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Berlin will
Regimekritiker zum Schweigen bringen
Freidenker zur
Nichtzulassung der DKP bei der Bundestagswahl: Forderung nach
„Frieden mit Russland und China“ ist der Regierung ein Dorn im
Auge
Pressemitteilung des Deutschen Freidenker-Verbandes e.V. vom 12.07.2021
Der Deutsche Freidenker-Verband als seit 1881
bestehende parteiunabhängige Weltanschauungsgemeinschaft und
Kulturorganisation der sozialistischen Arbeiterbewegung sieht im
Kandidaturverbot für Kommunisten in Deutschland eine schwerwiegende
Verletzung der Menschenrechte.
In Artikel 1 des UN-Zivilpaktes
heißt es nämlich: „Alle Völker haben das Recht auf
Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechts entscheiden sie frei über
ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre
wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung.“ Artikel 25
garantiert allen Staatsbürgern das Recht, „bei echten,
wiederkehrenden, allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen, bei denen
die freie Äußerung des Wählerwillens gewährleistet ist, zu wählen
und gewählt zu werden.“ Dies gilt unmittelbar auch in Deutschland,
denn Art. 25 Grundgesetz bestimmt: „Die allgemeinen Regeln des
Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den
Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die
Bewohner des Bundesgebietes.“
Das vom Bundeswahlausschuss
verfügte Kandidaturverbot verstößt damit in eklatanter Weise gegen
das Grundgesetz und das Internationale Recht, an das die
Bundesrepublik Deutschland gebunden ist.
Die vom
Bundeswahlleiter als Begründung angeführte Behauptung, die DKP
hätte aufgrund nicht bzw. verspätet eingereichter
Rechenschaftsberichte ihren Parteistatus verwirkt, ist eine
unhaltbare und abenteuerliche Konstruktion, die nur als Rechtsbeugung
gewertet werden kann. Die durch das neue Parteiengesetz von 2015
eingeführten Fristen gelten nach § 39 dieses Gesetzes ausdrücklich
erst für Rechenschaftsberichte ab 2016, womit die DKP zumindest ihre
Berichte für 2014 und 2015 in Übereinstimmung mit der Rechtslage
abgegeben hat. Nur nach sechsjährigem Versäumnis in Folge wäre ein
Entzug des Parteienstatus nach diesem Gesetz möglich, aber dieser
Tatbestand ist nicht gegeben. Wenn der Bundeswahlleiter und sein
Ausschuss jedoch im Widerspruch zum eindeutigen und für jedermann
nachlesbaren Gesetzestext entscheidet, wirft dieser Akt der
Rechtsbeugung die Frage auf, ob hier in „höherem“ politischen
Auftrag gehandelt wurde.
Der Deutsche Freidenker-Verband
betrachtet den Protest gegen diese politische Willkür als
Bürgerpflicht aller demokratisch und rechtlich gesinnten Menschen,
und zwar unabhängig davon, ob sie die Positionen und Ziele der DKP
teilen. Wir erinnern an die Worte von Pastor Niemöller: „Als die
Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein
Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich
geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die
Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein
Gewerkschafter. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der
protestieren konnte.“
Verfolgung
der Linken: Tradition in Deutschland
Wir nehmen das Recht des Protests auch deshalb in
Anspruch, weil wir als Freidenker die Verfolgungsgeschichte im
deutschen Faschismus mit Gewerkschaftern, Sozialdemokraten,
Kommunisten, parteilosen Linken und anderen Demokraten teilen.
Nach
dem „Reichstagsbrand“ wurden führende Freidenkerfunktionäre
verhaftet, im März 1933 stürmte die SA das Berliner Freidenkerhaus,
das Vermögen wurde geraubt und unter „Treuhand“ der SA gestellt,
die Tätigkeit des Verbandes wurde verboten. Der Verbandsvorsitzende
Max Sievers, Sozialdemokrat, der mit Publikationen vom Ausland her
Widerstand gegen das Nazi-Regime leistete, wurde1943 in Frankreich
verhaftet, am 17. 11. 1943 vom „Volksgerichtshof“ unter Vorsitz
von Roland Freisler des „Verrats am deutschen Volke“ bezichtigt
und wegen „Vorbereitung zum Hochverrat mit Feindbegünstigung“
zum Tode verurteilt. Am 17. 1. 1944 wurde er von den Faschisten im
Zuchthaus Brandenburg-Görden mit dem Fallbeil ermordet.
