe drosseln ihre Aktivitäten, Ferrolegierungsöfen sind
kalt und auch die Kunststoff- und Keramikfertigung schrumpft.
Die erschreckenden Aussichten auf den Abstieg Deutschlands auf das
Niveau eines Entwicklungslandes scheint die grünen „Klima-Fanatiker“
absolut kaltzulassen. Vielmehr scheinen sie sich diesen Zustand und die
Umwandlung von Deutschland in ein von Blumen geschmücktes Bio-Agrarland
geradezu herbeizuwünschen. In letzter Zeit erscheinen vermehrt Artikel,
die in der aktuellen „Energiekrise eine Chance für das Klima“ sehen.
Dafür muss man schon ein starkes Kraut rauchen, um so etwas zu
schreiben.
https://meinungsfreiheit.rtde.life/meinung/153704-europas-erzwungene-deindustrialisierung/
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