Donnerstag, 7. September 2023

Gewerkschaften und Frieden - Arnold Schölzel - RotFuchs

 

Entnommen: https://rotfuchs.net/files/rotfuchs-ausgaben-pdf/2023/RF-307-09-23.pdf


RotFuchs, September 2023


Gewerkschaften und Frieden 

Am 1. September gedenkt vor allem die fortschrittliche Menschheit der Entfesselung des Zweiten Weltkrieges durch den deutschen Faschismus. In diesem Jahr zeichnet sich ab, daß es an diesem Tag in der Bundesrepublik Kundgebungen von sich als politisch links verstehenden Gruppen und Organisationen geben wird, die angeben, für Frieden zu sein und das mit der Forderung nach Waffenlieferungen für die in Kiew Regierenden verbinden. Darunter sind führende Politiker der Partei Die Linke, aber auch Spitzen von DGB-Gewerkschaften. Das ist selbst für das Kriegsbollwerk BRD eine neue Erfahrung. Trotz der Burgfriedenspolitik ihrer Führungen stellten die Branchengewerkschaften des DGB, genauer: ihre Mitglieder und viele Gliederungen, in den 74 Jahren der Existenz dieses Staates, der für Revanche gegründet wurde, immer wieder einen großen Teil der Friedensbewegung. Das war so im Kampf gegen die Wiederaufrüstung und die atomare Aufrüstung der BRD in den 50er Jahren. Auch wenn die SPD damals letztlich einknickte und sich wenig später zur NATO bekannte: Ohne engagierte Gewerkschafter, ohne tatkräftige Unterstützung durch einzelne DGB-Organisationen hätte es die Ostermärsche oder die Bewegung gegen die Notstandsgesetze, die stets auch eine Bewegung gegen den USVölkermord in Vietnam war, bald nicht mehr gegeben. Auch hier kam das Ende durch die SPD, die 1968 die Verfassungsänderung für diese Repressionsinstrumente sicherte. Sie sind bis heute gültig und mit ihnen soll jede Opposition gegen Kriegstreiberei und Krieg schon im Spannungsfall unterdrückt werden. Sozialdemokratie und Gewerkschaftsführungen haben einen großen Anteil daran, daß in der BRD immer wieder Ruhe an der Heimatfront hergestellt werden konnte. Dennoch: Gewerkschafter und viele Gliederungen engagierten sich auch im Widerstand gegen die „Nachrüstung“ in den 80er Jahren. Bis 1989 hatten sie dabei stets die DDR und den FDGB an ihrer Seite und nicht wenige wollten das – trotz des auch den DGB beherrschenden Antikommunismus. Zusammenfassend läßt sich sagen: Die westdeutschen Gewerkschaften erklären zwar in ihren grundlegenden Dokumenten seit ihrer Gründung, sich für Frieden und Abrüstung einzusetzen, gegen die Aufrüstung selbst unternahmen sie als Institutionen aber stets zu wenig und folgten der SPD. Seit dem imperialistischen Anschluß der DDR hat sich das Bild auch auf diesem Gebiet noch einmal gründlich zum Schlechten geändert. Bereits der erste deutsche Angriffskrieg seit 1945 im Jahr 1999 gegen Jugoslawien stieß auf wenig Protest im DGB, der zweite gegen Afghanistan noch weniger. Zu der Tatsache, daß deutsche Soldaten dort 20 Jahre lang daran mitwirkten, wahrscheinlich 800 000 Menschen direkt oder indirekt umzubringen, schweigen die Gewerkschaften – vom Elend, das die 2021 flüchtenden NATO-Söldner hinterlassen haben, ganz zu schweigen. Solidarität sieht anders aus. Das Nein Gerhard Schröders zum US-Abenteuer im Irak, das er im Wahlkampf 2002 einsetzte, trugen die Gewerkschaften zwar mit. Gegen die faktische Unterstützung dieses Krieges durch die Bundesregierung wandten sie sich aber nicht. Dasselbe gilt für den Bundeswehreinsatz in Mali. Gegenwärtig erleben engagierte Friedenskämpfer in diesem Land einen neuen Tiefpunkt. Bereits der DGB-Bundeskongreß im Mai 2022 hatte sich für Waffenlieferungen an Kiew ausgesprochen. Dem ver.diKongreß vom 17. bis zum 22. September in Berlin legte die ver.di-Führung einen Leitantrag vor, der ebenso satzungs- und programmwidrig Waffenlieferungen befürwortet. Das geschieht zu einem Zeitpunkt, in dem völkerrechtlich geächtete US-Streumunition in der Ukraine zum Einsatz kommt – mit dem Segen von Bundespräsident FrankWalter Steinmeier. Zugleich wird die Lieferung deutscher „Taurus“-Marschflugkörper, die weit ins russische Hinterland fliegen können, vorbereitet. Das erhöht die Atomkriegsgefahr unmittelbar, der Wille zum Krieg in dieser Bundesregierung ist maßlos. Am 30. Juli starteten mehrere ver.di-Mitglieder eine Petition an die Delegierten des Kongresses mit dem Aufruf, Nein zu diesem Leitantrag zu sagen. Mehr als 3700 Menschen unterzeichneten bis Mitte August. Ist es illusionär, Hoffnung auf die Gewerkschaften in der Friedensfrage zu setzen? Heißt das, Illusionen verbreiten? Das Gegenteil ist der Fall. Nichts ist leichter, als politische Aufklärung und Arbeit einzustellen, nichts scheint heute schwieriger, als die größte Organisation der Arbeiterklasse mit ihren 5,6 Millionen Mitgliedern in diesem Land an die Friedensbewegung heranzuführen. Ein anderer Weg zur deren dringend nötiger Stärkung gibt es aber nicht. Die Beschäftigten dieses Landes bezahlen den Krieg längst mit Sozialabbau, Inflation und Reallohnverlust. Dem werden sich die Gewerkschaften stellen müssen. Arnold Schölzel

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