Mittwoch, 8. Januar 2014

Vom Lieben und vom Streiten


Vom Lieben und vom Streiten

Hochgradig interessante Artikel samt Kommentaren im Kritischen Netzwerk:
Siehe
http://www.kritisches-netzwerk.de/forum/was-ist-denn-mit-dem-kommunismus


Was ist denn mit dem Kommunismus?

Viele verwechseln ihn mit Real-Sozialismus oder "Komm und iss Mus"

Kommunismus ist ein zu großes Wort für die bisher real existenten Sozialismen, denn die klassenlose Gesellschaft war noch nirgends entstanden. Es waren allenfalls Vorstufen in die Richtung des Absterbens des Staates und der vollen Ausbildung einer egalitären Gesellschaft, in der sich das Individuum bar jeder Herkunfts-, Vermögens- und Besitz-Verhältnisse frei entfalten kann, jede/r nach seinen/ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen. Das setzt allerdings die volle Entwicklung der Produktivkräfte unter Wegfall aller Hemmnisse in den Produktionsverhältnissen einer Gesellschaft voraus, die den Mangel letztlich überwunden hat.

Davon konnte in den bisherigen realsozialistischen Ländern, soweit sie sich vorübergehend den Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus entziehen konnten, nicht die Rede sein. Es herrschte in vielen Bereichen Mangel und ein nicht unerhebliches Demokratiedefizit. Der Ostblock wurde vom Westen regelrecht totgerüstet. Er investierte zuviel in die Rüstung (nach innen wie nach außen), weil er sich ständig bedroht sah und von Feinden umzingelt (was ja zutraf), und vernachlässigte dabei die Konsumption. Der daraus resultierenden Unzufriedenheit von Teilen der Bevölkerung begegneten die Staatsapparate mit umsomehr Kontrolle und Überwachung, anstatt ihren Bürgern zu vertrauen und auf die strukturelle (nicht technologische) Überlegenheit ihrer Wirtschaft zu setzen, die den Werktätigen zumindest theoretisch weitestgehende Bestimmungsrechte einräumte, nicht nur Mitbestimmung. Sie hätten die volkseigenen Betriebe (die dem Staat gehörten), aber auch die genossenschaftlichen Eigentumsformen nutzen und den Laden tatsächlich als ihren eigenen betrachten können, als Produktionsmittel und Liegenschaften im mittelbaren Eigentum der Produzenten selbst, nicht irgendwelcher Kapitalbesitzer.

Hätten die DDR-Bürger genügend Bananen und ausreichend Wellpappe und Rauhfasertapeten für ihre Datschen gehabt, hätte Kohl das Begrüßungsgeld verdoppeln können, und sie wären nicht der D-Mark nachgelaufen. Die DDR hätte mit der Erfindung der Baumärkte Weltgeschichte schreiben können. Sie hatte bereits in den Siebziger Jahren ein Trabi-Design in den Schubladen, das den heutigen (runden) Automobil-Outfits um Jahrzehnte voraus gewesen wäre. Sachsenring hat es nicht genutzt, weil die verkehrsplanerische Priorität eine andere war. Zuerst sollte der Massenverkehr voran getrieben werden und der Wohnungsbau. Es herrschte immer und fast überall Mangel, dauernd Bedarf, auch an Arbeitskräften. Warum das so war?

Soziale Umwälzungen wie die Oktoberrevolution kamen (bisher jedenfalls) immer zuerst an den schwächsten Kettengliedern des Imperialismus zum Erfolg, nicht in den hochentwickelten Metropolen. In Russland war es das rückständige, despotische, weitgehend agrarische Zarenreich, das aus der Kette der imperialistischen Staaten herausbrach und von der Sowjetmacht zunächst mit gigantischem Einsatz von Mensch und Material industrialisiert werden musste. Dann musste die Landwirtschaft mechanisiert und kollektiviert werden. Zeitgleich war die junge SU von Interventionskriegen fast sämtlicher imperialistischer Staaten bedroht, später vom faschistischen Überfall der deutschen Wehrmacht überrollt, dem sie nur mit gigantischer Kraftanstrengung (Verlegung der Schwerindustrie hinter den Ural) widerstand und mühevoll die Kriegswende von Stalingrad herbeiführte.

Bis dahin war vom Eingreifen der USA an der Westfront noch lange keine Rede, die erfolgte erst im Juni 1944, als klar wurde, dass die Sowjetunion die Nazis besiegen und den Krieg in Europa für sich entscheiden könnte. Danach dann der Kalte Krieg mit seiner eskalierenden Rüstungsspirale. Kein großes Wunder also, dass (nicht nur in der Parteiführung) auf "Stärke" gesetzt wurde, dem Westen gegenüber wie auch den innenpolitischen Oppositionellen gegenüber. Zumal die patriarchalen Strukturen der vorrevolutionären Zeit nie aufgebrochen und überwunden worden waren. Das rechtfertigt nicht die Verbrechen der Stalin-Ära, ich versuche sie nur in den geopolitischen Kontext einzuordnen. Immer wuchs der Panzer, nicht aber das Gehirn, fast wie beim Dinosaurier. Was einmal nützlich und überlebensnotwendig war, entpuppte sich zusehends als eisernes Korsett, das immer weniger Spielraum zu lebendiger Beweglichkeit ließ. Dabei galt die SU der Zwanziger und Anfang der Dreißiger Jahre auch Vielen im Westen als Hort der Entfaltung von Kunst und Kultur, als Experimentierfeld der Moderne, gerade auch in der Architektur. Davon blieben nur blasse Erinnerungen in den bleiernen Jahren der Breschnew-Zeit.

Bei der DDR war es ähnlich. Auch sie ging aus der antifaschistischen Umwälzung nach dem desaströs verlorenen Weltkrieg des Deutschen Reiches hervor, also des restlos gebrochenen Teils des Imperialismus. Sie bestand noch dazu aus den relativ dünn besiedelten und deutlich weniger industrialisierten Gebieten der sowjetisch besetzten Zone, unter Fortfall wichtiger schlesischer Industriegebiete an Polen. Sie entstand im Oktober 1949 als Antwort auf die Gründung der BRD im Mai desselben Jahres, wie auch später der Warschauer Vertrag erst als Gegengewicht zur NATO geschlossen wurde. Es ergab sich die historische Chance, zumindest einen Teil des verbliebenen deutschen Territoriums dem Einfluss des Kapitals zu entziehen, dem Militarismus und dem Faschismus zumindest dort ein Ende zu machen.

