Die Chancen einer Regierung Trump – und warum Deutschland sie nicht nutzen wird
VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 7. NOVEMBER 2024 ⋅ HINTERLASSE EINEN KOMMENTAR
Von Dagmar Henn – https://rtnewsde.com
Die Wahl von Donald Trump, die von deutschen Medien und Politikern als
Katastrophe dargestellt wird, bietet durchaus Chancen, an einigen
Stellen den Kurs zu korrigieren. Aber selbst wenn die Ampel endgültig
scheitert, dürften diese Chancen verspielt werden.
Beim Wetter nennt man so etwas ein Wetterleuchten: ein wenig wie ein
Gewitter, aber es ist noch nicht klar, ob es wirklich gewittern wird
oder sich die Spannung noch länger weiter aufbaut. Der dramatische Wert
der deutschen Politik ist derzeit jedenfalls hoch; gleichzeitig mit dem
Wahlergebnis aus den USA scheint sich die Auseinandersetzung in der
Ampel weiter zuzuspitzen, vorangetrieben von den beiden kleinen Parteien
FDP und Grüne, die darum kämpfen, den Kopf über Wasser zu halten. Aber
es ist ein Spektakel, das günstigenfalls die nächste Phase politischer
Stagnation, auch als Große Koalition bekannt, ankündigt, und im
schlimmsten Fall eine Phase des Komas einer Ampel, die zu große Angst
vor dem Untergang hat.
Nach Brexit kommt USexit: USA werden Europa verlassen – und das wird „hässlich“
Klar ist, dass weder die von Habeck noch die von Lindner vorgetragenen
Vorschläge die sich abzeichnende wirtschaftliche Katastrophe abwenden
können. Auf der einen Seite Verluste zu erzeugen, die dann auf der
anderen Seite mit Steuergeldern (über den Umweg von Schulden) wieder
zugekleistert werden, während sich die Perspektiven für die normale
Bevölkerung weiter verschlechtern, ist ebenso wenig ein Ausweg wie noch
mehr Steuersenkungen für Reiche mit noch etwas beschleunigter
Verschlechterung.
Die wirkliche Krise geht viel zu tief. Die Financial Times widmete der
Frage am Dienstag einen Leitartikel: „Ist Deutschlands Geschäftsmodell
zerbrochen?“ Die grundsätzlichen Probleme werden darin durchaus richtig
benannt: Die industrielle Produktion sei seit 2017 um 16 Prozent
gesunken. Gleich drei zentrale Sektoren der deutschen Industrie haben
massive Probleme: die Chemie- wie die Automobilindustrie und der
Maschinenbau. Wobei, das umgeht auch die Financial Times, ein Teil
dieser Probleme hausgemacht ist.
„Weil sie sich auf importierte Kohlenwasserstoffe verließ, wurde die
chemische Industrie – einer der größten Industriesektoren Deutschlands –
durch die Steigerung der Energiepreise schwer geschädigt, die auf den
russischen Einmarsch in die Ukraine folgte“.
Nun, das lag wohl eher an den Sanktionen und dem freundlichen Geschenk
der transatlantischen Verbündeten, aber außerhalb der deutschen Politik
ist es ein Gemeinplatz, dass der wirtschaftliche Erfolg Deutschlands
viel mit dem Zugang zu günstigen Energierohstoffen zu tun hatte. Wobei
das gemeine Volk davon nur wenig hatte und dennoch mit den höchsten
Strompreisen Europas beglückt wurde; allerdings sind sie nun eben auch
für die Industrie so hoch, dass Produktion in Deutschland zum riskanten
Spiel wird.
Schwarze Zukunft für die Automobilindustrie
Die Entscheidung, den Binnenmarkt zugunsten einer Exportorgie zu
strangulieren, fiel bereits vor zwanzig Jahren. Einige Entwicklungen
hätten sich voraussehen lassen können, etwa, dass China irgendwann
lernt, selbst Maschinen zu bauen. Derzeit jedoch sind ganze Sektoren,
wie der Fahrzeugbau, regelrecht in die Ecke gedrängt, weil der
Binnenmarkt weiter einbrechen wird, aber dank EU-Sanktionspolitik auch
Exportmärkte schwinden.
