Rainer Rupp: Pläne für Wiederaufrüstung der Ukraine für nächsten Krieg gegen Russland – Teil II
VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 25. NOVEMBER 2024 ⋅ HINTERLASSE EINEN KOMMENTAR
Von Rainer Rupp – https://rtnewsde.com
Teil I der Analyse finden Sie hier.
Die Niederlage der Ukraine – egal ob mit oder ohne ATACMS – ist nicht
mehr abzuwenden. Doch die britische militärische Denkfabrik RUSI hat
bereits Pläne präsentiert, um die Ukraine während eines eingefrorenen
Waffenstillstandes zu einem noch mächtigeren Rammbock gegen Russland
aufzurüsten.
Teil I endete mit der Bemerkung, dass der Autor des RUSI-Artikels,
Andrei Sagorodnjuk, ehemaliger Verteidigungsminister der Ukraine von
2019 bis 2020 und ex-Berater von Selenskij, sich nicht verkneifen kann,
die USA/NATO für die aktuellen militärischen Probleme der Ukraine
verantwortlich zu machen. In einer langen Litanei listet er die
Versäumnisse und die Schwächen der bisherigen NATO-Hilfen auf.
Die Lieferung veralteter NATO-Ausrüstung ist dabei die Nummer eins und
der Dauerbrenner der ukrainischen Kritik. So habe die NATO der Ukraine
antiquierte Waffen geschickt – darunter die F-16-Kampfjets mit
veralteten Radarsystemen. Das Resultat: Russland beherrscht den
Luftraum, während die Ukraine mit Raketen und Drohnen bombardiert wird.
Ohne moderne Luftüberlegenheit sei jede Verteidigungsstrategie von
Anfang an zum Scheitern verurteilt, so Autor Sagorodnjuk.
Rainer Rupp: Pläne für Wiederaufrüstung der Ukraine für nächsten Krieg gegen Russland – Teil I
Als nächstes kritisierte er unpassende operative Einsatzmodelle, auf
deren Grundlage die NATO-Instrukteure den ukrainischen Rekruten das
Kriegshandwerk beigebracht hätten. Die Ukraine kämpfe nämlich unter
Bedingungen, unter denen das NATO-Militär niemals kämpfen würde.
NATO-Strategien beruhen nämlich typischerweise auf überwältigender
Luftüberlegenheit und Langstreckenangriffen, um feindliche Streitkräfte
vor dem direkten Engagement am Boden zu schwächen. Im Gegensatz dazu
stehe die Ukraine den russischen Streitkräften direkt an den Frontlinien
gegenüber, oft ohne ausreichende Luftunterstützung oder
Langstreckenwaffen. Dadurch würde die Ukraine dazu gezwungen, dieses
Missverhältnis durch erhebliche menschliche Verluste auszugleichen.
Daraus leitet Sagorodnjuk die dringende Notwendigkeit eines effektiveren
Einsatzmodells ab, indem USA/NATO der Ukraine mit modernen westlichen
Flugzeugen helfen, die Luftüberlegenheit gegen die Russen herzustellen.
Abgesehen von den traumtänzerischen Hoffnungen auf eine ukrainische
Luftüberlegenheit ist in diesem Teil von Sagorodnjuks NATO-Mängelliste
vor allem dessen – sicherlich nicht absichtliches – Eingeständnis der
ungeheuren Verluste der Ukraine an Menschen und Material interessant.
Normalerweise werden hohe Verluste von der ukrainischen Propaganda
kategorisch abgestritten, was von den US-/NATO-„Qualitätsmedien“
mantrahaft nachgebetet wird.
