Entnommen: https://linkezeitung.de/2023/03/29/vorbereitung-auf-einen-neuen-weltkrieg/
Vorbereitung auf einen neuen Weltkrieg
VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 29. MÄRZ 2023 ⋅ HINTERLASSE EINEN KOMMENTAR
von Thierry Meyssan – http://www.voltairenet.org
Die Vereinigten Staaten drängen ihre Verbündeten der Europäischen Union,
sich auf einen Dritten Weltkrieg vorzubereiten. Sie haben keine andere
Wahl, als sich ihm zu stellen, wenn sie aus der “Thukydides-Falle”
siegreich hervorgehen wollen. Es sei denn, dieses ganze Getue ist nur
eine Inszenierung, um die Verbündeten in ihrem Lager zu “halten”,
während sich viele Staaten in Südamerika, Afrika und Asien für “neutral”
erklären. Kriegsgerüchte erwecken zur selben Zeit japanische
Militaristen, die wie die “radikalen Nationalisten” in der Ukraine jetzt
zurückgekehrt sind.
Dieser Artikel ist eine Fortsetzung von: Multipolare Welt
1. “Der Nahe Osten befreit sich vom Westen“, 14. März 2023.
Angesichts der Fortschritte der Befürworter einer multipolaren Welt
haben die Verteidiger des “US-Imperialismus” schnell reagiert. Zwei
Operationen werden hier analysiert: die Umwandlung des europäischen
Gemeinsamen Marktes in eine militärische Struktur und die Neuformierung
der Achse des Zweiten Weltkriegs. Dieser zweite Aspekt bringt einen
neuen Akteur ins Spiel: Japan.
Im französischen Parlament verbündete sich Charles De Gaulle mit den
Kommunisten, um die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) zu
vereiteln.
DIE TRANSFORMATION DER EUROPÄISCHEN UNION
1949 gründeten die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich die
Nordatlantikpakt-Organisation (NATO). Sie fügten Kanada und die
Staaten, die sie in Westeuropa befreiten, hinzu. Für sie ging es nicht
darum, sich zu verteidigen, sondern um einen Angriff auf die Sowjetunion
vorzubereiten. Letztere reagierte darauf mit der Gründung des
Warschauer Paktes.
Im Jahr 1950, als der Koreakrieg begann, planten die Vereinigten
Staaten, den Konflikt auf die Deutsche Demokratische Republik (bekannt
als “Ostdeutschland”) auszudehnen. Dazu mussten sie die Bundesrepublik
Deutschland (sogenanntes “Westdeutschland”) gegen den Widerstand
Frankreichs, Belgiens und Luxemburgs wieder aufrüsten. Sie schlugen
daher die Schaffung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG)
vor, scheiterten jedoch am Widerstand der Gaullisten und der
französischen Kommunisten.
Gleichzeitig halfen sie mit dem Marshallplan beim Wiederaufbau
Westeuropas. Dieser enthielt viele geheime Klauseln, darunter der Aufbau
eines europäischen Binnenmarktes. Washington beabsichtigte, Westeuropa
sowohl wirtschaftlich zu beherrschen, als es auch politisch vor dem
kommunistischen Einfluss und dem “sowjetischen Imperialismus” zu
bewahren. Die Europäischen Wirtschaftsgemeinschaften – und später die
Europäische Union – bilden die zivile Seite der US-Münze, deren
militärisches Seite die NATO ist. Die Europäische Kommission ist keine
Verwaltung der Staats- und Regierungschefs, die Mitglieder der Union
sind, sondern die Schnittstelle zwischen ihnen und der Atlantischen
Allianz. Die europäischen Normen nicht nur für Rüstung und Bauwesen,
sondern auch für Ausrüstung, Kleidung, Lebensmittel usw. werden von den
NATO-Dienststellen zunächst in Luxemburg und dann in Belgien bestimmt.
Sie werden der Kommission zugeleitet und nun vom Europäischen Parlament
gebilligt.
Als die Sowjetunion im Jahr 1989 zusammenbrach, dachten der französische
Präsident François Mitterrand und der deutsche Bundeskanzler Helmut
Kohl, Westeuropa von der Vormundschaft der USA zu befreien, um mit
Washington konkurrieren zu können. Die Verhandlungen über diesen Vertrag
fanden zeitgleich mit dem Ende des Viermächtestatus’ hinsichtlich der
Besetzung Deutschlands (12. September 1990), der Wiedervereinigung der
beiden deutschen Staaten (3. Oktober 1990) und der Auflösung des
Warschauer Paktes (1. Juli 1991) statt. Washington akzeptiert den
Maastricht-Vertrag, solange er seine militärische Dominanz anerkennt.
