Wolfgang
Bittners Satire-Buch „Die Abschaffung der Demokratie“
Scharf
gewürzt
Buchtipp
von Harry Popow
Wenn
unser noch amtierender oberster Staatshäuptling Deutschland
vollmundig als die beste Demokratie in der Geschichte preist, kann
man sich nur an den Kopf fassen. Nicht ohne Grund werden sich deshalb
viele Leser gern darauf einlassen, wenn eine derart unreflektierte
Schönfärberei entlarvt wird und der Kaiser plötzlich ohne Kleider
dasteht.
Das
passiert in Wolfgang Bittners Buch „Die Abschaffung der
Demokratie“, einer kräftig gewürzten satirisch-literarischen
Attacke auf die alltäglichen Unwägbarkeiten in der Postdemokratie
und auf die gefährlichen Machenschaften der Kapitaleliten. Damit
steht Wolfgang Bittner in der Tradition von Kurt Tucholsky und Erich
Kästner, die die Warnzeichen ihrer Zeit fest ins Visier genommen
haben. Damals wie heute ein Anrennen gegen die Wand? Keineswegs, denn
im Nichtstun erstickt Menschlichkeit. Wer will das bestreiten?
In
meist kurzen, zupackenden Polemiken, Glossen und satirischen Texten
führt der Autor den Lesern die Schwächen und Widersprüche des
menschlichen Daseins in Zeiten der Vorbereitung neuer Kriege vor
Augen. Ebenso scharfkantig weist er auf die Menschlichkeit
absorbierende Wirklichkeit hin, auf die weltweiten inhumanen
Verhältnisse, in denen die Gattung Mensch zu ersticken droht, trotz
Vernebelung, Beschwichtigungen und gelegentlicher Zückerli, die das
Establishment stets parat hat, um das Volk bei Konsumfreude und –
wenn es beliebt – bei Kriegslaune zu halten.
Das
Buch besteht aus vier größeren Abschnitten und aus insgesamt über
zweihundert politisch scharfsinnigen, immer eine Überraschung
bereithaltenden Beiträgen. Oft nur ironisch andeutend, dann wieder
in überspitzter und damit wirkungsvoller Weise, kommt der Autor zum
Wesentlichen. Das tut dem Leser und seiner intellektuellen
Aufnahmebereitschaft gut und macht das Buch zu einem Lesevergnügen,
wie es bei diesem politisch profilierten Schriftsteller und
promovierten Juristen nicht anders zu erwarten war, der u.a. das sehr
erfolgreiche Buch „Die Eroberung Europas durch die USA“
geschrieben hat.
Gleich
zu Anfang seines Satirebuches steht eine Eloge auf die US-Eliten als
vermeintliche Friedensstifter, weil sie die Kapital- und
Energiemärkte und den zwischenstaatlichen Warenaustausch regulieren
und uns militärisch schützen. Zugespitzt heißt es: „Vielleicht
gelingt es mithilfe unserer Freunde demnächst ja doch noch, die
Schmach von Stalingrad zu tilgen“ (S. 17-18). (Ob sich mit Trump
nun wirklich etwas zum Besseren wendet, bleibt abzuwarten.)
Mitunter
ist es schwer, bei ernsthaften politischen Themen das entlarvende
Gegenargument anzubringen, denn Lächerlichkeit zu inszenieren will
gekonnt sein. Aber das gelingt dem Autor auf vielfältige Weise. Wenn
er die Formulierung „laut Aussagen von...“ benutzt, ist
Aufmerksamkeit geboten. Manchmal heißt es auch: „Wie aus
ungewöhnlich gut unterrichteten Kreisen verlautet …“ Dann geht
es zur Sache. Treffend und originell ist auch die Satire über die
Wiedergeburt habgieriger Manager oder korrupter Politiker, in der zum
Beispiel die Betreiber riskanter Ölförderungsanlagen nach ihrem
Ableben als „ölfressende Bakterien“ ihre Sünden abarbeiten
müssen (S. 19).
