Die
Zeichen stehen auf Sturm
Am 29. Oktober kündigte
Bundeskanzlerin Angela Merkel an, auf dem CDU-Parteitag Anfang
Dezember nicht mehr für den Parteivorsitz zu kandidieren. Wann sie
ihr Regierungsamt verliert, ist seither unbestimmt. Das besagt: Sie
hat eine politische Krise ausgelöst. Die ist allerdings keine
Personalfrage, sondern ein Resultat langfristiger Tendenzen. Nach der
Konterrevolution in der DDR und der daraus folgenden enormen
Verschiebung des Kräfteverhältnisses der Klassen in der
Bundesrepublik zugunsten des Kapitals wurde die Arbeiterbewegung
durch die Regierungen Kohl, Schröder und Merkel systematisch
geschwächt. Lange vor dem Auftauchen der AfD verfolgten die drei
Bundeskanzler Großmachtambitionen und nahmen soziale Zugeständnisse
zurück, die nicht zuletzt wegen der Existenz der DDR und der anderen
sozialistischen Länder Europas bis 1990 erkämpft worden waren.
Im Ergebnis dieser Politik
gehört die Bundesrepublik heute zu den Industrieländern mit der
tiefsten Spaltung zwischen Arm und Reich. Dem sozialen Krieg nach
innen, für den als Symbol Hartz IV steht, entspricht die nach 1990
sprunghaft gestiegene Aggressivität nach außen. Seit 1990 geht von
deutschem Boden wieder Krieg aus – ob mit direkter Beteiligung der
Bundeswehr oder indirekt durch Bereitstellung zentraler Schaltstellen
für die US-Streitkräfte. Zugleich gelang es mit einer faktisch
chauvinistischen und rassistischen Ideologie, Protest dagegen
zurückzudrängen und ein weitgehendes Stillhalten der deutschen
Bevölkerung zu erreichen, nie allerdings das Einverständnis einer
Mehrheit. Die Rede von der „westlichen Wertegemeinschaft“
bedeutet, daß Kriegsgegner mindere Werte repräsentieren und
insbesondere das Leben ihrer Bevölkerungen nichts wert ist. Die
Behauptung, für Menschenrechte und Demokratie zu kämpfen, schließt
die Folterprogramme der CIA, bei denen auch die Bundesrepublik
umfassende Hilfe leistete, ein sowie die Auslöschung ganzer Regionen
weit weg von deutschen Grenzen.
Das Wort „Untermensch“
wird nicht benutzt, ist aber gemeint. Als die AfD mit ihrer Hetze
gegen das „faule“ Griechenland und später gegen Zuwanderer
begann, erntete sie, was die Kriegsparteien CDU/ CSU, SPD, FDP und
Grüne gesät hatten. Die Weltfinanz- und Weltwirtschaftskrise ab
2007 war ein Rückschlag für den globalen Imperialismus. Angela
Merkels Kanzlerschaft war von dieser Krise, die bis heute schwelt,
geprägt. Sie hatte aber seit 2008 zu ihrem politischen Ziel erklärt,
Deutschland „gestärkt“ daraus hervorgehen zu lassen.
Das ist ihr gelungen,
allerdings zu einem hohen Preis. Die Ungleichgewichte innerhalb der
EU haben sich in ihrer Amtszeit in einem Maße zugunsten des
deutschen Kapitals verschoben, der das imperialistische Konstrukt in
eine Existenzkrise gebracht hat. Der Vorsprung Deutschlands zu
Frankreich ist z. B., gemessen am Umfang des Bruttoinlandsprodukts,
von langjährig rund 600 Milliarden US-Dollar auf über eine Billion
Dollar gestiegen, gleiches gilt für Großbritannien, das aus der EU
strebt. Nun kündigt sich die nächste ökonomische Erschütterung
an, selbst bürgerliche Ökonomen nehmen wieder das Wort „Rezession“
in den Mund. Am 3. November warnte Angela Merkel, daß sich die Lage
der Weltwirtschaft „eintrübt“; im Klartext: Die Zeichen stehen
auf Sturm.
Jede Wirtschaftskrise
bedeutet aber eine Zuspitzung der Widersprüche zwischen
imperialistischen Staaten und in deren Innern. Der Kampf um die
zukünftige Herrschaftsform ist der Hintergrund für Merkels Rückzug
auf Raten und die dadurch akut gewordene politische Krise. Noch
findet die Auseinandersetzung ausschließlich innerhalb der
herrschenden Klasse statt. Der Ausgang dieses Ringens hängt davon
ab, ob es die Arbeiterklasse der Bundesrepublik und ihre
Organisationen, insbesondere die Gewerkschaften, schaffen, die
Kräfte, die angesichts der kommenden Krise eine andere Republik und
eine radikal rechte Regierung anstreben, zu stoppen. Arnold
Schölzel
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