Die Ukraine im Fokus der NATO. Russland-das eigentliche Ziel – von Brigitte Queck
Bekenntnis zu Russland – ohne Wenn und Aber
Ein Buchtipp von Harry Popow
Sirenengeheul! Eine Bombe. Sie wurde im Nachbarhaus entdeckt. Die
Zündschnur sei schon gelegt. Explosionsgefahr – Feuer, Rauch, Tote!!
Sekundenentscheidung: Die Bombe muss weg, die Zündschnur gekappt, die
Brandstifter ermittelt und festgenagelt werden. Wer schaut dabei weg,
wer will sich mitschuldig machen an einer sich anbahnenden Katastrophe?
Ein Schreckensszenario? Mitnichten. Zu dieser Erkenntnis muss man kommen, wenn man seit langem die Krise in der Ukraine verfolgt. Will man wissen, wo die Ursachen liegen, wer hier die Brandstifter sind? Da muss man sich halt an der richtigen Stelle schlau machen. So, wie ein halbes hundert politisch aufgeweckte Leute kürzlich im Musiksalon des Hauses der russischen Kultur in der Berliner Friedrichstraße. Eingeladen hatte Brigitte Queck. Sie ist Diplomstaatswissenschaftlerin Außenpolitik und Vorsitzende der Vereinigung „Mütter gegen den Krieg Berlin-Brandenburg“. Vor ihr ein Stapel Bücher, um die sich die anwesenden deutschen und russischen Gäste nahezu rissen: „Die Ukraine im Fokus der NATO. Russland-das eigentliche Ziel“.
Was die parteilose Kommunistin, wie sie sich selbst bezeichnete, mit
einem solchen Temperament, mit einer klaren Diktion, mit einer scharfen
Polemik gegen politisch blind Gewordene vortrug, übrigens auf Deutsch
und Russisch, bereitete nicht nur geistiges Vergnügen, sondern ließ so
manchem älteren Teilnehmer sicher auch das Gruseln kommen. Gleich zu
Beginn der Buchpräsentation ging sie in die Zielgerade und bot der
aufpeitschenden Verhetzung gegenüber Russland Paroli. Die Ukraine sei
als ein Kettenglied für die US-Herrschaft über Russland, Europa und
Asien auserkoren, und das seit langem. So heißt es zum Beispiel in ihrem
292seitigen Buch auf Seite 8: „
Die Ukraine stand schon lange im zentralen Blickfeld der
USA-Weltherrschaftspolitik. Der frühere Sicherheitsberater Z. Brzezinski
schreibt in seinem Buch ´Die einzige Weltmacht´: ´Die Ukraine ist ein
neuer wichtiger Raum auf dem eurasischen Schachbrett, ist ein
geopolitischer Dreh- und Angelpunkt, weil ihre bloße Existenz als
unabhängiger Staat zur Umwandlung Russlands beiträgt. Ohne die Ukraine
ist Russland kein eurasischer Staat mehr´. Dabei soll die Ukraine den
US/NATO-Ländern vor allem – als geostrategisches Trittbrett auf ihrem
weiteren Weg nach Osten (Russland u. China ), – als billiger
Rohstoffmarkt (z.B. die Schwarzerde-Böden der Westukraine für den
wachsenden Weizen- und Maisbedarf in der Welt und – als billiger
Arbeitsmarkt dienen.“
Anzumerken sei auch dies: Die USA sitzen auf einem Staats-Schuldenberg
von ca. 12 Billionen Euro, was sie u.a. veranlasste, zur Stabilisierung
des Dollars laut IWF 42,3 Tonnen ukrainische Goldreserven insgeheim in
den USA zu horten. (S. 99 und Anhang S. 215) Was folge daraus? Als
führende kapitalistische Weltmacht seien die USA „längst am Ende“,
verfügen aber noch über militärische Macht, über fürchterlichste
Waffensysteme. (S. 67) Dabei gehe es nicht nur um Öl und Gas, sondern
auch um kleinere militärische Auseinandersetzungen in Europa, um ihren
Dollar aufzuwerten, meint die Autorin. (S. 68) Sie zitiert den
ehemaligen CDU-CSU-Bundestagsabgeordneten Dr. Willy Wimmer, der am
25.2.2014 in einem Interview äußerte, „dass ein möglicher Kriegsherd in
der Ukraine auch einen Krieg in Europa auslösen könnte.“
Die seit Ende November 2013 bis Ende Februar 2014 andauernden
Demonstrationen in der Hauptstadt Kiew gegen dem ukrainischen
Präsidenten Janukowitsch und für einen Beitritt der Ukraine zur EU seien
nicht zu verstehen, ohne folgende Zusammenhänge zu sehen: „1. über die
Bedeutung der Ukraine für das kapitalistische Europa, aber vor allem für
die von den USA geführte NATO, im Klaren zu werden; 2. die inneren
Kämpfe in der Ukraine für bzw. gegen einen EU und NATO-Beitritt in der
Vergangenheit zu beleuchten; 3. die Einordnung der Ukraine in die
Kräftekonstellation in der Welt zu betrachten. (S. 7)
Die EU zum Aufmarschgebiet machen? Die Heuchelei: Nach zwei Weltkriegen
solle endlich Demokratie und Freiheit herrschen? Der Russe solle
kuschen, denn die NATO stehe nunmehr auch an den Ostgrenzen der EU.
Dummdreistigkeit und Lügen triumphieren! So blendet man die
US-Gräueltaten und eigenen Kriegsverbrechen aus.
