Montag, 2. August 2021

Deutsche Fregatte im Pazifik - jW - Arnold Schölzel

 

Entnommen: https://www.jungewelt.de/artikel/407599.vorausfahrt.html


Vorausfahrt


Deutsche Fregatte im Pazifik


Von Arnold Schölzel


Kleines Schiff, gewaltige Worte. Zur Fahrt der auf U-Bootjagd spezialisierten Fregatte »Bayern« (4.500 Tonnen) Richtung Ostasien trompetete Heiko Maas auf der Internetseite des Auswärtigen Amtes am Montag: »Im Indopazifik entscheidet sich die Ausgestaltung der internationalen Ordnung der Zukunft. Wir wollen diese mitgestalten und Verantwortung übernehmen für den Erhalt der regelbasierten internationalen Ordnung.« Die Bundeswehr war weniger lautstark und sah die »Bayern« auf einer »diplomatischen Mission«. Standardvokabeln: »Zeichen für freie Handelswege« und »Wir ducken uns nicht weg« (Marineinspekteur Kay-Achim Schönbach). Denn furchtbar bedroht, so das aktuelle Kanonenbootpolitmärchen, seien die internationalen Handelswege, von denen »unser Wohlstand« (Annegret Kramp-Karrenbauer) abhänge. Außen- und Kriegsministerium scheuten sich, diesmal China als Bedrohungsgespenst zu nennen, zumal die scheidende Kanzlerin den deutschen »Wohlstand« mit Hilfe der Volksrepublik retten wollte. Das besagt: Die »Bayern«-Tour ist eine Nach-Merkel-Aktion. Die »Mission« endet im Februar 2022, wenn die neue Bundesregierung vermutlich installiert ist.

Diese Seereise, die offenbar nicht nur wegen der Pandemie, sondern auch wegen Vorbehalten des Kanzleramtes nicht 2020 stattfand, setzt eine Zäsur. Maas und Kramp-Karrenbauer repräsentieren einen neuen imperialistischen Geist, der nationalistischen Größenwahn, neokoloniales Diktat und ideologischen Hegemonialanspruch vereint. Allerdings: Der neue globale Platz an der Sonne kann nur gemeinsam mit anderen erobert werden. In den Ozeanen vor China wird also geklotzt. Vergangene Woche fuhr die bislang größte britisch geführte Flugzeugträgerkampfgruppe um die »HMS Queen Elizabeth« (65.000 Tonnen) ins Südchinesische Meer ein (siehe jW vom 2.8.). US-Kriegsminister Lloyd Austin würdigte das am 27. Juli in Singapur als »historisch« und kündigte »integrierte Abschreckung« als strategische Vision des 21. Jahrhunderts an.

Nicht auf der Höhe dieser neuen Kriegsvorbereitungszeit erscheint, was z. B. Dietmar Bartsch im ARD-»Sommerinterview« am Sonntag zu den militärpolitischen Absichten der Linkspartei sagte. So richtig die Forderung nach Reduzierung des deutschen Militäretats ist, so wenig ist von der aktuellen Brandstifterei zu hören. Jetzt erst recht darf die Bundeswehr nirgendwo als Truppe eingesetzt werden, denn Maas, Kramp-Karrenbauer und ihre Freunde in Washington und London haben ein neues Kapitel eröffnet. Die »Bayern« fährt nicht als Symbol, sondern dem »echten« Krieg Joseph Bidens voraus.


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