Wem gehört die Demokratie?
VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 15. NOVEMBER 2017
von Christiane Borowy – http://www.rubikon.news
Die Verleihung des Kölner Karlspreises für engagierte Literatur und Publizistik im Kino Babylon wurde kurzfristig durch den Berliner Kultursenat verhindert.
Wenn Politiker Vermieter von Kulturstätten erpressen und unbequeme Veranstaltungen absagen lassen, ist es Zeit, der Fassadendemokratie die Maske vom Gesicht zu reißen.
Die Verleihung des Kölner Karlspreises für engagierte Literatur und Publizistik der Neuen Rheinischen Zeitung an den Journalisten Ken Jebsen hätte am 14. Dezember 2017 im Berliner Kino Babylon stattfinden sollen. Sie ist nur vier Wochen vorher, am 14. November 2017, durch den Berliner Kultursenat verhindert worden.
Das Kino Babylon ist Berlins ältestes und einziges kommunales Kino. Mit jährlichen 400.000 Euro an „zweckgebundenen Mitteln“ wird die Kulturstätte pro Jahr öffentlich gefördert. Genau das wurde ihr scheinbar zum Verhängnis. Offiziell darf der Kultursenat zwar nicht bestimmen, an wen das Kino Babylon seine Räume vermietet. Wenn es durch die Vordertür nicht geht, nimmt man halt die Hintertür. Wie sonst ist es zu erklären, dass laut Presseberichten der Kultur-Staatssekretär Torsten Wöhlert mit dem Betreiber des Kino Babylon ein Telefonat geführt hat und die Veranstaltung kurz danach abgesagt wurde?
„Wir kämpfen für kulturelle (Frei-)Räume und Vielfalt“, lügt Kultursenator Klaus Lederer auf seiner Internetseite. Ja, auch als Friedensforscherin muss man manchmal die Dinge beim Namen nennen. Lederer lügt. Das fliegt bei einem Facebook-Beitrag auf, den Lederer am Montagabend auf seinem Profil postet, denn hier zeigt er deutlich, dass er nicht für kulturelle Freiräume und Vielfalt kämpft, sondern dagegen. Der nicht zitierwürdige und nur das Alphabet psychologischer Kriegsführung runterleiernde Facebook-Beitrag endet schließlich mit einem direkten Appell an den Betreiber des Kinos, er möge die Veranstaltung absagen.
Mich überkommt ein ganz großer Ekel vor dieser Verlogenheit. Ekel ist eine sehr gesunde Empfindung, denn sie schützt vor Vergiftung, in diesem Fall vor mentaler Vergiftung (Mausfeld).
Wenn ein Politiker der Kultur so spricht und (ab-)urteilt, wenn Staatssekretäre bei Vermietern von Kulturstätten anrufen und Druck ausüben, stellt sich doch die Frage: Was wird denn hier eigentlich kultiviert? Wie nennt man das? Im Duden ist es so beschrieben: „von zuständiger, besonders staatlicher Stelle vorgenommene Kontrolle, Überprüfung von Briefen, Druckwerken, Filmen o. Ä., besonders auf politische, gesetzliche, sittliche oder religiöse Konformität“. „Oder Ähnliches“ können auch Veranstaltungen sein, die man als nicht konform einstuft. Ja, ganz richtig vermutet. Das nennt man Zensur!
Und bei Zensur hört doch der Spaß auf!
Ich weiß nicht, wie es Ihnen als Leser geht, aber ich möchte nicht in einer Welt leben, in der für mich entschieden wird, was ich zu denken habe. Ich möchte auch nicht abgewertet werden, nur weil ich es wage, Fragen zu stellen. Ich möchte mir meine eigene Meinung bilden und dazu brauche ich auch (Meinungs-)Vielfalt.
Denn: Was kommt als Nächstes? Überwachung? Ach nee, gibt´s schon. Berufsverbot? Nee, das gibt´s auch schon. Zwar alles schön „smart“, wie der Soziologe Harald Welzer so treffend in „Die smarte Diktatur“ beschreibt. Was kommt nach Zensur, Überwachung und Berufsverbot? Krieg? Das kommt nicht als Nächstes. Das ist auch schon da. Das bekommen wir nur nicht so mit, weil Krieg an der Heimatfront auch so smart daherkommt. Wie bringt man Krieg „an den Mann“? Indem man Lügen verbreitet und Menschen voneinander trennt, indem man mit dem Finger auf die anderen zeigt. Die anderen, also diejenigen, die Fragen stellen, sollen die Bösen sein. Das lenkt ab. Und wie erzählt man die Geschichte vom „Bösen Mann“? Indem man alles aneinanderreiht, was in einer Gesellschaft nicht gut angesehen ist und schlimme Erinnerungen hervorruft. Der Kieler Psychologie-Professor Mausfeld hat das sehr gut erforscht und „logische Verklammerung“ genannt, übrigens in einem Vortrag und Artikel, der „Die Angst der Machteliten vor dem Volk“ heißt.
