Deutschland – im Fokus der USA
Von Wolfgang Bittner
Um die heutige
angespannte politische Situation zu verstehen, in der sich Europa und
insbesondere Deutschland befindet, ist es wichtig, die geschichtliche
Entwicklung der letzten 150 Jahre zu bedenken. 80 Jahre nach dem
Überfall Hitler-Deutschlands auf die Sowjetunion steht die nach dem
Zweiten Weltkrieg neu gegründete, 1990 mit der DDR vereinigte
Bundesrepublik Deutschland an der Seite der USA gegen Russland. Als
hätten Russland und Deutschland nicht schon bis zur völligen
Erschöpfung unter den Menschheitskatastrophen des Ersten und Zweiten
Weltkriegs gelitten.
Ein kurzer Rückblick: Das 1871 neu
gegründete Deutsche Reich hatte sich um die vorige Jahrhundertwende
zu einer wirtschaftlich prosperierenden Macht in der Mitte Europas
entwickelt. Bildung, Wissenschaften und die Künste wurden gefördert
und strahlten in die ganze Welt aus. Das führte zu Missgunst bei den
Imperialmächten Großbritannien und Frankreich und bei den
Wirtschafts- und Finanzeliten der USA. Daher begannen sie seit etwa
1900 Pläne zu entwickeln, die lästige Konkurrenz zu beseitigen, und
dazu sollte der Erste Weltkrieg dienen, der lange vor 1914 insgeheim
vorbereitet wurde.(1)
Nach dem Sieg der Alliierten wurde das
Deutsche Reich durch den aufgezwungenen Versailler Vertrag mit
unglaublich hohen Reparationsabgaben und Reparationszahlungen
belastet. Dadurch geriet Deutschland in eine prekäre Lage, und in
der Folgezeit gelang es den Nationalsozialisten die junge Weimarer
Republik immer mehr zu destabilisierten. Hitler, der seit Anfang der
1920er-Jahre nachweislich aus dem Ausland gefördert und finanziert
wurde, übernahm die Macht. Damit war der Zweite Weltkrieg
vorprogrammiert. Er endete in einer bedingungslosen Kapitulation,
wozu die Flächenbombardements deutscher Städte bis in den April
1945 beitrugen. Danach wurde Restdeutschland, also die neu gegründete
BRD, wieder gegen den Bolschewismus, also gegen die Sowjetunion,
aufgestellt, wie schon im Ersten und im Zweiten Weltkrieg. Das
geschah unter Führerschaft der USA, die bis heute die Bundesrepublik
Deutschland als eine Art Vasallenstaat betrachten.
Der
Einfluss der USA auf die deutsche Politik
Die
heutige Einflussnahme geht jetzt nicht nur von Washington aus,
sondern ebenso von den sehr einflussreichen Netzwerken wie zum
Beispiel Atlantik-Brücke, European Council on Foreign Relations,
Aspen Institut, Atlantic Council, Münchner Sicherheitskonferenz usw.
Es sind mehr als 100 dieser höchst einflussreichen Institute, denen
zahlreiche deutsche Politiker, Journalisten und Wissenschaftler zu
Diensten sind.(2) Einige wurden gleich nach 1945 eingerichtet, und
sie nehmen wesentlichen Einfluss auf die Politik und die öffentliche
Meinungsbildung.
Zwar wurde 1955 mit dem Deutschlandvertrag
ein Großteil der Besatzungsrechte aufgehoben, und 1990 wurde mit dem
mit dem Zwei-plus-Vier Vertrag trotz eines fehlenden Friedensvertrags
ein vorläufiger Abschluss geschaffen. Dem vereinten Deutschland
sollte volle Souveränität gewährt werden. Allerding haben die USA
durch ein Zusatzabkommen zum Truppenstationierungsstatut Sonderrechte
durchgesetzt. Das betrifft die Rechtsstellung der in der
Bundesrepublik stationierten ausländischen Streitkräfte und deren
Befugnis, die zum Schutz der Truppen notwendigen Sicherungsmaßnahmen
zu treffen. Das ist sehr weit auslegbar. Unter anderem gehören dazu
Eingriffe in das Kommunikationswesen und Sonderrechte bei der
Strafverfolgung. Zu berücksichtigen sind aber auch weitere Abkommen
und Einflussmöglichkeiten der USA im Wege verdeckter Nötigung und
Erpressung. Wie intensiv die Einflussnahme auf innerstaatliche
deutsche Angelegenheiten ist, zeigte sich beim Bau der Ostseepipeline
Nord Stream 2. Danach lässt sich feststellen, dass Deutschland zwar
pro forma souverän ist, de facto aber nur über eine eingeschränkte
Souveränität unter Vormundschaft der USA verfügt.
Nachdem
die Sowjetunion seit 1990 ihre Truppen aus Ostdeutschland abgezogen
hatte, ist auch die Forderung nach einem Abzug der US-Streitkräfte
immer wieder laut geworden. Dennoch gibt es noch etwa 40 größere
Militärstützpunkte in Deutschland, darunter einige von der Größe
Liechtensteins. In Büchel in Rheinland-Pfalz sind Atomwaffen
stationiert; von Ramstein aus, dem Hauptquartier der US-Luftwaffe in
Europa, werden die Einsätze von Kampfdrohnen in Afghanistan,
Pakistan, Somalia und im Jemen gesteuert. In Landstuhl bei
Kaiserlautern befindet sich das größte US-Militärkrankenhaus
außerhalb der USA. Außerdem ist Deutschland ein Zentrum der
US-Spionage.