Grenzgebiet Charkow: Russische Gleitbombe zerstört ukrainisches Hauptquartier
Das dritte Problem der Ukraine, bei dem Sagorodnjuk eine mangelnde
taktische Unterstützung der NATO kritisiert, sind die russischen
Gleitbomben, Langstreckenraketen und Drohnen. Hier gebe es eine große
Lücke in den taktischen Fähigkeiten. Um diese zu schließen, seien
fortschrittlichere Luftabwehrsysteme, Anti-Drohnen-Technologien und
elektronische Luftabwehrsysteme erforderlich. Ohne diese Fähigkeiten
bleibe die Ukraine den hoch entwickelten russischen Waffen ohne
ausreichenden Schutz ausgesetzt. Auch hier ist interessant, dass
Sagorodnjuk mit der US-/NATO-Mär von den veralteten, und zudem nicht
funktionierenden russischen Waffen aufräumt, die angeblich gegen die
westlichen Wunderwaffen keine Chance haben.
Abschließend widmet sich der Autor der Planung der zukünftigen
Streitkräfte der Ukraine. Dazu sei prioritär erforderlich, die sich
ständig verändernde Dynamik auf dem Schlachtfeld und die damit
verbundenen technologischen Fortschritte rechtzeitig zu erkennen und in
praktisches Handeln umzuwandeln. Die rasante Innovation in Bereichen wie
unbemannten Systemen, elektronischer Kriegsführung und Computer Vision
hätten bereits viele traditionelle Waffen und Doktrinen überholt, so
Sagorodnjuk.
Bis hierhin hat der Autor die zu erwartenden Entwicklungen korrekt
analysiert, nur um im Anschluss spektakuläre Luftschlösser zu bauen, in
denen diese Entwicklungen gemeistert würden. Da heißt es z. B., um in
Zukunft militärisch mithalten zu können, müsste die Ukraine einen
zukunftsorientierten Ansatz verfolgen und modernste Technologien in ihre
Verteidigungsstrategie integrieren. Aber wie soll das gehen? Woher
kommen die neuen, revolutionären Innovationen? Woher kommt das Geld für
Forschung, Entwicklung, Testen und Evaluierung neuer militärischer
Systeme, bevor eins davon in die Serienproduktion geht? Wo sind die auf
diese Bereiche zugeschnittenen ukrainischen Spitzeninstitute mit
Top-Ingenieuren und Technikern? Ach ja, sie sind alle in Sagorodnjuks
Luftschlössern angesiedelt.
1000 Tage falsche Solidarität – die Ukraine geht zugrunde, die EU feiert sich selbst
Aber halt, Sagorodnjuk hat doch noch eine geniale Idee, die er dem Westen über seinen RUSI-Artikel anbietet, und hier ist sie:
Westliche militärische Beschaffungssysteme, die für Friedenszeiten
konzipiert seien, hätten sich als ungeeignet für die schnellen
Anforderungen der modernen Kriegsführung erwiesen. Lange Entwicklungs-
und Lieferzyklen hätten die Bereitstellung kritischer Systeme verzögert,
sodass einige Plattformen bereits obsolet seien, bevor sie das
Schlachtfeld erreichten. Diese langsame Anpassung habe die Ukraine
verwundbar gemacht und zeige die Notwendigkeit eines agileren Ansatzes
bei der Verteidigungshilfe auf.
Der Weg der Ukraine zu dauerhaftem Frieden und Sicherheit hänge laut
Sagorodnjuk davon ab, die Mängel der bisherigen NATO-Hilfe zu beheben
und ein widerstandsfähiges Verteidigungsrahmenwerk aufzubauen. Dafür
bietet der Autor dem Westen an, für neue Entwicklungen die
widerstandsfähige, hoch entwickelte ukrainische Rüstungsindustrie zu
nutzen, denn in der Ukraine gebe es weniger administrative Hürden, um
schnell auf neue Herausforderungen zu reagieren.
Durch die Nutzung der industriellen Kapazitäten der Ukraine, durch die
Integration fortschrittlicher Technologien und die Angleichung an
NATO-Standards könne die Ukraine eine Abschreckungskraft schaffen, die
ihre Souveränität und Stabilität sicherstellt und von der auch die NATO
und vor allem Europa profitiere.
https://rtnewsde.com/international/226633-plaene-fuer-wiederaufruestung-ukraine-fuer/
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