Donnerstag, 2. Mai 2019

DDR, ein sehr sozialer Staat - RotFuchs



Wie sozial war die DDR tatsächlich?

Die DDR war ein sehr sozialer Staat. Man sprach im Zusammenhang mit den Sozialleistungen auch gerne von der sogenannten zweiten Lohntüte, deren Inhalt oft so groß war wie die ausgezahlten Gehälter der Arbeiter und Angestellten. Ziel des sozialpolitischen Programms war die „Erhöhung des materiellen und kulturellen Lebensniveaus des Volkes auf der Grundlage des ständigen Wachstums von Produktion und Produktivität“.

Als sein Kernstück galt das auf dem VIII. Parteitag beschlossene Wohnungsbauprogramm von 1973. Geplant war, bis 1990 dreieinhalb Millionen neue Wohnungen zu bauen. Damit hatten sich für 50 % der Bürger die Wohnbedingungen entscheidend verbessert. Die dreimillionste Wohnung wurde am 12. Oktober 1988 in Berlin-Marzahn übergeben. Bei den Produkten des Grundbedarfes (Grundnahrungsmittel, Mieten, bestimmte Textilien, Kinderkleidung) blieben die Priese stabil. Diese Bereiche waren stark subventioniert. So lagen die Bruttomieten für eine fernbeheizte Wohnung zwischen 30 und 130 Mark (0,80 bis 1,20 M/qm), das waren nicht einmal 5 % des Familieneinkommens.

Heute beträgt der durchschnittliche Mietanteil 30 % und mehr des Familienbudgets. Das staatliche Gesundheitswesen war für die Nutzer vollkommen kostenlos. Der Patient war nicht Ausbeutungsobjekt, sondern Ziel der ärztlichen Kunst. Ärzte und Apotheker wurden durch den Staat bezahlt und hatten nicht die Möglichkeit, durch zusätzliche, mitunter zweifelhafte Leistungen weiteres Einkommen zu generieren. Das Gehalt der Ärzte orientierte sich an den Entgelten der anderen akademischen Berufe. Das staatliche Gesundheitswesen war effizient und flächendeckend strukturiert, insbesondere was die Polykliniken als zentrale Behandlungsorte für die Patienten betrifft. Dabei soll nicht übersehen werden, daß aufgrund fehlender Mittel nicht immer die modernste Technik vor Ort vorhanden war. Die Ärzte waren universitär gut ausgebildet. Der Einsatz erfolgte dort, anders als heute, wo sie benötigt wurden, was auch legitim ist, da das kostenintensive Studium durch das Gemeinwesen getragen wurde. Es existierte ein Recht auf Arbeit. In der DDR war man faktisch unkündbar. Das galt unabhängig davon, ob es Krisen oder Absatzprobleme für die produzierten Güter gab. Heute wird man in diesem Fall entlassen. Dieses Recht und die Bedingungen, unter denen die Arbeit geleistet werden mußte, waren im Arbeitsgesetzbuch aus dem Jahr 1977 festgeschrieben.

Einen weiteren Schwerpunkt im Sozialprogramm der DDR bildete die Gleichberechtigung der Frauen. Oft hört man, die Frauen mußten ja arbeiten, da die Löhne in der DDR generell so niedrig waren. Sicherlich war es für die finanzielle Situation der Familien hilfreich, wenn die Ehefrau ihren Verdienst einbringen konnte. Im Sinne der Gleichberechtigung und der persönlichen Unabhängigkeit war die Berufstätigkeit der Frauen ein enormer historischer Fortschritt. Mit einer Beschäftigungsrate von etwa 90 % der Frauen bezog die DDR einen Spitzenplatz in der Welt. Um dieses Ergebnis zu erreichen, mußten durch den Staat Voraussetzungen geschaffen werden. Wichtig war dabei das gesellschaftliche Bewußtsein, das eine Diskriminierung der Frauen ausschloß und die althergebrachte Rollenverteilung zwischen Mann und Frau zunehmend aufhob. 