Mit
sehr spitzer Feder nimmt der Autor die Schwächen und
Unvorhersehbarkeiten menschlichen Daseins aufs Korn, die dem
marktwirtschaftlichen und globalisierten Neoliberalismus geschuldet
sind. Nachdem er auf die Verbrüderung der Schafe mit den Wölfen
eingeht – man weiß sofort, was gemeint ist –, prangert er die
Auswirkungen dieser untauglichen Vereinigung an (S. 24-25). Er
parodiert die Welle der Privatisierungen auf immer mehr Gebieten, die
zunehmende Überwachung und Kontrolle sowie die zahlreichen
Bestrebungen, aus den Bürgern höhere Steuern herauszupressen. Der
„Fürsorgestaat“, der keine Grenzen kennt, erlegt – dem
Vernehmen nach – Autofahrern und sogar Fußgängern eine
Schutzhelmpflicht auf. Und in der Satire „Unternehmensberatung für
Jungunternehmer“ empfiehlt Wolfgang Bittner aufstrebenden
Profiteuren in der Maskeradengesellschaft, sich mit den Honoratioren
der Stadt zu verbrüdern, sich bei Einladungen und Partys nicht
lumpen zu lassen und die eigene Kreditwürdigkeit durch
Geldtransaktionen von einem Konto aufs andere zu steigern. Dazu
gehört dann noch, Medien zu beeinflussen, Konkurrenten auszuschalten
und schließlich den Mitarbeitern vorzutäuschen, allen gehöre alles
zu gleichen Teilen. Wichtig dabei: „Schulabschlüsse, Ausbildung,
eventuelle Studien sind sekundär, auf den Willen kommt es an“ (S.
79).
Eine
volle Breitseite bekommt die vom Markt gesteuerte
„Persönlichkeitsentwicklung“ ab: der Wahn des Shoppens. Hin und
wieder fällt das Wort „gehobene Verdienstklasse“, zu der jene
gehören, die sich vor allem mit materiellem Besitz brüsten und so
ihren „menschlichen Wert“ bezeugen wollen.
Alles
in Allem: Anspruch und Wirklichkeit klaffen im Zuge der
Manipulationstechniken der „Qualitätsmedien“ immer mehr
auseinander. Leidtragende sind die geistig verarmenden Menschen, die
dem Konsum erliegen, vereinsamen oder sozial auf der Strecke bleiben,
die von demokratischer Mitbestimmung ausgenommen sind oder davon gar
nichts wissen wollen. Das wird in vielen dieser Geschichten deutlich.
Für
Leser, die sich vor allem von pfiffigen Ideen, listigen
Übertreibungen, angriffslustiger Polemik und vom Lächerlichmachen
der Zeitumstände angesprochen fühlen, ist dieses Satirebuch ein
Gewinn, ein Erkenntnis-Erlebnis. Wenn manche Leser sich in ihrem
Denken und Verhalten wiederfinden, so liegt das sicherlich in der
Absicht des Autors, weist er doch vollen Ernstes und mit viel
Fabulierungsspaß nach, dass Demokratie – wenn sie überhaupt
vorhanden war – in die Binsen geht.
Wie
aus ungewöhnlich gut unterrichteten Kreisen verlautet, soll dieses
scharf gewürzte Buch der Seitenhiebe auf eine überlebte
Gesellschaft nach der nächsten Bundestagswahl als Anregung und
offizielle Vorlage für neue Regierungsvisionen zur Verfügung
stehen. Bis dahin herrscht allerdings darüber ein Redeverbot.
„Demokratie“ in Aktion!
Wolfgang
Bittner, „Die Abschaffung der Demokratie“, Westend Verlag,
Frankfurt am Main 2017, ISBN
978-3-86489-167-0, 224 Seiten, 16,--
Euro.
Erstveröffentlichung in
der Neuen Rheinischen Zeitung:
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=23506
Kommentar eines Users aus dem Forum Leselupe:
Herzlichen Dank für diese appetitmachende Buchvorstellung - ich habe das Buch auf die Einkaufsliste für spritzige Zwischendurchlektüre gesetzt.
Kommentar eines Users aus dem Forum Leselupe:
Herzlichen Dank für diese appetitmachende Buchvorstellung - ich habe das Buch auf die Einkaufsliste für spritzige Zwischendurchlektüre gesetzt.
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