Freitag, 6. September 2019

Gedanken zum Buch von Egon Krenz - Dr. Wolfgang Schacht


Sehr geehrte Damen und Herren,

mit dem erforderlichen Respekt und mit der notwendigen Hochachtung vor der Arbeit und vor den großen Verdiensten des Genossen Egon Krenz in der DDR, haben wir uns erlaubt, zu seinem neuen Buch „Wir und die Russen – Die Beziehungen zwischen Berlin und Moskau `89” eine Rezension zu schreiben, die uns helfen soll, unsere dramatische Situation nach der Annexion der DDR durch die BRD kritisch zu verarbeiten und eine offene und ehrliche Diskussion darüber anzustoßen . Diese Rezension wurde bisher nicht veröffentlicht, d.h. nicht an unsere Leser verteilt, weil es sich für ehrliche und aufrichtige DDR-Bürger gehört, sie zunächst allein dem Autor des Buches  zur Kenntnis und Begutachtung zu übergeben. Das ist per E-Mail am 08.08.2019 auch geschehen.
Am 10.08.2019 bedankte sich Genosse Egon Krenz per E-Mail für die Rezension und erklärte sich bereit, eine Diskussion über bestimmte Kritikpunkte mit uns durchzuführen. Offensichtlich war er der Meinung, dass hinter dem bei uns üblichen „wir“ eine politische Vereinigung  oder ganze Organisation steht. Da dies nicht der Fall ist, hat er auf unsere Vorschläge über Zeit und Ort eines Treffens bis zum heutigen Tage nicht mehr geantwortet.
Wir haben Verständnis dafür, dass Genosse Egon Krenz weder die Zeit noch die Kraft hat, mit zwei bzw. drei ehemaligen DDR-Bürgern über komplizierte Fragen der Beziehungen zwischen der DDR und der Sowjetunion zu diskutieren. Wir wissen selbst, wie kostbar in unserem Alter die Lebenszeit ist. In keinem Fall sollte man sie sinnlos vergeuden!
Deshalb haben wir uns heute entschlossen, Ihnen unsere Rezension

Wir und die Russen – Gedanken zu einem Buch von Egon Krenz“

unter dem Link

http://www.dr-schacht.com/Wir_und_die_Russen_-_Gedanken_zu_einem_Buch_von_Egon_Krenz.pdf

zur Kenntnis zu geben.

Wir und die Russen – Gedanken zu einem Buch von Egon Krenz

Lieber Genosse Egon Krenz,

wir danken Dir für Dein interessantes Buch „Wir und die Russen“, das wir mit großem Interesse gelesen haben. Trotz einer in der Geschichte der Menschheit beispiellosen Hetze gegen die DDR, der Verleumdung ihrer großen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Erfolge und der sich ständig fortsetzenden Beleidigungen ihrer Bürgerinnen und Bürger durch die kapitalistischen Massenmedien feiern wir am 7. Oktober dieses Jahres den 70. Jahrestag der Gründung unseres Staates. Sie war unter den damaligen historischen Bedingungen die einzige mögliche und natürlich auch die einzige richtige politische Antwort, auf die einseitige Währungsreform der Angelsachsen (USA und Großbritannien) in den westlichen Besatzungssektoren am 20. Juni 1948, auf die Gründung der NATO am 4. April 1949 und auf die Gründung der BRD am 15. September 1949.

Im Mittelpunkt unserer gesamten DDR-Politik stand von Anfang an die feste Freundschaft und enge Verbundenheit mit der Sowjetunion, mit ihren Völkern und Menschen. Nach dem hinterhältigen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941, dem grausamen und mörderischen Vernichtungskrieg von Nazi-Deutschland mit ihren europäischen und transatlantischen Verbündeten gegen die russische Zivilisation war die Orientierung auf den Großen Sieger und Befreier vom Faschismus nicht nur logisch, sondern auch menschlich verständlich. In diesem Sinne wurden wir von unserer Pionier-, FDJ- und Parteiorganisation in der DDR richtig erzogen, in diesem Sinne haben wir in der DDR und in der Sowjetunion viel gelernt, studiert, gearbeitet und richtig gelebt, in diesem Sinne werden wir bis zu unserem letzten Tag auch weiterhin gute und freundschaftliche Beziehungen mit Russland pflegen. Auch deshalb werden wir am 7. Oktober 2019 die Fahne der DDR hissen und mit Stolz unsere verdienten Auszeichnungen tragen.