Wovor hat also der Berliner Kultursenator Lederer so furchtbare Angst, wenn Ken Jebsen einen Medienpreis bekommt? Vor dem Volk, das merken könnte, dass er lügt und eine Politik der Spaltung und Trennung betreibt, obwohl er auf seiner Website behauptet: „Kultur verbindet und spaltet nicht.“ und das ihn deshalb abwählen könnte, weil er die Frage: „Dient Deine Politik den Menschen und dem Frieden?“ mit Nein beantworten müsste. Davor hat Lederer Angst: Seine eigene Macht zu verlieren. „Wem gehört die Stadt?“ glänzt als Frage direkt unter seinem Profilbild auf seiner Homepage. L’état c’est moi (Der Staat bin ich). Da knüpft er an längst vergangene Herrschertradition an.
Das könnte das Volk ebenfalls tun und sprichwörtlich für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit auf die Barrikaden gehen. Das wäre eine Veränderungsenergie (Mausfeld), die jetzt -ebenfalls an Traditionen anknüpfend- aufgebracht werden müsste, um die Demokratie wieder in die Hände derer zu bringen, denen sie gehört: Dem Volk.
Was also kann man im konkreten Fall tun, außer sich über Zusammenhänge und Hintergründe zu informieren oder in Resignation zu verfallen? Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Wer keinen Knüppel in die Hand nehmen möchte, wovon ich auch ausdrücklich abrate, kann stattdessen Geld in die Hand nehmen. Das Kino Babylon braucht im Jahr 400.000 Euro. Eine Möglichkeit – von vielen – wäre, einfach eine Mail an den Betreiber Grossmann zu schreiben und nach einem Konto zu fragen, auf das man Spenden überweisen kann. Die Mail-Adresse steht auf der Website des Kino Babylon. Ich habe diese Mail schon geschrieben. Es ist wichtig, dass das Volk sichtbar wird. Lederer will uns mittels Geld die Demokratie wegnehmen. Holen wir sie uns zurück!
Christiane Borowy
Christiane Borowy, Jahrgang 1968, ist Soziologin, Sozialpsychologin, Körperpsychotherapeutin und Sängerin. Sie ist „schon immer“ Teil der Friedensbewegung gewesen und seit Ende 2015 Leiterin des „borowita — Institut für Sozial-Kulturelle Arbeit“. Mit ihren Seminaren zur persönlichen und politischen Bildung, beispielsweise mit „Mit Achtsamkeit die Friedensbewegung stärken“, setzt sie ihre Vision harmonischer Gemeinschaftsbildung um.
https://www.rubikon.news/artikel/wem-gehort-die-demokratie
Mein
Kommentar in der Rationalgalerie am 16.11.2017:
Herzlichen
Dank für diesen Beitrag. Nun ist es wieder soweit: Alle jene, die
Gesellschaftskritik üben an der Politik der BRD und den bürgerlichen
Medien, an Waffenlieferungen nach Israel, an Krieg und verstärkter
Aufrüstung werden nunmehr als Gefährder, als Querulanten, als
Anhänger der Verschwörungstheoretiker diffamiert, vorverurteilt, an
den Pranger gestellt. Und wenn dabei noch regimetreue Medien in das
gleiche Horn blasen, wie zum Beispiel auch die taz zur schleimigen
Befürwortung der Zensur, im Babylon den Kölner Karlspreis an Ken
Jebsen zu verhindern, die Leser verdummend und täuschend, dann ist
es bis zu einem totalitären Staat nur noch ein kleiner Schritt. Ich
als einstiger Militärjournalist in der DDR und seit Jahren Blogger
und Buchrezensent vor allem für die Neue Rheinische Zeitung bin
jedenfalls entsetzt über die Unverfrorenheit eines angeblich LINKEN,
die genannte Festveranstaltung am 14. Dezember im Babylon zu
unterbinden. Der Herr Klaus Lederer unterstützt mit seinem verbalen
Angriff auf „Die Neue Rheinische Zeitung“, so auch auf die
Publizistin Evelyn Hecht-Galinski, jene, die die aggressive Politik
Israels gegenüber dem palästinensischen Volk befürworten und mit
Waffenlieferungen durch die BRD an Israel unterstützen. Lesen Sie
meine Buchrezension „Die „Fackel“ des HERAKLES. Aber wer tief
im Sattel der Reaktion sitzt, wird sich doch nicht die Hände
schmutzig machen, nicht wahr... Charakter haben im Politischen sieht
anders aus, Herr Lederer.
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