Erst in den Fünfziger Jahren wurde von "Aufbau des Sozialismus" gesprochen, nachdem die Chance auf ein einiges, demilitarisiertes und neutrales Deutschland endgültig vertan war. Der Alleinvertretungsanspruch des Westens, Agenten- und Sabotagetätigkeiten sowie systematische Abwerbung von Arbeitskräften, ließen die Spaltung schließlich 1961 durch die Abschottung mit der Mauer physisch werden. Berlin war noch immer Trümmerwüste, die DDR an vorderster Front des Kalten Krieges. Westberlin wurde mit Subventionen und Sonderförderungen zum "Schaufenster des Westens" hochpoliert. Auch hier also denkbar ungünstige Bedingungen für eine neue Gesellschaftsordnung, die von einem Heer ehemaliger NS-Mitläufern getragen werden musste. Wie sollte das funktionieren? Die Paranoia der Staatsführung, überall Agenten und Saboteure zu wittern, entstand nicht nur als reines Hirngespinst aus dem Nichts. Ihre Protagonisten, von denen die meisten aus dem Exil in Moskau zurückgekehrt waren, hatten selbst das beklemmende Klima der Schauprozesse im Hotel Lux "genossen". Das Geheimdiensteln blieb ihre Obsession. Statt offener ideologischer Auseinandersetzung dominierte administratives Misstrauen.

Wir müssen uns also nicht allzusehr wundern, dass die bisherigen Versuche, die Monopolisierung und Machtkonzentration in wenigen Konzernen des Kapitalismus vorwärtsgerichtet durch Überführung des gigantischen privaten Besitzes an Produktionsmitteln in gesellschaftlichen Reichtum (um so den Grundwiderspruch zwischen Arbeit und Kapital weitgehend aufzulösen) zu überwinden, so mühselig und entbehrungsreich verliefen und letztlich scheiterten. Sie hatten von Anfang an schlechte Karten.

Das Hauptproblem war: Im kapitalistischen Westen ist Krieg allemal ein Geschäft, nicht nur für die Rüstungsindustrie. Für die Länder des sozialistischen Ostblocks war die Unterstützung der Befreiungsbewegungen und die Wirtschaftshilfe für Kuba nur ein einseitiges Draufzahlen, letztlich auf Kosten der eigenen Bevölkerung. Internationale Solidarität war nicht hohle Phrase, wenn auch in vielerlei Hinsicht strategisch gedacht. Man wollte Stück für Stück die kolonialisierten Länder dem Zugriff des Imperialismus entziehen, wo immer sich Gelegenheit und politische Machbarkeit bot. Diese Notwendigkeit kannte der Westen nicht. Dessen Unterstützung für Diktatoren und Marionettenregimes zahlte sich aus durch gesicherte Ausbeutung des Trikont (Drei Kontinente).

Abgesehen von Kuba, China und Nordkorea gibt es heute keinen Staat mehr, der sich offiziell "sozialistisch" nennen würde. "Kommunistisch" hatte sich ohnehin keiner genannt. China hat längst den kapitalistischen Weg eingeschlagen und trägt den Titel nur noch im Namen, weil eine straffe, zentrale Führung erfolgversprechender scheint als ein "freier" Turbokapitalismus wie in Russland. Nordkorea lassen wir mal außen vor, denn die Erbmonarchie eines Familienclans hat mit sozialistischer Demokratie ungefähr soviel zu tun wie das Papsttum. Es mag nominell sozialistische Strukturen geben, aber es ist eben das allerschwächste Glied in der Kette, hervorgegangen aus dem Koreakrieg und jederzeit bedroht, hätte es nicht die A-Bombe.

Bleibt Kuba mit seinen enormen ökonomischen Schwierigkeiten, eingeschnürt bis zum Ersticken von der straff organisierten Handelsblockade der USA: Jeder Staat, der mit Kuba Austausch treiben wollte, verfiele umgehend deren Wirtschafts-Boykott. Nur die Südamerikaner halten sich daran nicht. Sie haben sich zur ALBA (dt: Bolivarianische Allianz für die Völker unseres Amerika) zusammengeschlossen und trotzen so den USA. Namentlich Venezuela, das den "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" anstrebt, und sich das nur aufgrund seiner reichen Öl-Vorkommen leisten konnte, sich den Klauen von Weltbank und Internationalem Währungsfonds zu entziehen; es hat sich einfach komplett entschuldet. Einem Banker kann nichts Schlimmeres widerfahren als dass ein Schuldner seine Kredite zurückzahlt ohne neue aufzunehmen. Es bleibt nur eine Frage der Zeit, bis sich die USA wieder verstärkt "ihrem Hinterhof" zuwenden werden. Vorerst konzentrieren sie sich auf Asien und zunehmend auf Afrika, um China zuvor zu kommen.
Member states of ALBA
Common name Official name Date joined Population Area (km²) GDP PPP (US$ bn) Capital
Antigua and Barbuda Antigua and Barbuda
2009-06-24
85,632
442
1.575
St. John's
Bolivia Plurinational State of Bolivia
2006-04-29
9,119,152
1,098,581
50.904
La Paz
Cuba Republic of Cuba
2004-12-14
11,451,652
110,861
114.1
Havana
Dominica Commonwealth of Dominica
2008-01-20
72,660
754
.977
Roseau
Ecuador Republic of Ecuador
2009-06-24
14,573,101
256,370
134.805
Quito
Nicaragua Republic of Nicaragua
2007-02-23
5,891,199
129,495
18.878
Managua
Saint Lucia Saint Lucia
2013-07-20
180,870
617
2.101
Castries
St. Vincent and the Grenadines Saint Vincent and the Grenadines
2009-06-24
120,000
389
1.259
Kingstown
Venezuela Bolivarian Republic of Venezuela
2004-12-14
28,199,825
916,445
374.111
Caracas
ALBA-TCP Totals 9 Countries
69,513,221
2,513,337
636.481
In addition, Suriname is a "special guest member" that intends to become a full member. Haiti, an observer member, also intends to join ALBA-TCP.

Denn Unabhängigkeit von der kapitalistischen Weltordnung dulden sie gar nicht. Das hat schon Slobodan Milosevic in Jugoslawien zu spüren bekommen und Saddam Hussein im Irak, und jeder, der sich nicht bedingungslos dem Imperium auszuliefern bereit war, sondern nach Eigenständigkeit strebte. Als Chile seine Kupferminen nationalisierte, finanzierten die USA einen Putsch gegen die Volksfrontregierung Salvador Allendes. Chile wurde das erste vollumfängliche Versuchslabor des Neoliberalismus. Auch das Libyen Muammar al-Gaddafis wurde zusammengebombt, weil es als reichstes Land Afrikas Ambitionen zeigte, sich vom Imperialismus des Nordens unabhängig zu machen. Wo immer ethnische oder religiöse Konflikte zu schüren sind, werden sie gezielt zugespitzt und für imperialistische Interventionen genutzt, auch in Syrien, dem idealen Sprungbrett nach Iran. Vorerst ging die Rechnung nicht auf, aber der Plan und der konkrete Vorsatz bestanden. Dabei ging und geht es hier gar nicht um Sozialismus, sondern um säkulare (nicht religiös geprägte) Staaten (im Falle Syriens mit ausgeprägtem Minderheitenschutz), die eigentlich nach dem Geschmack des Westens sein müssten, aber eben nicht bereit sind nach seiner Pfeife zu tanzen. Das reicht schon, um der Feme der NATO zu verfallen. Lieber verbündet die sich mit autokratischen Königshäusern wie dem Saudi-Arabiens.