Wir gehören zu denjenigen DDR-Bürger, die mehr als 10 Jahre in der Sowjetunion gelebt, studiert und gearbeitet haben, deren Arbeitssprache immer Russisch war. Mit dem erforderlichen Respekt und mit der notwendigen Hochachtung vor Deiner Arbeit und vor Deinen großen Verdiensten erlauben wir uns, zu Deinem Buch folgende Anmerkungen zu machen:

  1. Der Titel Deines Buches „Wir und die Russen“ ist für uns befremdend. Was willst Du uns mit diesem Titel sagen? Warum hast Du eine derart undiplomatische Formulierung gewählt? Bösartige Zungen interpretieren ihn mit „Wir und der Rest der Welt“. Willst Du uns nur provozieren und zum intensiven Nachdenken über unsere eigene Geschichte anregen? Nein, das glauben wir nicht! Das war sicher nicht Dein Ziel! Das hast Du bestimmt nicht gewollt! Deshalb unterstellen wir Dir das auch nicht! Mit Deinen klugen Worten im Schlusswort „Wie viel verzeiht die Geschichte?“ hast Du uns von Deiner positiven Haltung zu Russland überzeugt. Deine Liebe zur Sowjetunion (jetzt zu Russland!), zu seinen Völkern und Menschen ist ohne Zweifel grenzenlos. Das bringst Du auch an vielen anderen Stellen in Deinem Buch zum Ausdruck. Trotz alledem! Jetzt – nachdem wir Dein Buch gründlich gelesen und studiert haben - steht es mit seinem schreienden Titel in unserem Bücherregal und … „steckt uns tagtäglich die Zunge raus“! Wir kommen nicht umhin, etwas zu ihm zu sagen.
  2. Im Widerspruch mit der „Wir-Form“ des Titels steht die stark ausgeprägte „Ich-Form“ Deiner Gedanken. Sie erschwert das flüssige Lesen des interessanten und spannenden Buches. Zur Beweisführung und Rechtfertigung Deiner sachlichen Argumente setzt Du an vielen Stellen Deinen Terminkalender ein. Auf manchen Seiten erscheinen die Worte „ich, mir, mich, …“ mehr als 15 Mal! Unser Computer zählte auf den 279 Seiten mehr als 1.000 derartige Einträge von Dir. Leider ist das stilistisch keine besondere Stärke!
  3. 30 Jahre nach der Annexion der DDR durch die BRD erhalten wir von Dir ein Buch mit einem Selbstbildnis Deiner letzten Jahre in unserem Arbeiter- und Bauernstaat, ohne Zweifel von einem ehrlichen und aufrechten Mann, der 18 Jahre Jahre fest, treu und unerschütterlich an der Seite unseres Generalsekretärs der SED, Erich Honecker, gearbeitet und gekämpft hat, der aber bis zum Oktober 1989 nie den Mut und Kraft fand, sich von ihm zu lösen und die Geschicke unseres Landes in die eigenen Hände zu nehmen. Das Buch „Wir und die Russen“ analysiert das Dreiecksverhältnis der UdSSR, DDR und BRD aus der Sicht von Dir. In diesem Umfeld könnte der Titel des Buches auch anders lauten.
  4. Was das von Dir genutzte Wort „Stalinist“ im Zusammenhang mit dem berühmten Zitat „Die Hitler kommen und gehen, das deutsche Volk, der deutsche Staat bleiben“ zu tun hat, wissen wir nicht (siehe Seite 8). In Russland sind trotz der massiven Verleumdungskampagnen und der haarsträubenden Lügen von Chruschtschow mehr als 70 % der Menschen aufrichtige Anhänger und Bewunderer von Josef Stalin. Und das ist gut so! Denn die beispiellose Hetze gegen Russland und seine Menschen hat schon dazu geführt, dass der rumreiche Sieg der Sowjetarmee (unter der Führung von Stalin!) über den Hitlerfaschismus in Europa in den deutschen Schulen, Hochschulen und Universitäten nicht mehr gelehrt wird. Mehr als 80% der Bürgerinnen und Bürger Europas sind überzeugt, dass uns die westlichen Alliierten unter Führung der USA vom Faschismus befreit haben. Ist es nicht eine Schande und ein Skandal, dass der größte Verbrecher aller Zeiten, Adolf Hitler, mit Stalin auf eine Stufe gestellt wird? Stalin wird inzwischen schon beschuldigt, den Zweiten Weltkrieg begonnen zu haben (siehe auch http://www.dr-schacht.com/Unsere_Liebe_zu_Russland_ist_staerker_als_jeder_Hass.pdf )!
  5. Mit der unverschämten Behauptung des westdeutschen Historikers Arnulf Baring: Die DDR habe „fast ein halbes Jahrhundert die Menschen verzwergt, ihre Erziehung, ihre Ausbildung verhunzt … , ihr Wissen sei völlig unbrauchbar“, wurden Millionen gut und sehr gut ausgebildete DDR-Bürger schon vorab als „Idioten“ abgestempelt. Wir haben in den letzten 30 Jahren erlebt, wie sich eine Armee kleinkarierter Fachidioten aus dem „Goldenen Westen“ unsere ausgezeichneten Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Ausarbeitungen eiskalt angeeignet hat. Als Dank dafür wurden wir drangsaliert, gemobbt und aufeinandergehetzt. Dafür danken wir unseren Brüdern und Schwestern im Westen. Denn jetzt wissen wir: Die Aussagen unserer Klassiker des Marxismus – Leninismus sind wahr. Wir haben den menschenfeindlichen und menschenverachtenden Charakter des Kapitalismus endlich begriffen und hautnah erlebt! Wenn unsere verbleibende Lebenszeit nicht so kostbar wäre, dann würden wir gern ausführlich darüber berichten.
  6. Eine marxistische Analyse der Ursachen des Untergangs der Sowjetunion, der DDR, der gesamten sozialistischen Staatengemeinschaft, des Warschauer Vertrages, des RGW, … gibt es nicht und wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch niemals geben. Dreißig Jahre sind vergangen! Bald gibt es keine Zeitzeugen mehr! Wo sind unsere gut ausgebildeten Historiker und Marxisten-Leninisten geblieben? DIE LINKE hat sich ideologisch dem herrschenden Kapitalismus angepasst. Im Zusammenhang mit Deinem Buch sehen wir uns deshalb gezwungen, Dir offen und ehrlich folgendes zu sagen:
