Samstag, 15. April 2017

USA lassen Bomben sprechen


Aus: Ausgabe vom 15.04.2017, Seite 1
Der Irre mit der Bombe
Drohgebärde gegen Iran und Nordkorea: Kriegsherr und US-Präsident Donald Trump lässt Massenvernichtungswaffe über Afghanistan abwerfen
Von Knut Mellenthin

Die US-Regierung treibt die militärische Eskalation weltweit in Windeseile voran. Am Donnerstag abend (Ortszeit) warfen US-Streitkräfte mit einer Transportmaschine zum ersten Mal eine Superbombe des Typs »GBU-43« über Afghanistan ab. Diese ist mit einer Explosivkraft von elf Tonnen herkömmlichen Sprengstoffs (TNT) und einer tödlichen Druckwelle mit einem Radius von zirka 1,6 Kilometern die gefährlichste verfügbare nichtatomare Massenvernichtungswaffe. Bekannt ist der Sprengkörper als »Massive Ordnance Air Blast« (MOAB) oder »Mother of all Bombs« (»Mutter aller Bomben«). Er wurde bisher nur unter »Gefechtsfeldbedingungen« erprobt. Gleich nach dem Bombenabwurf eilten Soldaten und Militärwissenschaftler der USA gemeinsam mit afghanischen Einsatzkräften an den Tatort, um die Auswirkungen festzustellen.

Die schwerste »konventionelle« Waffe des US-Militärs ist die »GBU-43« trotz anderslautender Behauptungen mancher Medien nicht. Mit der »GBU-57« verfügen die USA bereits über eine Bombe mit einer etwa ein Drittel höheren »Effektivität« und erheblich stärkerer Durchschlagskraft, die aber noch nicht unter »echten« Verhältnissen getestet wurde.

Aus militärischer Sicht macht der Abwurf der »GBU-43« gegen angebliche Kräfte des »Islamischen Staates« (IS) in Ostafghanistan keinen Sinn. Nach ersten Ermittlungen des Kabuler Verteidigungsministeriums wurden beim Einsatz der 16 Millionen Dollar teuren Superbombe »nur« 36 Kämpfer des IS getötet. Die gesamte Personalstärke der afghanischen Filiale des IS beträgt nach Schätzungen zwischen 700 und 1.500 Mann, ist also nahezu irrelevant. Es handelte sich bei dem Bombenabwurf hauptsächlich um die Erprobung einer Massenvernichtungswaffe, die 2003 erstmals unterirdisch getestet worden war. Diesen Aspekt griff der frühere afghanische Präsident Hamid Karsai auf, indem er am Donnerstag twitterte: »Das ist kein Krieg gegen den Terror, sondern der unmenschliche und höchst brutale Missbrauch unseres Landes als Testgelände für neue und gefährliche Waffen.«

Der Abwurf der »GBU-43« ist eine eindeutige Drohung gegen den Iran und mehr noch gegen die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK). Dort erwarten westliche Medien und Politiker diesen Sonnabend, dem 105. Geburtstag von Staatsgründer Kim Il Sung, den sechsten Atomwaffentest des Landes oder zumindest den Start einer Mittelstreckenrakete. US-Präsident Donald Trump gibt vor, zur Lösung des »Nordkorea-Problems« ein gemeinsames Vorgehen mit China zu bevorzugen, droht aber auch mit einem militärischen Alleingang, falls die angestrebte Zusammenarbeit nicht zustande kommt. Als Signal der Kriegsbereitschaft schickte Trump vor einer Woche eine Flugzeugträgergruppe in die Gewässer vor der koreanischen Halbinsel. Der US-Präsident steht unter Zeitdruck: Am 9. Mai finden in Südkorea Neuwahlen statt, nachdem die konservative Präsidentin Park Geun Hye vom Parlament abgesetzt wurde. Im Ergebnis wird die Regierungsmacht vermutlich an die Opposition übergehen, die einem Krieg mit der DVRK skeptisch gegenübersteht.

Unter Berufung auf mehrere Mitarbeiter von US-Geheimdiensten berichtete der Sender NBC, dass die USA darauf vorbereitet seien, einen Angriff gegen die DVRK auszuführen, sollte es einen weiteren Atomtest geben. China ist alarmiert und rief alle Beteiligten zur Zurückhaltung auf. »Wir fordern ein Ende der Provokationen und Drohungen, bevor die Lage nicht mehr zu retten ist«, sagte Chinas Außenminister Wang Yi am Freitag in Beijing.






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