Blutrichter
Freisler verantwortete mehr als 2.600 Todesurteile, doch seine Witwe
erhielt neben der Witwenrente ab 1974 einen
„Berufsschadensausgleich“, da Freisler „wenn er den Krieg
überlebt hätte, als Rechtsanwalt oder Beamter des höheren Dienstes
ein höheres Einkommen erzielt hätte.“ So zynisch die Begründung
klingen mag, so symptomatisch ist sie für den Umgang
Westdeutschlands und der BRD mit den Funktionären und Schergen des
Nazi-Regimes. Keiner der rund 570 Richter und Staatsanwälte des
„Volksgerichtshofs“ wurde in der BRD verurteilt, Dutzende setzten
ihre Karriere im Justizdienst fort. In vielen Fällen urteilten sie
wieder über dieselben Angeklagten, die in der BRD wie zuvor unter
den Faschisten als Staatsfeinde galten. Zwischen 1951 und 1968
ergingen fast siebenmal so viele Urteile gegen Kommunisten wie gegen
NS-Täter. Erst 1998 wurden die Terrorurteile des „Volksgerichtshofs“
und anderer NS-Sondergerichte rechtskräftig
aufgehoben.
Verfassungswidriges
KPD-Verbot
Nach zwölfjährigem Verbot der Kommunistischen
Partei Deutschlands während des deutschen Faschismus strengte die
Regierung von Bundeskanzler Adenauer 1951 ein Verbotsverfahren beim
Bundesverfassungsgericht gegen die Partei an, die im
Parlamentarischen Rat und im Bundestag vertreten war. Zuvor wurde
bereits die Freie Deutsche Jugend (FDJ) wegen ihrer Kontakte in die
DDR und zur legalen KPD verboten sowie die Straftatbestände des
„Hochverrats“ und „Landesverrats“ wieder eingeführt, die
zuvor in der Zuständigkeit des „Volksgerichtshofs“ lagen.
Neben
der Kontinuität des Antikommunismus als Staatsraison in der BRD
hatte sich die KPD in den Augen der Herrschenden ein Verbot
insbesondere damit „verdient“, dass sie in der Bevölkerung große
Unterstützung bei ihrer Mobilisierung gegen die Remilitarisierung
fand. Schon 1948 hatte Adenauer den Wehrmachts-General Speidel mit
einem Memorandum zur „Unvermeidlichkeit einer Wiederaufrüstung“
beauftragt, schon vor Gründung des West-Militärpakts forderte der
„Kanzler der Alliierten“ 1949 „den Beitritt Westdeutschlands
zur NATO“, 1950 trafen sich auf Geheiß Adenauers alte
Nazi-Generale im Eifel-Kloster Himmerod zur Erarbeitung der
„Himmeroder Denkschrift“, in der die Remilitarisierung gefordert
wurde, ebenso die Rehabilitierung der Angehörigen der
Waffen-SS.
Die KPD brachte Ende 1949 das Thema erstmals im
Bundestag zur Sprache, und Adenauer belog das Parlament, indem er
Fragen nach Remilitarisierungsplänen fünfmal mit „nein“
beantwortete. Die von der KPD gestartete „Volksbefragung zur
Remilitarisierung“ erbrachte über 9 Millionen Unterschriften, bis
die Befragung vom Adenauer-Regime verboten wurde, weil sie auf
„Umsturz der verfassungsmäßigen Ordnung“ abziele, die
Organisatoren wurden wegen – natürlich – „Hochverrats“
angeklagt.
Allen Sonntagsreden über eine vorgebliche
„Gewaltenteilung“ zum Hohn setzte die Regierung das
Bundesverfassungsgericht permanent unter Druck, zuerst „endlich“
das Verfahren zu eröffnen, was am 23. November 1954 geschah, und
dann, um zu dem gewünschten Ergebnis zu kommen. Der
Prozessbevollmächtigte der Bundesregierung war Staatssekretär Hanns
Ritter von Lex. Er hatte sich schon 1931/33 große Verdienste
erworben, so als Vertreter der Bayerischen Volkspartei in Gesprächen
mit NSDAP und Adolf Hitler, in denen er die „systematische
Ermordung von Kommunisten durch den nationalsozialistischen Staat in
seiner ganzen Radikalität und Brutalität unterstützte.“[1] In
seinem Schlussplädoyer in Karlsruhe sagte Ritter von Lex 1955 über
die KPD: „Sie ist ein gefährlicher Infektionsherd im Körper
unseres Volkes, der Giftstoffe in die Blutbahn des staatlichen und
gesellschaftlichen Organismus der Bundesrepublik sendet.“[2] Der
Historiker Prof. Dr. Josef Foschepoth nennt das gesamte Verfahren mit
einem Wort: „Verfassungswidrig“.