Wir schämen uns, dass wir zugelassen haben,
  • dass sich die Regierung der DDR und ihre politische Führung in der Waldsiedlung Wandlitz mit einer Mauer vom Volk abgegrenzt und isoliert haben.
  • dass Kritik und Selbstkritik in der SED praktisch abgeschafft wurden. Von Karrieristen und Schleim… wurden unsere führenden Partei- und Regierungsorgane völlig unzureichend über gravierende Probleme und Missstände informiert. Präsentative Meinungsumfragen und Volksabstimmungen gab es nicht!
  • dass viele Bürgerinnen und Bürger der DDR mit  1 ½ Augen“ nach dem Westen schauten. Als deutsche Bürger wollten sie neben den sozialen Errungenschaften auch in die weite Welt reisen und die wohlfeinen Waren des „Westens“ kaufen.
  • dass durch die Einführung von GENEX und Intershop unsere Gesellschaft gespalten wurde. Bürgerinnen und Bürger, welche Verwandtschaft in der BRD hatten oder beruflich in den Besitz von Valutamitteln kamen, konnten ein umfassendes Angebot von Genuss- und Nahrungsmitteln, Geschenkartikeln, Haushaltswaren, Kleidung, Möbel, Autos und Fertighäusern nutzen. Die Mehrzahl der DDR-Bevölkerung besaß diese Valutamittel nicht!
  • dass führende Partei- und Regierungsmitglieder ihre Kraftfahrer beauftragt haben, in Westberlin für sie einzukaufen. Wer gab ihnen dafür die harte Währung?
  • dass führende Partei- und Regierungsmitglieder sich in kapitalistischen Ländern erholen durften.
  • dass so genannte Andersdenkende und politische Gegner der DDR für einen Pauschalbetrag (z.B. für ein in Anspruch genommenes Hoch- oder Fachschulstudium) nicht frei ausreisen konnten.
  • dass wir den schwerverwundeten sowjetischen Soldaten, die ihr Leben und ihre Gesundheit für unsere Befreiung vom Hitlerfaschismus eingesetzt haben, nicht kostenlos Prothesen für im Krieg verlorene Arme, Beine, Füße und Hände sowie Gehhilfen und Rollstühle zur Verfügung stellten.
  • dass wir den Bürgerinnen und Bürgern der Sowjetunion 40 Jahre altmodische Konsumgüter schlechter Qualität, den Bürgerinnen und Bürgern des Westens moderne Konsumgüter bester Qualität verkauft haben.
  • dass wir in der Sowjetunion preiswert gekauftes Erdöl ohne Abstimmung mit unserem sowjetischen Bruderland für harte Valutamittel im Westen verschachert haben.
  • dass Arroganz, Überheblichkeit und Hass gegenüber der Sowjetunion (Russland), ihren Völkern und Menschen in Deutschland wieder Fuß gefasst haben.
  • dass wir nach der unvorstellbaren Zerstörung von mehr als 1.700 Städten und 70.000 Dörfern und ihrer gesamten Infrastruktur durch die deutschen Faschisten in der Sowjetunion 40 Jahre auf der Grundlage der russischen Energie- und Rohstofflieferungen den Anspruch gestellt haben, besser zu leben als die sowjetischen Menschen. Durch die mörderische Politik von Hitler-Deutschland verlor die UdSSR im Großen Vaterländischen Krieg 27 Millionen Menschen.
  • dass die offizielle Verabschiedung der großen und siegreichen Sowjetarmee aus der DDR in einer erniedrigenden und beleidigenden Form erfolgte.
  • dass wir unsere historische, geistige und kulturelle Heimat verraten haben und für 100,- DM Begrüßungsgeld mit wehenden Fahnen zu unserem politischen Gegner übergelaufen sind.
  • dass der Anschluss der DDR an die BRD ohne eine Volksbefragung (Referendum) erfolgte. Der hektische und überstürzte Anschluss der DDR an die BRD war nichts anderes als eine Annexion. Der „Einigungsvertrag“ - von korrupten Banditen ausgearbeitet und paraphiert – ist und bleibt eine Schande für Deutschland.
  • dass wir als „Bürger der BRD“ unsere moralische Verpflichtung verraten und unseren Schwur gebrochen haben, immer freundschaftliche Beziehungen mit Russland zu pflegen. Im Gegenteil gemäß Weisung der USA entwickelt Deutschland aktiv – gemeinsam mit anderen europäischen Staaten – eine beispiellose Politik der Russophobie und Sanktionen. Wir kämpfen nicht gegen den zunehmenden Einfluss der faschistischen Parteien und Bewegungen in Estland, Litauen, Lettland und in der Ukraine.
  • dass ehemalige DDR-Bürger in der BRD verachtet, beleidigt, erniedrigt, gedemütigt, eingeschüchtert, verängstigt und belächelt werden.
  • dass unsere Kinder und Kindeskinder eine miserable Schulausbildung erhalten, dass ihre Sprache, Kunst- und Kulturauffassungen bewusst pervertiert werden, dass ihre Arbeit bei ständig zunehmenden Ausbeutungsgrad immer schlechter bezahlt wird und dass sie in dieser menschenfeindlichen und menschenverachtenden Gesellschaft keine Perspektive haben.
  • dass die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden. 1% der deutschen Bevölkerung besitz mehr als 50% des gesamten Reichtums.
  • dass sich die Massenmedien in den Händen der herrschenden Oberschicht befinden und dass wir im Sekundentakt pausenlos belogen, betrogen und verarscht werden.
  • dass im Bereich der Ethik und Moral Minderheiten über Mehrheiten bestimmen.
  • dass die Aristokratie wieder an den Schalthebeln der Macht sitzt und dass ein Oberst Graf von Stauffenberg, der bis 1944 ein treuer Anhänger von Adolf Hitler war, in Deutschland die Symbolfigur des antifaschistischen Widerstandes ist.