Die Westeuropäer akzeptieren dieses Prinzip.
Washington ist jedoch misstrauisch gegenüber dem „Paar“ Mitterrand-Kohl
und fordert im letzten Moment, dass die Europäische Union alle
ehemaligen Mitglieder des Warschauer Paktes oder sogar die Neuen
Unabhängigen Staaten aus der ehemaligen Sowjetunion integriert. Diese
Staaten teilen nicht die Bestrebungen der Maastrichter
Verhandlungsführer. Sie bringen ihnen eher Misstrauen entgegen. Sie
wollen sich sowohl vom deutschen als auch vom russischen Einfluss
befreien. Sie verlassen sich für ihre Verteidigung allein auf den
“amerikanischen Schirm”.
Im Jahr 2003 nutzte Washington die spanische EU-Ratspräsidentschaft (den
Sozialisten Felipe González) und den Hohen Vertreter für die Gemeinsame
Außen- und Sicherheitspolitik, Javier Solana, um die “Europäische
Sicherheitsstrategie” nach dem Vorbild der Nationalen
Sicherheitsstrategie von US-Präsident George W. Bush zu verabschieden.
Dieses Dokument wurde 2016 von der Hohen Vertreterin Federica Mogherini
überarbeitet.
Emmanuel Macron widmete die französische Präsidentschaft der
Neukonstituierung der EVG unter dem Deckmantel des “Strategischen
Kompasses” der EU. Diesmal wird der Entwurf nicht den nationalen
Parlamenten vorgelegt. Es ist nur eine Entscheidung der Staats- und
Regierungschefs, die nie diskutiert und ihren Wählern vorgelegt wurde.
Während des Krieges in der Ukraine im Jahr 2022 denken die Vereinigten
Staaten wie einst im Koreakrieg, erneut, dass sie Deutschland gegen
Russland (Nachfolger der UdSSR) aufrüsten müssen. Daher wandeln sie die
EU um, diesmal aber mit Vorsicht. Während der Präsidentschaft des
Franzosen Emmanuel Macron boten sie ihm einen “strategischen Kompass”
an. Dieser wurde erst einen Monat nach der russischen Intervention in
der Ukraine verabschiedet. Die Mitglieder der Europäischen Union sind
umso mehr gelähmt, als sie immer noch nicht genau wissen, ob sie
zusammenarbeiten oder sich integrieren sollen (die “konstruktive
Zwiespältigkeit”, wie Henry Kissinger es ausdrückte).
Im März 2023 veranstaltet der derzeitige Hohe Vertreter der Europäischen
Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, das erste
“Robert-Schumann-Forum für Sicherheit und Verteidigung”. Zahlreiche
Verteidigungs- und Außenminister der Mitgliedstaaten der Union nehmen
daran teil. Neben den europäischen, aber nicht der EU angehörenden
Staaten, die aber den USA nahestehen, sind viele andere auf
Ministerebene vertreten, darunter Angola, Ghana, Mosambik, Niger,
Nigeria, Ruanda, Senegal, Somalia, Ägypten, Chile, Peru, Georgien,
Indonesien und Japan. Neben der NATO sind auch ASEAN, der
Golfkooperationsrat und die Afrikanische Union vertreten. Vor allem die
Arabische Liga entsendet ihren Generalsekretär.
Das ausdrückliche Ziel dieses Forums ist, “den Multilateralismus und
eine regelbasierte internationale Ordnung” zu verteidigen; eine elegante
Art, das russisch-chinesische Projekt einer “multipolaren Welt auf der
Grundlage des Völkerrechts” anzuprangern.
Dank der Covid-Epidemie hat sich die Europäische Union bereits mit
Befugnissen im Gesundheitsbereich ausgestattet, die in den Verträgen
nicht vorgesehen waren. Ich habe zu Beginn dieser Epidemie erklärt, dass
die Lockdown-Maßnahmen für gesunde Menschen keinen Präzedenzfall in der
Geschichte hatten. Sie wurde auf Wunsch des ehemaligen Direktors des
Gilead Science-Labors und ehemaligen Verteidigungsministers, Donald
Rumsfeld, von Dr. Richard Hatchett erdacht, der Direktor der CEPI
(Coalition for Epidemic Preparedness Innovations) und als solcher
Initiator dieser Maßnahme auf der ganzen Welt wurde [1]. Laut ihrem
geheimen Bericht von 2005, den wir leider nur durch die Reaktionen
kennen, die er hervorgerufen hat, sollte die Einsperrung gesunder
Zivilisten in ihre Häuser verlegbare Arbeitsplätze bestimmen, die
Konsumgüterindustrie im Westen schließen und die Arbeitskräfte in der
Rüstungsindustrie konzentrieren. So weit sind wir zwar noch nicht, aber
die Europäische Union, die in den Verträgen nicht vorgesehene Befugnisse
im Bereich der öffentlichen Gesundheit an sich gerissen hat, ohne
Empörung hervorzurufen, interpretiert die Texte nun so, dass sie zu
einer Militärmacht wird.
