(Entnommen:
https://www.jungewelt.de/2015/05-12/062.php)
Kriegshetze
Skandalöse Äußerungen Merkels in Moskau
Von Arnold Schölzel
Was
gehört dazu, sich als Repräsentantin eines deutschen Staates in
Moskau 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg hinzustellen und von einer
»verbrecherischen und völkerrechtswidrigen Annexion der Krim« zu
sprechen? Antwort: Erstens das Fehlen jeglichen Funkens Anstand. Das
war bereits klar, als der Boykott der russischen Feierlichkeiten zum
9. Mai angekündigt wurde – insofern war es eine Wiederholungstat.
Zweitens das verordnete Vergessen dessen, was »verbrecherische
Annexion« an solch einem Tag der Erinnerung an Vernichtung und
Kolonisierung – auch der Krim – durch einen deutschen Staat
bedeutet. Der keiner linken Neigung verdächtige Historiker Götz Aly
wies in der Berliner
Zeitung am
vergangenen Dienstag auf den ersten Befehl des sowjetischen
Stadtkommandanten Berlins Nikolai Bersarin vom 2. Mai 1945 hin, in
dem von Wiederherstellung des Gesundheitswesens, von
Lebensmittelversorgung und Hilfe für kranke Kinder die Rede war. Aly
setzte hinzu: »Ersparen wir uns erste Wehrmachtsbefehle in Minsk,
Kiew oder Smolensk«. Der Name von Bersarin sollte nach 1990 auf
Betreiben der SPD aus dem Berliner Stadtbild verschwinden, um seine
Ehrenbürgerschaft gab es eine lange Auseinandersetzung auf
Frontstadtniveau. Das war ein Beispiel für die Staatspolitik, die
Angela Merkel mit ihrem Vokabular würdig vertreten hat.
Diese
zutiefst reaktionäre, ja revanchistische Haltung ist drittens auch
Quelle jener Ignoranz, die die Regierungschefin eines Staates, der
unter ihrer Führung an jeder staatsterroristischen Aktion des
Westens in den vergangenen zehn Jahren teilgenommen hat, gegenüber
Meinungen auch deutscher Völkerrechtler zur »Annexion« der Krim
pflegt. Dort gab es keine Annexion, so argumentieren nicht wenige
Juristen, sondern eine Sezession, die durch ein Referendum
legitimiert wurde.
Der
Affront übersteigt das gewohnte Maß auf dem diplomatischen Parkett
des Kalten Krieges. Es handelt sich um Kriegshetze, wie sie ansonsten
von den in Kiew durch die von den USA installierten Kreaturen à la
Jazenjuk zu hören ist. Mit ihrer Wortwahl hat sich die Kanzlerin
fest an die Seite der »Fuck the EU«-Strategen gestellt. Lügen und
Russophobie sind wichtigste Bestandteile der dazugehörigen
westlichen Propaganda.
Fest
steht zugleich: Derzeit zeigen die USA und ihre bundesdeutsche Lobby
Angela Merkel die Instrumente. Die Vorgänge um die BND- und
NSA-Affäre haben dazu geführt, dass die SPD öffentlich auf Distanz
zu ihr persönlich geht und von »Lügen« aus dem Kanzleramt
spricht. Das besagt, dass der Druck aus Washington, schärfer
gegenüber Moskau aufzutreten, zunimmt. Gleichzeitig lässt aber der
Druck des deutschen Kapitals, wenigstens den Handel mit Russland
nicht weiter einzuschränken, nicht nach. Merkels Worte sind insofern
ein deutliches Signal: Sie hat sich für Eskalation, wenn nicht für
Krieg entschieden.
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