Entnommen:
https://linkezeitung.de/2016/07/08/regierungserklaerung-zum-nato-gipfel-ein-plaedoyer-fuer-militarismus-und-krieg/
Regierungserklärung
zum Nato-Gipfel: Ein Plädoyer für Militarismus und Krieg
VERÖFFENTLICHT VON EGESTER ⋅
8. JULI 2016
von Johannes Stern –
http://www.wsws.org
Am Vortag des heute beginnenden
Nato-Gipfels in Warschau gab Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eine
Regierungserklärung im Bundestag ab. Es war ein Plädoyer für
Militarismus und Krieg. Neben der Aufstockung des deutschen
Militäretats um fast zwei Milliarden Euro im kommenden Jahr und
„mehr als 2,5 Milliarden Euro zusätzlich“ ab 2018 verkündete
Merkel ein stärkeres Engagement der Bundeswehr und der Nato im Irak,
in Syrien, in Libyen, im Mittelmeer und in Afghanistan.
Im
Zentrum der Rede der Kanzlerin stand die Rechtfertigung der
Kriegsvorbereitungen gegen Russland, die die Nato in Warschau
beschließen will. Gleich zu Beginn lobte Merkel den sogenannten
„Readiness Action Plan“, den die Nato bereits 2014 auf ihrem
letzten Gipfel in Wales verabschiedet hatte. Merkel pries
„insbesondere die neuen, sehr schnell in das gesamte Bündnisgebiet
verlegbaren Nato-Eingreifkräfte, die sogenannte Very High Readiness
Joint Task Force, und den Aufbau von Aufnahmestäben bei unseren
östlichen Nato-Partnern“.
Deutschland trage „zu diesen
Maßnahmen substanziell bei“. In Warschau würden nun „die in
Wales beschlossenen Anpassungsmaßnahmen des Bündnisses ergänzt“.
Im Kern gehe es darum, „eine stärkere Präsenz der Nato in den
baltischen Staaten und in Polen zu ermöglichen“. Diese sogenannte
„enhanced forward presence“ sei wichtig, weil es nicht ausreiche,
„Truppen schnell verlegen zu können“. Vielmehr müsse es auch
darum gehen, „bereits ausreichend vor Ort präsent zu sein“.
Die
Planungen sähen „eine multilateral zusammengesetzte Präsenz vor“,
führte Merkel aus. „Für jedes der drei baltischen Länder und für
Polen“ werde „jeweils ein Alliierter die Führung übernehmen, um
die Präsenz der NATO dort sicherzustellen“. Im Falle Deutschlands
wird dies voraussichtlich Litauen sein.
Merkel machte
deutlich, dass die neuen Bataillone notfalls auch zum Einsatz kommen.
Der Ansatz schließe „die Reaktion auf sogenannte hybride
Bedrohungen ausdrücklich mit ein, also auch Szenarien ähnlich
denen, die Russland in der Ukraine eingesetzt hat“, betonte
sie.
Seit Berlin und Washington Anfang 2014 den Putsch in Kiew
gegen den pro-russischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch unterstützt
haben, bemühen deutsche Politiker und Medienvertreter
gebetsmühlenartig das Mantra von der Schutzverantwortung der Nato
vor dem „russischen Aggressor“, um das militärische Vorrücken
gegen Osten und die militärische Einkreisung Russlands zu
rechtfertigen.
Merkel begrüßte in ihrer Rede ausdrücklich,
dass Montenegro demnächst der Nato als 29. Mitgliedsstaat angehören
werde. Außerdem werde es in Warschau „auch Treffen der
NATO-Georgien-Kommission und der NATO-Ukraine-Kommission geben“ –
also mit Vertretern zweier Staaten, die sich de facto bereits in
einem militärischen Konflikt mit Russland befinden und das erklärte
Ziel verfolgen, ebenfalls in die Nato aufgenommen zu werden.
Merkel
stellte sich auch hinter das neue Raketenabwehrsystem, das die USA
gegenwärtig in Polen und Rumänien aufbauen. Sie nannte es einen
„weiteren wichtigen Schritt […], mit dem die Menschen im
Bündnisgebiet noch besser geschützt werden sollen“.
Absurderweise
bezeichnete Merkel die Abschreckungsstrategie der Nato „als
zutiefst defensives Konzept“. „Abschreckung und Dialog“ seien
„keine Gegensätze“, sondern gehörten „untrennbar zusammen“,
behauptete sie. Darüber herrsche innerhalb der Nato „Einvernehmen“.
Außerdem sei man sich darüber einig, „dass dauerhafte Sicherheit
in Europa nur mit und nicht gegen Russland zu erreichen ist“.