Dabei gibt es tiefere Gründe dafür, dass selbst die deutsche
Automobilindustrie inzwischen ins Hintertreffen geraten ist, die nicht
einmal mit der (von Deutschland mit vorangetriebenen) verrückten
EU-Entscheidung zum Verbrennerverbot zu tun haben. Die
Entwicklungsabteilung von VW für das autonome Fahren, das eigentlich der
nächste technische Schritt ist, sitzt in China und nicht mehr in
Deutschland, das jahrzehntelang die Forschungsabteilung für viele große
Automobilkonzerne bot. Warum? Autonomes Fahren setzt ein Niveau an
Vernetzung voraus, für das in Deutschland erst viel hätte investiert
werden müssen, selbst für die Erprobung. Aber die Entwicklung der
Kommunikationsnetze in Deutschland hinkt hinterher, seit noch unter Kohl
der ganze Sektor privatisiert wurde. Das ist nicht anders als im
Bahnverkehr auch.
Dass Deutschland die industrielle Dampfwalze werden konnte, die es lange
war, mit einem weit überproportionalen Anteil an der weltweiten
Industrieproduktion, beruhte zum Teil schlicht auf der dichten
Besiedlung, die die für Fahrzeug- und Elektroindustrie erforderlichen
Netze relativ günstiger machte. Aber technologische Sprünge setzen in
der Regel voraus, dass die Infrastruktur auf dem neuesten Stand ist; das
vom heutigen Deutschland zu behaupten, wäre mehr als kühn.
Aber was hat das alles mit der erneuten Wahl von Donald Trump zum
US-Präsidenten zu tun? Als die Berliner Politik die Sanktionspolitik
gegen Russland unterstützte, ging sie mit hoher Wahrscheinlichkeit von
zwei Vermutungen aus. Die erste, dass Russland leicht zu besiegen sei,
vor allem ökonomisch, und man danach einen Teil der Beute bekäme, wenn
die Bruchstücke des Riesenlandes verteilt werden. Und die zweite war,
dass, „solange es nötig ist“, die Vereinigten Staaten den verlorenen
Exportmarkt ersetzen würden.
Einfach nur noch Schluss: Die strategische Sackgasse der deutschen Politik
Das mit Russland ging bekanntlich ins Auge. Trump will nun den US-Markt,
so zumindest die Ankündigungen, auch gegenüber der EU, und das heißt
insbesondere Deutschland, stärker abschotten, vor allem durch
Importzölle. Soweit das bisher bekannt ist, dürfte das auch die
Niederlassungen deutscher Automobilkonzerne in Mexiko treffen, wobei der
reine Luxussektor wie Porsche sich vielleicht trotzdem noch halten
kann. Jedenfalls ist ihm das bereits seit Jahrzehnten bestehende
Handelsdefizit der USA ein Dorn im Auge. 1991 war das letzte Jahr, in
dem die Handelsbilanz zwischen Deutschland und den USA ausgeglichen war.
2023 betrug der deutsche Überschuss 62,87 Milliarden Euro.
Nun ist Donald Trump sicher kein Held der Arbeiterklasse, auch wenn eine
Reindustrialisierung der USA zu einem besseren Lebensstandard der
Normalbürger beitragen würde. Aber schon 2008 zeigte sich eigentlich,
dass das US-Wirtschaftsmodell, den Rest der Welt über Renten
abzuschöpfen, nicht auf Dauer funktionieren würde. Die Unterschiede
zwischen der von den US-Demokraten (und den Neokons) vertretenen
Strategie und jener, die sich unter Trump zumindest als Möglichkeit
abzeichnet, sind weit deutlicher, als es Unterschiede politischer
Strategien in den USA in den letzten Jahrzehnten waren, obwohl beide
jeweils Teile der Oligarchie vertreten. Denn der eine Teil setzt darauf,
selbst um den Preis des globalen Untergangs die Vorherrschaft zu
verteidigen; aber es wäre dumm, anzunehmen, dass es nicht auch andere
Teile gibt, die stattdessen nach Möglichkeiten suchen, die denkbaren
Großkatastrophen Crash und Atomkrieg zu vermeiden und stattdessen,
soweit möglich, den Rückzug in sichere Gefilde anzutreten.
Eine Reindustrialisierung hat nämlich, aus Sicht der Oligarchie, den
Vorteil, dass industrielle Anlagen im Vergleich zu Aktien oder gar
Derivaten, ja, selbst zu Immobilien, vergleichsweise crashsicher sind.
