Montag, 10. Februar 2020

I. KLASSENKAMPF von oben - Prof. Dr. Achim Dippe



Teil I
Über den Klassenkampf von oben und die notwendige Gegenwehr von unten

Von Prof. Dr. Achim Dippe

Vor einiger Zeit hat ein Multimilliardär in den USA im Auftrag seiner Klasse voller Überzeugung verkündet, daß sie heute und morgen den Klassenkampf von oben führen und auch siegreich gestalten werden.* Das Echo in den bürgerlichen Medien auf diese unmißverständliche Kampfansage eines renommierten Exponenten des Kapitals war betretenes Schweigen. Es ist davon auszugehen, daß es in der politischen und ökonomischen Landschaft der BRD einige Reaktionen gab.

Insbesondere Vertreter des Großkapitals werden neben einer verständnisvollen, aber lautlosen Zustimmung säuerlich darüber gewesen sein, daß jemand aus ihrer Klasse den täglichen Prozeß der Ausbeutung, der Verarmung, des massenhaften Tötens durch mörderische Kriege, des skrupellosen Raubbaus der einmaligen Ressourcen unserer Erde so ungeschminkt als „Klassenkampf von oben“ formuliert. Gab es nicht unter allen politischen, ökonomischen und juristischen Akteuren der BRD seit Jahr und Tag eine stillschweigende Übereinkunft, daß alle Gedanken zum und über den Klassenkampf in die politische Tabuzone gehören? Für viele linke Politiker und auch für Gewerkschaften war es offensichtlich schockierend und desillusionierend zugleich, daß ein Nichtmarxist und eine Ikone des Kapitals so brutal sagt, es werde mit dem rasanten technologischen Fortschritt im Kapitalismus (Digitalisierung, künstliche Intelligenz, Industrie 4.0) keine soziale Wunderheilung für die Gesellschaft geben.

Und auch eine größere soziale Verantwortung und moralische Bringepflicht durch die Kapitalisten wird man, von einigen Ausnahmen abgesehen, in der Kapitalistenklasse vergeblich suchen. Für Marxisten war die Äußerung des amerikanischen Kapitalisten nur eine erneute Bestätigung dafür, daß gerade durch die Erschließung und Nutzung der Hightech-Felder die Polarisierung der kapitalistischen Gesellschaft weiter voranschreitet. Viele Menschen sehen in den Schikanen am Arbeitsplatz, in den Ungerechtigkeiten und Gesetzesverstößen bei den Arbeits- und Lebensbedingungen nur Willkür, Herzlosigkeit und Geldgier einzelner Kapitalisten und ihrer Manager. Oft werden diese dunklen Flecken im kapitalistischen Alltag nur dummen Managementfehlern angelastet. Die Leugnung und Verteufelung des Klassenkampfes durch die bürgerlichen Parteien und Medien haben eine tiefe Schleifspur des Nichterkennens und der politischen Naivität hinterlassen. Klassenkampf von oben bedeutet heute ständige Sicherung der politischen, ökonomischen, finanziellen, juristischen und gewünschten sozialen Voraussetzungen, Rahmenbedingungen für eine größtmögliche Kapitalverwertung in immer kürzeren Zeiträumen. Die äußeren, in der Öffentlichkeit wahrgenommenen Ausdrucksformen des Klassenkampfes von oben wie Entlassungen, Leiharbeit, Kurzarbeit und Beschneidung gewerkschaftlicher Rechte verdecken die tiefer liegende Drehachse des Klassenkampfes. Sie besteht darin, über die Entsolidarisierung der abhängig Beschäftigten in den Unternehmen, über kapitalfreundliche Beschäftigungsverhältnisse und Lohnformen, über die Lösung der Tarifbindung des Lohnes, über das ständige Höherlegen der physischen und psychologischen Belastbarkeitsgrenzen für die Beschäftigten, über ein Klima andauernder sozialer Unsicherheit und auf Angst gegründeter Disziplin den Ausbeutungsprozeß so profitabel wie möglich zu gestalten.

Die mit der Digitalisierung sich eröffnenden größeren ökonomischen und arbeitsorganisatorischen Möglichkeiten werden den einzelnen Beschäftigten rigoros aufgezwungen. Für das Kapital kann es beruhigend wirken, wenn zig Millionen abhängig Beschäftigte den Klassenkampf von oben nicht mehr richtig erkennen, da die Gemeinheiten im Arbeitsvertrag und die Belastungen im kapitalistischen Arbeitsprozeß als normaler Bestandteil des Alltagslebens hingenommen werden.

(Teil II, Fortsetzung folgt)

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