USA: Von der verlorenen
Führungsrolle zum neuen Kalten Krieg und darüber hinaus
VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 5. JANUAR 2022
von
Jorge Casals LLano – https://de.granma.cu
Obwohl die Versuchung fast unwiderstehlich ist, diesen
Artikel zumindest mit einem Verweis auf die Ursprünge und das Wesen
des vielschichtigen Konflikts zu beginnen, der nach dem Zweiten
Weltkrieg begann und als Kalter Krieg bezeichnet wurde und sich bis
zum Zerfall der UdSSR hinzog, werden wir durch die Dringlichkeit, die
im Titel angekündigten Bedrohungen aufzudecken, und die
Notwendigkeit, über die neuen Gefahren nachzudenken, denen wir alle
durch die Aktionen der USA und der NATO gegen Russland ausgesetzt
sind, davon befreit.
Das Ende des Kalten Krieges, des ersten,
galt als Abschluss der Kriege und Revolutionen nach dem endgültigen
Triumph des Marktes, des Liberalismus und des Neoliberalismus, der
durch den Washington Consensus gefördert worden war. Mit dem Zerfall
der UdSSR im Jahr 1991 wurde die bipolare Weltordnung nach dem
Zweiten Weltkrieg für beendet erklärt, was der
Politikwissenschaftler Francis Fukuyama mit seinem vorschnellen
Dekret vom Ende der Geschichte bejubelte, das den endgültigen
Triumph des Wirtschaftsliberalismus mit seinen politischen und
sozialen Folgen und der liberalen Demokratie bedeuten sollte.
Auf
die bipolare Welt folgte die unipolare, von den USA beherrschte Welt
und mit ihr die Herrschaft des Neoliberalismus und der
Globalisierung. Zum Leidwesen von Fukuyamas Pseudowissenschaft begann
die neugeborene unipolare Welt jedoch ab den 1990er Jahren so schnell
zu bröckeln, dass es bereits Mitte des Jahrzehnts (1994-1995) zu
Krisen kam: die erste in Mexiko, gefolgt von der in Argentinien seit
Alfonsín, der Hyperinflation und dem Austral-Plan, dann mit Menen
und der Konvertierbarkeit des argentinischen Peso und auch mit De la
Rúa und seiner Flucht per Hubschrauber aus dem Gelben Haus; gefolgt
von den Krisen der asiatischen Tiger-Staaten und auch der von
Russland, welches das Ende der Geschichte in die vermeintlich freie
Welt gestellt hatte; die von Brasilien mit der Abwertung des Real…
und alle begleitet von der zunehmenden Finanzialisierung der
Wirtschaft.
Und es war die Finanzialisierung, die dafür
sorgte, dass die Weltwirtschaft, die der USA und der reichen Länder,
so funktionierte, wie es sich die neoliberalen Globalisierer
vorgestellt hatten. Die Vereinigten Staaten erlebten einen
außergewöhnlichen Aufschwung – ebenso wie unmittelbar nach dem
Zweiten Weltkrieg, als sie von den Schrecken und der Zerstörung, die
dieser verursacht hatte, profitieren konnten -, in dem sie ihren
Haushalt ausglichen, wuchsen und sogar als perfekte Wirtschaft
galten, ein Ausdruck, der von der amerikanischen Presse bereits in
den Tagen vor der Krise verwendet worden war, die an jenem fernen
Schwarzen Dienstag im Oktober 1929 ausbrach. Und so war es bis Ende
2007 und auch 2008 bis zum Beginn dessen, was zunächst als
Subprime-Krise, dann als Hypothekenkrise, dann als
Illiquiditätskrise, als Kreditkrise, als globale Krise bezeichnet
wurde…
Seit der Krise mit den vielen Namen wurden Maßnahmen
in der Annahme ergriffen, dass es sich nur um eine weitere zyklische
Finanzkrise handelte, so dass die Behandlung immer dieselbe war:
Liquiditätsspritzen, Steuersenkungen, Zinssenkungen… alle
Maßnahmen zielten darauf ab, dass die frei handelnden Märkte die
Stabilität und Effizienz des Systems wiederherstellen würden. Es
wurden also zwei Fehler gemacht: Erstens wurde nicht verstanden, dass
die Krise bereits eine Krise des Kapitalismus selbst, des Systems
selbst, und nicht Teil seines Regulierungsmechanismus war; zweitens,
und eine Folge des ersten, wurde angenommen, dass die beschlossenen
Maßnahmen die Krise lösen würden.