Der Versuch, wieder mehr reale Produktion in die USA zu holen, ist zum
Teil zumindest eine Art Lebensversicherung. Ganz abgesehen davon, dass
der Verlauf des Krieges, den man so munter in der Ukraine angezündet
hatte, in Bezug auf die Bedeutung industrieller Grundlagen eine harsche
Lektion war (und gleichzeitig belegte, wie wenig Ahnung große Teile der
US- wie der EU-Eliten noch von ökonomischen Zusammenhängen haben).
Dumm oder kalkuliert? Deutsche Pleite-Wirtschaftspolitik bedient Monopolinteressen
Die deutsche Industrie hat sich einreden lassen, die USA wären der
Ersatz für die Märkte, die durch die politischen Manöver im Gefolge der
Biden-Regierung verloren gehen, was inzwischen nicht nur Russland,
sondern auch China betrifft. Es ist aber nicht so, dass es keine
Optionen gäbe. Ohne die Strangulation durch den Neokolonialismus werden
sich in Afrika gigantische neue Märkte eröffnen. Die jedoch werden nicht
zugänglich sein, solange politisch am kolonialen Modell festgehalten
wird.
Wenn die enorme Belastung durch Sanktionen und die „Solidarität“ mit der
Ukraine wegfiele, wenn man die Rüstungsausgaben wieder senken und den
Klimawahn beenden würde, und dann womöglich Nord Stream wieder in
Betrieb nähme, ließe sich ein großer Absturz noch abfangen. Es ist nicht
so schwer einzusehen, dass ein Land von etwas über 80 Millionen auf
einem Planeten mit einer Gesamtbevölkerung von 8,2 Milliarden gerade mal
ein Prozent darstellt und es seine Zukunft daher eher in Kooperation
suchen sollte als in Dominanzvorstellungen.
Nichts allerdings läge der deutschen Politik ferner. Und zwar ohne jeden
merklichen Unterschied zwischen den Ampelleuchten und der schwarzen
CDU. Statt ein mögliches Ende des Ukraine-Kriegs, das Donald Trump als
Ziel benannt hatte, als Hoffnung zu sehen, weil die verhängnisvollen
Sanktionen dann endlich wegfielen und vielleicht sogar die in
Deutschland untergebrachten Ukrainer zurückkehren würden (was
unmittelbar die anstehende Erhöhung der Krankenkassenbeiträge zumindest
verringern würde), wird einstimmig beteuert, auch ohne die USA wolle man
so weitermachen wie unter Biden. Dann müsse eben Deutschland mehr
Verantwortung bei der „Unterstützung“ der Ukraine übernehmen – und noch
schneller aufrüsten.
Nicht nur die Grünen, auch SPD, FDP und CDU halten am Klimaschutz fest,
und damit am fortgesetzten Angriff sowohl auf die Lebensverhältnisse der
Mehrheit wie auch auf die Grundlagen der Industrie. Man muss nur einmal
auflisten, was im kommenden Jahr alles auf die Menschen zukommen soll:
der nächste Aufschlag auf die Benzinpreise (zwischen 15 und 17 Prozent),
eine Erhöhung der Krankenkassenbeiträge, der Kfz-Versicherung, der
Heizkosten; die Inflation zieht ebenfalls wieder an, und die Mieten
bewegen sich dank Wohnungsmangels kontinuierlich nach oben. Zumindest
die CO₂-Abgabe ließe sich kappen. Und das Verbrennerverbot? Das würde
nicht lange stehen, sollte sich eine Bundesregierung vehement dagegen
einsetzen; schließlich dürfte mit einer US-Regierung unter Trump der
ganze Klimazirkus ohnehin in Frage gestellt werden.
Deutsche Erfolgsbranche in Not – Über das Elend der chemischen Industrie
Auch die ganze Corona-Misere könnte aufgerollt werden, bis hin zur
obersten Korruptionsbeauftragten Ursula von der Leyen. Das ist noch
keine Lösung für die grundlegenden materiellen Probleme, aber es würde
wieder etwas Luft zum Atmen verschaffen. Eine Regierung Trump wird zwar
den Einfluss der Big Tech genannten Konzerne nicht abschaffen, aber sie
wird das Gewebe zwischen ihnen, den Medien und den vielen
Zensureinrichtungen auf jeden Fall lichten. Wer will behaupten, dass es
kein Fortschritt wäre, wieder über Fragen von Krieg und Frieden sprechen
zu können, ohne gleich an Strafanzeigen und Staatsanwälte zu denken?