Des weiteren gab es gesetzliche Grundlagen, die Müttern nach der Geburt eines Kindes den Arbeitsplatz sicherten. Der Ausbau eines umfassenden Systems der Kinderbetreuung war ein wichtiges Anliegen des Staates. Das Prinzip „Gleiches Geld für gleiche Arbeit“ war nach geltender Arbeitsgesetzgebung einklagbar. So heißt es im § 2 (3) des Arbeitsgesetzes der DDR: „Das Arbeitsrecht trägt zur konsequenten Verwirklichung des Prinzips ,Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung‘ bei. Es sichert, daß den Werktätigen Löhne nach Qualität und Quantität der Arbeit gezahlt werden und daß Mann und Frau, Erwachsene und Jugendliche bei gleichen Arbeitsleistungen gleichen Lohn erhalten.“ Besonders gefördert wurden junge Familien. So gab es für sie die Möglichkeit, nach der Eheschließung einen zinslosen Kredit in Höhe von 5000 Mark aufzunehmen. Bei der Geburt von Kindern wurden beim ersten Kind 1000 M, beim zweiten Kind 1500 M und beim dritten Kind 2000 M erlassen. Zusätzlich erhielten die Familien bei der Geburt eines Kindes 1000 M. Und, das sollte man auch nicht vergessen, es gab einen gesetzlichen Anspruch auf einen Kindergarten- und Krippenplatz. Die Kosten für den Aufenthalt der Kinder betrugen in der Krippe ca. 30 M und in der Kinderkrippe ca. 12 M im Monat. Es gab auch das sogenannte Babyjahr, d. h., die Mütter hatten das Recht, nach der Geburt des Kindes ein Jahr zu Hause zu bleiben. In diesem Fall erhielten sie 80 % ihres Bruttogehaltes. Keine Mutter brauchte im übrigen Angst zu haben, daß sie den Arbeitsplatz verliert. Dieser war ihr gesetzlich gesichert, und hinzu kam, daß ein Elternteil bei der Erkrankung des Kindes eine bezahlte Freistellung bekam.

Soziale Errungenschaften, die sich erst jetzt, fast 30 Jahre später, langsam in der BRD durchsetzen. Für junge Menschen waren Ausbildung und Studium komplett kostenlos. Zusätzlich erhielten sie ein Stipendium, welches die Grundbedürfnisse abdeckte. Unbedingt zu erwähnen ist noch die preiswerte Feriengestaltung für Kinder in Ferienlagern: 12 Mark pro Kind oder die Urlaubsaufenthalte in Ferienheimen für Arbeiter und Angestellte: 50 M pro Erwachsenen. Nicht zu vergessen die umfangreichen Subventionierungen der Artikel und Leistungen des Grundbedarfes (Grundnahrungsmittel, öffentliche Verkehrsmittel, Schulspeisung, Betriebskantinenessen, Fernwärme, Strom, Kultur), Solidaritätsleistungen auch für NichtDDR-Bürger.

Ein besonders sensibler Bereich des Sozialprogramms war die Absicherung der älteren Menschen, der Rentner. In diesem Zusammenhang wird von den heute Herrschenden regelmäßig von Altersarmut in der DDR gesprochen. Lassen wir auch hier die Fakten sprechen! Es stimmt, daß für einen nicht geringen Teil der älteren Menschen die Renten nicht üppig waren. Erst die Gegenüberstellung der Rentenzahlungen mit der im Alter üblichen Verbrauchsstruktur und den Kosten läßt eine realistische Aussage zur Auskömmlichkeit zu. Wie sah die Altersversorgung in der DDR tatsächlich aus? Die Finanzierung der Sozialversicherung erfolgte zum geringen Teil aus Beiträgen der Versicherten und zum größten Teil aus dem Staatshaushalt. Die Beiträge zur Versicherung betrugen 10 % des Einkommens, höchstens 60 Mark (Krankenversicherung, Rentenversicherung, Unfallversicherung). Aus diesen Beiträgen ergab sich Ende der 80er Jahre eine Mindestrente von 330 M und bei längerfristig Versicherten eine Rente von über 500 M. Zusätzlich zu dieser Grundversorgung bestand die Möglichkeit, bei einem Einkommen über 600 M, der freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FRZ) beizutreten, bzw. ein Teil der Beschäftigten gehörte einem der Sonderversorgungssysteme an (Intelligenz, Lehrer, Künstler, Bahn, Post, Parteien, bewaffnete Organe). Diese zusätzlichen Rentenzahlungen betrafen etwa 80 % der Altersrentner, die nach 1980 eine Rente bezogen.

Dieses beeindruckende Programm, welches weltweit einmalig gewesen sein dürfte, war natürlich nicht zum Nulltarif zu haben und führte auf einzelnen Gebieten zu nicht unerheblichen Disproportionen. So erfolgte z. B. der umfangreiche Neubau preiswerter Wohnungen zu Lasten der notwendigen Sanierungen der Innenstädte, es fehlten die Mittel für die Ausstattung des Gesundheitswesens mit modernster Technik, der Ausbau und die Instandsetzung der Infrastruktur konnte nicht im notwendigen Umfang realisiert werden. Die umfangreichen Subventionen wurden durch einen kleinen Teil der Bevölkerung zweckentfremdet genutzt. Die sozialpolitischen Maßnahmen führten zu ungeplanten erhöhten Ausgaben im konsumtiven Bereich zu Lasten der Modernisierung des produzierenden Bereiches. 

Wir sehen, daß es sich beim Sozialsystem der DDR insgesamt um ein sehr anspruchsvolles Unterfangen handelte. Andreas Wenzel

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