Mittwoch, 12. Februar 2020

IV. Die Exekution der DDR



Teil IV
Über den Klassenkampf von oben und die notwendige Gegenwehr von unten

Von Prof. Dr. Achim Dippe

Das scheue Reh, die Treuhand, der Kapitalismus

Mit der Exekution des Staates und der Wirtschaft der DDR durch die tödlichen Aktionen Privatisierung vor Sanierung, Rückgabe vor Entschädigung, Delegitimierung des Staates und all seiner Organe, Verteufelung der SED und der Staatssicherheit, gekoppelt mit einem massenhaften politisch-sozialen Kahlschlag, wurde ein Klassenauftrag erfüllt, der schon 30 Jahre vorher als Regieanweisung durch das große Kapital in Auftrag gegeben wurde. Die Treuhand war das entscheidende Instrument und der verläßliche Garant für die erfolgreiche Offensive des BRD-Kapitals auf dem Territorium der DDR. Die politischen Köpfe und Regisseure dieser Offensive – Konzerne, Banken, das Finanzministerium, die BRD-Regierung – bleiben bis heute ungenannt. Der Klassenkampf von oben hat unter dem Schirm der NATO und mit freundlicher Zustimmung durch sowjetische Partei- und Regierungsvertreter zur Zerschlagung des ersten sozialistischen Staates auf deutschem Boden geführt. Die Dimension und Schärfe dieses Klassenkampfes von oben hat alle bisher gekannten Maßstäbe gesprengt. Mit dem Slogan „friedliche Revolution“ hatte das große Kapital das ideale Tarnnetz gefunden, um die beispiellose Verwüstung eines souveränen Staates zu kaschieren.

Das große Kapital hat das Klassenkampfprojekt Agenda 10 mit den Hartz-IV-Gesetzen zur bitteren Realität für über 45 Millionen abhängig Beschäftigter werden lassen. Der Erfolg des Kapitals wird als Klassiker des siegreichen Klassenkampfes von oben in die Analen der Konzerne und der großen Unternehmerverbände eingehen.

Bemerkenswert sind dabei fünf Momente:

1. Auf das Ankündigen wachsender Schwierigkeiten im kapitalistischen Verwertungsprozeß, auf die Signale des möglichen Verlustes der ökonomischen und finanziellen Führerschaft in der EU, auf die Alarmzeichen wachsenden scharfen internationalen Konkurrenzdrucks sollte mit einer langfristigen, tragfähigen Strategie geantwortet werden, die über viele Jahre hinweg höhere Profite sichert. Unter Federführung der Konzerne hat das Kapital zwei strategische Eckpunkte für eine bessere Kapitalverwertung gefunden: - ständig hoher Kostendruck auf den Faktor Arbeit; - Kosten-, Qualitäts- und Designvorteile gegenüber der internationalen Konkurrenz sichern. Deshalb wurden und werden Beschäftigungsverhältnisse, Entlohnungssysteme, die Arbeitsorganisation, Rechte und Pflichten der Beschäftigten, soziale Ansprüche der Arbeitslosen ständig auf den Prüfstand gestellt mit einer glasklaren Orientierung: Umbau, Veränderung, Einschränkung, Streichung im Interesse des Kapitals.

2. Die in Hartz IV enthaltenen sozialen Härten und menschlichen Erniedrigungen mußten aufgefangen, neutralisiert und über Gesetze, Verfügungen, also mit der Autorität des Staates, als ertragbar und gesellschaftsfähig verordnet werden. Die Sanktionierungsgewalt der Hartz-IV-Gesetze sollte von Anfang an Bestandteil des normalen Rechtsempfindens der Bürger werden (auch wenn das Bundesverfassungsgericht hier Anfang November 2019 Korrekturen vorgenommen hat).

3. Mit Hartz IV sollte eine weitere Entsolidarisierung, soziale Spaltung innerhalb der abhängig Beschäftigten vorgenommen werden. Die Hartz-IV-Gesetze haben den Arbeitsvertrag zum Gütesiegel für gute Arbeitseinstellung, große Lernbereitschaft erklärt, die Arbeitslosigkeit und den Gang zum Jobcenter als selbstverschuldeten Makel herausgestellt. Diese Gesetze sollen ein politisch und juristisch abgesichertes Drohund Einschüchterungspotential sein, das dauerhaft demoralisierend wirkt und eine weitgehend forderungslose Anpassung an das Unternehmen produziert.

4. Die mit Hartz IV eintretenden ökonomischen Effekte für das Kapital sollten von Anfang an so erklärt werden, daß sie hilfreich für den einzelnen sind und letztlich dem Gemeinwohl dienen.

5.Hartz IV zeigt unmißverständlich: Die Hauptstränge des Klassenkampfes von oben mit den tiefgreifenden sozialen Konsequenzen für die Beschäftigten verlaufen über die Regierung der BRD, über alle Ministerien, über bürgerliche Parlamentsmehrheiten. Gesetze, Verordnungen, Verfügungen, die den ökonomischen und finanziellen Nerv des Kapitals berühren könnten, werden von vornherein kapitalfreundlich formuliert. Mit einer kapitalfreundlichen und -stützenden Gesetzgebung wird der Klassenkampf von oben endgültig auf Grün geschaltet. Gegen die durch Gesetze und Verordnungen abgesegneten sozialen Einschnitte und Kürzungen politische und juristische Gegenwehr zu organisieren wird immer schwerer. Widerstand gegen das Kapital wird juristisch zermürbt und medial diskreditiert. Im Klassenkampf von oben ist in der BRD das Zusammenspiel von bürgerlicher Justiz und bürgerlichen Medien ein Erfolgsmodell des Kapitals.

(Teil V folgt mit „Es gibt keine Alternative zum Widerstand“)

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