Arn
Strohmeyer: „Die israelisch-jüdische Tragödie. Von Auschwitz zum
Besatzungs- und Apartheidstaat Israel. Das Ende der Verklärung“
Die
Hybris Israels
Buchtipp
von Harry Popow
Bring
das mal auf den Punkt: Einerseits bricht Israel im Sinne der
Ideologie des Zionismus fortlaufend das Völkerrecht gegenüber den
Palästinensern, andererseits wird jegliche Kritik daran als
Antisemitismus, also als Hetze gegen Juden, aufgefasst und verfolgt,
vor allem durch die deutsche Bundesregierung und die Israel Lobby.
Dabei ist doch sonnenklar: Das deutsche Kapital fühlt sich als
Beschützer des israelischen Imperialismus. Eine Hydra hackt der
anderen doch kein Auge aus, zumal es dabei auch stets um
Riesengeschäfte geht.
Ein
heißeres Eisen kann es kaum geben: Von der israelisch-jüdischen
Tragödie ist die Rede im Buch von Arn Strohmeyer mit dem Untertitel
„Von Auschwitz zum Besatzungs- und Apartheidstaat Israel. Das Ende
einer Verklärung.“ Ohne langes Rätselraten: Wir haben es im
Verhältnis zum Holocaust, zu Israel, zum Antisemitismus und zum
Zionismus und damit zum Lügenberg über die Ursachen dieser
Konflikte mit einer mehrfachen Tragödie zu tun. Das ist der Konflikt
Israel-Palästina, die Verurteilung eines falsch verstandenen
Antisemitismus durch die BRD-Regierung, die Verschleierung der
ökonomischen Ursachen in der Politik sowie die Verdummung der Leser,
indem die Schuld am Holocaust schlechthin den Deutschen zugeschoben
wird statt dem deutschen Kapital mit Hilfe der Nationalsozialisten.
So heißt es auf Seite 235: „Es ist nur als tragisch zu bezeichnen,
dass Deutschland die Tragödie des Zionismus gar nicht wahrnimmt und
entsprechende politische Folgerungen daraus zieht.“ Und nun wird
sogar ein Beauftragter im Kampf gegen den Antisemitismus in den
Ministersessel torpediert, ein Beweis mehr für das Unvermögen,
Realitäten anzuerkennen und den Kapitalismus zu vernebeln.
Desto
dringender ist, der Volksverdummung um des Friedens willen Paroli zu
bieten. So, wie das Evelyn Hecht-Galinski, Uri Avnery, Petra Wild und
Fariss Wogantzi sowie andere Publizisten in ihren kritischen
Sachbüchern bereits getan haben. Und nun also Arn Strohmeyer. Es
geht im Grunde genommen um Krieg und Frieden in Nah-Ost, um
Menschenrechte und bewusst gebrochenes Völkerrecht. In 6 Kapiteln
und 14 Abschnitten entlarvt der Autor außerordentlich akribisch und
mit zahlreichen Beispielen belegt das völkerrechtswidrige Vorgehen
Israels gegenüber den Palästinensern.
Massaker
ohne Ende...
Wer
von den Nutzern der bürgerlichen „Qualitätsmedien“ wurde
darüber informiert: Dass in der Zeit der Nakba und des
israelisch-arabischen Krieges 1948/49 sowie im Juni-Krieg von 1967
die Zionisten 78 Prozent Palästinas in Besitz genommen hatten? (S.
9) Dass Israel in den besetzten Gebieten foltert, mordet, willkürlich
inhaftiert, grundlegende Menschenrechte und politische, kulturelle
und wirtschaftliche Teilhabe beschneidet? (S. 129) Dass sich die
Willkür der Kolonialherren in Häuserzerstörungen, Landraub,
bürokratische Schikanen, Verbannung in Reservate hinter Mauern und
Zäunen sowie permanente Razzien und Verhaftungen - oft ohne Prozess
– niederschlägt? (S. 201) Dass Israel rund 94 Prozent Palästinas
mit dem „Schwert“, also mit Gewalt erobert hat? (S. 205)
Das
israelische Herrenvolk, so der Autor auf Seite 12, berufe sich „auf
Grund seiner alten Kultur, seiner europäischen Herkunft und der
Leiden, die es in seiner Geschichte durchgemacht hat, auf seinen
privilegierten Status“ und habe mit seinem über ein anderes Volk
errichteten Besatzungsregime jede moralische Orientierung verloren.
Aus den Verfolgten von einst (Holocaust) seien brutale Täter
geworden. Auf den Seiten 205/206 ergänzt der Autor: „Die Ursachen
des Konflikts mit den Arabern beziehungsweise den Palästinensern (…)
werden nicht in der eigenen Politik (Kriegs-, Siedlungs-, Eroberungs-
oder Vertreibungspolitik) gesehen, sondern ausschließlich in der
´Feindseligkeit´ und in der Mentalität der ´Anderen´.“ Der
zionistischen Ideologie nach seien Araber grundsätzlich feindselig
und nicht friedensfähig. So schaffe sich Israel durch
Entpolitisierung und Dämonisierung selbst ein Feindbild und erklärt
sich dabei als Opfer, was eine Konfliktlösung unmöglich erscheinen
lässt.