Nichts davon dürfte bis nach Deutschland durchdringen. Für eine
zukunftsweisende Industriestrategie, die BRICS als Möglichkeit sieht,
nicht als Bedrohung, fehlt ebenso die politische Kraft wie für eine
wirkliche Abkehr vom politischen Konfrontationskurs, nach innen wie nach
außen. Ein Rückzug der USA aus Europa wird von dieser verzwergten
Politmannschaft nicht als Gelegenheit gesehen, endlich einen Kurs
einschlagen zu können, der dem Land nutzt und nicht schadet; nein, sie
sind alle gleichermaßen traurig, weil sie mehr, nicht weniger NATO
wollen, mehr, nicht weniger Klimazirkus und Zensur. Schon im Oktober
hatte der Verband der Metallindustrie in Niedersachsen allein für dieses
Bundesland von bis zu 100.000 bedrohten Arbeitsplätzen gesprochen; aber
alle wirtschaftlichen Maßnahmen, die einfacher wären, wenn Trump in der
Ukraine den Fuß vom Gas nimmt, haben unter den möglichen
Regierungsparteien, ob die Koalition heute platzt oder noch bis zum
kommenden September weiterröchelt, keine Vertreter.
Die Welt zitierte jüngst den Magdeburger Wirtschaftswissenschaftler
Joachim Weimann, was für sich genommen schon ein wenig überrascht.
Weimann hat sich schon länger kritisch über verschiedene
umweltökonomische Ansätze geäußert, aber das war für den deutschen
Mainstream kein Thema (mehr). Nun wurde er mit der Aussage zitiert,
Deutschland befände sich derzeit „im kompletten Blindflug“, weil die
ganze Energiewende nicht ordentlich berechnet sei.
Friedrich Merz: Ein „neoliberaler Amokläufer“ wird Kanzlerkandidat
Weimanns Diagnose klingt wie eine Erweiterung dessen, was die Financial Times anzumerken hat:
„Deutschlands Erfolgsrezept beinhaltet drei Dinge: ein stabiles
politisches System, funktionierende Staatsfinanzen und einen
industriellen Kern. Alle drei Elemente sind gefährdet.“
Wer die Komödie um die Produktion von 155mm-Granaten mitbekommen hat,
wundert sich nicht, wenn sich der ganze Rest auch als Mischung aus
Wunschdenken und Ahnungslosigkeit erweist. Weimann findet durchaus die
passende Bezeichnung. Bezogen auf die möglichen Folgen einer Regierung
Trump ist das so, als würden beim Blindflug plötzlich die Instrumente
wieder zugeschaltet; aber die deutschen Piloten hielten inzwischen
ebendiesen Blindflug so sehr für die Normalität, dass sie die
Instrumente zum Teufelswerk erklären und sich weigern, auch nur einen
Blick auf sie zu werfen.
Wenn die Ampel in den nächsten Tagen platzen sollte und es zu Neuwahlen
käme, gäbe es mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Große Koalition, die im
Notfall, wenn die beiden grüngelben Farbspritzer herausfallen sollten,
versuchen wird, Teile anderer Fraktionen abzuwerben. Eine Koalition, die
aus einem Rückzug der USA aus der NATO Kapital schlagen kann, wird es
nicht geben, weil die AfD zu viele NATO-freundliche Teile hat; eine
Koalition, die sich von der Klimaerzählung löst, deshalb nicht, weil
auch das BSW sie nicht lassen kann. Um den vierten Strang von Nord
Stream zu öffnen, bräuchte es eine AfD-BSW-Koalition mit einer Mehrheit.
Die verhältnismäßig besten Chancen hätte noch eine Teilaufklärung der
Corona-Misere, vorausgesetzt, BSW und AfD …
Was es bräuchte, wäre jedoch kein Wetterleuchten, sondern ein
waschechtes Gewitter, das die drückende Schwüle vertreibt und für klare
Luft sorgt. Das ist nirgends in Sicht. Auch nicht mit Neuwahlen. Die
Chancen, die eine Regierung Trump für Deutschland eröffnet, mögen
begrenzt und auf anderen Gebieten (wie im Nahen Osten) von Risiken
begleitet sein; aber man könnte entspannt darauf wetten, dass selbst
diese Chancen mit Eifer verschenkt werden.
https://rtnewsde.com/inland/225006-chancen-regierung-trump-und-warum/
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