Da nicht berücksichtigt
wurde, dass die Krisen als Krise des Systems vielfältig und eins
sind – einschließlich derjenigen der US-Hegemonie und des Westens,
in Wirklichkeit der USA und ihrer Vasallen- und Dienerstaaten –
wurde die Strategie der Kontinuität des Globalisierungsprozesses,
begleitet von der (für den Kapitalismus) unerwünschten Stärkung
des Marktsozialismus, zum Fehlschlag. Während all dies den Prozess
der Finanzialisierung der Wirtschaft weiter vorantrieb, machte es
gleichzeitig den Fehler der globalisierenden Geostrategie deutlich,
die darauf ausgerichtet war, den Interessen der zunehmend
transnationalen dominierenden Plutokratie (der 1 %) zu dienen,
zusammen mit der Tatsache, dass die Nationalstaaten, die mit der
Umsetzung einer solchen Strategie beauftragt waren, ebenfalls
zunehmend transnationalisierte Staaten waren.
Und sie würde
zwangsläufig scheitern, weil diese transnationalisierten Staaten,
obwohl sie kein alleiniges Zentrum haben, Institutionen wie die G7,
die G20, den IWF, die WTO, das Weltwirtschaftsforum (Davos Forum) und
Hunderte von Universitäten, Think Tanks, Expertenausschüsse, das
Pentagon und Strukturen wie die NATO, jetzt auch die Quad, die Aukus
und andere ähnliche militärische Strukturen nutzen und von ihnen
verwendet werden, die ein Netzwerk bilden, das in der Lage ist, die
Interessen des Großkapitals zu planen, zu koordinieren und zu
verteidigen.
Da die Interessen des Großkapitals jedoch nicht
die gleichen sind wie die der Parteien, aus denen es sich
zusammensetzt, kann es paradoxerweise zu Unstimmigkeiten kommen, die
nicht nur nicht zur Lösung der bestehenden Probleme, zur
Stabilisierung der Märkte, zur Steigerung ihrer Effizienz und schon
gar nicht zur Lösung der Probleme der Armut, der Ungleichheit, der
Arbeitslosigkeit und der globalen Erwärmung beitragen, sondern auch
die Widersprüche des Systems, insbesondere die seines Paradigmas,
verschärfen und auch diejenigen mit seinen Partnern, einschließlich
derjenigen, die ihm am nächsten stehen, wie die NATO, denn, wie Das
Kapital betont, „Wenn Tumult und Streit Profit bringen, wird es sie
beide encouragieren. Beweis: Schmuggel und Sklavenhandel“. Zu den
Beweisen, die uns Marx seinerzeit vorgelegt hat, kommt heute noch der
Kalte Krieg hinzu, der angesichts der erhöhten tödlichen Macht von
Atomwaffen und den sie tragenden Hyperschallsystemen noch perverser
geworden ist.
Und wenn wir über den Kalten Krieg und den
neuen Kalten Krieg sprechen, können wir Marx nicht übersehen, wenn
er uns im 18. Brumaire… daran erinnert: „Hegel bemerkte irgendwo,
daß alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich
sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine
Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.“ Und auch, dass
letztere viel schlimmer sein kann. Die Analyse aus dieser
allumfassenden Perspektive macht deutlich, dass, wenn im ersten
Kalten Krieg die Tragödie die Folge des geopolitischen Kampfes
zwischen Kapitalismus und Sozialismus, vertreten durch die UdSSR,
war, in dem der osteuropäische Sozialismus besiegt wurde, so wird in
diesem neuen, in der Farce, die uns jetzt präsentiert wird, der
Sozialismus nicht einmal erwähnt und hat auch nur formal mit
Russland zu tun, denn darin spiegelt sich, auch ohne es zu nennen,
China wider.
Was dieser neue Kalte Krieg in Wirklichkeit zu
verbergen versucht, ist der Niedergang des Kapitalismus und vor allem
der Verlust der globalen Hegemonie der USA und sogar ihrer Fähigkeit,
die Welt zu beherrschen. Bei der Inszenierung der Farce kann man
übrigens nicht übersehen, dass, wenn das Ende des ersten mit
Gorbatschow und der Perestroika (Wiederaufbau) in Verbindung gebracht
werden kann, der zweite bereits mit Biden und „build back better“
(besser wiederaufbauen) verbunden ist.
In dem verzweifelten
Bemühen, die geopolitischen Interessen der USA in Osteuropa
aufrechtzuerhalten (das von der traditionellen Geopolitik immer noch
als Teil des Kernlandes betrachtet wird und daher angeblich notwendig
ist, um die Welt zu beherrschen), setzt die Regierung Biden weiterhin
auf militärischen Keynesianismus, den Kalten Krieg und die NATO, was
Europa akzeptiert, obwohl es gegen seine legitimen Interessen
verstößt und die Welt in einen Paroxysmus der Absurdität treibt.
Jenseits der Farce gibt es keine Wahl: Es gibt nur Raum für
Rationalität und
Vernunft.
https://de.granma.cu/mundo/2021-12-29/usa-von-der-verlorenen-fuhrungsrolle-zum-neuen-kalten-krieg-und-daruber-hinaus
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