Ein „Friedensnobelpreisträger“ in argen Nöten wegen des schwächelnden
Dollars und schwindenden Einflusses in der Welt. So sucht man krampfhaft
einen neuen Feind, der seit dem Oktober 1917 der alte ist, trotz
wiedergekehrter kapitalistischer Verhältnisse. Dessen Land, die
Bodenschätze, die Ressourcen, die sind im Fokus der imperialistischen
amerikanischen Gier.
Die Autorin stützt sich dabei auf bekannte und unbekannte Fakten, auf
zahlreiche Dokumente und auf viele Analysen von Historikern, des
US-Friedensrates sowie des Europäischen Friedensforums. Übersichtlich
und in einer gut lesbaren Schrift teilt sie Ihr Buch auf in die inneren
Probleme der Ukraine, in die aktuellen Geschehnisse von Ende Januar 2014
bis in die Gegenwart und in einen 172 Seiten umfassenden Anhang.
Auffallend die für wichtig angesehenen Sätze in Fettschrift sowie die
zahlreichen Fotodokumente von den Gewalttaten in der Ukraine.
Über Juschtschenko, den Wunschkandidaten des Westens, der durch
Inszenierung einer „orangenen“ Revolution 2004 Präsident wurde, schreibt
die Autorin, das rechtswidrige Vorgehen dieses Mannes sei eigentlich
„nur mit dem Ermächtigungsgesetz Hitlers 1933 zu vergleichen“. (S. 12)
Juschtschenkos Präsidialdiktatur sollte den schnellen EU- und
NATO-Beitritt der Ukraine garantieren. Über Janukowitsch heißt es, er
ließ sich von westlichen Politikern vorschreiben, gegen „friedliche
Demonstranten“ nicht mit Gewalt vorzugehen. Wer hinter den blutigen
Ausschreitungen stecke? Die Autorin: Mittlerweile sei bekannt, „dass das
ganze eine konzertierte und seit Jahren vorbereitete Aktion der NATO in
Verbund mit israelischen Spezialkräften war, deren ´nützliche Helfer´
(…) die Faschisten, in diesem Falle die Bandera-Nachfolger sowie die
Nachfolger der SS-Division Galizien sind. Sie schreibt, es hätten sich
zu damaliger Zeit etwa 5.000 NATO-Söldner in der Ukraine befunden, deren
Zahl heute enorm gewachsen sei.
Allerdings brach die Krise in der Ukraine nicht wegen des korrupten
ukrainischen Parlamentes aus, so Brigitte Queck, „sondern weil sich die
ukrainische Regierung weigerte, das EU-Assoziierungsabkommen zu
unterzeichnen“. Amerikanische Professoren analysierten das ca.
1.000seitige Dokument und kamen zu dem Schluss, es beziehe quasi die
Ukraine in die NATO ein, „auch ohne eine durch ukrainische Gesetze
geforderte Volksabstimmung“. (S. 78) Mit scharfen Worten geißelt die
Autorin auf Seite 79 den von den USA und der EU angestrebten
Regimewechsel in der Ukraine. Er sei Teil eines verdeckten Krieges gegen
Russland. Die Installierung einer Stellvertreterregierung in Kiew und
der Beitritt der Ukraine zur EU und zur NATO sei „eine direkte Bedrohung
Russlands an der westlichen Grenze…“.
Was will Putin? Er will Volkswohlstand für sein Volk und die
Wiederherstellung der vollen Souveränität seines Landes. Im Gegensatz
zum globalen Feldzug der US/NATO zur Errichtung einer unipolaren Welt
unter Führung der USA streben andere Völker – u.a. Russland, Kasachstan,
Belorussland sowie die stark besorgten Länder Armenien, Kirgistan, der
Iran und China – eine multipolare Welt an, „wo auch der kleinste Staat
der Erde selbst bestimmen kann, welchen Entwicklungsweg er nimmt und
nicht, um zum Erfüllungsgehilfen der EU/NATO zur Unterjochung der
Menschheit unter eine Minderheit der Reichsten dieser Erde zu werden“.
(S. 40)
Möge sich das inhaltsschwere Buch von Brigitte Queck als Pflichtlektüre
empfehlen. Denn, so die Autorin auf Seite 259, die Perspektive eines
Krieges mit Russland trage für Deutschland und Europa apokalyptische
Züge. „Die einzige Chance zur Verteidigung des Friedens besteht in der
Annäherung an Russland.“ Und auch dies sei mit Beifall für die mutige
und aufrechte Autorin bedacht: Es sei bewundernswert, mit welcher
Besonnenheit der russische Präsident Putin auf das Vorgehen der
US/NATO/EU/Israel reagiere.
Wer Zündschnüre legt für neue blutige Aggressionen ist im hohen Grade
ein Krimineller. Sie sollten bei uns allen klingeln – die Alarmglocken,
mahnt Brigitte Queck. Das sei das Gebot der Stunde: Sich zu Russland
bekennen, wie sie auf Seite 204 aus einem Aufruf des Deutschen
Freidenkerverbandes (siehe junge welt vom 7.4.2014) zitiert. Ohne Wenn
und Aber. (PK)
Brigitte Queck: „Die Ukraine im Fokus der NATO. Russland das
eigentliche Ziel“, Taschenbuch: 292 Seiten, Verlag: Zambon, Giuseppe,
Frankfurt am Main; Auflage: 1 (25. April 2014), Sprache: Deutsch,
ISBN-10: 3889752314, ISBN-13: 978-3889752314; 12 Euro
Erstveröffentlichung dieser Rezension in der Neuen Rheinischen Zeitung
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=20536
Mehr über den Rezensenten: http://cleo-schreiber.blogspot.com
Online-Flyer Nr. 466 vom 09.07.2014
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