Dienstag, 15. Juli 2025

"...in Deutschland wieder Nazi-Rhetorik? - LZ

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https://linkezeitung.de/2025/07/15/tausende-panzer-rollen-gegen-putin-ist-es-russische-hysterie-oder-wird-in-deutschland-wieder-nazi-rhetorik-benutzt/

„Tausende Panzer rollen gegen Putin“ – Ist es russische Hysterie, oder wird in Deutschland wieder Nazi-Rhetorik benutzt?

VERÖFFENTLICHT VON LZ ⋅ 15. JULI 2025 ⋅ HINTERLASSE EINEN KOMMENTAR


Von Thomas Röper – https://anti-spiegel.ru

In Russland wird immer öfter darauf hingewiesen, dass Deutschland wieder das gleiche Verhalten an den Tag legt, wie vor dem Zweiten Weltkrieg. Ist das Hysterie, oder ist das berechtigt?

Ich bin wahrlich kein Freund davon, die „Nazi-Keule“ zu benutzen, weil die Vorwürfe, jemand in Deutschland benutze Formulierungen der Nazis, inzwischen durch ihre inflationäre Verwendung schon den Punkt erreichen, dass man schon als Nazi bezeichnet werden kann, wenn man einfach nur der Meinung ist, eine Familie bestehe aus Mann, Frau und Kindern. Außerdem sind in Deutschland bekanntlich viele Formulierungen faktisch verboten, weil sie Bezug zu den Nazis haben (sollen).

Ich war beispielsweise überrascht, als ich erfahren habe, dass man „jedem das Seine“ nicht mehr sagen darf, weil das die Inschrift an einem KZ war. Die Formulierung ist in Deutschland zwar nicht generell verboten, aber in Deutschland wurde ein Mann zu acht Monaten Gefängnis verurteilt, weil er eine Tätowierung mit dem Buchenwald-Logo „Jedem das Seine“ öffentlich getragen hat, was das Gericht als Billigung des Massenmordes an Juden im Dritten Reich angesehen hat.

Wenn man also Formulierungen nicht mehr benutzen darf, wenn man das so tut, dass das als Billigung der Nazi-Verbrechen angesehen werden kann, dann müsste das doch für alle gelten. Ich finde so ein Verbot, vor allem nach meinen Erlebnissen an der Front, übrigens in Ordnung, aber es muss dann eben auch für alle gelten. Und es muss klare Regeln geben, um auch die inflationäre Nutzung der “Nazi-Keule” zu verhindern, die in meinen Augen ebenfalls die Verbrechen der Nazis verharmlost.

Die Regeln gelten aber nicht für alle, wie ich an einigen Beispielen aufzeigen will.

„Kriegstüchtig“

Wenn beispielsweise Bundesverteidigungsminister Pistorius dazu aufruft, Deutschland müsste in vier Jahren wieder „kriegstüchtig“ sein, dann wiederholt er praktisch wörtlich, was Hitler in seiner „Denkschrift zum Vierjahresplan“ von 1936 geschrieben hat. Hitler und Pistorius haben die gleichen Formulierungen und auch die gleichen Begründungen angeführt. Nach den Maßstäben, die deutsche Medien und Politiker bei denen anlegen, die sie nicht mögen, hätte die Aussage von Pistorius einen medialen Aufschrei auslösen müssen.

Gleiches gilt für die Aussage von Kanzler Merz, dass Israel im Iran mit seinem völkerrechtswidrigen Angriff die „Drecksarbeit für uns alle“ erledigt habe, denn Anfang 1942 hat SS-Obersturmführer August Häfner die Massen-Erschießung von 34.000 Juden innerhalb von 48 Stunden in Babi Jar ebenfalls damit gerechtfertigt, man habe eine nötige „Drecksarbeit“ erledigt. Das Wort „Drecksarbeit“ ist Umgangssprache und nicht anstößig, aber wenn ein deutscher Kanzler es in Verbindung mit der Tötung von Menschen oder einem Krieg benutzt, dann ist in meinen Augen durchaus ein Bezug zur Nazi-Zeit erkennbar, den ein deutscher Kanzler doch vermeiden sollte.

Und wenn Merz davon spricht, Deutschland „wieder“ zu einer führenden Militärmacht zu machen, und das auch noch im Zusammenhang mit einem möglichen Krieg mit Russland sagt, dann sind die Parallelen zu Hitlers „Denkschrift“ von 1936 zur Kriegsvorbereitung auf den deutschen Überfall auf die Sowjetunion unübersehbar.

Dass Problem ist nämlich, dass Hitler seine Maßnahmen (und danach vor allem den Krieg gegen die Sowjetunion) genauso begründet hat, wie es deutsche Politiker heute tun. Hitler sprach fast immer davon, die „europäische Kultur“ (heute würde man „Werte“ sagen) vor den bösen Russen schützen zu müssen. Wer sich die Reden von Hitler im Original anhört, der wird überrascht sein, wie oft Hitler davon gesprochen hat, man müsse Europa einigen und vor der „Bedrohung aus dem Osten“ schützen, und Deutschland müsse dazu die führende Militärmacht in Europa sein.

„Wieder auf Kurs“?

Merz sagt heute fast wortwörtlich das gleiche, wenn er bei jeder Gelegenheit verkündet, dass Deutschland den militärischen und politischen Führungsanspruch auf dem europäischen Kontinent erhebe. Damit das nicht so sehr nach dem Dritten Reich klingt, sagt er es gerne auch mal auf Englisch: „Germany is back on track“, wenn er davon spricht, dass er Europa gegen Russland anführen will.