Kommunistenverfolgung
bis heute
Die Illegalisierung der KPD kam schließlich wie
bestellt am 17. August 1956, und damit stand die BRD in einer Reihe
mit der faschistischen Franco-Diktatur in Spanien und der
faschistischen Salazar-Diktatur in Portugal sowie dem späteren
Obristen-Regime in Griechenland und der Militärdiktatur in der
Türkei, wo die Kommunistischen Parteien ebenfalls verboten
waren.
Dem Verbot folgten Hunderttausende
Ermittlungsverfahren, bis zu 10.000 Verurteilungen, Haftstrafen von
bis zu fünf Jahren Zuchthaus und ungezählte Fälle von
Arbeitsplatzverlust aus politischen Gründen. Hierbei war besonders
der „Verfassungsschutz“ genannte Geheimdienst aktiv, der
ebenfalls mit altbewährtem Nazipersonal wiederaufgebaut worden war,
und die Betroffenen waren in großer Zahl Menschen, die zuvor in KZ
und Zuchthäusern der Faschisten eingekerkert waren. Unter ihnen
befanden sich auch viele Mitglieder des Freidenkerverbandes.
Nach
dem offenkundigen Scheitern einer auf Kalten Krieg und Revanchismus
getrimmten deutschen Außenpolitik Ende der 1960er Jahre störte beim
Umschalten auf „Entspannung“ das KPD-Verbot ein wenig. Doch
anstelle einer Aufhebung zog man es vor, demonstrativ nichts gegen
die Neukonstituierung einer Kommunistischen Partei einzuwenden,
woraufhin die DKP entstand. Diese Toleranz gegenüber einer legalen
Kommunistischen Partei war vor allem fürs Ausland als
Schaufensterauslage gedacht, im Inland trachtete man danach, die
Mitgliedschaft in der DKP unter Strafe zu stellen. Mit dem
„Radikalenerlass“ von 1972 wurden Tausende Opfer der
Berufsverbotepraxis – bedroht, entlassen, in der beruflichen
Entwicklung gehindert oder in ihrer sozialen Existenz vernichtet.
Neben Kommunisten waren auch viele linke Sozialdemokraten wegen
„Zweifeln an ihrer Verfassungstreue“ ins Geheimdienst-Visier
geraten.
1995 stellte der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte fest, dass die Berufsverbotepraxis der Bundesrepublik
u.a. gegen die Europäische Konvention für Grund- und Menschenrechte
verstößt. Dennoch wurde der Radikalenerlass bisher nicht offiziell
zurückgenommen, eine Rehabilitation der damals Abgelehnten hat in
den meisten Fällen nicht stattgefunden. Bis in jüngste Zeit wird in
so „unterschiedlich regierten“ Ländern wie Thüringen und Bayern
das „Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ als
Einstellungsvoraussetzung für den Öffentlichen Dienst
genannt.
Doch auch mit dem Verschwinden des Gegners im „Kalten
Krieg“ in Gestalt der sozialistischen Länder in Europa war die
Kommunistenverfolgung in Deutschland noch lange nicht vorbei. Nach
dem Verlust der staatlichen Eigenständigkeit der DDR begann eine
neue Welle der Marxistenverfolgung. Von 1991 bis 1999 wurden rund
100.000 Ermittlungsverfahren gegen DDR-Bürger eingeleitet,
Zehntausende wurden wegen „Systemnähe“ entlassen und an weiteren
Zehntausenden wurde wegen „Staatsnähe“ mit Strafrenten Rache
genommen.
Thomas Mann nannte den Antikommunismus „die
Grundtorheit unserer Epoche“. Der Antikommunismus prägte die
Geschichte Deutschlands im letzten Jahrhundert spätestens seit der
Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht im Jahr 1919, und er
ist bis heute als Element ständiger Demokratiegefährdung wirksam.
Fast 50 Jahre nach dem „Radikalenerlass“ und 65 Jahre nach dem
KPD-Verbot bleibt die Forderung auf der Tagesordnung: Das KPD-Verbot
als permanente Drohung und als Repressionsinstrument gegen alle
demokratischen und fortschrittlichen Kräfte muss aufgehoben
werden!