Gern sind wir bereit, gemeinsam mit Dir die Liste weiter zu vervollständigen. Es wird höchste Zeit, dass die Zeitzeugen weitere Fakten für eine marxistische Analyse zusammentragen.
Auch wir stehen fest zum Vermächtnis des „Eisernen Kanzlers“: Niemals gegen Russland! Für uns ist es nicht nur eine Frage der Vernunft, sondern auch eine Frage des Verstandes und des Herzens jetzt erst recht fest an der Seite von Russland zu stehen.
Wir wünschen Dir kräftige sibirische Gesundheit und viel Lebensfreude.
Мы победим!

Dr. Wolfgang Schacht Wandlitz, 4. August 2019

Weitere Beiträge zu diesem Thema sind
Werte der DDR-Gemeinschaft“
Brief an den gefallenen Großvater“
Gehört der Verrat zu ihrem Programm“
Keine Chance im Deutschen Bundestag damit aufzutreten“


1 Kommentar:

  1. Lieber Genosse Dr. Schacht !
    Ich bin vollständig mit Dir einverstanden und würde gern mit Dir in Verbindung treten !
    Vorweihnachtliche Grüße !
    Brigitte Queck, Vors. "Mütter gegen den krieg Berlin-Brandenburg" T/F/A: 0331 71 17 71 bzw. anna.demok@gmx.de

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