Freitag, 8. Mai 2015

Hanna Fleiss zum Tag der Befreiung

Mai 45

Was wusste ich von Krieg,
von Tod, mit meinen drei Jahren,
ich sah die Ängste der Mutter,
fror in der Kälte des Bunkers

Bist du ein Soldat, fragte ich,
und der Soldat lachte, was er
sagte, begriff ich nicht, sah nur
den leuchtend roten Stern

Fort zog mich die Mutter,
dann eine große Stille,
nur in den Ruinen zwitscherte
ein kleiner grauer Vogel

Tag der Befreiung

Der achte Mai – kein Tag wie jeder Tag.
Ich war ein Kind, da war der Krieg am Ende.
Die Stille dröhnte wie ein Hammerschlag,
viel Hoffen nun, dass man die Lieben fände.

Berlin ein Leichenfeld. So schwarz der Rauch.
Ich weiß noch, dass da auch die Spatzen schwiegen.
Der Tag war schön, ein warmer Frühlingshauch,
als stumm-erschöpft wir über Trümmer stiegen.

Der Russe wird sich rächen, hieß es bald:
Ich sah die Rotarmisten Brot verteilen.
Die Menschen drängten sich auf dem Asphalt,
im Arm das Brot – so sah ich sie enteilen.

Inzwischen ist so viel mit uns geschehen.
Und wer weiß noch, was damals wirklich war?
Dem Tode konnten wir noch mal entgehen –
das ist so vielen Menschen nicht mehr klar.

Und wieder haben wir den achten Mai,
den Tag, der die Befreiung, Leben brachte,
das Ende aller Furcht und Barbarei,

den Tag, an dem sogar die Sonne lachte.

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