Mittwoch, 19. April 2023

Ostdeutsche brüskiert - Egon Krenz - jw

 Entnommen: https://www.jungewelt.de/artikel/448959.ostdeutsche-br%C3%BCskiert.html

Ostdeutsche brüskiert

Von Egon Krenz

Wird den westlichen Armeen für ihre Kampfübungen fehlen: MiG-Kampfjet aus eigenen Beständen (Radom, Polen, 25.8.2013)
Egon Krenz war vom 17. Oktober bis zum 6. Dezember 1989 Generalsekretär des ZK der SED und Vorsitzender des Staatsrats der DDR

Die Aussage von Mathias Döpfner, im Osten gebe es nur »Kommunisten oder Faschisten« ist leider keine Einzelmeinung in der westdeutsch geprägten »Elite« der Republik. In derart infamem Klartext oder in subtilerer Schreibweise vorgetragen, ist die Medienlandschaft noch immer voll davon. Arrogante Attacken, die die tatsächlichen Lebensleistungen der Menschen in der DDR ignorieren und der Nation einreden wollen, dass die systematische Benachteiligung der Ostdeutschen wegen ihrer vermeintlichen Demokratiefeindlichkeit und kulturellen »Verzwergung« begründet war und bleibt. Wer so redet, hat die deutsche Einheit bis heute nicht vollzogen, und die herabgewürdigten Ostdeutschen dürfen sich fragen, ob sie mit solchen Zeitgenossen vereint sein wollen?

Am selben Tag, als die Äußerung des Springer-Chefs veröffentlicht wurde, genehmigte die Bundesregierung, dass Polen sowjetische Kampfflugzeuge aus Beständen der DDR an die Ukraine liefern kann. Das ist in mehrfacher Hinsicht boshaft: Es ist ein Schlag gegen jene Ostdeutschen, die sich gegen Waffenlieferungen wehren. Es ist zugleich ein Abgehen der heutigen Bundesrepublik von der gemeinsamen Formel der DDR und der BRD, dass von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen darf. Der Beschluss der Bundesregierung bringt den Krieg näher nach Deutschland, auch wenn sich die Regierenden das nicht eingestehen wollen. Die Entscheidung zeigt ferner, dass auf die Zusage des Kanzlers, es werde keine Lieferungen von Kampfflugzeugen in die Ukraine geben, kein Verlass ist. Es macht keinen Unterschied, ob das vom Territorium der Bundesrepublik oder über Polen erfolgt. Sowjetische Militärtechnik aus der DDR an den heutigen NATO-Staat Polen zu liefern, ist zudem moralisch bedenklich. Es sind Flugzeuge, die der DDR von ihrem Bündnispartner zu ihrer eigenen Verteidigung geliefert wurden und jetzt von der NATO gegen den Nachfolgestaat der UdSSR eingesetzt werden sollen. Das ist eine Brüskierung jener Ostdeutschen, die sich mit gutem Gewissen an die Friedenspolitik der DDR erinnern. Ins kollektive Gedächtnis des russischen Volkes wird es als unfreundlicher Akt der Bundesrepublik Deutschland eingehen


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