Dienstag, 10. Februar 2015

Hanna´s Woerterwelt


Hanna´s Gedichte

Meine Leserin Hanna Fleiss lernte ich im Internet kennen. Sie schreibt Gedichte, manchmal politisch, manchmal poetisch, immer aber hat sie einen Standpunkt, den ihrer Klasse. Der Standpunkt wird ihr übelgenommen, man hat heutzutage keinen Standpunkt zu haben, man betrachtet das Leben mit dem Beobachterobjektiv, meinen gewisse Leute. Verständlich, denn so wird gesichert, dass die Menschen keinen Standpunkt haben, sich ruhig verhalten und im Konsens mit der Obrigkeit aufgehen. Hanna Fleiss ist Jahrgang 1941, sie hat die DDR vierzig Jahre lang erlebt, ihre Aufbruchzeit, die Stagnation und den Niedergang. Einfach war ihr Leben nicht, sie hat drei Kinder allein großgezogen, manchmal fehlte es an allen Ecken und Enden, aber der Staat, ihr Staat, ließ sie nicht allein. Jetzt, als Rentnerin, schreibt sie Gedichte, in denen sie ausdrückt, was sie fühlt, was sie denkt, was ihr auf dem Herzen brennt. Und, man ahnt es, ihr brennt eine Menge auf dem Herzen.

Wer Lust hat, kann ihre "Woerterwelt" im Internet finden. Hier der Link:



Die Schwingen des Ikarus

Was bleibt? Du fragst es dich so hin und wieder,

als dächtest du schon an die letzten Stunden.

Das Blut rinnt wie gewohnt durch deine Glieder,

doch irgendwas, es drückt dich langsam nieder.

Das Leben wuchert nicht mit seinen Pfunden.

Und kein Verweilen in dem Meer von Träumen,

dein Dasein zwingt dich, immer wachzubleiben.

Du willst den Augenblick doch nicht versäumen,

wenn endlich Früchte wachsen auf den Bäumen.

Was Welt dir heißt, willst du dir einverleiben.

Was bleibt dir noch als nur die kleinen Zeichen,

wenn alte Sehnsuchtsworte still verklingen?

Du nimmst dir vor, die Rechnung zu begleichen,

vielleicht wird dies zum Glücke dir gereichen.

Und Ikarus regt wieder seine Schwingen.

16.11.14

In solchen Zeiten

Es ist nicht meine Schuld

dass die Schönheit verlorengegangen ist

beschreibe ich in meinen Gedichten

die Welt, wie sie nicht sein sollte

ich schreibe aus unserer Sprachlosigkeit

mit der wir das Unrecht befördern, benenne

unser Stillehalten, wenn Hunger

Menschen sterben macht, wenn Schuldlose

gerichtet werden, Schuldige ruchlos Geschäfte

betreiben, als sei dies ihr Menschenrecht

Wir kaufen Schönheit zum Schleuderpreis

jenes Menschseins, das die Vorväter

sterbend ersehnten; meine Missgeburten

vegetieren ohne Echo, nicht unüblich

in solchen Zeiten

28.1.15

Der unfassbare Augenblick

Dich zu vergessen, hab ich oft versucht,

und mit den Jahren ging es leidlich gut.

Ein Traum erweckte wieder alte Glut –

ich spürte es: Du hattest mich gesucht.

So warm wie früher blicktest du mich an.

Du fühltest, dass ich schwach war ohne dich,

und legtest deinen starken Arm um mich.

Was hast du mir im Traum nur angetan?


In mir erwachte wieder die Begier,

dich zu umarmen – doch ich spürt' dich kaum.

Der Traum entfloh, ich blieb allein zurück.

Durch alle Zeiten trag ich dich in mir,

und sei's auch nur des Nachts im Traum

ein schöner unfassbarer Augenblick.

28.4.14/13.5.14



Geologie

Die Erde ein einziger Riss, der

auch mich zerreißt, der mich zu schreiben

zwingt; was wären die Verse

ohne das Blut der Rosen, ohne Liebe

wenn ich das Lippenrot mit dem Grau

des Morgens danach vergleiche

Das Maul der Straße aufgerissen

Schlund, der alles verschlingt, ohne Schuld

die Häuser, die Bäume, die Autos

und meine Sehnsucht, das Wort zu finden

das alles erklärt, worin das Wunder

der Erde bestehen müsste

18.1.15

Sprachlos

Der Sommer stand hoch

in der Hitze damals im August, ich

in der fremden Stadt, zwei Schritt

nur die Liebe entfernt

Wir hüllten uns in den Kokon

unserer Sprachlosigkeit, ich vernahm

deinen Duft von Mann, und in Gedanken

sprach ich mit dir in jener

ungreifbaren Sprache, die der

Worte nicht bedarf

22.1.15

Kopf-hoch!-Sonett

Wie man Gewohntes doch vermissen kann.

Nicht jenen Zug auf eingefahrnen Gleisen -

was du geliebt, das willst du zärtlich preisen,

es hängt noch jetzt dein warmes Herz daran.

Du leidest sehr, das dumpfe Dasein schmerzt.

Was dir das Liebste war, das ist verloren:

Einst wurdest du als freier Mensch geboren,

das wurde nunmehr gründlich ausgemerzt.

Noch trauerst du, dem Schmerze hingegeben.

Man zeiht dich Rückwärtsdenken, Nostalgie

und hat dir alle Zuversicht genommen.

Zu tief greift diese Zeit hinein ins Leben,

jetzt gilt's Entschlossenheit und Phantasie.

Was du so heiß geliebt, wird wiederkommen.

21.4.14

Gewissermaßen ein Sonett

Das schöne Wort, hör, wie es strömt und fließt.
Doch gibt es manche Verse, die nur tönen,
die schwärmend man in schwacher Stunde liest,
an sie werd ich mich sicher nie gewöhnen.

Nicht, was sich einer künstlich abgequält -

der Dichter muss aus vollem Herzen singen,

das ist es, was am Ende für mich zählt.

Dann werden Verse klar und rein erklingen.

In Versen such ich Wahrheit, Wort für Wort,
des Menschenlebens ungezähmte Fülle,

dann klingt es in mir wie ein Traumakkord,

dann bleibt das schöne Wort nicht bloße Hülle.

Das Wahre und das Echte sind die Kunst.
Und wohl nicht jedermann erweist sie Gunst.

27.4.14

In solchen Zeiten

Es ist nicht meine Schuld

dass die Schönheit verlorengegangen ist

beschreibe ich in meinen Gedichten

die Welt, wie sie nicht sein sollte

ich schreibe aus unserer Sprachlosigkeit

mit der wir das Unrecht befördern, benenne

unser Stillehalten, wenn Hunger

Menschen sterben macht, wenn Schuldlose

gerichtet werden, Schuldige ruchlos Geschäfte

betreiben, als sei dies ihr Menschenrecht

Wir kaufen Schönheit zum Schleuderpreis

jenes Menschseins, das die Vorväter

sterbend ersehnten; meine Missgeburten

vegetieren ohne Echo, nicht unüblich

in solchen Zeiten

28.1.15

Ahnen, was ist

Nichts erklären wollen

meine Verse, keine trügerischen

Hoffnungen wecken in uns

sie wollen nur sein

Die großen Worte sind es

nicht, es sind die kleinen, die

man so leicht übersieht

wie vergrautes Gras

Kann sein, ich sehe die

ziehenden Wolken und mir

kommt eine Ahnung von dem

was sein könnte

Und die große Versuchung

Wahrheit zu schreiben; manchmal

kommt sie unversehens, in

einem zufälligen Vers

9.2.15

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen