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Eine
Mauer reicht nicht
BRD
und 60 Jahre 13. August 1961
Von Arnold Schölzel
Sie
führen Krieg und reden ungern darüber, erst recht nicht von
Frieden. Nach 20 Jahren Gemetzel in Afghanistan und mindestens
200.000 Toten als Folge der westlichen Invasion zieht die
Bundesregierung faktisch schweigend ihre Soldaten zurück. Hetze,
Rüstung und militärischer Aufmarsch gegen Russland und China werden
fast täglich gesteigert. Passend dazu kommt das Wort »Frieden« in
der Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der zum 80.
Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion noch viel
Wahres sagte, zum 60. Jahrestag des Mauerbaus nicht vor.
Dabei
gibt es zwischen dem 22. Juni 1941 und dem 13. August 1961 eine
kausale Verbindung: Die Außen- und Militärpolitik der Sowjetunion
nach 1945 hatte als oberstes Ziel, eine Wiederholung von 1941 zu
verhindern. Das gilt auch für das heutige Russland. Es bedarf schon
eines Linke-Politikers wie Bodo Ramelow, um das nicht zur Kenntnis zu
nehmen: Ihm fielen neulich als wichtige Geschichtsdaten dieses Jahres
in einem Atemzug der Überfall und der Mauerbau ein. Was, wie aus der
Partei zu hören ist, keine Gleichsetzung von Ausrottungskrieg und
Aggressionsabwehr war. Denn letzteres war die Mauer: Solange es sie
gab, zog die BRD nicht in einen Krieg, nach ihrer Öffnung
sofort.
Die letzte Entscheidung zur Grenzschließung 1961 fiel
jedenfalls mit Blick auf 1941 und war anders als von der DDR-Führung
geplant. Sie hatte keine militärische Anlage vorgesehen. Es bleibt
daher eine Lüge, wenn Steinmeier behauptet, Walter Ulbrichts Satz
vom Juni 1961 »Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten«
sei als »eine der dreistesten Lügen in die deutsche Geschichte
eingegangen«. So hätten es die Erzähler von Märchen über die DDR
gern, aber die Einführung von Grenzkontrollen aus ökonomischen
Gründen ist etwas anderes als eine Mauer. Was genau zur
militärischen Lösung führte, schlummert in Moskauer Archiven. Aber
zu verschweigen, dass »imperialistischer Irrsinn« (General Fritz
Streletz in jW vom 13. August) die Hauptursache für die militärische
Variante war, hat Gründe: Das damalige »Spiel« mit Krieg und
Atombombe des Westens war keine Fiktion.
Wie hieß es im Brief
von Bundeskanzler Konrad Adenauer an US-Präsident John F. Kennedy im
Oktober 1961? Der Westdeutsche fürchtete, die USA wären nicht zum
Äußersten bereit, faselte von einem »präventiven Nuklearschlag«
und drängte: »Die Entscheidung, Nuklearwaffen zu benutzen, muss den
Sowjets klargemacht werden ebenso wie die Tatsache, dass die
Sowjetunion selbst ein Ziel sein würde.« Da versuchte der Bonner
Schwanz mit dem US-Hund zu wackeln. Es dauerte ein Jahr, dann war in
der Kuba-Krise der atomare Weltkrieg fast erreicht.
Nach der
Drohung des jetzigen US-Präsidenten mit einem »echten« Krieg gegen
Großmächte lässt sich sagen: 2021 ist in dieser Hinsicht 1961.
Eine Mauer reicht nicht mehr
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