Religiöser
Machtanspruch
Stellt
sich auch hier die Frage, ob die Öffentlichkeit über die
Hintergründe und Erscheinungsformen des Zionismus aufgeklärt ist?
Arn Strohmeyer lotet tief aus, indem er auf die Entstehungsgeschichte
des Zionismus eingeht. Zunächst
stellt er auf Seite 68 klar, Judentum und Zionismus sind nicht
dasselbe. Während
das
erstere eine Religion ist, eine kulturelle Gemeinschaft, so ist der
Zionismus „eine nationalistische Ideologie, die aber (ob zu Recht
sei dahingestellt) für sich in Anspruch nimmt, für das ganze
Judentum zu sprechen“, die Israels Staatsideologie ist. Dem
entgegengesetzt, so schreibt der Autor auf Seite 194, steht ein Teil
des Judentums auf dem Standpunkt der Alternative eines
Universalismus, der sich somit im Einklang mit der Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte
befindet. „Die Zionisten entschieden sich aber klar gegen den
Universalismus und für die konservativ-nationalistische Richtung,
was aber auch Absonderung und Isolation bedeutet“, so der Autor auf
Seite 195. Es gehe im Grunde auch um die Trennung zwischen Juden und
Nicht-Juden, die sich durch die ganze jüdische Geschichte zieht. Auf
Seite 70 findet der interessierte Leser viele Argumente gegen die
Behauptung der zionistischen Bewegung, ihren Anspruch auf Palästina
absichernd, „dass die Juden, die sich gegen die römische Besatzung
erhoben hatten, 70 n.u.Z bei der Zerstörung Jerusalems durch die
Römer vertrieben worden seien und nun nach 2000 Jahren wieder in
`ihr´ Land zurückkehren würden“.
Sackgassenpolitik
Israels
Noch
einmal: Es geht nicht gegen Juden schlechthin, nicht um scharf zu
verurteilenden Rassismus, sondern um die Ideologie des Zionismus, der
völkerrechtswidrigen kapitalistischen Herrschaft über Palästina.
Eine wesentliche Aussage über den Nah-Ost-Konflikt findet der Leser
bereits auf Seite 5, indem folgendes Zitat von Professor Dr. Udo
Steinbach, deutscher Islamwissenschaftler, wiedergegeben wird: „Der
Nahe Osten ist immer noch nach den Vorstellungen des Kolonialismus
und Imperialismus organisiert. Israel ist ein anachronistisches
Relikt des Kolonialismus und des Imperialismus. Im Nahen Osten findet
ein 30jähriger Krieg statt, aber die `neue Ordnung` wird kommen. Sie
wird den Nahen Osten verändern – auch die Beziehung Europas zum
Nahen Osten. Das wird auch Israel miteinbeziehen – das gegenwärtige
System dort ist nicht haltbar.“
Moshe
Zuckermann zitierend, wird auf Seite 116 festgestellt, die Ideologie
Israels – des Zionismus – ist eine der permanenten Gewalt, Israel
habe sich bis heute nicht in die Staatengemeinschaft des Nahen Ostens
integriert, es „ist ein Fremdkörper in der Region geblieben –
eine waffenstarrende Festung in einer `feindlichen` Umwelt. Und auf
Seite 120 wird konstatiert: „Dieser Staat ist nicht der Staat aller
seiner Bürger, sondern nach zionistischem Verständnis aller Juden
auf der Welt, also einer übernationalen Religionsgemeinschaft, die
sich als Ethnie versteht.“ Eine totale Perversion: Das offizielle
Israel lehne die Einhaltung von Menschenrechten und Völkerrecht in
Worten und Taten ab, denn sie gehören nicht zur jüdischen
Identität, so zu lesen auf Seite 175. Was das bedeutet? Für Europa
und speziell für Deutschland?: „Wer nicht bereit ist, Israels
partikularistischen und äußerst aggressiven Sonderweg der
Abkapselung, Trennung und Isolation mit all den politischen Folgen
(…) mitzutragen und Israel universalistisch vom Standpunkt des
Völkerrechts und der Menschenrechte aus beurteilt, ist nach
israelischem Verständnis (und dem seiner Lobby) ein „Antisemit“.