Josep Borrell beim Robert-Schumann-Forum für Sicherheit und Verteidigung
In der vergangenen Woche hat Josep Borrell auf dem Schuman-Forum seinen
ersten Bericht über die Umsetzung des “Strategischen Kompasses”
vorgelegt. Es geht darum, die Bündelung der nationalen Armeen,
einschließlich der Nachrichtendienste, im Geiste der Integration und
nicht mehr der Zusammenarbeit zu koordinieren. Das Projekt von Emmanuel
Macron trägt also jenes von Charles De Gaulle und den französischen
Kommunisten zu Grabe. “Europäische Verteidigung” erscheint nun als
Schlagwort, das nicht nur die Einsatzkräfte der EU-Mitgliedstaaten dem
Obersten Alliierten Befehlshaber Europa (SACEUR), heute US-General
Christopher G. Cavoli, unterstellen soll, sondern auch die Kontrolle
über alle Finanzierungsentscheidungen übernehmen soll, für die bisher
die nationalen Parlamente zuständig waren und sogar Entscheidungen über
Bewaffnung und Organisation übernehmen soll, die in die Zuständigkeit
der Exekutiven der Mitgliedstaaten fielen. So organisiert die Union nun
eine gemeinsame Armee, ohne zu wissen, wer sie kommandieren wird.
DER WIEDERAUFBAU DER NATIONALSOZIALISTISCH-JAPANISCHEN ACHSE
Wenn wir an den Zweiten Weltkrieg denken, denken wir in Europa an die
Daten von 1939 und 1945. Das ist absolut falsch. Der Krieg begann im
Jahre 1931, nachdem japanische Generäle chinesische Soldaten in der
Mandschurei angegriffen hatten. Dies war die erste Überschreitung der
zivilen Macht Japans durch die militaristische Fraktion, die einige
Monate später mit der Ermordung des zivilen Premierministers durch eine
Gruppe von Militärs eskalierte. Innerhalb weniger Jahre verwandelte sich
Japan in eine militaristische und expansionistische Macht. Dieser Krieg
endete nicht mit der Befreiung der Mandschurei durch die Rote Armee im
Jahr 1945. Tatsächlich setzten die Vereinigten Staaten zwei Atombomben
ein, um die Kapitulation Japans vor der UdSSR zu verhindern und
sicherzustellen, dass sie nur vor ihren eigenen Generäle stattfinden
würde. Sie setzten die Kämpfe bis 1946 fort, weil viele Japaner sich
weigerten, sich den Amerikanern zu ergeben, die bis dahin im Pazifik
kaum gekämpft hatten. Der Zweite Weltkrieg dauerte also von 1931 bis
1946. Wenn wir diese Fehler mit den Daten machen, dann deshalb, weil der
Krieg der Achse Rom-Berlin-Tokio (dem “Dreimächtepakt”) erst durch ihre
Erweiterung durch Ungarn, der Slowakei, Bulgarien und Rumänien weltweit
wurde.
Das Fundament der Achse sind nicht die unterschiedlichen Interessen
ihrer Mitglieder, sondern ihr Kult der groben Gewalt. Um sie heute
wieder zu schaffen, ist es notwendig, diejenigen zu vereinen, die
denselben Kult teilen.
Yoshio Kodama, der erste Pate der Yakuza, spielte eine wichtige Rolle im
japanischen Militarismus. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er
inhaftiert und profitierte dann von der Änderung der US-Politik. Er
gründete die Liberale Partei, aus der Shinzo Abe und Fumio Kishida
stammen. Kodama leitete heimlich viele CIA-Operationen in seinem Land.
Er war Mitglied der Antikommunistischen Weltliga, als Slawa Stezko (der
Verfasser von Artikel 16 der ukrainischen Verfassung) Präsident war.