Das alles ist möglich, weil deutsche Politiker
sozusagen als Einflusspersonen der USA mitwirken. Sie nehmen offenbar
in Kauf, dass sich Deutschland dadurch im Visier der russischen
Raketenabwehr befindet. Vielen Menschen in Deutschland ist das nicht
bewusst oder sie befürworten es sogar aufgrund der permanenten
Indoktrination durch Politik und Medien, wonach die USA immer noch
als Befreier und Beschützer gelten. Die US-Regierung fordert von
Deutschland eine Erhöhung des Militäretats auf zwei Prozent des
Bruttoinlandprodukts, obwohl für 2021 bereits 46,9 Milliarden Euro
veranschlagt sind. Deutschland soll die „Speerspitze“ gegen
Russland bilden.(3)
Die
Langzeitstrategie der USA
Nicht erst
seit 1945 verfolgen die USA in Bezug auf Deutschland und Russland
eine Langzeitstrategie. Der ehemalige Direktor des einflussreichen
Thinktanks Stratfor, George Friedman, hat das 2015 in einer Rede in
Chicago plastisch erläutert. Er sagte, das Hauptinteresse der
US-Außenpolitik während des letzten Jahrhunderts, im Ersten und
Zweiten Weltkrieg und im Kalten Krieg, seien die Beziehungen zwischen
Deutschland und Russland gewesen. Und das Hauptziel sei gewesen, eine
Kooperation, die die Vormachtstellung der USA infrage stellen könnte,
zu verhindern. Denn wenn sich deutsches Kapital und deutsche
Technologie mit russischen Rohstoff-Ressourcen und russischer
Arbeitskraft verbänden, dann hätten die USA ein großes Problem,
wirtschaftlich wie militärisch. Deswegen legten sie um Russland
herum einen Sicherheitsgürtel, einen „Cordon Sanitaire“, wie
Friedman das nannte.(4) Das ist die Strategie: Keine Kooperation
zwischen Deutschland und Russland.
Der russische Präsident
Putin hat bereits 2001 in seiner friedenspolitischen Rede vor dem
Deutschen Bundestag und danach immer wieder Kooperation angeboten –
zuletzt noch am 22. Juni 2021 in einem lesenswerten Gastbeitrag in
der Wochenzeitung „Die Zeit“.(5) Dem setzen die USA ihren
unipolaren Anspruch, also Weltmacht Nr. 1 zu sein, mit einer
Aggressionspolitik und militärischen Einkreisung Russlands entgegen.
Daran hat sich bis heute nichts geändert, im Gegenteil, das ist
unter der derzeitigen US-Regierung noch forciert worden. Joe Biden
ist der dienstälteste russophobe US-Politiker, der sämtliche
Konflikte und Krieg der letzten Jahrzehnte mit zu verantworten hat,
von Afghanistan bis Syrien.
Seit Langem ist die Chaotisierung
und die Teilung von Staaten ein Mittel der US-Politik. Und ganz
offensichtlich gibt es Pläne, Russland zu destabilisieren, unter
Umständen sogar mit Krieg zu überziehen. Unabhängige westliche
Experten für Außen- und Sicherheitspolitik, die das immer
aggressivere Agieren der USA und der NATO kritisch beobachten,
sprechen von Kriegsvorbereitungen gegen Russland, aber auch gegen
China. Mehrmals war in der Vergangenheit der Einsatz von Atomwaffen
im Gespräch, ein sogenannter „Enthauptungsschlag“. Die
zerstörerischen Planungen der westlichen Strategen kennen keine
Grenzen, was natürlich auch in Russland und China registriert wird.
Alles in allem sieht es nicht gut aus in Deutschland und er
Welt. Um einen bevorstehenden dritten Weltkrieg zu verhindern, wäre
es existenziell wichtig, dass demokratische Organisationen wie
Gewerkschaften, Kirchen, Universitäten, aber auch eine große
Friedensbewegung verstärkt für Frieden und Abrüstung eintreten,
Das ist bei den Parteien derzeit nicht der Fall. Aber wenn Frieden
und Abrüstung nicht im Mittelpunkt aller politischen Bemühungen
stehen, ist die Zukunft ungewiss. Denn ohne Frieden – das sagte
schon Willy Brandt – ist alles nichts.
Quellen
und Hinweise
(1) Dazu ausführlich und mit
weiteren Hinweisen: Wolfgang Bittner, „Der neue West-Ost-Konflikt“,
Verlag zeitgeist, Höhr-Grenzhausen 2019, S. 113-139
(2) Ebd. S.
51-58 mit Hinweisen auf Organisationen und Einflusspersonen
(3)
Vgl. Informationsstelle Militarisierung (IMI) » Großverbände gegen
Russland – Deutschland als Speerspitze (imi-online.de)
(4)
Online unter www.youtube.com/watch?v=vln_ApfoFgw (22.7.21)
(5)
Siehe: Wladimir Putin: Offen sein, trotz der Vergangenheit | ZEIT
ONLINE
Erstveröffentlichung:
https://www.cashkurs.com/gesellschaft-und-politik/beitrag/deutschland-im-fokus-der-usa
Von
Wolfgang Bittner erschien kürzlich im Verlag zeitgeist das Buch
„Deutschland – verraten und verkauft. Hintergründe und
Analysen“.
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