Traditionspflege der Bundeswehr
Von Arnold Schölzel
Staatlich lizenzierter Mord im Ausland wurde nach dem Anschluss der DDR 1990 das Geschäft der Bundeswehr. Bis dahin hinderten die Existenz des ostdeutschen Staates und seiner Armee sowie deren Integration in das Bündnis des Warschauer Vertrages entsprechende Ambitionen im deutschen Westen. Nach der Bundeswehr-Beteiligung am Bombardieren Jugoslawiens 1999, nach deutschen Massakern in Afghanistan wie dem in Kundus 2009, nach der Hilfestellung bei jedem staatsterroristischen Akt der USA seit 1991 sollte die Bundeswehr nach dem Willen des damaligen Kriegsministers (2011–2013) Thomas de Maizière (CDU) schönfärberisch »Armee im Einsatz« genannt werden. Hauptsache, keiner redet von Krieg. Deutschland macht mit, und das Beschweigen in den Bürgermedien klappt.
Tatsache ist dennoch: Das vergangene Vierteljahrhundert hat die »Parlamentsarmee« und diesen Staat zur Kenntlichkeit verändert. Er wurde einmal gegründet, um eine Armee gegen die Sowjetunion aufzustellen, nicht etwa weil der Staat eine brauchte. Das prägt. Heute ist diese Truppe, deren erste Offiziere durchweg für das faschistische Deutschland gekämpft hatten, bereit für die Teilnahme an jedem Krieg des Westens, egal ob völkerrechtlich abgesegnet oder nicht. Sie gewährleistet, dass die jeweils im Weißen Haus amtierenden Drohnenmörder ungestört die US-Infrastruktur auf dem Territorium der Bundesrepublik nutzen dürfen, sie ist bei der Stationierung und Aufrüstung in Osteuropa ganz vorn mit dabei. Jene Kräfte in der NATO und in Berlin, für die ein Krieg gegen Russland so gut wie beschlossene Sache ist, können fest auf sie bauen. Das Führungspersonal ist ideologisch auf Angriff eingestellt.
In mehr als 25 Jahren hat sich so allerhand eigenes Heldenmäßiges angesammelt. Da ist es zunächst überraschend, dass das im zehn Seiten umfassenden Entwurf der »Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege« (im Internet abrufbar bei Spiegel online) nicht gebührend gewürdigt wird. Allerdings: Das entspricht der Bundeswehr-Camouflage seit ihrer Gründung. Die neuesten deutschen Kriege kommen daher nur am Rande vor, z. B. in einer Formulierung wie: Der »Beitrag der Bundeswehr zum internationalen Krisenmanagement sowie ihre Bewährung in Einsätzen und im Gefecht« sei traditionsstiftend. Aus Afghanistan sind übrigens in 16 Jahren »Krieg gegen den Terror« 2,5 Millionen Menschen ins Ausland geflüchtet. Die »Bewährung« wird demnächst verlängert.
Eher grotesk angesichts der neuen deutschen Mordlust und Vertreibungswut: Der Entwurf befasst sich ausführlich mit Wehrmacht und Nationaler Volksarmee der DDR (NVA). Das notorische Gleichsetzen beider gehört einfach zum Traditionsbestand der Bundeswehr und der Bundesrepublik insgesamt. Eine Armee, die bis zu 80 Millionen Tote hinterlassen hat, wird auch 2017 von Amts wegen mit einer gleichgesetzt, die an keinem Krieg beteiligt war. Für die Vorbereitung auf den nächsten ist das unerlässlich.
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