Es liegt nahe, dass die unerklärliche Leseschwäche
beim eigenen Parteiengesetz in den mit Volljuristen besetzten Stäben
des Bundesinnenministeriums, der Bundestagsverwaltung und des
Bundeswahlausschusses ihre Ursache in jenem Antikommunismus hat, der
das Denken und die Sinne vernebelt. Bei ihrem Versuch, den Antritt
der DKP bei der Bundestagswahl zu verhindern, geht es nicht nur um
diese einzelne Wahlbeteiligung, sondern um den generellen Entzug des
Parteienstatus. Damit wäre der Schutz des Parteienprivilegs
aufgehoben, für ein Verbot kein Prozess beim
Bundesverfassungsgericht mehr nötig, sondern nur eine Verfügung des
Innenministers, schließlich wären die Kommunisten gezwungen, eine
neue Partei zu gründen. Was steckt hinter diesem Vorgehen?
„In
Deutschland geht der Kampf gegen oppositionelle Bewegungen in die
nächste Runde“
Dieser Bewertung des Stern kann man nur zustimmen,
allerdings schrieb das Magazin „Russland“, nicht
„Deutschland“.[3] Der MDR urteilt: „aktuell ist Köbele einer
der schärfsten Kritiker des Systems Merkel“,[4] so auch andere
deutsche „Qualitätsmedien“, z. B. die FAZ [5]: „Das Vorgehen
gegen Patrik Köbele und dessen Anhänger zeigt die zynische
Skrupellosigkeit der deutschen Machthaber. Auf diese Entwicklung muss
der Osten deutlich reagieren.“ Oder im Focus [6]: „Jetzt will
Merkel seine ganze Bewegung auslöschen“. Man ahnt es schon: statt
Köbele schreiben sie Nawalny, statt Merkel Putin, statt deutsche
russische und statt Osten Westen.
Aber dass ausgerechnet die
Bundesregierung, die den Notstand der Demokratie in Deutschland zu
verantworten hat, sich immer wieder gegenüber anderen Ländern als
Schulmeister in Sachen Demokratie, Rechte der Opposition und
Wahlabläufe aufspielt, ist eine widerwärtige Heuchelei. Es ist an
der Zeit, speziell gegenüber den betroffenen Ländern, über die
tatsächlichen „demokratischen“ Vorgänge im „Rechtsstaat“
Deutschland zu informieren. Wir werden dies jedenfalls im Rahmen der
Weltunion der Freidenker tun. Es wäre zu wünschen, dass
ausländische Regierungen im Gegenzug bei der Bundesregierung
intervenieren.
Die NATO hat Russland und China zu Feinden
erklärt, Politiker und „Leitmedien“ überschlagen sich in
russophober und antichinesischer Propaganda. Sie provozieren
fortgesetzt mit einer Konfrontationspolitik, Aufrüstung,
Truppenaufmärschen und Manövern an den Grenzen der Russischen
Föderation. Die Wiederaufnahme der Kanonenbootpolitik mit Entsendung
einer Bundeswehr-Fregatte in das Südchinesische Meer will die
Bundesregierung als „Signal an China“ verstanden wissen.
Dass
in dieser angespannten internationalen Lage die DKP die Losung
„Frieden mit Russland und China“ auf ihre Fahnen und Plakate
schreibt, wird die Hauptursache der aktuellen Repression sein. Die
Herrschenden verlangen, die Kriegsmobilisierung gegen Russland und
gegen China zu unterstützen oder zumindest nicht zu behindern sowie
die NATO und ihre Regionalgliederung EU mit allen Mitteln zu
verteidigen. Sie wollen, mit einem Wort, Friedhofsruhe an der
Heimatfront. Wer diesen politischen Rahmen nicht akzeptiert, muss ab
jetzt mit Repressionen rechnen. Das Vorgehen gegen die DKP soll,
unabhängig von ihrer überschaubaren Größe und Bedeutung, genau
dieses Signal aussenden. Deshalb sind alle, die dieses Signal
verstehen und ablehnen, aufgerufen, jenseits parteipolitischer
Erwägungen Solidarität mit der DKP zu üben.
Sebastian
Bahlo
Bundesvorsitzender
Klaus Hartmann
Stellv.
Bundesvorsitzender
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