Mittwoch, 5. Dezember 2018

Die Zeichen stehen auf Sturm - von Arnold Schölzel



Die Zeichen stehen auf Sturm

Am 29. Oktober kündigte Bundeskanzlerin Angela Merkel an, auf dem CDU-Parteitag Anfang Dezember nicht mehr für den Parteivorsitz zu kandidieren. Wann sie ihr Regierungsamt verliert, ist seither unbestimmt. Das besagt: Sie hat eine politische Krise ausgelöst. Die ist allerdings keine Personalfrage, sondern ein Resultat langfristiger Tendenzen. Nach der Konterrevolution in der DDR und der daraus folgenden enormen Verschiebung des Kräfteverhältnisses der Klassen in der Bundesrepublik zugunsten des Kapitals wurde die Arbeiterbewegung durch die Regierungen Kohl, Schröder und Merkel systematisch geschwächt. Lange vor dem Auftauchen der AfD verfolgten die drei Bundeskanzler Großmachtambitionen und nahmen soziale Zugeständnisse zurück, die nicht zuletzt wegen der Existenz der DDR und der anderen sozialistischen Länder Europas bis 1990 erkämpft worden waren.

Im Ergebnis dieser Politik gehört die Bundesrepublik heute zu den Industrieländern mit der tiefsten Spaltung zwischen Arm und Reich. Dem sozialen Krieg nach innen, für den als Symbol Hartz IV steht, entspricht die nach 1990 sprunghaft gestiegene Aggressivität nach außen. Seit 1990 geht von deutschem Boden wieder Krieg aus – ob mit direkter Beteiligung der Bundeswehr oder indirekt durch Bereitstellung zentraler Schaltstellen für die US-Streitkräfte. Zugleich gelang es mit einer faktisch chauvinistischen und rassistischen Ideologie, Protest dagegen zurückzudrängen und ein weitgehendes Stillhalten der deutschen Bevölkerung zu erreichen, nie allerdings das Einverständnis einer Mehrheit. Die Rede von der „westlichen Wertegemeinschaft“ bedeutet, daß Kriegsgegner mindere Werte repräsentieren und insbesondere das Leben ihrer Bevölkerungen nichts wert ist. Die Behauptung, für Menschenrechte und Demokratie zu kämpfen, schließt die Folterprogramme der CIA, bei denen auch die Bundesrepublik umfassende Hilfe leistete, ein sowie die Auslöschung ganzer Regionen weit weg von deutschen Grenzen.

Das Wort „Untermensch“ wird nicht benutzt, ist aber gemeint. Als die AfD mit ihrer Hetze gegen das „faule“ Griechenland und später gegen Zuwanderer begann, erntete sie, was die Kriegsparteien CDU/ CSU, SPD, FDP und Grüne gesät hatten. Die Weltfinanz- und Weltwirtschaftskrise ab 2007 war ein Rückschlag für den globalen Imperialismus. Angela Merkels Kanzlerschaft war von dieser Krise, die bis heute schwelt, geprägt. Sie hatte aber seit 2008 zu ihrem politischen Ziel erklärt, Deutschland „gestärkt“ daraus hervorgehen zu lassen.

Das ist ihr gelungen, allerdings zu einem hohen Preis. Die Ungleichgewichte innerhalb der EU haben sich in ihrer Amtszeit in einem Maße zugunsten des deutschen Kapitals verschoben, der das imperialistische Konstrukt in eine Existenzkrise gebracht hat. Der Vorsprung Deutschlands zu Frankreich ist z. B., gemessen am Umfang des Bruttoinlandsprodukts, von langjährig rund 600 Milliarden US-Dollar auf über eine Billion Dollar gestiegen, gleiches gilt für Großbritannien, das aus der EU strebt. Nun kündigt sich die nächste ökonomische Erschütterung an, selbst bürgerliche Ökonomen nehmen wieder das Wort „Rezession“ in den Mund. Am 3. November warnte Angela Merkel, daß sich die Lage der Weltwirtschaft „eintrübt“; im Klartext: Die Zeichen stehen auf Sturm.

Jede Wirtschaftskrise bedeutet aber eine Zuspitzung der Widersprüche zwischen imperialistischen Staaten und in deren Innern. Der Kampf um die zukünftige Herrschaftsform ist der Hintergrund für Merkels Rückzug auf Raten und die dadurch akut gewordene politische Krise. Noch findet die Auseinandersetzung ausschließlich innerhalb der herrschenden Klasse statt. Der Ausgang dieses Ringens hängt davon ab, ob es die Arbeiterklasse der Bundesrepublik und ihre Organisationen, insbesondere die Gewerkschaften, schaffen, die Kräfte, die angesichts der kommenden Krise eine andere Republik und eine radikal rechte Regierung anstreben, zu stoppen. Arnold Schölzel

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