Damit werden aber nicht Juden geschützt, sondern eine
verbrecherische Politik. (S. 178)
Holocaust
als Motiv
Es
ist nicht verwunderlich, dass die israelische Staatsideologie, der
Zionismus, den Holocaust „zur Rechtfertigung ihrer politischen und
militärischen Ziele instrumentalisiert“ haben. (S. 28) Das diene
dem permanenten Schüren von Angst und Panik vor einem neuen
Holocaust, der Rechtfertigung der militärischen Stärke und der
gewaltsamen Unterdrückung der Palästinenser, denen man unterstellt,
die neuen Nazis zu sein und schließlich Kritiker gegenüber dem
Staat zum Schweigen zu bringen. (S. 28/29) Vor allem genügte es der
zionistischen Politik nicht, die Erinnerung an die Ermordeten „im
westlichen Bewusstsein“ wachzuhalten, so der israelische Historiker
Shlomo Sand, sie beanspruchte Einzigartigkeit, die nationale
Verfügungsgewalt über den Schmerz, um „aus ihm so viel
politisches Prestige und sogar wirtschaftliches Kapital zu schlagen,
wie nur möglich“. „Deshalb wurden nach und nach alle anderen
Opfer ausgeblendet, und der Genozid geriet zu einer ausschließlich
jüdischen Angelegenheit. Auch jeder Vergleich mit anderen
Völkermorden war von nun an untersagt“. (S. 37)
Wenn
das Geschäft lockt...
Wenn
also der deutsche Leser vor dem Antisemitismus gewarnt wird, da doch
„die eigene Schuld“ dazu verpflichtet, dann ist das ohne Zweifel
nicht nur – wie üblich – die Verklärung der faschistischen
Verursacher von Krieg und Holocaust, sondern auch die Inkaufnahme von
Kriegsverbrechen des imperialistischen Staates Israel gegenüber dem
palästinensischen Volk und damit die Legitimierung von Verstößen
gegen die Menschenrechte und gegen das Völkerrecht. Auf Seite 209
formuliert der Autor das Einknicken der deutschen Politik vor den
Verbrechen Israels mit folgender Einschätzung: „Jede Kritik an
diesem Kurs wird als Antisemitismus abgeschmettert. Nicht Israels
barbarische Politik steht also am Pranger, sondern der Kritiker, der
warnt und Humanität einfordert. Der denunziatorische
Antisemitismus-Vorwurf ist die letzte ideologische Schutzmauer, die
dieser Staat neben der realen Mauer um sich baut, um einen Zustand zu
retten, der auf Dauer nicht zu retten ist.“
Umkehr
vonnöten
Nicht
zu retten? Ohne Zweifel hat sich Israel, wie auf Seite 312 zu lesen,
„in eine politische Sackgasse manövriert, da die
Zwei-Staaten-Lösung durch „Israels Unnachgiebigkeit, das Land zu
teilen, und seine fortgesetzte Siedlungspolitik unmöglich geworden
ist, bleibt nur die Ein-Staaten-Lösung, bei der die Palästinenser
aber den größeren Bevölkerungsanteil stellen würden“. Das würde
aber zu der Bildung eines – vermutlich diktatorischen –
Apartheidstaates führen, so der Autor. Er mahnt eine Umkehr an, die
aber „zur Zeit wegen der herrschenden Machtverhältnisse und der
politischen Verblendung der Bevölkerung undenkbar ist“. Ziel sei
ein säkularer demokratischer Staat, in dem Juden und Palästinenser
gleichberechtigt leben können. Nur so sei der Frieden möglich. (S.
220)
Arn
Strohmeyer hat mit seinem gut lesbarem und reich argumentativen Buch
weiter den Weg zu einem besseren Verständnis der
israelisch-jüdischen Tragödie den Weg geebnet. Klar kommt der
Zusammenhang zwischen kapitalistischen Machtansprüchen und der
Abwehr von „Angriffen“ im Interesse der Menschenrechte und des
Völkerrechts mit dem Vorwurf des Antisemitismus zum Tragen. Das ist
umso wichtiger, da es hier, wie gesagt, um Krieg und Frieden nicht
nur im Nahen Osten, sondern auch um den Weltfrieden geht. Besonders
hervorzuheben sind die zahlreichen Zitate von Persönlichkeiten von
Politik und Kultur, selbstverständlich auch von israelischen
Prominenten. Im Anhang befinden sich zudem zahlreiche Beispiele der
Massaker Israels gegenüber den Palästinensern. Wenn diese so
wichtige politische Lektüre – wie gehabt – von der Lügenpresse
nicht so recht wahrgenommen wird, dann ist die Forderung nach
politisch gänzlich anderen gesellschaftlichen Verhältnissen auch
und besonders angemahnt. Die Hybris Israels – sie muss im Namen des
Friedens auf den Boden der Realität geholt werden.
Arn Strohmeyer: Die israelisch-jüdische Tragödie. Von Auschwitz zum
Besatzungs- und Apartheidstaat Israel. Das Ende der Verklärung,
Taschenbuch: 280 Seiten, Gabriele Schäfer Verlag Herne;
Auflage: 1 (13. Dezember 2017), Sprache: Deutsch, ISBN-10: 3944487575,
ISBN-13: 978-3944487571, 19,90 Euro
(Erstveröffentlichung des Buchtipps in der Neuen Rheinischen Zeitung)
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