Es geht also weniger um Gesellschaftsordnungen als um die kapitalistische Verwertbarkeit von Staaten als Märkte und Rohstoff-Basis, als strategische Punkte zur Plünderung des Planeten. Wer sich nicht bereitwillig zum Fraße darbietet und die Bevölkerung nicht an der verlängerten Werkbank der Industriestaaten, in den Kupferminen oder auf den Ölfeldern für den freien Welthandel schuften lassen will, gehört der Katz nach blutig imperialer Logik. Der Antikommunismus war und ist eine der ideologischen Hiebwaffen der Reaktion, auch wenn die Terrorismus-Hysterie im Moment die Oberhand gewonnen hat, wo es doch derzeit so wenig Kommunismus gibt.

Noch verbreiteter ist der Rassismus zur Abschottung vor dem Elend der Welt, das die NATO-Mächte angerichtet haben und mit jeder Intervention anrichten. Im Mittelmeer, an der polnischen Grenze oder am Zaun zwischen Texas und Mexiko sind wesentlich mehr Menschen hängengeblieben oder ertrunken als je an der Mauer. Nur die Fluchtrichtungen waren unterschiedlich. Sie ging immer dorthin, woher das Elend zuhause verursacht worden war.

Die Tragik der Geschichte ist: Hätten die Ostblockstaaten nicht auf Rüstung gesetzt, wären sie ebenso weggeputzt worden wie all die Staaten, die es nach ihnen traf. Insofern hatten die Hardliner außenpolitisch recht, und dennoch innenpolitisch unrecht. Denn wenn die Bevölkerung nicht im offenen Meinungsstreit nach dem besten Weg zur Entwicklung der Gesellschaft suchen kann, wird der auch nie gefunden. Wo das Gefühl der Beengung stärker wird als die gefühlte soziale Sicherheit, bricht sich der Freiheits-Mythos Bahn. Dann geht es auf einmal nur noch um Reisefreiheit, um Ausbrechen aus geistiger Enge, und den Verlockungen der "Freien Welt" schnurstracks auf den Leim. Zumal der Westen alles tat zu locken, mit Bananen und "Begrüßungsgeld". Viel zu viele haben das erst viel zu spät gemerkt, nämlich als sie "abgewickelt" waren - samt ihrem Land. Sie hatten ihre Schuldigkeit getan, und waren von da an mit der "Schuld" beladen, im Sozialismus studiert, gearbeitet und gelebt zu haben. Ihre Lebensläufe waren nichts mehr wert, ihre Lebensleistungen nicht anerkannt. Nun ist es so gelaufen.

Reden wir also nicht von Kommunismus, wenn wir die bisherigen Bestrebungen nach Unabhängigkeit vom Diktat der Kapitalverwertungs-Logik meinen. Sprechen wir lieber von leidvollen Windungen, um der Umklammerung des Imperialismus zu entkommen, die sich freilich ebenso antikolonial wie nominell sozialistisch verfassen können als ersten Schritt weg von Ausbeutung und Unterdrückung, hin zu einer Gesellschaft, in der der Mensch künftig nicht mehr sein schlimmster Feind sein muss. Auf dem Weg dahin fließen nicht nur Milch und Honig, sondern auch viel Schweiß und Tränen. Nicht weil der Mensch ohne Profitmachen nicht leben könnte oder zu dumm, brutal, faul, gefräßig oder unreif wäre, sondern vor allem wegen der konterrevolutionären Versuche, die Emanzipation der Menschheit von der Diktatur des Kapitals gewaltsam zu behindern. Dafür lassen die Monopolherren auch reichlich Blut fließen. Antiimperialistische Bestrebungen gänzlich zu verhindern wird den Herrschaften auf Dauer nicht gelingen. Doch sie werden nichts unversucht lassen und noch wild um sich schlagen, bevor sie ihre Herrschaft, ihre Macht, ihren Einfluss samt Privilegien verlieren. Freiwillig abgeben werden sie sie nicht, nur unter Druck!


Uns bleibt eigentlich keine Wahl als den Weg der Überwindung des Kapitalismus zu gehen, wollen wir nicht in der Barbarei permanenten Krieges untergehen. Die Realität des Monopolkapitalismus lässt uns auch wenig Alternativen, weil der selbst auf die komplette Vergesellschaftung der Produktion hindringt und zwanghaft zusteuert. "Nur" die private Aneignung der Arbeits-Ergebnisse muss vergesellschaftet und die Bestimmung über deren Verteilung und Nutzung durch breitestmögliche politische Partizipation demokratisiert werden. Schwer genug. Bis zu einer gänzlich herrschaftsfreien Gesellschaft ist es noch ein weiter Weg. Er führt historisch zwangsläufig durch den Kommunismus, nachdem der aus dem Sozialismus erwachsen sein wird.

Denn ohne (letztlich staatlich und kommunal, nicht nur frei-assoziativ) organisierte Übernahme der Verfügungsgewalt über sämtliche Produktions- und Reproduktions-Bedingungen durch die werktätige Bevölkerung wird es keine ausreichenden Voraussetzungen dafür geben, dass wir einmal sagen könnten: Der Mensch ist endlich den Niederungen seiner düsteren Vorzeit und allen sozialen und ökonomischen Abhängigkeiten entkommen. Er hat die Klassengesellschaft ebenso überwunden wie seine geistige Umnachtung. Er gehört dann nur noch sich selbst – und der Natur, deren Teil er ist und immer bleiben wird. Der sollten wir dann allerdings nicht auch noch entrinnen wollen. Es wäre überdies ein aussichtsloses Unterfangen. Die völlige und absolute Freiheit bleibt eine Illusion, eine gefährlich verfängliche noch dazu. Und selbst dieses ureigene Markenzeichen seiner Herrschafts-Legitimation ist der verunsicherte Kapitalist derzeit bereit zu opfern – für die Sicherheit seiner Profite. Dazu lässt er sogar seine Betriebsgeheimnisse ausspionieren, ohne gegen die Machenschaften des Überwachungsstaates auf die Barrikaden zu gehen. Auf die gingen schon immer eher die Arbeiter als die Bürgerlichen, selbst für deren eigene Revolution. Sage niemand, soziale Sicherheit sei nebensächlich. Sozial is Muss! Auch wenn der Mensch nicht nur vom Brot allein lebt.

