Teil
I
Über
den Klassenkampf von oben und die notwendige Gegenwehr von unten
Von Prof. Dr. Achim Dippe
Vor einiger Zeit hat ein
Multimilliardär in den USA im Auftrag seiner Klasse voller
Überzeugung verkündet, daß sie heute und morgen den Klassenkampf
von oben führen und auch siegreich gestalten werden.* Das Echo in
den bürgerlichen Medien auf diese unmißverständliche Kampfansage
eines renommierten Exponenten des Kapitals war betretenes Schweigen.
Es ist davon auszugehen, daß es in der politischen und ökonomischen
Landschaft der BRD einige Reaktionen gab.
Insbesondere Vertreter des
Großkapitals werden neben einer verständnisvollen, aber lautlosen
Zustimmung säuerlich darüber gewesen sein, daß jemand aus ihrer
Klasse den täglichen Prozeß der Ausbeutung, der Verarmung, des
massenhaften Tötens durch mörderische Kriege, des skrupellosen
Raubbaus der einmaligen Ressourcen unserer Erde so ungeschminkt als
„Klassenkampf von oben“ formuliert. Gab es nicht unter allen
politischen, ökonomischen und juristischen Akteuren der BRD seit
Jahr und Tag eine stillschweigende Übereinkunft, daß alle Gedanken
zum und über den Klassenkampf in die politische Tabuzone gehören?
Für viele linke Politiker und auch für Gewerkschaften war es
offensichtlich schockierend und desillusionierend zugleich, daß ein
Nichtmarxist und eine Ikone des Kapitals so brutal sagt, es werde mit
dem rasanten technologischen Fortschritt im Kapitalismus
(Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Industrie 4.0) keine
soziale Wunderheilung für die Gesellschaft geben.
Und auch eine größere
soziale Verantwortung und moralische Bringepflicht durch die
Kapitalisten wird man, von einigen Ausnahmen abgesehen, in der
Kapitalistenklasse vergeblich suchen. Für Marxisten war die Äußerung
des amerikanischen Kapitalisten nur eine erneute Bestätigung dafür,
daß gerade durch die Erschließung und Nutzung der Hightech-Felder
die Polarisierung der kapitalistischen Gesellschaft weiter
voranschreitet. Viele Menschen sehen in den Schikanen am
Arbeitsplatz, in den Ungerechtigkeiten und Gesetzesverstößen bei
den Arbeits- und Lebensbedingungen nur Willkür, Herzlosigkeit und
Geldgier einzelner Kapitalisten und ihrer Manager. Oft werden diese
dunklen Flecken im kapitalistischen Alltag nur dummen
Managementfehlern angelastet. Die Leugnung und Verteufelung des
Klassenkampfes durch die bürgerlichen Parteien und Medien haben eine
tiefe Schleifspur des Nichterkennens und der politischen Naivität
hinterlassen. Klassenkampf von oben bedeutet heute ständige
Sicherung der politischen, ökonomischen, finanziellen, juristischen
und gewünschten sozialen Voraussetzungen, Rahmenbedingungen für
eine größtmögliche Kapitalverwertung in immer kürzeren
Zeiträumen. Die äußeren, in der Öffentlichkeit wahrgenommenen
Ausdrucksformen des Klassenkampfes von oben wie Entlassungen,
Leiharbeit, Kurzarbeit und Beschneidung gewerkschaftlicher Rechte
verdecken die tiefer liegende Drehachse des Klassenkampfes. Sie
besteht darin, über die Entsolidarisierung der abhängig
Beschäftigten in den Unternehmen, über kapitalfreundliche
Beschäftigungsverhältnisse und Lohnformen, über die Lösung der
Tarifbindung des Lohnes, über das ständige Höherlegen der
physischen und psychologischen Belastbarkeitsgrenzen für die
Beschäftigten, über ein Klima andauernder sozialer Unsicherheit und
auf Angst gegründeter Disziplin den Ausbeutungsprozeß so profitabel
wie möglich zu gestalten.
Die mit der
Digitalisierung sich eröffnenden größeren ökonomischen und
arbeitsorganisatorischen Möglichkeiten werden den einzelnen
Beschäftigten rigoros aufgezwungen. Für das Kapital kann es
beruhigend wirken, wenn zig Millionen abhängig Beschäftigte den
Klassenkampf von oben nicht mehr richtig erkennen, da die
Gemeinheiten im Arbeitsvertrag und die Belastungen im
kapitalistischen Arbeitsprozeß als normaler Bestandteil des
Alltagslebens hingenommen werden.
(Teil II, Fortsetzung
folgt)
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