Entnommen: https://linkezeitung.de/2022/01/20/ungleichheit-toetet-der-kapitalismus-und-die-pandemie/
„Ungleichheit tötet:
Der Kapitalismus und die Pandemie
VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 20. JANUAR 2022
von
Kevin Reed – http://www.wsws.org
Der jüngste Bericht der britischen Hilfs- und
Entwicklungsorganisation Oxfam, der am Montag erschien, dokumentiert
die extreme Zunahme der sozialen Ungleichheit in den ersten zwei
Jahren der Corona-Pandemie.
Während die Einkommen der
untersten 99 Prozent der Bevölkerung sanken und Millionen Menschen
an Covid-19 starben, verdoppelte sich das Vermögen der 10 reichsten
Männer der Welt.
Der Titel des Oxfam-Berichts fasst die
Ergebnisse treffend zusammen: „Ungleichheit tötet.“
Der
Bericht zeigt die unbestreitbare Realität: Die Pandemie ist eine
katastrophale Folge des kapitalistischen Systems, in dem die
Gesellschaft von der Finanzoligarchie beherrscht wird. In dem Bericht
wird der Zusammenhang zwischen dem Tod von Millionen Menschen auf der
ganzen Welt und der Politik der Regierungen hergestellt, die „die
Bedingungen für eine gefährliche Mutierung des Covid-19-Virus
geschaffen haben“.
Gleichzeitig, so die Schlussfolgerung des
Berichts, haben die Regierungen „die Bedingungen für eine völlig
neue Variante der Milliardärsvermögen geschaffen. Diese Variante,
die Milliardärsvariante, ist extrem gefährlich für unsere
Welt.“
Oxfam schreibt: „Seit Beginn der Pandemie ist alle
26 Stunden ein neuer Milliardär hinzugekommen. Die zehn reichsten
Männer der Welt haben ihr Vermögen verdoppelt, während über 160
Millionen Menschen in die Armut getrieben wurden. Inzwischen sind
schätzungsweise 17 Millionen Menschen an Covid-19 gestorben – ein
Ausmaß an Verlusten, das es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr
gegeben hat.“
Weiter heißt es: „Die kleine Weltelite der
2.755 Milliardäre hat ihr Vermögen während der Pandemie stärker
vermehrt als in den gesamten vierzehn Jahren zuvor – vierzehn
Jahre, die selbst schon einem Goldrausch für Superreiche
glichen.“
Seit 1995 hat das reichste Prozent fast 20-mal
mehr Vermögen angehäuft als die ärmsten 50 Prozent der Menschheit.
(Grafik: Oxfam)
Oxfam stellt das beispiellose Ausmaß der
Bereicherung in einen historischen Kontext: „Das ist der größte
jährliche Zuwachs an Milliardärsvermögen seit Beginn der Erhebung.
Er findet auf allen Kontinenten statt. Ermöglicht wird dies durch
explodierende Börsenkurse, einen Boom unregulierter Unternehmen,
einen Anstieg der Monopolmacht und Privatisierungen sowie die Erosion
von Unternehmenssteuersätzen und -vorschriften und der Rechte und
Löhne von Arbeitnehmern.“
Der Bericht fährt fort:
Laut
aktuellen Zahlen und Analysen, die im Dezember 2021 vom World
Inequality Lab veröffentlicht wurden, hat das reichste Prozent der
Weltbevölkerung seit 1995 19-mal mehr vom globalen
Wohlstandswachstum erhalten als die unteren 50 Prozent der
Menschheit. Die Ungleichheit ist heute so groß wie auf dem Höhepunkt
des westlichen Imperialismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Das
Goldene Zeitalter des späten 19. Jahrhunderts ist übertroffen
worden.
Laut Oxfam hat die Pandemie weltweit zu einem starken
Anstieg der Armut geführt:
Schätzungen zufolge leben heute
163 Millionen Menschen mehr von weniger als 5,50 Dollar pro Tag als
zu Beginn der Pandemie. Die Krise hat gezeigt, dass es für den
Großteil der Menschheit keinen dauerhaften Ausweg aus Armut und
Unsicherheit gibt.
Die Prognosen der Weltbank, des IWF und der
Credit Suisse zeigen Oxfam zufolge, dass „das Armutsniveau nicht
einmal bis 2030 auf den Stand vor der Corona-Krise sinken wird. Armut
verursacht nicht nur unermessliches Leid. Armut ist tödlich. Sie ist
eine Form von wirtschaftlicher Gewalt, die sich täglich gegen
Milliarden von Menschen auf der ganzen Welt richtet. In jedem Land
leben die ärmsten Menschen kürzer und sterben früher als die nicht
armen Menschen.“
Wie die deutsche Zusammenfassung des
Oxfam-Berichts aufzeigt, ist die Ungleichheit in Deutschland
besonders stark gestiegen:
Die zehn reichsten Personen haben
ihr kumuliertes Vermögen seit Beginn der Pandemie von ca. 144
Milliarden auf etwa 256 Milliarden US-Dollar gesteigert – ein
Anstieg um rund 78 Prozent. Allein dieser Gewinn entspricht annähernd
dem Gesamtvermögen der ärmsten 40 Prozent, also von 33 Millionen
Deutschen. Währenddessen erreicht die Armutsquote in Deutschland mit
16,1 Prozent einen Höchststand.