In
Wirklichkeit diskutieren Teile des Nato-Establishments bereits über
einen möglichen Angriffskrieg gegen Russland. So berichtete der
amerikanische Militärstratege Harlan Ullmann kürzlich in einem
Artikel der Nachrichtenagentur UPI mit dem Titel „Planen die USA
einen Krieg gegen Russland?“, auf einer Militärkonferenz in
Großbritannien habe ein US-General erklärt, es sei höchste
Priorität der US Armee, Russland „abzuschrecken und falls nötig
in einem Krieg zu besiegen“.
In der aktuellen Ausgabe der
Zeit schreibt Matthias Nass gestützt auf interne Nato-Dokumente, das
Militärbündnis kehre „zur atomaren Abschreckung“ zurück und
wolle „im Baltikum einen nuklearen Stolperdraht gegen Russland
ziehen“. Dabei sei schon jetzt klar, „dass die Beschlüsse von
Warschau in Russland heftige Reaktionen auslösen werden – von der
Stationierung nuklearfähiger Iskander-Raketen im Gebiet von
Kaliningrad bis zur Kündigung des Vertrags über
Mittelstreckenraketen (INF-Vertrag).“
Während sich Merkel
voll hinter den Kriegskurs der Nato stellte, wurden in der
Bundestagsdebatte auch Differenzen innerhalb des Regierungslagers
sichtbar. Vor allem Vertreter der SPD betrachten das aggressive
Vorgehen der USA gegen Russland zunehmend als Bedrohung der
geostrategischen und wirtschaftlichen Interessen Deutschlands in
Osteuropa und anderen Regionen der Welt.
So forderte der
SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann zwar ebenfalls „klare
Antworten“ auf „großangelegte russische Militärmanöver mit bis
zu 100.000 Soldaten“. Gleichzeitig warnte er aber davor, „wieder
in die Logik des Kalten Krieges“ abzurutschen. Es gelte alles
daranzusetzen, „dass wir in diese verhängnisvolle Spirale nicht
wieder hineinkommen“. Ein Rüstungswettlauf „wäre das Letzte,
was Russland und Europa gebrauchen können“.
Oppermann
plädierte „für eine schrittweise Annäherung an Russland“. Für
den Fall, dass es „echte Zugeständnisse von Wladimir Putin“
geben sollte, stellte Oppermann eine Aufhebung der Sanktionen in
Aussicht, die erst in der vergangenen Woche von der EU verlängert
worden waren. Diese seien „kein Selbstzweck“. Außerdem habe
Außenminister Frank-Walter Steinmeier „völlig recht“ gehabt,
„dass man mit Truppenparaden und Manövern allein keine Sicherheit
gewinnen“ könne. Er sei ihm „dankbar, dass er darauf aufmerksam
gemacht hat, dass man mit militärischer Stärke allein keinen
Frieden sichern kann“.
Oppermann weiß sehr gut, dass
Steinmeier keine „Friedenspolitik“ betreibt. Er drängt seit
Jahren auf eine größere außenpolitische und militärische Rolle
Deutschlands auf der ganzen Welt. Am 13. Juni veröffentlichte der
deutsche Außenminister im außenpolitischen Journal Foreign Affairs
den Artikel „Deutschlands neue globale Rolle“, der Deutschland
als „bedeutende europäische Macht“ bezeichnet, auf Distanz zu
den USA geht und Washingtons alleinigen Führungsanspruch in der
Weltpolitik in Frage stellte.
Wir kommentierten damals:
„Steinmeiers Vorstoß macht […] deutlich, dass die Kriege um die
Neuaufteilung des Nahen Ostens und Afrikas sowie die Einkreisung
Russlands und Chinas zu Konflikten zwischen den imperialistischen
Mächten führen. Obwohl verbündet, verfolgen die USA und
Deutschland konkurrierende wirtschaftliche und politische Interessen.
Der Zerfall der Europäischen Union, der sich im Falle eines
Austritts Großbritanniens weiter beschleunigen wird, und der
Aufstieg Donald Trumps in den USA verschärfen ihre Konflikte.“
Am
deutlichsten distanzierte sich die Fraktionsvorsitzende der
Linkspartei, Sahra Wagenknecht, von den USA und warb für ein Bündnis
mit Russland. Sie sprach als Oppositionsführerin direkt nach
Merkel.
Wagenknecht kritisierte die Kriegsvorbereitungen der
Nato gegen Russland in scharfen Tönen und plädierte dafür, in
Zukunft eher die USA als Gegner zu betrachten. Schon der im November
2015 verstorbene SPD-Altkanzler Helmut Schmidt sei der Meinung
gewesen, „dass heute mehr Gefahr von den USA als von Russland
ausgeht. Das dürfte nach den nächsten US-Präsidentschaftswahlen,
wenn im Weißen Haus entweder ein Halbverrückter oder eine
Marionette der US-Rüstungslobby regiert, nicht viel anders
werden.“
http://www.wsws.org/de/articles/2016/07/08/bund-j08.html
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