Wolfgang Blaschka, München


► Grafikquellen:

4. Grafik der Mitgliedsstaaten der ALBA: Wikipedia. Die Bolivarianische Allianz für die Völker unseres Amerika – Handelsvertrag der Völker (spanisch Alianza Bolivariana para los Pueblos de Nuestra América – Tratado de Comercio de los Pueblos, ALBA-TCP) ist ein wirtschaftliches und politisches Bündnis von derzeit neun Staaten Lateinamerikas und der Karibik. Das Bündnis soll eine Alternative zur von den USA geplanten gesamtamerikanischen Freihandelszone ALCA darstellen. Der Name des lateinamerikanischen Unabhängigkeitskämpfers gegen die spanische Kolonialherrschaft Simón Bolívar wurde aus symbolischen Gründen gewählt. Auch Bolívar verfolgte Pläne, ein gemeinsames Lateinamerika aufzubauen, das von Europa und den USA unabhängig ist

5. Graffiti "Kampf dem Kapitalismus", Autor: Si Griffiths, Quelle: Wikipedia, Wikipedia Commons, Verbreitung mit CC-Lizenz

6. Grafik Kapitalismus-Umfrage, Quelle: Wikipedia, Dieses Werk wurde (oder wird hiermit) durch den Autor, Ökologix auf Wikipedia auf Deutsch, in die Gemeinfreiheit übergeben. Dies gilt weltweit.

SSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSS

20. Dezember 2013 - 13:15
 
 

Warum der Kommunismus niemals Realität wird

Unter bandbreitenmodell.de/kommunismus begründe ich die Meinung, warum der Kommunismus ausschließlich in kleinen, indigenen Gesellschaften funktioniert. In anonymen, großen Gesellschaften und komplexen Produktionsprozessen scheitert der Kommunismus an der fehlenden Motivation der Menschen. Da nutzt auch Umerziehung nichts (haben Stalin, Mao, Castro und andere versucht - allesamt erfolglos).
Ein Wirtschaftssystem kann nur funktionieren, wenn es die 3 Grundbedingungen politischer Programme erfüllt:
  1. Es löst die adressierten Probleme.
  2. Es ist (einfach und kurzfristig) umsetzbar.
  3. Es ist mehrheitsfähig bei den Wählern.
  • Lösen Programme die adressierten Probleme nicht in nennenswertem Umfang, sind sie sinnlos. Schaffen sie neue, größere Probleme, sind sie ebenfalls sinnlos.
  • Sind Programme nur Forderungen, die nicht umsetzbar sind, sind sie ebenfalls sinnlos.
  • Sind Programme nicht mehrheitsfähig, sind sie ebenfalls sinnlos.
Der Kommunismus scheitert bei allen 3 Voraussetzungen. Daher bleibt jede Diskussion darüber ein rein akademisches Gedankenspiel - so charmant die Idee auch ist.
Eine wirkliche Lösung muss unbedingt ausreichend viele Menschen motivieren, aktiv mitzumachen - sowohl Unternehmer als auch Arbeitnehmer. Der Kapitalismus muss nicht abgeschafft, sondern einfach nur gebändigt und dressiert werden, wobei die Wirtschaft den Interessen aller Menschen untergeordnet wird. Genau das kann die Vision des Bandbreitenmodells.
Ich freue mich auf eine konstruktive, sachliche, zielorientierte und höfliche Diskussion.
Ihr Jörg Gastmann

SSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSSS

22. Dezember 2013 - 1:08


Der Kommunismus kommt – so oder so

Es bleibt die Frage, wie wir uns der Zukunft stellen: Progressiv oder reaktionär

Lieber Jörg Gastmann,

   nach Ihrer Definition für "die 3 Grundbedingungen politischer Programme" dürfte es den Kapitalismus nie gegeben haben. Denn er erfüllt keines der Kriterien, die Sie aufstellen. Da es ihn aber gibt, noch dazu in seinem höchsten Stadium, dem monopolistischen Imperialismus, seiner grausamsten, nämlich globalisierten Etappe, kann mit Ihren Kriterien irgendetwas nicht stimmen. Entweder sie gelten grundsätzlich nicht für Gesellschaftssysteme, sondern nur für Wahlkämpfe und Weihnachtseinkäufe, oder überhaupt nicht. Für die bisher beobachtbaren Gesellschaftsformationen und ihre Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte können Sie damit keine Relevanz beanspruchen. Sie schreiben da so locker vom Hocker:

"Ein Wirtschaftssystem kann nur funktionieren, wenn es die 3 Grundbedingungen politischer Programme erfüllt:

Es löst die adressierten Probleme.

Es ist (einfach und kurzfristig) umsetzbar.

Es ist mehrheitsfähig bei den Wählern."


Und weiter: "Der Kapitalismus muss nicht abgeschafft, sondern einfach nur gebändigt und dressiert werden, wobei die Wirtschaft den Interessen aller Menschen untergeordnet wird." Wer der Dompteur sein soll, lassen Sie wohlweislich offen.

Das ist zwar hübsch übersichtlich wie für eine Unterrichtseinheit im Sozialkundeunterricht formuliert, aber grottenfalsch. So einfach geht Gesellschaftsanalyse nun auch wieder nicht, dass man einfach etwas behauptet, was wünschenswert sei. Dass der Kapitalismus funktioniere, mag Ihr frommer Wunsch sein, aber er knirscht und knarzt aus allen Fugen. Seine groteske Umverteilung gesellschaftlichen Reichtums hat Dimensionen angenommen, die jene des Absolutismus in den Schatten stellt.

Er kann sein weltweites Imperium nur noch mit blanker Gewalt aufrecht erhalten. Seine Herrschaft stellt er selbst in Frage, indem sich ihm die Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft immer weniger lohnt. Das untergräbt sein Fundament, die Kapital-Akkumulation. Maschinen kosten nur, ohne menschliche Arbeitskraft und Erfindergeist ist selbst die vollautomatisierte Fabrik ein Haufen nutzloses altes Eisen und Elektronik-Sondermüll. Auch Hundert-Euro-Noten arbeiten in der Regel nicht selbst.

Einzig der Mensch kann schöpferische Arbeit verrichten, daneben das Tier zumindest körperliche. Aber keine Aktie. Ohne Ausbeutung ist sie nicht das Papier wert, auf dem sie gedruckt ist. Kein Spekulant kauft Anteilsscheine am Nichts. Der Wert einer Aktie bemisst sich an den Wertschöpfungs-Aussichten einer AG, nicht an der Feinheit ihrer Kupferstich-Ziselierung. So wie der Zins ist auch die Aktie ein Anteilsschein an erst noch zu realisierender Mehrwert-Abschöpfung. Ohne Ausbeutung kein Zins (er könnte nie getilgt werden) und keine Dividende (ihre Erwirtschaftung müssten Kobolde organisieren). Aus die Maus!