Oxfam betont, dass die
gegenwärtige Katastrophe, mit der sich Massen von Menschen weltweit
konfrontiert sehen, kein Zufall ist, sondern das Ergebnis einer
bewussten Regierungspolitik. „Riesige Summen öffentlicher Mittel,
die in unsere Wirtschaft geflossen sind, haben die Aktienkurse
dramatisch in die Höhe getrieben und dann die Bankkonten der
Milliardäre mehr denn je gefüllt.“
Jeden Tag trägt
Ungleichheit zum Tod von 21.300 Menschen bei. Das ist eine Person
alle vier Sekunden. (Grafik: Oxfam)
Die ungleiche
Impfstoffverteilung im Weltmaßstab sei ein „Schandfleck in der
Geschichte unserer Spezies“, so der Bericht. „Die
Coronavirus-Pandemie wurde aufgrund der Ungleichheit unmittelbar
tödlicher, langwieriger und existenzbedrohender. Die
Einkommensungleichheit ist ein stärkerer Indikator dafür, ob man an
Covid-19 stirbt, als das Alter.“
Oxfam deckt auch die
Mechanismen auf, mit denen die Finanzelite die Pandemie zum größten
Anstieg ihres Reichtums in der Geschichte genutzt hat.
Als
sich Covid-19 ausbreitete, pumpten die Zentralbanken weltweit
Billionen in die Wirtschaft, um die Weltwirtschaft liquide zu halten.
Ein Großteil dieser Anreize floss in die Finanzmärkte und von dort
in das Nettovermögen der Milliardäre. Die Regierungen haben seit
Beginn der Pandemie 16 Billionen Dollar in die Weltwirtschaft
gepumpt. Da die staatlichen Eingriffe die Aktienkurse in die Höhe
getrieben haben, hat sich in der Folge das Vermögen der Milliardäre
seit März 2021 um 5 Billionen Dollar erhöht, und zwar von 8,6 auf
13,8 Billionen Dollar.
Im Juli 2020 nannte die World Socialist
Web Site Covid-19 eine „Pandemie der Ungleichheit“. Diese Analyse
ist nun unbestreitbar. Das Massensterben durch Covid-19 ist, in den
Worten von Oxfam, der „Tod durch Ungleichheit“.
Die
Pandemie ist ein „Trigger-Ereignis“ in der Geschichte, das alle
grundlegenden Entwicklungen zum Ausdruck bringt und massiv verstärkt.
Die Gleichgültigkeit der Regierungen und der herrschenden Eliten
gegenüber dem Massensterben ist das Ergebnis jahrzehntelanger
sozialer Ungleichheit in einer Gesellschaft mit immer stärkeren
oligarchischen Strukturen.
Seit Beginn der Pandemie Anfang
2020 haben Regierungen auf der ganzen Welt, allen voran die USA,
Profite über Leben gestellt. Anfang 2020 vertuschten die
Trump-Administration und Demokraten wie Republikaner die große
Gefahr des Virus.
Als sich die Realität nicht mehr verbergen
ließ und die Märkte stark einbrachen, verabschiedeten die
Trump-Regierung und die Federal Reserve ein 6 Billionen Dollar
schweres Rettungsprogramm, dessen Löwenanteil an die Unternehmen und
Aktienmärkte floss.
Das Vermögen der 10 reichsten Männer
hat sich verdoppelt, während die Einkommen der untersten 99 Prozent
der Bevölkerung wegen Covid-19 gesunken sind. (Grafik:
Oxfam)
Geführt von beiden großen Parteien der USA öffneten die
Bundesstaaten wieder die Schulen und Betriebe, was zu einer Welle
nach der anderen führte, die in der bisher schlimmsten Welle durch
die Omikron-Variante gipfelten.
Obwohl Biden die Wahl im Jahr
2020 mit dem Versprechen gewonnen hat, „der Wissenschaft zu
folgen“, hat seine Regierung jeden Anschein aufgegeben, das Virus
einzudämmen, geschweige denn zu eliminieren. Sie durchseucht Tag für
Tag fast eine Million Menschen.
Diese Entscheidungen beruhten
allesamt auf dem einen Ziel, die Finanzoligarchie auf Kosten der
Arbeiterklasse zu bereichern. Der Oxfam-Bericht macht deutlich, dass
die Pandemie für die herrschende Elite extrem profitabel war. Und
das ist der Hauptgrund, warum sie nicht die Absicht hat, die Pandemie
zu stoppen.
Auf dem Milliardärstreffen beim
Weltwirtschaftsforum wurde Anthony Fauci, der medizinische
Chefberater von US-Präsident Biden, gefragt, ob 2022 „tatsächlich
das Jahr ist, in dem wir von einer Pandemie zu einer Endemie
übergehen“ können, aufgrund der Fähigkeit des Virus, „sich zu
verbreiten und Immunität durch eine Infektion zu bieten“.
Fauci
antwortete: „Ich hoffe, dass das der Fall ist…“
Mit
anderen Worten: Nach Ansicht des führenden Vertreters des
US-Gesundheitssystems wird Covid-19 im „besten Fall“ in der
Bevölkerung „endemisch“ und lässt den Tod von Hunderttausenden
zum Dauerzustand werden.
Daraus ergibt sich unausweichlich
eine Schlussfolgerung: Das Grundproblem besteht darin, dass der
Kapitalismus seinem Wesen nach im Gegensatz zu den Bedürfnissen der
Gesellschaft steht. Deshalb muss eine Bewegung der internationalen
Arbeiterklasse gegen diese Gesellschaftsordnung aufgebaut werden, die
sich auf einen Kampf zur Eliminierung und Ausrottung des Virus auf
der Basis einer Zero-Covid-Politik stützt.
Ein solcher Kampf
kann nur geführt werden, wenn er sich auf das sozialistische und
internationalistische Programm stützt, für das das Internationale
Komitee der Vierten Internationale und die World Socialist Web Site
kämpfen.
https://www.wsws.org/de/articles/2022/01/19/pers-j19.html
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