Als die Vereinigten Staaten 1946 Japan besetzten, dachten sie zunächst,
alle militaristischen Elemente zu säubern. Aber als der Koreakrieg
aufkam, beschlossen sie, sich auf Japan zu verlassen, um den Kommunismus
zu bekämpfen. Sie beendeten die laufenden Prozesse und rehabilitierten
55 000 hochrangige Beamte. Sie setzten den Dodge-Plan ein, das
Äquivalent zum Marshall-Plan in Europa. Zu den glücklichen Nutznießern
dieses Politikwechsels gehörte Hayato Ikeda, der Premierminister wurde
und die Wirtschaft des Landes wiederherstellte. Mit Hilfe der CIA
gründete er die Liberaldemokratische Partei. Aus seiner Strömung sind
Premierminister Shinzo Abe (2012-2020) und sein Nachfolger Fumio Kishida
(2020-) hervorgegangen.
Letzterer hat gerade einen Überraschungsbesuch in der Ukraine gemacht.
Er ist der erste asiatische Regierungschef, der das Land seit Beginn des
Krieges besucht. Er besuchte ein Massengrab in Butscha und sprach den
Familien der Opfer der “russischen Misshandlungen” sein Beileid aus. Die
meisten Analysten interpretieren diese Reise als Vorbereitung auf den
bevorstehenden G7-Gipfel in Japan. Es sei denn, es gehe viel weiter.
In ihrem Abschlusskommuniqué betonen Fumio Kishida und Wolodymyr
Selenskyj “die Untrennbarkeit der euro-atlantischen und der
indopazifischen Sicherheit” und “die Bedeutung von Frieden und
Stabilität in der Straße von Taiwan”. Für sie geht es nicht nur darum,
die Ukraine gegen Russland zu verteidigen, sondern auch Japan gegen
China. Dieses Kommuniqué legt den Grundstein für ein neues Bündnis
zwischen den Nachfolgern der Nazis, den ukrainischen “integralen
Nationalisten” [2] und den Nachfolgern des Shōwa-Nationalismus. Die
heutige Ukraine ist der einzige Staat der Welt, der eine explizit
rassistische Verfassung hat. Sie wurde 1996 verabschiedet und 2020
überarbeitet und legt in Artikel 16 fest, dass “die Erhaltung des
genetischen Erbes des ukrainischen Volkes in der Verantwortung des
Staates liegt”. Dieser Artikel wurde von der Witwe des ukrainischen
Nazi-Premierministers Jaroslaw Stezko geschrieben.
Die japanische Verfassung dagegen verzichtet in ihrem Artikel 9 auf
Krieg. Aber Shinzo Abe und Fumio Kishida haben einen Kampf begonnen, um
diese Bestimmung aufzuheben. Unter anderem macht sie es unmöglich,
tödliche Verteidigungsausrüstung zu transferieren, so dass Kishida Kiew
rund 7,1 Milliarden Dollar an humanitärer und finanzieller Hilfe
angeboten hat. Was nicht-tödliche militärische Ausrüstung betrifft,
konnte er diese Woche nur die Lieferung einer Sendung im Wert von 30
Millionen Dollar ankündigen.
Diese Remilitarisierung Japans wird von Washington unterstützt, das
bereits mit der Unterstützung der Ukraine die Seiten gewechselt hat. Der
US-Botschafter in Tokio, Rahm Emmanuel, twitterte: “Premierminister
Kishida ist auf einem historischen Besuch in der Ukraine, um das
ukrainische Volk zu schützen und die universellen Werte zu fördern, die
in der Charta der Vereinten Nationen verankert sind. Etwa 900 Kilometer
entfernt, nimmt in Moskau eine andere und schädlichere Partnerschaft
Gestalt an” (in Anspielung auf den Putin-Xi-Gipfel).
Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Wang Weibin, sagte über
die Reise des Premiers, er “hoffe, dass Japan auf eine Entspannung der
Situation drängen wird, und nicht umgekehrt”. Russland schickte
seinerseits zwei strategische Bomber für etwa sieben Stunden über das
Japanische Meer.
Übersetzung
Horst Frohlich
Korrekturlesen : Werner Leuthäusser
[1] „Covid-19 und die rote Morgendämmerung“, von Thierry Meyssan,
Übersetzung Horst Frohlich, Korrekturlesen : Werner Leuthäusser,
Voltaire Netzwerk, 28. April 2020.
[2] „Wer sind die ukrainischen integralen Nationalisten?“, von Thierry
Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich, Korrekturlesen : Werner
Leuthäusser, Voltaire Netzwerk, 15. November 2022.
https://www.voltairenet.org/article219089.html
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