So wie die Sklaverei sich ab einem gewissen Stand der Produktivkräfte nicht mehr lohnte und von der feudalen Fronarbeit und Leibeigenschaft verdrängt wurde, wird nun die herkömmliche Lohnarbeit immer weniger lukrativ. Daher die Flucht in die angeblichen "Sachwerte", in Immobilien-Spekulation und Luftgeschäfte, deren Blasen wie leere Versprechungen platzen. Wer sollte sich denn halbfertige Investitionsruinen leisten, wenn die allgemeine Kaufkraft sinkt, damit die Profite ins Unermessliche steigen? Die Industriegesellschaft lebt von der Massengüter-Herstellung. Das setzt breit gestreute Kaufkraft voraus. Sinkt diese tendenziell, kann die noch so rentable Maschinerie nur noch auf Halde produzieren. Die zyklisch wieder kehrenden Überproduktions-Krisen sind systemische, die zu strukturellen werden. Sie treiben selbst Teile des Kapitals in den Ruin. Die tendenziell sinkende Profitrate kann nur durch immer hastigere Innovationsschübe kompensiert werden, tendenziell sinkende Löhne aber nur durch gesellschaftliche Kämpfe, getragen vor allem von den Gewerkschaften. Wo früher ein Arbeiter oder Angestellter eine sechsköpfige Familie ernährte, müssen heute Beide verdienen, um ein Kind groß zu ziehen. Deutlicher kann ein Gesellschaftssystem kaum "versagen" als durch systematische Kappung seiner demographischen Reproduktion.

Damit sei nicht gemeint, dass die früheren Kinderscharen, die quasi als "Lebensversicherung" der Alten bei hoher Kindersterblichkeit gezeugt wurden, die anstrebenswerte Alternative wären; das bliebe rückwärtsgewandt. Nur müssten doch die heutigen Kleinfamilien mit Hochschul-Qualifikation beider Elternteile im Überfluss schwelgen, würden sie vergleichsweise unter damaligen Einkommens-Verhältnissen leben. Aber nichts mehr mit Stuck an der Decke und Kachelofen, das können sich nur noch die Bestverdienenden leisten. Die Schere zwischen Luxusvilla und Plattenbau klafft immer weiter auseinander.

Nichts "funktioniert" da, immer weniger ist "umsetzbar", und "mehrheitsfähig" ist das angesichts sovieler Nichtwähler auch kaum noch! Die Anzahl der Ausgegrenzten und Marginalisierten wächst unaufhörlich, gerade im Süden. Die Integrationskraft und die Inklusionsfähigkeit des Systems stoßen an brutale Grenzen. Die liegen im Mittelmeer kurz vor Lampedusa, an der polnischen Grenze, zwischen Mexiko und Texas. Rollo runter! Und adjeu den abendländischen Werten restlicher Humanität! Das ist nichts weniger als die ethische Bankrott-Erklärung des Freiheits-Versprechens des Kapitalismus, nicht erst seit heute.

Weder war der Kapitalismus schnell und einfach realisierbar, noch zielführend in seiner Umsetzung (vielmehr umwegig, von Rückschlägen gebremst und schmerzhaft für alle Beteiligten, denken Sie nur an die Weltwirtschafts-Krise/n), noch löste er Probleme, ohne andere, noch viel größere zu schaffen, noch wurde er von irgendjemandem gewählt. Damals gab es noch gar keine Wahlen, zumindest nicht für die Allgemeinheit. Allenfalls Fürsten wählten ihren König, Industrielle ihre Nachfolger und Geschäftsführer, der Papst ernannte Bischöfe, aus denen Kardinäle ernannt wurden, die wiederum den Papst wählten. Das war's dann auch schon mit den Wahlen. Nicht einmal ein Mann durfte seine Frau frei wählen, und umgekehrt schon zweimal nicht. Wahlen gab es selbst während des voll entfalteten Kapitalismus streckenweise nicht, etwa während des Faschismus. Mehrheitsfähig war der Krieg nur bis Stalingrad, danach hätte der Kapitalismus nach Ihrer Zählweise einpacken müssen. Die eisern gebliebenen "Endsieg"-Gläubigen konnten Sie mit der Lupe unter den Trümmern in Luftschutzkellern oder am Obersalzberg suchen. Die Akzeptanz des Kapitalismus tendierte gegen Null. Nicht umsonst hat Ludwig Erhard nach dem Krieg eine "Soziale Marktwirtschaft" erfinden müssen, um die kapitalistische Wirtschaftsordnung wieder salonfähig zu machen.

Nur vor diesem Hintergrund ist überhaupt vorstellbar, dass in der östlichen Besatzungszone nach der antifaschistischen Umwälzung eine sozialistische Perspektive in Angriff genommen werden konnte. Wären alle überzeugte Hugenberg-, Stinnes- und Krupp- Anhänger gewesen, hätten sich die Genossen von SPD und KPD noch schwerer getan als ohnehin; es wäre schlicht unmöglich gewesen ohne die weit verbreitete Abscheu vor dem System, das solch maßlose Zerstörung gebracht hatte. Selbst die (West-)CDU forderte in ihrem Ahlener Programm 1947 die Sozialisierung der Schwerindustrie. Nur die sanfte Hand der westlichen Alliierten brachte zumindest die Westdeutschen mittels Marschallplan und Wirtschaftswunder wieder auf Zack, um sie frisch aufgerüstet in die NATO zu integrieren und als "Bollwerk gegen den Kommunismus" in Stellung zu bringen. Natürlich konnten sie dabei auf die ungebrochene Tradition des Antikommunismus setzen, der von den Bürgerlichen ebenso wie von der Sozialdemokratie, von Kirchen und von alten Nazis sowieso geteilt wurde. Es gab aber starke Gegentendenzen, gegen die Remilitarisierung vor allem. Nicht umsonst musste die Hauptzentrale der Friedenskräfte, die KPD, verboten werden, um die Westintegration halbwegs ungestört zu vollenden. Die Volksbefragung gegen die Wieder-Aufrüstung war kurzerhand verboten worden, nachdem bereits zwei Millionen Stimmen für ein Referendum gesammelt waren.