Übersetzt heißt Merz’ englische Formulierung übrigens „Deutschland ist wieder auf Kurs“. Auf welchem Kurs? Auf dem Kurs Richtung Krieg gegen Russland? Wenn er es so meint, dann ist das Wort „wieder“ natürlich korrekt, denn auch Hitler-Deutschland hat für sich den Führungsanspruch in Europa beim Kampf gegen die Sowjetunion reklamiert. Wohin das am Ende geführt hat, wissen wir alle.

Wenn ich mir anhöre, was die heutigen Politiker in Deutschland sagen, dann klingt vieles so, wie bei den Nazis. Vielleicht ist das einer der Gründe, warum es heute für geschichtlich Interessierte so schwer ist, komplette Reden von Hitler im Netz zu finden, denn wären diese allgemein bekannt, würde es den Menschen auffallen, wie ähnlich die Aussagen heutiger deutscher Politiker dem klingen, womit Hitler den Deutschen damals die (angebliche) Notwendigkeit des Krieges erklärt hat.

Aber damit nicht genug, denn offenbar sehen sich die Herrschaften in Berlin de facto schon im Krieg mit Russland, auch wenn Merz & Co. bei jeder Gelegenheit darauf hinweisen, dass Deutschland angeblich keine Kriegspartei sei.

„Unser Krieg“

Nur wenn Deutschland keine Kriegspartei ist, warum bezeichnet Merz den Krieg in der Ukraine dann bei anderen Gelegenheiten als „unseren“ Krieg? Das ist eine umso bedenklichere Formulierung, wenn Merz gleichzeitig verkündet, die Mittel der Diplomatie seien ausgeschöpft.

Und das ist offenbar kein Versprecher von Merz, denn vor einigen Tagen hat Generalmajor Freuding, der designierte Chef des deutschen Heeres und Leiter des Sonderstabs Ukraine im Bundesverteidigungsministerium, bei einem Kiew-Besuch im ZDF gesagt:

„Wir brauchen Waffensysteme, die weit auch in die Tiefe des russischen Raumes reichen, die Depots, Führungseinrichtungen, Flugplätze und Flugzeuge angreifen können.“

Wieso „wir“? Sind „wir“ im Krieg mit Russland? Wollen „wir“ tief nach Russland schießen und dort Ziele angreifen? Und wie passt das dazu, dass Merz für das deutsche Publikum betont, „wir“ seien gar keine Kriegspartei?

„Russische Soldaten töten?“ „Ja!“

Am Montag hat Pistorius noch einen drauf gelegt. Er hat der Financial Times ein Interview gegeben und die Financial Times schreibt darüber:

„Er betonte, dass deutsche Truppen, die aufgrund der Schrecken des Zweiten Weltkriegs jahrelang eine Kultur der militärischen Zurückhaltung pflegten, im Falle eines Angriffs Moskaus auf ein Nato-Mitgliedsland bereit wären, russische Soldaten zu töten. „Wenn Abschreckung nicht funktioniert und Russland angreift, wird es passieren? Ja“, sagte er. „Aber ich würde empfehlen, einfach nach Vilnius zu gehen und mit den Vertretern der deutschen Brigade dort zu sprechen. Sie wissen genau, was ihre Aufgabe ist.“

Russische Soldaten zu töten ist, also wieder Teil des Programms der Bundeswehr. Das sagt Pistorius sehr offen, wenn er dem Interviewer in dem Zusammenhang empfiehlt, er solle die Soldaten der deutschen Brigade in Litauen besuchen, weil die genau wüssten, „was ihre Aufgabe ist“. Dass er damit das Töten von Russen meint, ist offensichtlich.

Angesichts all dieser Beispiele muss sich also niemand wundern, dass in Russland inzwischen alarmierende Parallelen zur Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg gezogen werden. Die deutschen Politiker legen es darauf ja regelrecht an – und die deutschen Medien stört das nicht, sondern ihnen scheint diese Kriegsrhetorik sehr gut zu gefallen.

Deutsche Panzer rollen wieder gegen Russland

Das ist keineswegs übertrieben, denn die Nachricht, dass Pistorius für 25 Milliarden Euro bis zu 1.000 Kampf- und bis 2.500 Schützenpanzern kaufen will, wurde von großen deutschen Medien mit Überschriften wie „Rüstungs-Mega-Deal: Tausende neue Panzer rollen gegen Putin“ oder „Deutschland plant Mega-Deal: Tausende neue Panzer gegen Putin“ gefeiert. Übrigens konnte man in den Artikeln immer auch diese Formulierung lesen:

„Eine Investition, die Wladimir Putins Mütchen kühlen und ihm beweisen soll, dass er auf ein anderes Europa treffen würde, als das, dass vor dem Ukraine-Krieg von der Friedensdividende gezehrt hat.“

Auch das war übrigens eine Formulierung, die Hitler bei jeder Gelegenheit gebraucht hat: Zur Motivation der Deutschen sprachen er und die Kriegspropaganda der Nazis immer davon, die Gegner im Zweiten Weltkrieg würden nun auf ein anderes Deutschland treffen, als im Ersten Weltkrieg, was Churchill sein Mütchen kühlen würde.

Zu behaupten, die russischen Erklärungen, dass in Deutschland wieder der Geist der Nazis eingezogen ist, ist also ganz sicher nicht von der Hand zu weisen, wie diese Beispiele zeigen.

https://anti-spiegel.ru/2025/ist-es-russische-hysterie-oder-wird-in-deutschland-wieder-nazi-rhetorik-benutzt/


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