Wie kommen Sie auf die absurde Idee, ein Kriterium für die Überwindung einer alten Gesellschaftsordnung zu erfinden, dessen Realisierung doch gerade erst zum Forderungskatalog der neuen, zu erkämpfenden gehört? Die Etablierung des Kapitalismus auf breiter Front durch die Französische Revolution 1789 brachte doch die Idee mit den Wahlen überhaupt erst aufs Tapet. In England kam die kapitalistische Entwicklung und damit auch die demokratische Idee deutlich früher, aber Sie sehen ja, wie die Verfasstheit der Ober- und Unterhaus-Gesellschaft noch immer von der Huld der Queen überschattet wird, von den standesdünkelnden Oberhaus-Perückenträgern mal ganz abgesehen; das hat wenig mit modernem Kapitalismus und ganz viel mit uralten Zöpfen zu tun. Von wegen schneller Realisation! In Deutschland dauerte es bis 1918, dass Frauen wählen durften. In manchen anderen kapitalistischen Ländern noch länger. Nach ihrer Logik wäre der Kapitalismus bis dahin "illegal" gewesen und hätte sich vor lauter Nicht-Akzeptanz gar nicht solange halten können. Was ist denn das bitte, eine "mehrheitliche Akzeptanz": Duldung? Aktive Anteilnahme? Vorteil-Wahrnehmung? Alle vier Jahre Kreuzchen machen?

Erst die (sozialistische) Räterepublik hat dieses ureigenste Programm des Kapitalismus 1918 erfüllt, nämlich freie, gleiche, geheime Wahlen; der Kapitalismus selbst hat sie nicht zuwege gebracht. Bis allein der "Dritte Stand" männlicherseits wählen durfte! Der Kapitalismus wurde nicht gewählt, von vielen nicht einmal gewollt, dennoch brach er sich naturwüchsig Bahn, weil seine Zeit gekommen war (in verschiedenen Ländern unterschiedlich). Allein in Deutschland hatten wir 18 verschiedene Zeitzonen, die Zollschranken gingen in die Tausende. Den Rhein mit dem Nachen zu befahren war teurer als heute zu fliegen. Alle paar Kilometer eine Raubritterburg, das läpperte sich. Freier Warenverkehr war lange Zeit nur pure Hoffnung, nicht unter die Räuber zu fallen. In jeder Stadt gab es ein Niederlage- oder Stapelrecht, also die Pflicht, seine Waren dort feilzubieten. Da lockte umso stärker der lukrativere Seehandel samt dem noch riskanteren Rendezvous mit Piraten oder dem "Blanken Hans".

Die feudalen Fesseln mussten gesprengt werden, die Produktivkräfte hätten sich im Korsett der alten Standesgesellschaft mit ihrem Zunftwesen nicht entwickeln können, die Produktionsverhältnisse brauchten massenhaft freie Arbeitskräfte, nicht durch aberdutzende Verträge, Urkunden und uralte Abhängigkeiten, Traditionen und Bindungen an Grund und Boden verhaftete leibeigene oder halbfreie Bauern, sondern Wanderarbeiter und Tagelöhner, die zuhause entwurzelt dorthin zogen, wo die Schlote rauchten, die Bergwerke lockten, die Eisenbahnschienen gelegt wurden. Kein Mensch hat das gewählt, nicht einmal der Kapitalist, der sich mit dem Entstehen und der Disziplinierung des Proletariats seine schärfsten Gegner und Totengräber erschaffen hat. Ihr Kriterium der Wählbarkeit taugt also generell nicht für eine halbwegs wissenschaftliche Betrachtung von fundamentalen Gesellschaftsveränderungen, da es auf die bisherige Entwicklung nicht allgemein anwendbar ist.

Auch wenn wir jenseits von formellen Wahlen einfach die mehrheitliche Akzeptanz zum Kriterium für die Durchsetzungs-Fähigkeit einer gesellschaftlichen Ordnung nähmen, hätte es für den Kapitalismus mau ausgesehen. Denken Sie nur an den "Kulturkampf" der Kirche zu Beginn des 20. Jahrhunderts! Die alten Mächte sind sehr beharrend in ihrer Blockade gegen alles Neue. Es ist immer eine Frage der realen Kräfteverhältnisse, vulgo Klassenkampf. Der tobt widersprüchlich dialektisch, mal vor und mal zurück. Aber nur diese Auseinandersetzungen zwischen den sozialen Subjekten bestimmen letztlich den Gang der Geschichte und definieren die Gesellschaftsordnung. Davon bei Ihnen kein Wort, daher auch keine Analyse. Wer die bisherige Entwicklung schon nicht verstehen und begreifen kann, wie sollte der künftige Entwicklungen prognostizieren?! Und zum voluntaristischen Ergebnis gelangen: Geht nicht, weil es sinnlos ist, da mit meinem Handwerkszeug nicht zu ergründen.

Das hätten Sie gewiss vor dem Beginn des Übergangs von der Manufaktur zur Fabrik ähnlich geweissagt, wenn Sie, mal angenommen, die kommende Entwicklung bis heute auch nur ansatzweise antizipieren hätten können: Nein, das geht nicht. Weil es sinnlos ist. Nicht mehrheitsfähig! Und sie hätten im Chor der Apologeten von Gestern und Vorgestern Psalmen auf die bestehende Feudalordnung angestimmt, vorausgesetzt, Sie hätten sich damals schon so etwas wie Wahlen als Kriterium für Zukunftsträchtigkeiten ausmalen können. Aber das wäre wohl zu revolutionär gewesen. So wie eben heute für Sie nur schwer vorstellbar ist, dass allseits freie Menschen keinen Staatsapparat brauchen, um ihre Feuerwehr zu organisieren. Selbst heute funktioniert das schon, am Land schon immer. Freiwillig. Für Berufsfeuerwehrler mögen sie gelegentlich eine "Zumutung" darstellen, die Gelegenheits-Kollegen, aber für den Scheunenbrand reicht's. Ohne Politkommissar mit der Knarre in der Hand!

Es ist nur eine Frage, welche Tugenden gefördert und belohnt, und welche benachteiligt, geächtet und bestraft werden. Die "Umerziehung" ist kein Gewaltakt, sondern Umweltsozialisation. Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Noch heute (über zwanzig Jahre nach der Wende) ticken die Ostdeutschen in vielerlei Hinsicht anders als die Wessis. Dabei könnten sie heute nur Vorteile genießen, würden sie stramm kapitalistisch drauf sein. Niemand gibt ihnen was für Ostalgie außer Hohn und Spott. Nein, der "Mensch an sich" ist nicht das Raubtier, zu dem ihn der Kapitalismus dressieren will. Der Mensch ist in allererster Linie ein soziales Wesen. Selbst der Egoist kann sich in solidarischer Umgebung wohler fühlen und besser entwickeln als im Käfig mit seinesgleichen. Seine Umgebung holt ihn schon von seinem Trip behutsam herunter. Umgekehrt hat aber das Lämmchen inmitten von Wolfsrudeln schlechte Chancen, welche die Gesellschaftsordnung auch noch mit allerlei Tricks und Zwängen zu Höchstleistungen anstachelt gegen sich und ihresgleichen.

Politik hat wenig mit Wunschdenken zu tun, Zukunftsperspektiven nichts mit Träumerei. Karl Marx und Friedrich Engels haben sich das mit dem Sozialismus und Kommunismus nicht einfach so ausgedacht, nur weil sie es sich gewünscht hätten, morgens zwei Stunden zu fischen, danach zwei Stunden Privatkorrespondenz zu bearbeiten, nachmittags zwei Stunden gesellschaftlich nützliche Arbeit zu verrichten, um hinterher den Feierabend mit zwei Stunden Fortbildung, Bücherstudium oder kulturellem Müßiggang einzuläuten. Sondern weil sie schon Mitte des 19.Jahrhunderts ahnen konnten, wie rasant die Produktivkräfte sich entwickeln würden, und wieviel kürzer der gesellschaftlich notwendige Arbeitstag sein könnte, wenn die Rationalisierung durch Mechanisierung, die Automatisierung durch Elektrifizierung und die Freisetzung der menschlichen Arbeitskraft von stupiden, schweren und schmutzigen Tätigkeiten beschleunigen wird. Das hatten sie sich nicht aus den Fingern gesaugt, sondern schon am Siegeszug der Dampfmaschine und an der Wirkwucht des mechanischen Webstuhls ablesen können, der Zehntausende Schlesier und Erzgebirgler ins Elend stürzte und zum Aufstand zwang. Heute haben wir es mit Massenentlassungen im Weltmaßstab zu tun, qualitativ ist es dasselbe, nur finden die Aufstände an der Peripherie statt. Mit immer weniger menschlicher Arbeitskraft lässt sich immer mehr herstellen. Die 30-Stundenwoche wäre schon heute machbar. Nur sind die Grenzen der Profitmaximierung davor, dass Arbeit und Einkommen gerechter verteilt wären. Auch das Geeier um den Mindestlohn ist so ein Beispiel für die Unfähigkeit des Kapitalismus, sich selbst zu nützen, indem er Planungs-Sicherheit gegen bodenloses Lohndumping erhielte. In mehr als 20 europäischen Staaten ist's kein Problem. Die deutschen Unternehmer-Verbände sehen jedoch ihren Vorteil bei den Lohnstückkosten schwinden, und damit ihr Export-Übergewicht.

Politische Programme sind übrigens sowieso nicht dasselbe wie Gesellschaftsordnungen, die aus sozialen Umwälzungen hervorgehen. Den Kommunismus kann niemand wählen, weder durch Abstimmungen postulieren noch durch Verordnungen dekretieren. Ich bin mir auch sicher, dass es in den hiesigen Ordnungsämtern für diesen Fall keine Formulare gibt, auch in der Zukunft nicht. Sowenig wie man Aufruhr, Aufstand, Rebellion, Revolte oder Revolution anmelden kann (im Gegensatz zu Kundgebungen, Mahnwachen oder Demonstrationen), lässt sich auch der Kommunismus nicht bestimmen. Er entwickelt sich aus dem Sozialismus; er reift im Schoß der sozialistischen Gesellschaft, so wie der Sozialismus seinerseits die Kainsmale der kapitalistischen Vorgänger-Gesellschaft in sich trägt, und der Kapitalismus immer noch von feudalistischen Elementen durchwoben war. Ganz deutlich beispielsweise im zaristischen Russland, aber auch bei uns bezüglich seiner Verflochtenheit mit dem Katholizismus etwa im (abgefederten) "Rheinischen Kapitalismus" im Gegensatz zum (puritanisch inspirierten) kalifornisch harten "Reinen Kapitalismus" mit seinem gnadenlosen "Hire and Fire", oder in Bezug auf die Nachwirkungen der Fürstenenteignung (die Feudalisten werden immer noch "entschädigt", also auskömmlich alimentiert, andere kapitalistische Länder füttern heute noch ihre Königshäuser). Die nationalen Ausprägungen sollten aber nicht den Blick auf's Wesen des Ausbeutungssystems versperren. Die französische Bourgeoisie ist nicht freundlicher zu ihren Arbeitern als die englischen "Thatcheristen". Allenfalls die Arbeiterklasse wehrt sich traditionell erfolgreicher im Land der Erstürmung der Bastille.

Dem deutsche Bürgertum ist seit jeher eigen, vor den finsteren Mächten der Reaktion braver zu kuschen als anderswo. Das hat mit der deutschen Geschichte zu tun. Wären wir Franzosen, dann hätten wir eine intellektuellere Debatte, und ob wir Kommunisten wären, das gehörte quasi zum guten Ton. Sie wären vielleicht etwas zurückhaltender mit ihren kategorischen Kriterien, die sind schon arg deutsch. C'est la vie. Ich hoffe, meine doch sehr grundsätzliche Erwiderung blieb einigermaßen konstruktiv und höflich genug.

"Eine wirkliche Lösung muss unbedingt ausreichend viele Menschen motivieren, aktiv mitzumachen – sowohl Unternehmer als auch Arbeitnehmer.", schreiben Sie. Aber genau das ist die Crux: Die wenigsten Unternehmer haben mit Sozialismus oder mit Kommunismus etwas im Sinn. Dabei wären sie nichts anderes als freie Produzenten unter ihresgleichen, nicht hilflos Strampelnde im Hamsterrad unter der Preisknute, dem Billigzwang und der Konkurrenzkeule der Konzerne, mit denen sie niemals mithalten können, sondern im Erfolgsfall irgendwann aufgekauft oder bei Unterlegenheit als nicht wettbewerbsfähig abgewickelt werden. Aber soweit denken sie nicht. Eine freie Assoziation unter Gleichen können oder wollen sie sich nicht vorstellen. Als Staats- oder Kommunalangestellte, Genossenschafts-Teilhaber oder Selbständige hätten sie zumindest eine Sorge los: Wohin mit dem zusammengerafften Geld, wenn keine Zeit mehr bleibt es auszugeben?! Auch für sie wäre es letztlich eine Befreiung, wie für alle in einer klassenlosen Gesellschaft. Die wird kommen, so oder so. Bleibt nur zu hoffen, noch vor der großen Menschheitskatastrophe, nicht erst danach wie bisher immer. Denn nach einem dritten Weltkrieg wäre kaum noch jemand in der Lage, frei zu atmen. Ich wünsche es uns nicht, den Wettlauf in die Barbarei zu gewinnen. Auch wenn der Sozialismus die kleineren Lorbeerblätter bereit hielte. Kleine Brötchen sind besser zum Essen als dicke Edelsteine.

Wolfgang Blaschka, München

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31. Dezember 2013 - 12:51
 

Das war wie ein nachträgliches Weihnachtsgeschenk, als ich heute zum ersten Mal nach den Feiertagen wieder ins Kritische Netzwerk geschaut habe. Danke, Wolfgang Blaschka, dass Sie hier eine Diskussion angestoßen haben, die wirklich an die Wurzel geht. Ich würde mich freuen, wenn das Thema weiter verfolgt würde, denn offensichtlich gibt es da viele grundsätzliche Fragen, z.B.: Was ist überhaupt Kommunismus?
Ich wünsche allen einen guten Start ins neue Jahr.
Klaus Fürst

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8. Januar 2014 - 12:00


Vom Lieben und vom Streiten

Diesen Beitrag sollte man mehrmals lesen, soviel geistigen Genuß bietet er. Nicht, dass die Fakten und Argumente völlig unbekannt wären, auch ließe sich mancher Fakt noch hinzufügen, aber in diesem Text von Wolfgang Blaschka steckt mehr, viel mehr. Du spürst das nur, wenn du selber brennst, wenn du dich noch nicht als seelenloser Konsumidiot den Herrschenden angepasst hast, wenn der Stachel des Zweifelns in dir noch rührig ist. Welch eine Liebe zu den Menschen, welch eine glasklare Absage an den Kapitalismus, welch eine dialektisch klare Sicht auf die Gesellschaft und auf die Geschichte, welch eine substanzreiche Argumentation, welch eine geistvolle Polemik. Danke, Wolfgang Blaschka.

Einen einzigen Satz möchte ich besonders unterstreichen: „Wer die bisherige Entwicklung schon nicht verstehen und begreifen kann, wie sollte der künftige Entwicklungen prognostizieren?!“ Im Klartext: Die bisherigen Schritte auf dem Weg über den Sozialismus zum Kommunismus – wenn auch vorläufig noch nicht zu Ende geführt – werden von den Kapitaleliten und den bürgerlichen Nachplappernden als ein Verbrechen dargestellt. Da kann man doch von ihnen nicht erwarten, auch nur einen Gedanken an eine grundsätzliche Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse zu verschwenden.

Wenn man Ihren Beitrag gründlich liest, fällt Ihr politisches und philosophisches Denken in kausalen Zusammenhängen auf – ganz im Gegensatz des substanzlosen Geschwätzes über die bisherige Geschichte des Ostblocks und speziell der DDR. Man beschränkt sich auf politische Reduzierungen und suggeriert damit völlig falsche Geschichtsbilder. (Stichworte Mangelwirtschaft und Stasi). Sie dagegen, Wolfgang Blaschka, stellen das Werden der ersten Alternative zum kapitalistischen Deutschland in den Großzusammenhang des Kalten Krieges, als es darum ging, den Bolschewismus zurückzudrängen, ihn „totzurüsten“, wie Sie schreiben. Und heute schreit man nach einer Neuvermessung der Welt, nach mehr Macht für die BRD in Europa.

Weiter gefällt mir, dass Sie nicht der Illusion verfallen, wie nahezu alle heutigen Politiker und sogenannte Historiker, der Kapitalismus ließe sich durch Reformen einfach aus der Welt schaffen. Im Gegenteil, je länger er an der Macht bleibt, und sich damit der antagonistische Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung weiter verhärtet, die sozialen Probleme immer offensichtlicher auf der Strecke bleiben, desto mehr sind neue Weltkatastrophen vorprogrammiert, und auch die Verdummung der Völker, die dem vorausgeht. Ich gebe Ihnen recht, wenn Sie schreiben, stoppen wir das Wüten der Profitjäger nicht, dann bleibt nicht viel Spielraum für eine den Menschen dienende fortschrittliche Entwicklung.

Dieser erstklassige Artikel macht mich aber auch schaudern. Keiner der Printmedien in diesem geistig-politisch flachgebürsteten und von demokratischen Phrasen dahinschimmelndem Land (außer einige linksgerichtete Medien) würde diese äußerst aufklärerische Argumentation veröffentlichen. Da hört die Liebe auf, wenn es allein ums Geld geht, um Profit. Sie beginnt erst dort, wo sie im Sinne der Menschenrechte einen Bruder bekommt – den kämpferischen Humanismus. Lieben und Streiten für eine große Sache gehören zusammen.

In diesem Sinne, lieber Wolfgang Blaschka, einen herzlichen Dank für diesen tollen Beitrag, der auch in seiner sprachlichen Gestaltung ein Glanzstück ist.

Harry Popow, Schöneiche b. Berlin
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8. Januar 2014 - 12:09

Gefährliche Illusionen


Lieber Jörg Gastmann,

die drei „Grundbedingungen politischer Programme“ sind geeignet, einer Klassenfahrt von Schülern einen Rahmen und ein Gefühl des gemeinsamen Erlebnisses zu geben. Es ist überschaubar und motiviert jeden, da mitzumachen. Kostet die Fahrt aber Geld, übersteigt die Summe jene, die die Eltern im Geldbeutel haben, dann wird es schon problematisch...

Nein, so eine rein schematische Draufsicht auf die Realität wirkt jeder wissenschaftlichen politischen und sozialökonomischen Analyse entgegen. Daraus lässt sich keine Struktur einer zukünftigen Gesellschaft zurechtbasteln. Wer außerdem der bürgerlichen Illusion verfällt, der Kapitalismus ließe sich bändigen, gibt Gottesgläubigen neuen Nährboden, bereitet – bewusst oder unbewusst - die nächsten Katastrophen mit vor, macht sich mitschuldig an Verbrechen gegen die Menschlichkeit, siehe Kampf um Ressourcen in der Welt.

Natürlich besteht Klarheit darin, dass die Menschen, die ein fortschrittliches System mit tragen sollen, in erster Linie motiviert sein müssen. (Das ist überhaupt das Schwerste, vor allem, weil die Bedürfnisse und Interessen sehr weit gefächert sind, angefangen vom Überlebenskampf bis zu einem leider zunehmendem Schrei nach immer mehr materiellen Werten.) Deshalb ja auch die vielfach erhobene Forderung, volkseigene Gewinne auch den Betriebsangehörigen zukommen zu lassen. Und sie sollten befähigt werden, Demokratie mitzugestalten, mit Wissen, Begabung und Durchsetzungsvermögen.

Wenn der alleinige Drang nach nur Konsum – aufgrund einer hohen Produktivität – zweitrangig geworden ist, dann mögen geistige und kulturelle Werte, vor allem der Solidarität untereinander, einen höheren Stellenwert erhalten. Um die Menschen aber dazu befähigen zu können, bedarf es der günstigsten Bedingungen, bedarf es der von der Ausbeutung der Menschen durch den Menschen befreiten Persönlichkeit.

Eine alte Leier? Fidel Castro schrieb einst: „Ich muß Marx also Recht geben, wenn er schreibt, daß die Menschheit ihre prähistorische Phase erst verlassen haben wird, wenn ein wirklich gerechtes soziales Regime etabliert werden konnte.“ (junge Welt vom 5./6./7. Januar 2004, Seite 8) Mit Wunschträumen und unwissenschaftlichen Flausen ist dieser tollen Vision allerdings kein Weg zu bahnen, lieber Jörg Gastmann.

Harry Popow, Schöneiche b. Berlin

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